Arbeiter:innenmacht

Nahost: Mittelentzug für UN-Hilfsorganisation UNRWA stützt Israels genozidalen Angriff

Quelle: https://workersforafreepalestine.com/

Dave Stockton, Infomail 1244, 2. Februar 2024

Die Entscheidung von neun westlichen Staaten – USA, Großbritannien, Deutschland, Italien, Kanada, Australien, Niederlande, Schweiz und Finnland –, dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) den Geldhahn zuzudrehen, zeigt, dass diese Länder den von Israel betriebenen Genozid offen billigen und unterstützen.

Die Arbeiter:innenbewegung und alle fortschrittlichen Kräfte in diesen Ländern sollten sofort alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihre Regierungen zu zwingen, diese abscheuliche Kompliz:innenschaft zu beenden, einen sofortigen Waffenstillstand zu fordern und die Lieferung von Waffen und Material für den Vernichtungskrieg der zionistischen Aggressor:innen einzustellen.

Vorwand ist, dass „einige“ UNWRA-Mitarbeiter:innen an dem Ausbruch der Hamas und anderer Widerstandskräfte am 7. Oktober teilgenommen oder ihn gefeiert hätten, als sie die Nachricht davon hörten. Niemand erwähnt die Tatsache, dass die israelischen Sicherheitskräfte IDF seit dem 7. Oktober 152 UNRWA-Mitarbeiter:innen getötet haben.

Bedeutung der UNRWA

Die Hilfsorganisation beschäftigt rund 13.000 Personen im Gazastreifen und leistet Gesundheits- und Bildungsarbeit sowie andere humanitäre Hilfe einschließlich Wasserentsalzung, Abwasserentsorgung und Hygiene, auf die die Bevölkerung angewiesen ist. Während der Bombardierung suchten Tausende von Menschen Schutz in den Einrichtungen der UNRWA, in der Hoffnung, dass sie dort in Sicherheit seien. Auch diese Orte wurden gezielt angegriffen, darunter ein riesiges Lagerhaus für Lebensmittel und Medikamente, das in Gaza-Stadt bis auf die Grundmauern niedergebrannt wurde. Nur vier der 22 Gesundheitszentren sind noch in Betrieb, 145 Einrichtungen wurden durch die Angriffe der IDF beschädigt.

Die Arbeit des UNWRA-Personals zu stoppen oder ernsthaft einzuschränken, ist nicht nur ein Akt barbarischer Grausamkeit, ein Kriegsverbrechen nach internationalem Recht, sondern auch eine implizite Billigung von Israels eklatantem Versuch eines  Genozids an den 2,3 Millionen Einwohner:innen des Gazastreifens und der gleichzeitigen Besiedlung und ethnischen Säuberung von Bezirken in Jerusalem und dem Westjordanland.

Die Streichung der Mittel für das UNRWA, die wichtigste und einzig wirksame Hilfsorganisation für Palästina, ist ein absichtlicher Schlag ins Gesicht des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag, der nur zwei Tage zuvor entschieden hatte, dass Israel „die Bereitstellung dringend benötigter grundlegender Dienstleistungen und humanitärer Hilfe ermöglichen müsse, um die schlechten Bedingungen der Palästinenser:innen im Gazastreifen zu verbessern“ (vorläufige Maßnahme 4). So viel zu diesen „gesetzestreuen“ westlichen Mächten!

Rechtsextreme Konferenz

Viele Palästinenser:innen haben wiederholt darauf hingewiesen, dass eine zweite Nakba im Gange, eine Wiederholung der „Katastrophe“ von 1948. Die faschistischen Minister in Netanjahus Regierung, wie Itamar Ben-Gvir, sagen offen, dass dies das Ziel Israels sein sollte. Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich gehörten zu den neun Minister:innen der Regierung, die an der „Konferenz für den Sieg Israels – Siedlung bringt Sicherheit: Rückkehr in den Gazastreifen und nach Nordsamarien“ der rechtsextremen Siedler:innen teilnahmen, die am Sonntag, den 28. Januar, stattfand. (Mit Nordsamarien ist der nördliche Teil des Westjordanlandes gemeint; d. Red.) Die israelische Zeitung Haaretz berichtete von der Konferenz.

