Arbeiter:innenmacht

Der Tod eines Papstes

Marco Ferrando (Partito Comunista dei Lavoratori; PCL), Infomail 1280, 23. April 2025

Als Kommunist:innen beteiligen wir uns nicht an der allgemeinen, einhelligen Trauer um den Tod von Papst Bergoglio. Insbesondere lehnen wir die ekstatische Verehrung seiner Person durch etliche sogenannte radikale Linke ab.

Religiöse Überzeugungen und römisch-katholische Kirche

Selbstverständlich respektieren wir die Religionsfreiheit und die Gefühle der persönlichen religiösen Überzeugung. Aber nicht auf Kosten der Wahrheit. Religion – jede Religion – ist das Opium des Volkes, wie Marx schrieb. Die katholische Kirche ist weltweit die wichtigste Verbreiterin dieses Opiums, das durch religiöse Verehrung gefeiert wird. Der Papst – jeder Papst – steht an der Spitze dieser religiösen Verehrung. Die Verkündigung eines Jenseits und der Auferstehung von „Fleisch und Blut“ fördert die Resignation gegenüber einem Leben auf Erden, das für Milliarden von Menschen von Ausbeutung und Unterdrückung geprägt ist. Der Aufruf zu Mitgefühl gegenüber den Schwachen ändert nicht nur nichts an der tatsächlichen Ordnung der Dinge, sondern setzt deren Erhalt voraus, gegen jede Perspektive einer Revolution. Fürsorge für die Armen? Selbst während der Gegenreformation, als die Hexenverfolgung im Gange war, vermehrte die katholische Kirche religiöse Orden, die sich der Nächstenliebe und der Fürsorge widmeten, um die Armen zu schützen und so die Bedrohung durch den Protestantismus abzuwenden.

Allgemeiner gesagt erzieht die Vorstellung von einem Gottvater als Schöpfer des Menschen, indem sie die Figur des Menschen als Schöpfer Gottes leugnet, den Menschen zur Unterwerfung. Es ist kein Zufall, dass der von Ignatius von Loyola gegründete Jesuitenorden (Societas Jesu; SJ) in der irdischen Autorität das Abbild Gottes und im Gehorsam gegenüber der Autorität die Pflicht zum Gehorsam gegenüber Gott sah. Darüber hinaus beweist dieselbe Rhetorik der Gleichheit und Brüderlichkeit unter „Gottes Geschöpfen“ unweigerlich ihre eigene Heuchelei, wenn es um Frauen, Schwule, Lesben und trans Personen geht, die mehr als die Hälfte der Menschheit ausmachen. Darüber hinaus basiert die interne Ordnung der katholischen Kirche auf der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen, wobei Frauen streng vom Priestertum ausgeschlossen sind. Papst Bergoglio hat sich stets – auch in jüngster Zeit – gegen Abtreibung ausgesprochen, die er mit Mord vergleicht, und gegen Abtreibungsärzt:innen, die er als „Killer“ bezeichnet, während er Waffen und Verhütungsmittel als Mittel zur Unterdrückung des Lebens gleichsetzt.

Bergoglio und die Verbrechen seiner Kirche

Was die Säuberung der katholischen Kirche von Kindesmissbrauch und die enorme Zahl von Verbrechen gegen Kinder und Nonnen in allen Teilen der Welt angeht, ist Bergoglio nicht über die verbale Verurteilung hinausgegangen. Im Jahr 2022 dokumentierte die Tageszeitung „Domani“, dass der Vatikan die missbrauchenden Priester lediglich in andere Diözesen versetzt und weiterhin Druck auf die Opfer ausgeübt hat, den Missbrauch nicht öffentlich zu machen. Bergoglio bestätigte die kirchliche Gerichtsbarkeit als einzig mögliche Instanz für Fälle von Pädophilie und entzog sie damit der ordentlichen Justiz. Dies kommt einer Garantie für den Schutz dieser Kriminellen gleich und widerspricht jedem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Das Konkordat zwischen Staat(en) und Heiligem Stuhl schützt die katholische Kirche auch rechtlich und juristisch.

Heuchlerische Imagepflege

Es ist wahr, dass Papst Bergoglio sich mehrfach für Migrant:innen, den Umweltschutz und gegen Krieg ausgesprochen hat. Er versuchte, das Image der katholischen Kirche in ihrer tiefen Krise auf verschiedenen Ebenen zu rehabilitieren, indem er darauf abzielte, an die progressive Stimmung wichtiger Teile der öffentlichen Meinung und der jüngeren Generation anzuknüpfen. Vor allem wollte er die tiefe Krise der Katholik:innen im Westen (insbesondere in Europa und den USA) und die wachsende Konkurrenz des Islam auf globaler Ebene angehen, indem er breitere Einflussbereiche für die Katholik:innen auf unterdrückten Kontinenten, angefangen bei Afrika, suchte. Doch er hatte keinen Erfolg.

Worte bleiben Worte, sowohl auf den Lippen des Papstes als auch auf den Lippen „demokratischer“ und „humanitärer“ bürgerlicher Herrscher:innen. Worte, die nicht von Taten begleitet werden, dienen nicht dazu, die Realität zu verändern, sondern sie zu verschleiern.

