Arbeiter:innenmacht

Frauenhäuser: Kaputtgespart

Sonti M. und Punky Weber, Revolution Deutschland, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung 13, März 2025

In Krisenzeiten kommt es zu einem Anstieg von Gewalt gegen Frauen, umso wichtiger werden Frauenhäuser als unverzichtbare Schutzräume. Im Jahr 2023 wurden mehr als 180.715 Fälle verzeichnet, was einem Anstieg von 5,6 % entspricht. Außerdem ereignet sich nicht mehr „nur” alle zwei Tage ein Femizid, sondern mittlerweile fast täglich. Frauen und Mädchen werden in Deutschland ca. alle 3 Minuten Opfer häuslicher Gewalt.

Mangel an Schutz

Doch den Frauenhäusen mangelt es schlichtweg an Plätzen für die Betroffenen. Bundesweit stehen nur 7.700 Plätze zur Verfügung, während der Bedarf – laut Istanbuler Konvention – bei 21.000 liegt. Demnach müssen tagtäglich Schutzsuchende abgewiesen werden: In einer kürzlich veröffentlichten Kostenstudie gaben die befragten Frauenhäuser für das Jahr 2022 an, dass sie 10.114 Frauen mit Kindern und 6.268 Frauen ohne Kinder aufgrund von Platzmangel abweisen mussten[1]. Hinzu kommt die problematische Finanzierung, diese ist nicht flächendeckend geregelt, sondern je nach Region unterschiedlich. Das führt z. B. dazu, dass Frauen und Mädchen, die keine Sozialleistungen oder  Bürger:innengeld beziehen, oftmals dazu gezwungen sind, die Kosten selbst zu tragen. Mehr als jede vierte Frau musste 2023 ihren Aufenthalt im Frauenhaus teilweise oder vollständig selbst bezahlen. Dabei variieren die Kosten je nach Region von 10–150 Euro pro Tag und Person. Das betrifft besonders häufig ohnehin marginalisierte Gruppen wie Menschen mit Migrationshintergrund, arme Frauen oder Studierende und führt dazu, dass diese sich zunehmend verschulden[2]. Zusätzlich gilt der Aufenthalt im Frauenhaus auch als Armutsrisiko: Nach dem Frauenhausaufenthalt stehen zwei Drittel (65 %) der ehemaligen Bewohner:innen im SGB-II-Leistungsbezug. Vor dem Aufenthalt waren es nur 38 %. Die Statistik für 2023 zeigt zudem, dass während des Frauenhausaufenthaltes der Anteil von erwerbstätigen Frauen von 23 % auf 15 % zurückging.

Die Betrachtung dieser Tagessätze offenbart die kapitalistische Logik: Anstatt Frauenhäuser ausreichend zu finanzieren, ordnete die neoliberale Sparpolitik die soziale Sicherheit der Profitmaximierung unter. Dies verdeutlicht die tief verwurzelte Misogynie im kapitalistischen System. Dennoch gibt es auch positive Entwicklungen: Schleswig-Holstein zum Beispiel übernimmt die Kosten für Frauenhäuser vollständig. Dies ist jedoch deutschlandweit ein Einzelfall. In den meisten Regionen werden Frauenhäuser durch eine Kombination aus Landesmitteln, kommunalen Zuschüssen, Spenden und Eigenbeteiligungen finanziert. Zwar stellt der Bund häufig eine gewisse Grundfinanzierung bereit, doch die Bürokratie verkompliziert den Prozess erheblich: Eine Beantragung kann bis zu drei Jahre dauern. Hinzu kommt, dass durch die Unterfinanzierung Ansprechpersonen in den zuständigen Stellen häufig wegfallen oder ausgetauscht werden.

Das Gewalthilfegesetz der Ampelregierung

Die Ampelregierung hat zu Beginn der Legislaturperiode versprochen, einen bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für die Frauenhausfinanzierung zu schaffen – und sich für eine Streichung der Selbstbeteiligung einzusetzen. Doch direkt am Anfang wurde die Vorfreude gedämpft. So hieß es, dass ein solches Gesetz vor 2024 nicht in Kraft tritt, erst einmal sollte eine Kostenstudie in Auftrag gegeben werden. Das Ergebnis kam dann 2023: Würde die Istanbul-Konvention konsequent umgesetzt werden, entstünden Kosten von 1,6 Milliarden Euro pro Jahr. Im Vergleich: Die Kosten zur Erhaltung des Status quo betragen lediglich 270,5 Millionen Euro pro Jahr. Das Gesetz wurde auf die lange Bank geschoben. Stattdessen wurde bis 2024 eine Koordinierungsstelle aufgebaut, die eine Gesamtstrategie zur Umsetzung der Istanbul-Konvention entwickeln soll.

Dann scheiterte die Ampelkoalition und das Gesetz ist nicht rechtzeitig für seine Umsetzung in dieser Legislaturperiode durch alle Abstimmungen gekommen. Die Ampel hat zusätzlich den im Bundeshaushalt 2023 vorgesehenen Posten für Investitionen in Frauenhäuser erst einmal von 30 auf 20 Millionen Euro gekürzt. Begründet wurde das damit, dass die vorgesehenen Mittel im Vorjahr nicht vollständig abgerufen worden seien. Dies liegt jedoch nicht an fehlendem Bedarf, sondern an der enormen Bürokratiehürde. Zudem hätten selbst 30 Millionen Euro nicht ausgereicht. Frauenhäuser können nicht neue Plätze schaffen, um dann nicht genügend Geld für das nötige Personal zu haben – zu wenig Geld bringt oft genauso viel wie überhaupt keines.

