Susanne Kühn, Neue Internationale 237, Mai 2017
Am 6. April gingen bundesweit Zehntausende gegen den Mietenwahnsinn auf die Straße. Allein durch Berlin zogen mindestens 40.000 Menschen. Nach Jahren rasanter Preissteigerungen am Wohnungsmarkt und immer größerer Gewinne der Immobilienhaie entsteht eine Massenbewegung. Und sie ist längst überfällig.
ArbeiterInnenmacht ist in verschiedenen Städten in der MieterInnenbewegung aktiv. In Berlin unterstützen wir die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ und deren Forderung nach einem Volksentscheid.
Die aktuelle Misere auf dem deutschen Wohnungsmarkt mit rasant steigenden Mieten ist das Resultat des stetigen Abbaus sozialer Förderprogramme bei gleichzeitiger Privatisierung. Bundesweit wurde 1990 die Wohnungsgemeinnützigkeit ersatzlos abgeschafft, die Wohnungsbauförderung 2001 faktisch beendet und 2006 die Zuständigkeit dafür an die Bundesländer delegiert. Allein zwischen 1995 und 2010 wurden mehr als 1 Million öffentlicher Wohnungen privatisiert. Auch heute noch fallen jedes Jahr durchschnittlich 130.000 günstige Mietwohnungen weg. Die ImmobilienspekulantInnen wie Vonovia oder Deutsche Wohnen machen Milliardenprofite.
Zugleich hat sich die Zahl der Wohnungslosen in den letzten 10 Jahren von 200.000 auf 1,2 Millionen versechsfacht. Ein Grund hierfür sind die in diesem Zeitraum extrem gestiegenen Mieten. Der andere sind stagnierende Einkommen, Billiglohn, Hartz IV oder Armut.
Das bedeutet eine Verdrängung von Gering- und NormalverdienerInnen in die Vorstädte, ein allmähliches Absterben der städtischen Vielfalt und Kultur. Die Filetgrundstücke luxussanierter Wohnungen teilen InvestorInnen, Hedgefonds und Immobilienverwaltungen untereinander auf, um sie einer kleinen, finanzkräftigeren Klientel statt den bisherigen BewohnerInnen anzubieten.
Bürgerliche Wohnungs- und Bodenreformpolitik richtet sich lediglich gegen „spekulative Auswüchse“, also nicht gegen das private Grundeigentum. Unions-Parteien, FDP und AfD springen den ProfiteurInnen der Wohnungsmisere bei und fordern noch mehr Privatisierung und einen noch „freieren“ Markt. Die SPD „bremst“ mit leeren Worten und halbherzigen Maßnahmen, die wie die sog. Mietpreisbremse noch zusätzlich verwässert werden.
Der Wohnungssektor ist Teil des kapitalistischen Gesamtsystems. Der Kampf der MieterInnen muss daher als Klassenkampf geführt werden. Hausbesetzungen, welche den Leerstand aufzeigen, können dabei ein Mittel gegen Wohnungs- und Mietspekulation sein. Allerdings stoßen sie rasch an ihre Grenzen, wenn diese Kämpfe isoliert von der Klasse stattfinden.
Daher ist es wichtig, die Gewerkschaften und andere Organisationen, die sich auf die ArbeiterInnenklasse beziehen, in diesen Kampf einzubinden. Wir können uns nicht mit der Besetzung und Beschlagnahme vorhandenen Wohnraums sowie einer Mietpreisbremse begnügen, sondern schlagen auch ein Programm öffentlicher Wohnungsbau- und Sanierungsmaßnahmen vor, wo die Beschäftigten zu Tariflöhnen bezahlt und die aus Unternehmerprofiten finanziert werden: