Felix Ruga, Neue Internationale 286, November 2026
Aktuell erleben wir einen weltpolitischen Umbruch. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 markierte eine „Zeitwende“, ebenso die Wahl Trumps und die damit verbundene neue globale Strategie des US-Imperialismus. Aktuell stehen einander nicht nur mehr oder weniger offen rivalisierende Machtblöcke gegenüber. China im Verbund mit Russland und einigen Regionalmächten fordert die US-Vorherrschaft heraus – während die EU als Block nicht nur an Einfluss verliert, sondern auch die transatlantische „Partnerschaft“, die ohnedies immer auch ein US-dominiertes Zweckbündnis war, auf der Kippe steht. Gleichzeitig verschärfen sich globale wirtschaftliche Krisenerscheinungen. Der deutsche Imperialismus, einst Profiteur der Globalisierung, gerät angesichts dieser Lage in eine tiefe Krise: außenpolitisch, ökonomisch und innenpolitisch. Die neue schwarz-rote Bundesregierung unter Kanzler Merz reagiert darauf mit einem Generalangriff nach außen und innen. Um die Situation zu verstehen und sich auf eine strategische Neuorientierung vorzubereiten, gilt es, die Ursachen und Folgen dieser Krise zu analysieren. Kurz: Die Welt wird neu aufgeteilt, und der deutsche Imperialismus antwortet darauf mit dem größten Aufrüstungsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg und Kriegskurs nach außen und Sozialabbau, Rassismus und Angriff auf demokratische Rechte nach innen. Im Folgenden präsentieren wir Thesen zur außenpolitischen, wirtschaftlichen und demokratischen Krise des deutschen Imperialismus.
1. In der Periode vor der „Zeitenwende“ profitierte der deutsche Imperialismus von einer instabilen, aber für ihn vorteilhaften Weltordnung. Als führende Macht in der EU (gemeinsam mit Frankreich) dominierte Berlin den Staatenbund, welcher selbst aber immer tiefere Brüche zeigte, nicht nur zwischen reicheren und ärmeren Mitgliedern, sondern auch zwischen tradierten imperialistischen Mächten. Die gegenwärtige Weltlage vertieft diesen inneren Widerspruch in der EU. Einerseits müsste sie, um den USA, China und Russland Paroli bieten zu können, die kapitalistische und imperialistische Vereinigung vorantreiben. Doch diese stößt angesichts der unterschiedlichen Sonderinteressen der wichtigsten Staaten und deren nationaler Gesamtkapitale zugleich auf immer größere Hindernisse.
2. Militärisch stützten sich Deutschland und die EU auf den NATO-Rückhalt der USA und konnten so ihre eigenen Militärausgaben lange vergleichsweise gering halten (2021 nur 1,3 % des BIP statt des geforderten 2-%-Ziels der NATO). Zugleich pflegte es ein widersprüchliches Verhältnis zu Russland: außenpolitische Distanz in Worten bei gleichzeitig reger Wirtschaftskooperation. Über 50 % des Erdgases und ein Drittel des Erdöls bezog Deutschland 2021 aus Russland. Dies konnte eine gewisse Unabhängigkeit vom US-Imperialismus schaffen. Trotz Finanz-, Eurokrise und Pandemie behauptete Deutschland so bis 2022 seine Vormachtstellung in Europa. Diese behält es natürlich weiter inne und die EU und der Euro stellen trotz ihrer Widersprüche für den deutschen Imperialismus eine wichtige ökonomische und geostrategische Errungenschaft dar, weil der EU-Raum gerade in Osteuropa ein wichtiges abhängiges halbkoloniales Gebiet darstellt – als Markt, als Standort für Investitionen und Produktion und als billiges Arbeitskräftereservoir.