Was ist mittlerweile aus dem versprochenen Gesetz geworden?

Das Kabinett hat den vorgelegten Entwurf am 27. November 2024 beschlossen. Am 14. Februar 2025 hat auch der Bundesrat dem Gewalthilfegesetz zugestimmt. Damit ist nun Folgendes gesetzlich verankert: Durch das Gesetz gibt es einen Rechtsanspruch auf eine kostenfreie und bedarfsgerechte Hilfe oder Beratung für Gewaltbetroffene sowie eine gesicherte Finanzierung, an der sich der Bund beteiligt. Doch problematisch bleibt nach wie vor: Der Rechtsanspruch wird wohl erst 2032 in Kraft treten (!). In den nächsten 7 Jahren werden also weitere Betroffene abgewiesen werden müssen. Außerdem sieht der Rechtsanspruch zwar ein Anrecht auf Hilfe vor, aber keinen Anspruch auf einen Platz in einem Frauenhaus. Zugleich bedeutet das, dass künftig keine Einrichtung gezwungen sein wird, eine bestimmte Frau aufzunehmen. Weitere Kritikpunkte: trans und inter Personen, welche im Entwurf des Kabinetts noch genannt wurden, werden im abgestimmten Gesetz nicht mehr erwähnt. Grund dafür: das Eingreifen der CDU/CSU, die dies zur Grundbedingung in den Verhandlungen gemacht hat. Dabei sind gerade trans Personen schutzbedürftig, immerhin steigt auch die häusliche/familiäre Gewalt gegen sie an.

Ein Fortschritt, der bleibt?

Die Situation wird sich in den nächsten Jahren also erst mal weiter verschärfen. Auch bei  der versprochenen Umsetzung sollte klar sein: Solche Maßnahmen bekämpfen lediglich Symptome, nicht jedoch die Ursache: ein System, das auf Profitmaximierung und geschlechtsspezifischer Ausbeutung basiert. Auch wenn das Gesetz nun durchgebracht wurde, bleibt für Sozialhilfeempfängerinnen nur Schlechtes zu vermuten: Kürzungskanzler Merz und sein rechter Regierungsstil drohen bereits jetzt schon mit einer radikalen Kürzungswelle. (Siehe Artikel dazu in dieser Ausgabe!)

Es ist wichtig, dass wir uns im Hier und Jetzt für ein Gewalthilfegesetz einsetzen und darüber hinaus für ein Ende des Patriarchats und den Sozialismus kämpfen, damit daraus eine Welt frei von Diskriminierung und Ausbeutung wachsen kann!

  • Gegen Gewalt: Für den flächendeckenden, einheitlichen und umfangreich finanzierten Ausbau von Frauen- und FLINTA-Häusern ohne Selbstbeteiligung durch die Betroffenen! Für die Nutzung von leer stehenden Wohnräumen, Spekulationsobjekten oder die Umwidmung von Hotels als Schutzräume!
  • Kampf für bzw. Erhalt von Schutzräumen und Beratungsstellen in den Kommunen! Für Nachbarschaftskomitees, um Frauen aus der Isolierung zu holen! Für Einrichtung und Ausbau von Rehabilitationsprogrammen für (sexuelle) Gewalttäter!
  • Präventionskampagnen gegen Gewalt an Frauen und Sexismus und für Konsens, organisiert durch die Gewerkschaften, in der breiten Gesellschaft, insbesondere in Betrieben, an Unis und Schulen!
  • Flächendeckende Anlaufstellen zur Meldung von sexueller Gewalt sowie sofortige, kostenlose psychologische Betreuung, wenn gewünscht! Kampf der Diskriminierung an Schule, Uni und im Betrieb!
  • Anzeigen dürfen keine Hürden sein: Statt Polizei Untersuchungskommissionen, bestehend aus Gewerkschaften und Betroffenenvertretungen, die vollen Zugang zu den Mitteln der Polizei erhalten! Verbot eines Verhörs, bei dem die Betroffene nach Kleidung gefragt oder ihr in irgendeiner anderen Weise die Schuld zugesprochen wird!
  • Kostenlose Rechtsberatung und Übernahme der Prozesskosten sowie längerfristige Hilfeangebote für Betroffene von sexueller Gewalt durch den Staat! Für das Recht auf mehr bezahlte Urlaubstage sowie eine Mindestsicherung, angepasst an die Inflation!
  • Selbstverteidigungsstrukturen aufbauen – auf den Staat ist kein Verlass!
  • Recht auf Caucustreffen in Organisation, an Schule, Uni und im Betrieb! Betroffenen eine Stimme geben!
  • Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro/Stunde! Für Arbeitslose, Studierende, Rentner:innen, Schüler:innen ab 16 Jahren, chronisch Kranke, Schwerstbehinderte und Invaliden kämpfen wir für ein monatliches Mindesteinkommen, angepasst an die Inflation von 1.100 Euro plus Warmmiete unter Kontrolle durch die Gewerkschaften!

[1]                    Ruschmeier, R./Ornig, N./Gordon, J./Himbert, E./Ogarev, A./ Weis, S. (2024): Kostenstudie zum Hilfesystem für Betroffene von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

[2]                  Schulden machen im Safe Space: Frauenhäuser hoffen auf neue Finanzierung | MDR.DE

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