Arbeiter:innenmacht

Den Vormarsch der Rechten stoppen: aber wie?

Arbeiter:innenmacht-Flugblatt zur bundesweiten Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag, Infomail 1258, 28. Juni 2024

Hunderttausende gingen gegen Rechtsruck im Februar auf die Straße, Zehntausende demonstrieren gegen den AfD-Parteitag. Das ist gut so.

Aber das reicht offenkundig nicht, wenn wir die AfD erfolgreich stoppen wollen. Es ist daher wichtig, den Protest kritisch zu bilanzieren. Denn das Problem existiert nicht seit ein paar Monaten, sondern seit fast 10 Jahren. Woher kommt also deren Erfolg und was können wir dagegen tun?

Wurzeln des Erfolgs

Le Pen in Frankreich, Meloni in Italien, Orbán in Ungarn – die Liste von Rechten, die in den letzten Jahren immer mehr Stimmen bekommen haben, ist lang. Deutschland stellt keinen Einzelfall dar, vielmehr haben wir es mit einer internationalen Verschiebung nach rechts zu tun.

Diese hat zwei zentrale, miteinander verbundene Ursachen: erstens die Krise des Kapitalismus und verschärfte globale Konkurrenz zwischen alten und neuen imperialistischen Mächten. Diese bedrohen nicht nur die Lebenslage der Lohnabhängigen, sondern auch von Teilen des ländlichen und städtischen Kleinbürger:innentums, der Mittelschichten und selbst der Kapitalist:innenklasse.

Die Verschlechterung der Lebenslage der Massen, die verschärfte Konkurrenz, explodierende Preise im Supermarkt und Mieten, Kriege und Aufrüstung sind real. Verantwortlich gemacht werden die Underdogs, frei nach dem Motto: „Ja, dir steht das Wasser bis zum Hals, aber schau mal, den anderen – Geflüchteten, Arbeitslosen, Queers – machen wir das Leben jetzt noch schwerer!“

Die Rechten schwingen sich demagogisch zu Sachwalter:innen des „Volkes“ auf. Klimakatastrophe, Flucht, Militarismus und Krieg erscheinen als Verschwörung einer quasi kosmopolitischen „Elite“, die sich gegen das „Volk“ richte. Rassismus, Sexismus, Nationalismus werden in der rechtspopulistischen Demagogie zum Widerstand gegen „die da oben“ verklärt.

Doch der Aufstieg der Rechten wird zweitens befeuert durch die Mitverwaltung der Misere durch die Führungen und Organisationen der Arbeiter:innenbewegung – und die Passivität einer Linkspartei, die gleichzeitig mitregieren und opponieren will. So erscheinen diese Parteien als politische Verbündete von Grünen, FDP, Unionsparteien und Unternehmer:innenverbänden.

Diese haben in den letzten Jahren eine Politik auf Kosten von Millionen für die Milliarden der Reichen betrieben. Und sie haben Stück für Stück die rechte Rhetorik übernommen und demokratische Rechte massiv eingeschränkt. Man kann an dieser Stelle zu Recht sagen: Die AfD inszeniert die Hetze, die Regierung macht die Gesetze. Und Gewerkschaften und Linkspartei schauen zu. Genau das hat auch Auswirkungen auf die Form des (Pseudo-)Widerstands. Es sind Kürzungen bei Bildung, Gesundheit, Klima und Sozialem, die die Menschen im Angesicht einer tristen Zukunft und mangels einer klassenkämpferischen, wirklich oppositionellen linken Alternative zur AfD treiben.

Strategische Schwächen

Nehmen wir kurz die bisherigen Versuche, den Rechtsruck zu stoppen, unter die Lupe:

x) Argumentationstrainings gegen rechts reichen nicht aus.