3. Russlands Überfall auf die Ukraine zerstörte das fragile globale Gleichgewicht und offenbarte den offenen Konflikt der imperialistischen Blöcke. Deutschlands Widersprüchlichkeit gegenüber Russland musste beendet werden und Berlin ordnete sich fortan vollständig der US-Kriegsstrategie unter, welcher die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und Russland ohnehin ein Dorn im Auge waren. Exporte und Energieimporte wurden gekappt. Zugleich zeigt die offene Konfrontation der Blöcke, dass auch die BRD sich darauf einstellen muss, ihre Interessen künftig notfalls militärisch durchzusetzen, und zwar nicht nur gegenüber Halbkolonien, sondern in einem möglichen großen imperialistischen Krieg. Die Epoche, in der eine kleine spezialisierte Armee ausreicht, falls die diplomatischen und wirtschaftlichen Druckmittel nicht fruchten, ist vorbei. Unmittelbar wurde die bereits jahrelang hochgerüstete Ukraine mit militärischen Altbeständen überhäuft. Gleichzeitig rächte sich die frühere Energieabhängigkeit schlagartig: Die Preise explodierten, und in Europa entbrannte ein Streit um die Verteilung der Lasten. Auch wenn die EU-Staaten im Kriegskurs einigermaßen geeint vorgingen, offenbarten sie, dass sie in den großen Konflikten keine eigenständige Rolle spielen können, indem sie in ihren Entscheidungen stets dem Pentagon folgen. Die EU befindet sich als Weltmacht auf dem absteigenden Ast. Alte Sicherheiten sind Geschichte.
4. Die Wiederwahl Trumps in den USA verschärft den transatlantischen Konflikt zusätzlich. Washington agiert offen unilateral und setzt Verbündete wie Deutschland unter Druck, sei es durch Sanktionsdrohungen, Handelskriege oder die Drohung, im Zweifelsfall Bündnispartner:innen fallenzulassen. Die viel beschworene westliche „Wertegemeinschaft“ erweist sich als Einbahnstraße: Europa soll sich dem Kurs der USA unterordnen, kann sich aber umgekehrt nicht auf deren Schutz verlassen. Unter diesem äußeren Druck wurden die europäischen Zusagen zur NATO und einer US-geführten Militärstrategie nur umso verbindlicher, indem zum Beispiel die fieberhafte Aufrüstung der NATO in Form des 5-%-Ziels offen unterstützt wurde.
5. Die herrschende Klasse in Deutschland reagiert auf die außenpolitische Krise mit massivem Militarismus, um den eigenen Weltmachtanspruch über die EU noch einigermaßen glaubhaft behaupten zu können. Die sogenannte „Zeitenwende“ bedeutet ein beispielloses Aufrüstungsprogramm: Nach den 100 Mrd. Euro „Sondervermögen“ der Ampel-Regierung legte die neue Schwarz-Rot-Koalition durch die enthusiastische Unterstützung der neuen NATO-Ziele noch drastisch nach. Der Verteidigungsetat soll auf 3,5 % des BIP steigen, also rund 150 Mrd. Euro jährlich, fast so viel wie Russland derzeit im Krieg ausgibt und etwa ein Drittel des gesamten Bundeshaushalts! Hinzu kommen 1,5 % für kriegswichtige Infrastruktur – also insgesamt 5 %! Sogar die Wiedereinführung der Wehrpflicht steht nun an, um genügend „Menschenmaterial“ für mögliche Großkonflikte zu haben. Gleichzeitig drängt die schwarz-rote Koalition darauf, die militärische Zusammenarbeit sowohl zwischen den EU-Staaten als auch auf Gesamtebene der EU zu erhöhen, indem die Aufrüstung gemeinsam und abgesprochen vorangetrieben wird. All das zielt darauf ab, das Gewicht des deutschen Imperialismus weltweit zu steigern, notfalls auch gegen (ehemalige) Verbündete.
6. Das deutsche Kapital stützte seinen ökonomischen Erfolg lange auf das Modell „Exportweltmeister“. Seit Jahrzehnten gehört Deutschland zu den Volkswirtschaften mit den größten Warenhandelsüberschüssen weltweit und liegt hinter China auf Platz zwei; 2019 betrug dieser nahezu 250 Mrd. US-Dollar. Hauptsächlich exportiert werden klassische Industrieprodukte des 20. Jahrhunderts: Autos (ca. 17 % der Ausfuhren), Maschinen (14 %) und Chemieerzeugnisse (9 %). Etwa 60 % der deutschen Exporte gehen in die EU, doch die größten Einzelabnehmer:innen waren zuletzt China und die USA. Deutschlands Großkonzerne zählen zu den Gewinnern der kapitalistischen Globalisierung. Doch dieses Modell gerät zunehmend ins Wanken, weil das deutsche Kapital in entscheidenden Wirtschaftssektoren gegenüber Chinas und den USA zurückfällt.