Darüber hinaus hat Bergoglio in seinen eigenen Äußerungen sorgfältig darauf geachtet, gefährliche Missverständnisse zu vermeiden. Von „Krieg“ und „Frieden“ als universellen und abstrakten Kategorien zu sprechen, bedeutet, die Grenze zwischen imperialistischen Kriegen der Unterdrücker:innen und Befreiungskriegen der Unterdrückten zu verwischen. Dies zu tun, kommt letztlich dem Schutz der Unterdrücker:innen gleich. Ändert es etwas für die unterdrückten Menschen, wenn man das Massaker in Gaza als schändlich verurteilt, aber den palästinensischen Widerstand denunziert oder ignoriert? Jemand wird sagen, dass es nicht die Aufgabe eines Papstes ist, den Widerstand öffentlich zu unterstützen. Das ist völlig richtig. Aber was genau ist dann die Aufgabe des Papstes? Das ist die Frage.

Rolle des Papstes und das Wesen der Kirche

Die Rolle des Papstes – jedes Papstes – ist untrennbar mit dem Wesen der Kirche verbunden. Die Kirche ist eine reaktionäre Institution, eine theokratische, absolutistische Monarchie. Der Papst, jeder Papst, ist als Oberhaupt der Kirche von seiner Institution her ein absoluter Herrscher, der alle Macht in seinen Händen konzentriert. Die sogenannte Gewaltenteilung (Exekutive, Legislative, Judikative), die für liberale bürgerliche Demokratien charakteristisch ist, ist der Kirche fremd. Der Papst herrscht über das Kirchenvermögen, weil alle verschiedenen Verwaltungen des kirchlichen Eigentums, der Immobilien, der Finanzen und der Aktien unter seiner persönlichen Kontrolle stehen. Der kirchliche Besitz ist immens. Allein in Italien hütet die Kirche den größten Immobilienbesitz, abzüglich der Kultstätten. Diese Immobilien sind weitgehend von jeglicher Steuerpflicht befreit. Andererseits sorgen die staatlichen Einnahmen, sowohl auf zentraler als auch auf lokaler Ebene, in verschiedener Form für den Transfer öffentlicher Mittel in die kirchlichen Kassen (Bezahlung von Religionslehrer:innen, Kosten für Gebäudesanierungen …).

Die katholische Kirche ist ein auch ungehemmter kirchlicher Kapitalismus. Die mit der Kirche verbundenen Finanzskandale sind ein Spiegelbild ihres Wesens. Der jüngste Skandal um den Peterspfennig hat beispielsweise gezeigt, dass Spendengelder für die Armen für Finanz- und Immobiliengeschäfte der Kirche in wohlhabenden Stadtvierteln verwendet werden. Kann sich jemand ernsthaft darüber wundern?

Papst Bergoglio hat nichts geändert, weil er an der materiellen Natur der Kirche nichts ändern konnte. Als guter Herrscher war er lediglich darauf eingestellt damit umzugehen. Er hat sicherlich versucht, die Kommunikationsformen zu ändern, indem er sich vom dogmatischen Kanon von Papst Ratzinger zugunsten einer populäreren und direkteren Sprache abgewandt hat. Er war bestrebt, das Machtgleichgewicht mit dem Staatssekretariat des Vatikans zu seinen Gunsten zu verschieben, indem er seine persönlichen Beziehungen zu den Katholik:innen als Druckmittel gegenüber der Hierarchie einsetzte. In diesem Sinne hat Bergoglio paradoxerweise die absolutistische Natur des Papsttums in Bezug auf die vatikanische Ordnung sogar noch stärker betont. Sein peronistischer und jesuitischer Hintergrund hat ihm dabei sicherlich geholfen.

Der grundlegende Konflikt bleibt bestehen und geht über Bergoglio selbst hinaus. Kann die Figur eines absoluten Herrschers, Oberhaupt einer theokratischen und kapitalistischen Monarchie, als „Kommunist“ (vom nationalen Sekretär der PRC, Partito della Rifondazione Comunista; der Partei der Kommunistischen Wiedergründung, Maurizio Acerbo) und als „große revolutionäre“ Persönlichkeit (von der Organisation RdC, Rete dei Comunisti; Netzwerk der Kommunist:innen, und von der linken Zeitung „Il Manifesto“) dargestellt werden?

Die ehrfürchtige Unterordnung unter das Papsttum und die Verzauberung durch seine Worte spiegeln letztlich die Anpassung an die bürgerliche Gesellschaft wider. Das bedeutet, das Ziel der Umwälzung der realen Gesellschaftsordnung dieser Welt aufzugeben. Der revolutionäre Marxismus hat auch in diesem Fall Recht.

Related Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Aktuelle Veranstaltungen

Aug.
12
Di.
14:00 Internationalismus. Revolutionär... @ Berlin/Brandenburg
Internationalismus. Revolutionär... @ Berlin/Brandenburg
Aug. 12 um 14:00 – Aug. 17 um 14:00
Internationalismus. Revolutionäres Sommercamp @ Berlin/Brandenburg
Internationalismus Revolutionäres Sommercamp Krieg, Krise, Kapitalismus – es reicht! Ob Ukrainekrieg, der Genozid in Gaza oder die neuen Handelskriege – eine Krise jagt die nächste. Gleichzeitig treibt die Wirtschaftskrise die Inflation in die Höhe, während[...]

Vom Widerstand zur Befreiung

Für ein freies, demokratisches, sozialistisches Palästina!

Broschüre, A4, 48 Seiten, 3,- Euro

Lage der Klasse – Podcast der Gruppe Arbeiter:innenmacht