In den letzten Jahren war die Initiative „Aufstehen gegen Rassismus“ für viele Aktivist:innen ein Weg, den Rechtsruck aufzuhalten. Flächendeckend wurden Argumentationstrainings und Stammtische gegen rechts durchgeführt. An sich eine positive Sache, doch als alleiniges Mittel nicht ausreichend. Schließlich mangelt es nicht (nur) an Wissen. Damit der Widerstand gegen den Rechtsruck erfolgreich sein kann, muss er auch dessen gesellschaftliche Ursachen angehen, er muss klassenpolitisch, internationalistisch ausgerichtet sein

x) Das AfD-Verbot ist keine Lösung.

Die neueste Hoffnung für viele ist, die AfD zu verbieten. Doch im Kampf gegen rechts können wir auf den Staat nicht vertrauen, denn die Tendenz zu autoritären Herrschaftsformen bildet kein Alleinstellungsmerkmal der AfD. Ein Verbot würde sich ebenso gegen links, gegen alles „Radikale“ richten. Das Hauptproblem mit der Verbotslosung ist zudem, dass sie die Ursachen des Rechtsrucks nicht angreift und somit wirkungslos bleibt. Ein Teil der Anhänger:innenschaft würde sich radikalisieren, rassistische Vorurteile bleiben weiter bestehen. Die unmittelbare Gefahr, gegen die man vorgehen möchte, verschiebt sich also nur – zumal die AfD und erst recht faschistische Kräfte letztlich auch als eiserne Reserve des bürgerlichen Staates fungieren werden, falls sich der Klassenkampf verschärft.

x) Erfolgreicher Widerstand muss glaubwürdig sein.

Ein Fehler der Protestbewegung Anfang des Jahres war, dass diese keine konkreten Forderungen gegen die Sparpolitik sowie Rassismus erhob. Der Rechtsruck ist so weit fortgeschritten, dass der bloße Ruf nach Toleranz, Menschenrechten und Demokratie nur jene mobilisiert, die eh so denken – und jene, die enttäuscht von der Politik der letzten Jahre sind, nicht überzeugen kann. Nach 10 Jahren haben das die meisten mitbekommen – es ist ihnen somit schlichtweg egal und auch schwer zu glauben, warum Alice Weidel das Problem sein soll, wenn selbst der Kanzler sagt, dass man „endlich mehr abschieben müsste“. Das befeuert nicht nur die Rechten, es macht auch jeden Protest unglaubwürdig, der zum Rassismus und zur kapitalfreundlichen Politik der „Mitte“ schweigt.

x) Widerstand muss konsequent antirassistisch und antikapitalistisch sein.

Um die Demokratie zu retten und ein Zeichen zu setzen, haben sich Anfang des Jahres auch Grüne, SPD, FDP und sogar die Union an den Anti-AfD-Protesten beteiligt. Was für viele deren Stärke zu beweisen schien, erwies sich letztlich als Schwäche, die auch verhindert hat, dass diese zu einer breiteren, in der Arbeiter:innenklasse verankerten Bewegung beitrugen. Nicht nur, dass fast alle anwesenden Parteien, während sie gegen die Remigrationspläne der AfD protestierten, zeitgleich im Bundestag für mehr Abschiebungen gestimmt haben. Letzen Endes ist es ihre Politik der letzten Jahre gewesen, die die aktuelle Situation geschaffen hat, indem sie den Sparkurs mitgetragen, Reallohnverluste geduldet und sich immer mehr von der AfD nach rechts treiben lassen haben.

Was braucht es im Kampf gegen die AfD?

Wer wirklich etwas bewegen will, muss bereit sein, für ernsthafte Veränderung zu kämpfen – auch gegen Regierung und Kapital. Wer von der Brandmauer spricht, darf also zur Ursache des Rechtsrucks nicht schweigen und muss einen klaren Klassenstandpunkt vertreten.