7. Die Grundlage des deutschen Exportbooms sind brutale Ausbeutungsverhältnisse in den Halbkolonien und extrem hohe Arbeitsproduktivität und damit eine sehr hohe Mehrwertrate im Inland. Die Industrie verlagerte ganze Zulieferketten in Niedriglohnländer Osteuropas (z. B. Polen, Ungarn, Rumänien), wo Löhne nur ein Fünftel oder gar ein Zehntel des deutschen Niveaus betragen. Gleichzeitig profitierte das Kapital von billigem russischem Gas und Öl, das insbesondere die Chemieindustrie jahrelang konkurrenzfähig hielt. Im Inland sichern nicht nur der massiv angewachsene Niedriglohnsektor (rund ein Viertel aller Beschäftigten arbeitet für weniger als zwei Drittel des Medianlohns) und eine enorm hohe Produktivität der Kernschichten der Klasse eine hohe Ausbeutungsrate und damit Profitabilität. Arbeitsmarkt-„Reformen“ wie die Agenda 2010 haben gewerkschaftliche Rechte ausgehöhlt und Millionen Erwerbslose in prekäre Jobs oder ins drakonische Jobcenter-System gezwungen, während der besserbezahlte Kern der Belegschaften durch Sozialpartnerschaft und minimale Zugeständnisse befriedet wurde und damit etwas vom Erfolg der Großkonzerne profitieren konnte. Frauen, Migrant:innen und Ostdeutsche sind im Niedriglohnsektor überproportional vertreten. Die Gewerkschaftsführungen halfen, dieses Regime zu verwalten: Die Streikrate in Deutschland gehört seit vielen Jahren zu den niedrigsten in Europa.
8. Doch die weltwirtschaftlichen Bedingungen haben sich radikal geändert. Das Exportmodell steckt in einer Krise. Deutsche Schlüsselindustrien stehen massiv unter Druck: Der globale Umstieg auf Elektromobilität trifft die hiesigen Autokonzerne ins Mark, da sie bei Elektroautos international kaum konkurrenzfähig sind. In nur einem Jahr (2024) brach der Export von deutschen Wagen nach China um 17,9 % ein. In den USA stützt die Regierungspolitik die eigene Industrie und setzt deutsche und andere Exporteur:innen unter Druck. Gleichzeitig verfolgt China verstärkt eine Strategie wirtschaftlicher Eigenständigkeit, was die Einfuhr von Maschinen und Anlagen dämpft. Die westlichen Sanktionen gegen Russland kappten den Nachschub billiger Energie, was die Kosten in Deutschland in die Höhe treibt. Unter dem Strich drohen den wichtigsten Exportbranchen drastische Gewinneinbrüche. So verzeichneten VW, BMW und Mercedes 2024 jeweils circa 30 % weniger Nettogewinne. Das einstige Erfolgsmodell des deutschen Kapitals stößt an seine Grenzen.
9. Eine grundlegende Umstellung des Produktionsmodells wie etwa die Ausweitung der Rüstungsindustrie steckt allenfalls in den Anfängen und kann den Einbruch nicht kompensieren. Stattdessen versuchen die großen Konzerne, die ökonomische Krise auf die Arbeiter:innenklasse abzuwälzen. Anstatt also einen echten Kurswechsel vorzunehmen, sollen die Profite des Monopolkapitals durch Lohnkürzungen, Entlassungen und Sozialabbau gesichert werden. Die hohe Inflation seit 2022 führte bereits zu einem Reallohnverlust von rund 4 %, der bis heute nicht ausgeglichen ist. Vor allem sind Wohnen, Energie und Lebensmittel drastisch teurer geworden. Im Unterschied zur vergangenen Periode werden nun auch besserverdienende Schichten der Arbeiter:innenklasse getroffen: Während die Inflation den Reallohn auffrisst, planen Großkonzerne wie VW Werksschließungen und Massenentlassungen selbst in gut bezahlten Bereichen, und die „Sozialpartnerschaft“ wird von Kapitalseite offen gekündigt.
