Douglas Diniz, Journalist (RSF; Reporter:innen ohne Grenzen), Mitglied der Leitung der Sozialistischen Revolution und der Internationalen Sozialistischen Liga, Koordinator des Portals Info.Revolução, Infomail 1297, 18. November 2025
Vorbemerkung der Redaktion: Wir stehen dem Begriff „Ökosozialismus“ zwar kritisch gegenüber (siehe dazu: Revolutionärer Marxismus 54), aber der Beitrag der Genoss:innen aus Brasilien beleuchtet aus erster Hand die Umweltschäden im Amazonasgebiet, während nicht weit entfernt davon der Klimazirkus namens COP 30 verhandelt.
Belém, Pará (Brasilien) – Der Amazonas hat einen unschätzbaren natürlichen Reichtum: das Sistema Aquífero Grande Amazônia (SAGA; großes Grundwasserleitungssystem Amazonas). Die Erkenntnis seines riesigen Potenzials ist aber weniger ein Grund zum Feiern, sondern eher ein ökosozialistischer Weckruf, wie dringend es ist, dieses Gemeingut vor der Ausbeutung durch das Kapital zu schützen.
Wissenschaftler:innen bestätigen, dass dieser riesige „unterirdische Ozean“ der größte Grundwasserspeicher der Erde ist. Der Fokus sollte aber nicht nur auf seiner Größe liegen, sondern auch auf dem Klassenkonflikt, den seine Existenz aufzeigt.
Mit einem geschätzten Volumen von 162.000 Kubikkilometern hat SAGA genug Wasser, um den ganzen Planeten 250 Jahre lang zu versorgen.
Trotzdem kann und darf dieser Reichtum nicht wie eine weitere Ware behandelt werden, die vom Markt ausgebeutet wird.
Forscher:innen der Bundesstaatsuniversität von Pará (UFPA) bestätigen, dass SAGA und der Amazonas-Regenwald voneinander abhängig sind: Das eine kann ohne den anderen nicht überleben. Aus dieser lebenswichtigen Verbindung entstehen die Regenfälle, die Brasilien bewässern.
Jedes Jahr leitet der Wald etwa acht Billiarden Liter Wasser an den Rest des Landes weiter und sichert so das Regenregime im mittleren Westen und Südosten.
Ironischer Weise ist es genau dieses Wasser aus dem Amazonasgebiet, das heute die Agrarindustrie am Leben hält, einen der profitabelsten Wirtschaftszweige Brasiliens – und gleichzeitig den Hauptgrund für die Zerstörung des Waldes, der sein eigenes Überleben mit Wasser sichert.
Die räuberische Ausbeutung des Amazonasgebiets, angetrieben durch den sofortigen Profit der Agrarindustrie und des Rohstoffkapitals, bedroht das Wassersystem, das das Leben sowie die Wirtschaft des gesamten Kontinents erhält. Der kapitalistische Profit erweist sich einmal mehr als direkter Feind des Lebens auf dem Planeten.
Das Sistema Aquífero Grande Amazônia (SAGA) ist ein strategischer Reichtum und ein wichtiger Pfeiler der brasilianischen Souveränität. Diese Souveränität kann aber nur funktionieren, wenn die Verwaltung der natürlichen Ressourcen in den Händen der Bevölkerung liegt – und nicht den Interessen des Kapitals untergeordnet ist. Im Jahr 2024 hat der Gouverneur von Pará (Bundesstaat im Norden Brasiliens), Hélder Barbalho (MDB, Movimento Democrático Brasileiro; Brasilianische Demokratische Bewegung, Mitte-Rechts-Partei, wirtschaftsliberal), die Privatisierung der Companhia de Saneamento do Pará (COSANPA; Sanitärversorgungsgesellschaft des Bundesstaats Pará)) durchgesetzt, obwohl es starken Widerstand von sozialen Bewegungen und eine intensive Mobilisierung der Gewerkschaftsbewegung in Pará gab. Die Übergabe der COSANPA an die Privatwirtschaft – in einem Bundesstaat, der über die größten Grundwasservorkommen der Welt verfügt – zeigt den Widerspruch zwischen dem Diskurs und der Praxis der Regierung. Das ganze Gerede von der „Verteidigung des Naturerbes“, das Hélder Barbalho am Vorabend der COP 30 wiederholt hat, entpuppt sich als leeres Maulheldentum.
Indem er den Profit der Großunternehmen in den Vordergrund stellt, rückt der Gouverneur die Wasserversorgungssicherheit und die demokratische Verwaltung der öffentlichen Ressourcen in den Hintergrund.
Für die Befürworter:innen des Ökosozialismus – im Gegensatz zum sogenannten grünen Kapitalismus und dem von den Konzernen auferlegten Modell der „nachhaltigen Entwicklung“ – ist der Erhalt von SAGA nicht verhandelbar. Es ist ein Gemeingut und muss unter öffentlicher und volksnaher Kontrolle bleiben, als Teil des Kampfes zur Verteidigung des Lebens, der Souveränität und des Amazonasgebiets.
Das große Amazonas-Grundwassersystem ist das größte Süßwasserreservoir der Erde – eine strategisch wichtige Ressource für Brasilien und die globale Wasserversorgungssicherheit.
Wo liegt es? Es erstreckt sich unter dem Amazonasgebiet und beginnt an den Ausläufern der Anden. Es umfasst Gebiete in Ecuador, Kolumbien, Peru und vor allem Brasilien, wobei ein großer Teil im Bundesstaat Pará liegt.
Seit wann weiß man von SAGA? Es wurde 2013 entdeckt und hat ein geschätztes Volumen von mehr als 162.000 km³ Wasser, was das Acuífero Guaraní (Grundwasserleiter auf dem Gebiet der indigenen Guaraní) weit übertrifft.
Welche Bedeutung hat es für Brasilien? Es füllt Flüsse wieder auf und ist super wichtig für den Regen in weit entfernten Regionen wie dem Mittleren Westen und dem Südosten.
Welche Rolle spielt das System für das ökologische Gleichgewicht? Der Grundwasserspeicher und der Amazonas-Regenwald sind voneinander abhängig. Der Wald sorgt durch die Erhöhung der Luftfeuchtigkeit dafür, dass der SAGA erhalten bleibt und immer wieder aufgefüllt wird.
Was bedroht es? Abholzung, Bergbau und Raubbau gefährden ständig diese unschätzbare Wasserreserve.
Inwiefern ist der Kampf um Erhalt von globaler Wichtigkeit? Der Schutz des Amazonasgebiets und des SAGA ist wichtig, um den Zugang zu Trinkwasser zu sichern und das Gleichgewicht des globalen Wasserkreislaufs zu erhalten, wodurch die brasilianische Souveränität über eine unersetzliche Ressource bekräftigt wird.
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