Um der AfD tatsächlich etwas entgegenzusetzen, braucht es deshalb statt einer Einheit der Demokrat:innen eine Arbeiter:inneneinheitsfront der organisierten Lohnabhängigen, also ein Bündnis aus Gewerkschaften, Linkspartei, SPD und anderen Organisationen der Arbeiter:innenklasse. Es muss deren Führungen in Zugzwang bringen, mit der Politik der Klassenzusammenarbeit und Sozialpartner:innenschaft zu brechen, wenn es die Impulse der Massen gegen das Erstarken der AfD in effektive Politik umsetzen will. Dabei reichen einfache Demos jedoch nicht aus, notwendig ist vielmehr:

1. den Kampf an Schulen, Unis und in die Betriebe zu tragen

Um das aktuelle Kräfteverhältnis tatsächlich zu ändern, müssten aktive Mitglieder dieser Organisationen aufgerufen und unterstützt werden, Versammlungen und Infoveranstaltungen zur Mobilisierung in ihren Betrieben, an Schulen und Universitäten zu organisieren und aktiv die Debatte um Rassismus und die ökonomische Krise, die diesen befeuert, zu führen. Demos – wie die Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag – können dabei als Aufhänger genutzt werden. Ziel muss es aber sein, in derem Zuge Aktionskomitees aufzubauen.

2. Konkrete Forderungen und Ziele

Um sich positiv abzugrenzen, bedarf es klarer Forderungen. Auch wenn es die ökonomische Krise ist, die den Rechten Aufwind gibt, so sollte man nicht glauben, dass es ausreicht, sich auf Verbesserungen auf dieser Ebene zu beschränken. Mögliche Forderungen können sein:

  • Nein zu allen rassistischen Gesetzen! Stopp aller Abschiebungen! Offene Grenzen und volle Staatsbürger:innenrechte für alle, die hier leben!
  • Gemeinsamer Kampf gegen die gesellschaftlichen Wurzeln von Faschismus und Rassismus! Gemeinsamer Kampf gegen Inflation, Niedriglohn, Armut und Wohnungsnot!
  • Mindestlohn von 15 Euro/Stunde, Mindestrente und Arbeitslosengeld von 1600 Euro/Monat für alle!
  • Hunderte Milliarden für Bildung, Umwelt, Renten und Gesundheit statt Aufrüstung – finanziert durch die Besteuerung der Reichen!

Darüber hinaus ist es Aufgabe von Revolutionär:innen, dafür zu kämpfen, dass die Forderung nach demokratisch organisiertem Selbstschutz gegen rassistische Angriffe auf die Tagesordnung gesetzt wird. Die mittlerweile regelmäßigen Angriffen auf Politiker:innen bei Wahlkämpfen zeigen, dass das keine tollkühne Fantasie ist, sondern bittere Notwendigkeit, wenn man – insbesondere auf dem Land und im Osten der Republik – linke Politik auch tatsächlich auf die Straße tragen will.

3. Klassenperspektive

Forderungen müssen nicht nur aufgeworfen werden, man muss auch für diese aktiv kämpfen. Doch derzeit sind die Gewerkschaften eher Teil des Problems – ihre Führungen sind personell eng mit SPD und Linkspartei verwoben und decken zum Selbsterhalt ihres bürokratischen Apparats wie eh und je deren Politik. Damit muss Schluss sein! Wenn wir den Kampf gegen rechts gewinnen wollen, müssen wir dafür eintreten, dass diese sich nicht länger an der sozialpartnerschaftlichen Verwaltung der Krise mitbeteiligen! Sie müssen stattdessen für echte Verbesserungen kämpfen, gegen Sparpolitik und Sozialabbau und diesen Kampf aktiv mit jenem gegen Rassismus verbinden.

Das bedeutet auch, dafür einzustehen, dass Geflüchtete in die Gewerkschaften integriert werden, und sich offen gegen alle Abschiebungen und Abkommen, die die Festung Europa aufrechterhalten, auszusprechen oder nicht davor zurückzuscheuen, Enteignung unter Kontrolle der Beschäftigten als Perspektive auf die Tagesordnung zu setzen, wenn einem/r entgegnet wird, dass leider kein Geld da ist für Sozialausgaben. Doch sowas fällt nicht einfach so vom Himmel, es muss praktisch erkämpft werden. Wir treten daher für den Aufbau einer klassenkämpferischer, revolutionären Organisation ein.

Wenn ihr Interesse habt, für so eine Politik einzustehen, dann meldet euch bei uns!

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