10. Die neue Regierung zementiert diesen Generalangriff mit einem umfassenden Kürzungs- und Deregulierungsprogramm. Von einer keynesianischen Industriepolitik will die schwarz-rote Koalition nichts wissen, da sie sowohl Steuererhöhungen für Reiche als auch schuldenfinanzierte Investitionen in etwas anderes als die Rüstung weitestgehend ablehnt. Die gigantische Aufrüstung auf Pump wird zwangsläufig durch Einsparungen in Bildung, Gesundheit, Rente und Sozialleistungen bezahlt. Neben dem Zusammenstreichen der öffentlichen Daseinsvorsorge soll durch Schikanen gegenüber Arbeitslosen und Geringverdienenden „gespart“ werden: Das Bürgergeld (bald Grundsicherung) wird real gekürzt und mit härteren Sanktionen verknüpft, um Löhne unten zu halten. Eine sogenannte „Aktivrente“ soll Senior:innen zwingen, über das Rentenalter hinaus zu Niedriglöhnen weiterzuarbeiten, um nicht in Altersarmut zu geraten. Arbeitszeiten werden „flexibilisiert“, das heißt, Arbeitsschutzrechte wie maximale Tagesarbeitszeiten werden ausgehebelt. Gleichzeitig schont die Koalition das Kapital: Unternehmen erhalten Steuergeschenke (z. B. 30 % Sofortabschreibung auf Investitionen) und niedrigere Auflagen bei Umwelt- und Verbraucherschutz (beschönigt als „Entbürokratisierung“). Schwarz-Rot betreibt damit nichts weniger als die umfassende Verarmung und Entmachtung der Arbeiter:innenklasse zur Sicherung der Profite des Großkapitals.
11. Die 16-jährige Merkel-Ära schuf innenpolitisch den Eindruck von Stabilität und sozialem Frieden. Ihre Koalitionen setzten die Interessen des Monopolkapitals zwar durch (Angriffe, Austerität und „Alternativlosigkeit“), aber im Rahmen eines gewissen sozialpartnerschaftlichen Ausgleichs. Offene Konfrontation vermied Merkel und gab sich dialogbereit. Sie heuchelte Verständnis für Klimaschutz und soziale Anliegen, um dann zahnlose Kompromisse (wie das Klimapäckchen 2019) oder symbolische Gesten zu präsentieren. Nach ihren „Refugees Welcome“-Bekundungen verschärfte sie beispielsweise das Asylrecht drastisch, präsentierte sich aber noch immer als „sorgende“ Kanzlerin. So hielt Merkel soziale Proteste entweder klein oder zahm und setzte am Ende zwar immer den Kurs des Kapitals durch, aber angesichts der verschärften Konkurrenz gingen diese Konterreformen viel zu langsam voran.
12. Trotzdem (oder auch gerade deswegen) driftete der Parlamentarismus nach rechts. Die AfD etablierte sich ab 2015 zunehmend als rassistische Protestpartei, indem vor allem gegen Geflüchtete rassistische Hetze betrieben wurde und sie dabei vom Frust über die „alternativlose“ Politik der herrschenden Parteien profitierte. Zwar wurde die AfD lange von allen anderen Parteien ausgegrenzt, doch konnte sie sich bundesweit festsetzen, insbesondere in Ostdeutschland, wo sie zur stärksten Kraft aufstieg. Der Erfolg der AfD wie auch anderer rechtspopulistischer Parteien weltweit markiert hierbei vor allem die Schwäche der politischen Linken, der Gewerkschaften und der Arbeiter:innenbewegung überhaupt, die in reformistischen Illusionen verhaftet und dadurch nicht dazu in der Lage sind, die sozialen Krisen progressiv aufzulösen. So verzeichnen aber auch die ehemaligen „Volksparteien“ einen historischen Einbruch: 2013 vereinigten CDU/CSU und SPD noch rund 80 % der Bundestagssitze auf sich, während sie 2025 nur ganz knapp die Regierung bilden konnten, indem ca. 13 % der Stimmen durch die 5-%-Hürde nicht berücksichtigt wurden.
