Arbeiter:innenmacht

Sudan: Haltet die imperialistischen Mächte davon ab, den Bürgerkrieg im Sudan anzuheizen

Dave Stockton, Infomail 1297, 8. November 2025

Es gibt Berichte über massive Gräueltaten, nachdem die Rapid Support Forces (RSF) endlich die Kontrolle über al-Fāschir (El Fasher), die Hauptstadt von Schamal Darfur (Nord-Darfur), übernommen und damit eine 17-monatige Belagerung beendet haben. Die sudanesische Regierung sagt, dass seitdem mindestens 2.000 Menschen in der Stadt getötet wurden.

Hilfsorganisationen berichten von weit verbreiteten Gräueltaten. Die RSF führten Hausdurchsuchungen, summarische Hinrichtungen, Vergewaltigungen junger Frauen und Angriffe auf Zivilist:innen durch, die versuchten, aus der Stadt zu fliehen.

Seit April 2023 befinden sich die sudanesischen Streitkräfte (SAF) in einem blutigen Bürgerkrieg mit der RSF. Die UNO behauptet, dass sowohl die RSF als auch die Armee Kriegsverbrechen begangen haben.

Mehr als 150.000 Menschen sind in dem Konflikt ums Leben gekommen, und etwa 14 Millionen sind aus ihrer Heimat geflohen. Die westlichen Medien haben dem Leid im Sudan weniger Aufmerksamkeit geschenkt als dem in Gaza oder der Ukraine, obwohl die Zahl der Opfer dort höher ist.

Die RSF wurde aus dem Zentrum, dem Westen und dem Süden des Landes, einschließlich der Hauptstadt Khartum, vertrieben, hat aber ihre Macht in Darfur gefestigt. Sie kontrolliert jetzt alle fünf Provinzhauptstädte in der Region, mit ihrer Verwaltung in Nyala, der Hauptstadt von Dschanub Darfur (Süd-Darfur).

Völkermord

Al-Fāschir war die letzte Hochburg der SAF in der Region und Zufluchtsort für Hunderttausende ethnischer „Feind:innen” der arabisch dominierten RSF, früher bekannt als Dschandschawid (dt.: berittene Teufel), die für einen offiziell als Völkermord bezeichneten Konflikt in den 2000er Jahren verantwortlich war.

Dieser Völkermord an den ethnischen Gruppen der Fur, Masalit und Zaghawa veranlasste den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), seine Drahtzieher:innen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Vergewaltigung, Zwangsumsiedlung und Folter anzuklagen. Schätzungsweise 200.000 Menschen wurden zwischen 2003 und 2005 getötet. Andere sprechen von 300.000 zivilen Todesopfern und etwa 2,7 Millionen Zivilist:innen, die bis 2008 aus ihren Häusern vertrieben wurden.

In Darfur leben 6 Millionen Menschen und zahlreiche ethnische Gruppen, wobei die Spannungen aufgrund ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Faktoren eskalieren. Die beiden wichtigsten Gemeinschaften sind die Bäuer:innen, die oft als „Schwarzafrikaner:innen” bezeichnet werden, und die halbnomadischen Hirt:innen, die als „Araber:innen” bezeichnet werden.

Die Realität ist aber weitaus komplexer. Diese Rivalitäten haben sich seit der Unabhängigkeit des Sudan von Großbritannien im Jahr 1955 durch den arabischen Nationalismus und durch den politischen Islamismus verschärft. Seit den 1970er Jahren haben schwere Dürren und Wüstenbildung dazu geführt, dass einige Darfur als Schauplatz des ersten „Klimawandelkonflikts” betrachten, wobei der verschärfte Wettbewerb um schwindende Ressourcen die Spannungen zwischen den ethnischen Gruppen verschärft.

Aber die Kriege in Darfur sind nicht nur interne Konflikte. Wie UN-Generalsekretär António Guterres betonte, „ist das Problem nicht nur der Kampf zwischen der Armee und den Rapid Support Forces, sondern auch die zunehmende Einmischung von außen, die die Aussichten auf einen Waffenstillstand und eine politische Lösung untergräbt“.

Er nannte kein bestimmtes Land, aber die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) wurden wiederholt beschuldigt, die RSF mit Waffen zu beliefern. Die VAE arbeiten aber auch mit der Regierung in Khartum zusammen, genauso wie Saudi-Arabien, die Türkei und China, die alle daran interessiert sind, in Hafenanlagen am Roten Meer zu investieren und sich einen Anteil an den reichen Goldreserven des Sudan zu sichern.

Tatsächlich wurden an Kampfschauplätzen britische Zielsysteme für Kleinwaffen und Motoren für gepanzerte Mannschaftstransporter gefunden. Diese Funde haben erneut eine genaue Überprüfung der britischen Waffenexporte in die VAE ausgelöst.

Andererseits hat der Anführer der RSF, General Daglo, auch bekannt als Hemeti, schon vor dem Krieg seine Truppen in die Konflikte im Jemen und in Libyen geschickt. Er hat jetzt die Kontrolle über einige Goldminen im Sudan und soll das Gold in die VAE schmuggeln. Auch der libysche General Chalifa Haftar wurde angeklagt, die RSF durch Waffenschmuggel in den Sudan unterstützt zu haben.