13. Seit 2022 spitzen sich die politischen Krisen drastisch zu. Die Ampel-Koalition zerbrach vorzeitig und stürzte den bürgerlichen Staat in eine Regierungskrise. Neue gesellschaftliche Konflikte polarisieren das Land: Die Debatte über Deutschlands Rolle im Ukrainekrieg, vor allem aber der Zulauf von ehemaligen Wähler:innen zum Rassismus der AfD führten zum einen zur Abspaltung des BSW aus der Linkspartei und zum anderen zu einem starken neuen Betätigungsfeld der AfD, die 2025 mit 21 % zur zweitstärksten Kraft aufstieg. Gleichzeitig formierte sich eine globale Palästinasolidaritätsbewegung, die in Deutschland frontal mit der Staatsräson kollidiert. Der Niedergang des Exportmodells stellt an jeder Ecke staatlichen Handelns die Fragen der Finanzierbarkeit.
14. Die herrschende Klasse antwortet mit einer weiteren Rechtsverschiebung und autoritärer Formierung des Staates. Die neue schwarz-rote Koalition unter Merz setzt, getreu dessen Motto, Deutschland „wieder an die Spitze“ zu bringen, eine stramm rechte Politik um, und zwar ganz ohne Beteiligung der AfD. Rassistische Abschottung wird zur Staatsdoktrin: Illegale Grenzkontrollen hebeln das Asylrecht aus, Schutzsuchende werden zurückgewiesen, der Familiennachzug für Geflüchtete wird ausgesetzt und unabhängige Asylberatung wird abgeschafft. Es wurde sogar diskutiert, ob künftig bereits eingebürgerten Menschen die Staatsangehörigkeit entzogen werden kann, wenn sie als „Extremist:innen“ oder unerwünschte Aktivist:innen gelten. Gleichzeitig zeigt sich die Union immer wieder für Kooperation mit der AfD bereit, um so die „Mitte“ und vor allem die SPD erfolgreich unter Druck zu setzen. Dem Entsetzen und der Empörung über jedes neue drohende „Einreißen“ der Brandmauer gegenüber der AfD folgten schließlich „Kompromisse“, bei denen die Koalition wieder einen Schritt nach rechts geht. Diese Manöver der CDU dienen nicht nur dazu, die SPD, die Grünen und auch die Gewerkschaften gefügig zu machen bzw. zu halten, sondern signalisieren, dass so auch eine mögliche Koalition mit der AfD als Option vorbereitet wird. Das entscheidende Hindernis dabei ist letztlich die Haltung zur EU. Solange die AfD an ihrem Anti-EU-Kurs festhält und das deutsche Kapital auf deren imperialistische Vereinheitlichung setzt, ist eine Koalition mit dem Rechtspopulismus nur möglich, wenn die AfD eine Wende à la Meloni in Italien machen würde.
15. Zugleich wird der weitere Zulauf zur AfD als Vorwand dafür verwendet, den rassistischen Kurs weiter zu verschärfen. Auch die kommenden ostdeutschen Landtagswahlen mit momentanen AfD-Prognosen um die 40 % drängen hier auf eine Lösung. Innenpolitisch gibt Merz den Law-and-Order-Macher: Er beschwört eine Nation, „die nicht im Krieg, aber auch nicht mehr im Frieden ist“, um die Aufrüstung als Verteidigung zu verkaufen, und hetzt gegen Migrant:innen und Arbeitslose, fordert die Säuberung der städtischen Zentren. Zunehmend werden Protestbewegungen mit Polizeigewalt, Verboten und Kriminalisierung beantwortet: Gegenüber Klimabewegungen wie der „Letzten Generation“ oder den aktuellen Palästinaprotesten ersetzt staatliche Härte jegliche Illusionen von Einbeziehung. All das ist ein Vorgeschmack auf einen neuen Autoritarismus. Die Repression gegen die Palästinabewegung dient dabei als Generalprobe, wie zukünftig soziale Konflikte gelöst werden sollen.
16. Die neue Koalition ist also kein bloßer Regierungswechsel, sondern ein Generalangriff auf die Lebensbedingungen und demokratischen Rechte der Arbeiter:innen. Ihr Kurs ist Teil der imperialistischen Aufrüstung Europas – angetrieben durch die Neuaufteilung der Welt und die wachsende Krise des deutschen Kapitals, das um seine Stellung im globalen Konkurrenzkampf ringt. Diese Regierung steht für die Verschärfung des Klassenkampfs von oben. Ihr Angriff wird sich nicht mit ein paar Demonstrationen oder symbolischen Aktionstagen aufhalten lassen – er erfordert eine entschlossene, sozialistische Antwort der Arbeiter:innenbewegung.