Eine halbe Revolution

Das immense Leid der letzten zweieinhalb Jahre Bürgerkrieg ist aber auch das Ergebnis des Scheiterns der sudanesischen Revolution von 2018–19. Riesige Straßenproteste, angeführt von Arbeiter:innen und Student:innen und mit einer wichtigen Rolle der Frauen, forderten ein Ende der 30-jährigen Herrschaft des Diktators Umar al-Baschir.

Diese dauerten acht Monate und waren von Generalstreiks und Massendemonstrationen begleitet, die Demokratie forderten. Es gab Versuche einer blutigen Unterdrückung – darunter das Massaker von 2019 in Khartum, bei dem über 100 Menschen starben –, bevor schließlich die Armee einen Putsch durchführte, um al-Baschir zu stürzen und zugleich der Revolution ihre Dynamik zu nehmen, ja diese zu vereiteln.

Eine gemeinsame Militär-Zivilregierung unter Abdalla Hamdok übernahm das Amt, hatte aber kaum Macht. Den demokratischen Kräften gelang es jedoch nicht, Arbeiter:innenräte und Volksmacht aufzubauen oder den Einfluss der Generäle auf die einfachen Soldat:innen zu brechen.

Kurz gesagt: Um zu verhindern, dass die demokratische Revolution dauerhaft wurde, schlug die Konterrevolution zurück. Ein weiterer Militärputsch stürzte die Regierung Hamdok im Oktober 2021.

Das Gleiche war 2011 in Ägypten passiert. Mubarak wurde gestürzt und nach einer Wahl zunächst durch den zivilen islamistischen Präsidenten Muhammed Mursi ersetzt. Doch dann unterstützten die demokratischen Kräfte 2013 fälschlicherweise einen weiteren Putsch und halfen damit der Rückkehr des Militärs unter Abd al-Fattah as-Sisi (Abdel Fatah El-Sisi) an die Macht, der mit eiserner Faust regiert.Im Sudan wurde der Putsch von genau den Leuten inszeniert, die für das Massaker von 2019 verantwortlich sind und heute im Mittelpunkt der aktuellen Kämpfe stehen – dem Chef der SAF, General Abdel Fattah Burhan, und seinem damaligen Stellvertreter Daglo.

Es waren Burhans Pläne, die 100.000 Mann starke RSF in die Armee zu integrieren und Daglo aus dem Kommando zu entfernen, die den Bürgerkrieg auslösten, wobei die RSF einen Großteil von Khartum einnahm, bis die Armee fast zwei Jahre später, im März 2025, die Kontrolle darüber zurückeroberte.

Das schreckliche Leid der Menschen im Sudan zeigt heute, dass eine demokratische Revolution, wenn sie die Unterdrückungskräfte des kapitalistischen Staates nicht zerschlägt und durch die bewaffnete Macht der arbeitenden Bevölkerung ersetzt, mit einer blutigen Konterrevolution konfrontiert sein wird.

Es ist wichtig, aus den Erfahrungen zu lernen und sich auf das nächste Mal vorzubereiten. Revolutionär:innen sind zweifellos damit beschäftigt, Hilfe, Medikamente, Lebensmittel, Wasser und Sicherheit in den Flüchtlingslagern und besetzten Gebieten zu organisieren und, wo immer möglich, Nachbarschaftskomitees wieder aufzubauen. Aber sie brauchen auch eine revolutionäre, kommunistische Partei, die auf einem Programm der permanenten Revolution basiert.

In Großbritannien und international muss die Arbeiter- und Arbeiterinnenbewegung einen sofortigen Stopp aller Waffenverkäufe an Länder fordern, die an der Lieferung von Waffen an eine der beiden Seiten im sudanesischen Bürgerkrieg beteiligt sind.

Related Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Aktuelle Veranstaltungen

Nov.
14
Fr.
18:00 KSB-Diskussionsveranstaltung: Un... @ JGU Mainz, TBA
KSB-Diskussionsveranstaltung: Un... @ JGU Mainz, TBA
Nov. 14 um 18:00
KSB-Diskussionsveranstaltung: Universität im Kapitalismus @ JGU Mainz, TBA
KSB-Diskussionsveranstaltung: Universität im Kapitalismus   Was es bedeutet an der Uni zu sein und was ist ihre Rolle im Kapitalismus? Warum werden Unis im Moment die Mittel immer weiter gekürzt? Wie hängt die Uni mit[...]

Für eine Uni des gesellschaftlichen Fortschritts

Revolutionäres Aktionsprogramm

Buch, A 5, 100 Seiten, 6,- Euro

Vom Widerstand zur Befreiung

Für ein freies, demokratisches, sozialistisches Palästina!

Broschüre, A4, 48 Seiten, 3,- Euro

Lage der Klasse – Podcast der Gruppe Arbeiter:innenmacht

Internationalismus. Revolutionäres Sommercamp 2025