„Wir müssen einen legalen Weg finden, um [Palästinenser:innen] freiwillig auswandern zu lassen“, sagte Israels rechtsextremer Minister für Nationale Sicherheit, bevor ein Likud-Abgeordneter erklärte, dass im Krieg „Freiwilligkeit ein Zustand ist, den man jemandem aufzwingt, bis er/sie seine/ihre Zustimmung gibt“.

Diese Konferenz der Pogromist:innen rief offen zum Wiederaufbau von Siedlungen im Gazastreifen und zum weiteren Raub palästinensischen Landes im Norden des Westjordanlandes auf. Der IGH warnte erneut davor und entschied, dass „der Staat Israel alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen ergreifen muss, um die direkte und öffentliche Aufforderung zum Völkermord [an den Palästinenser:innen im Gazastreifen] zu verhindern und zu bestrafen“ (vorläufige Maßnahme 3).

Es wird weder eine solche Strafe geben noch werden die Westmächte eine solche fordern. Netanjahu wird sich einfach hinter der in Den Haag zynisch verwendeten Formulierung verstecken, dass es sich dabei nur um die Überlegungen von einzelnen Minister:innen und nicht um staatliche Politik handelt.

Imperialistischer Zynismus

Die USA, Deutschland, Großbritannien usw., die so lautstark die Menschenrechte verteidigen und humanitäre Motive für ihre eigenen blutigen Kriege im Irak, in Afghanistan, Libyen und Syrien geltend machen, weigern sich nun schon seit über drei Monaten dreist, einen Stopp des erbarmungslosen israelischen Angriffs auf Gaza zu fordern. Sie haben mehrere UN-Resolutionsentwürfe zu diesem Zweck blockiert.

Sie haben zugesehen und im Falle der USA, Großbritanniens und Deutschlands die Waffen und Munition geliefert, mit denen Israel 26.000 Menschen, darunter 8.000 Kinder, getötet und 70 % der Häuser zerstört hat. 390 Schulen und 20 von 22 Krankenhäusern in Gaza wurden verwüstet oder schwer beschädigt. Die Kanalisation und die Wasserversorgung sind zerstört und in weiten Teilen des Gebiets verseucht.

Darüber hinaus wurden 1.900.000 Menschen (85 % der Bevölkerung) vertrieben (viele von ihnen mehrfach) und in Zeltstädte rund um Chan Yunis gepfercht, und nun sollen sie nach Rafah umziehen. Hier sind durch Wasser übertragene Krankheiten wie Durchfall und Amöbenmeningitis epidemisch. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat davor gewarnt, dass ein Ausbruch der Cholera wahrscheinlich ist, wenn nichts unternommen wird, um die grundlegenden sanitären Einrichtungen und sauberes Wasser wiederherzustellen.

Weltweit demonstrieren seit Monaten Millionen Menschen und fordern einen vollständigen und dauerhaften Waffenstillstand. Trotzdem haben sich die Regierungen der westlichen Demokratien hartnäckig geweigert, dies zu verlangen. Noch beschämender ist, dass Parteien, die im Namen ihrer Arbeiter:innenbewegungen sprechen, diese Verweigerung voll und ganz unterstützen und diejenigen, die sich dem widersetzen, als Antisemit:innen beschimpfen.

Auch in der arabischen und muslimischen Welt ist, abgesehen von den Huthis im Jemen, wenig über Worte hinausgegangen. Israel versucht, die mehr als 100.000 palästinensischen Arbeiter:innen aus dem Westjordanland, denen es seit dem 7. Oktober die Einreise verweigert, durch Arbeitskräfte aus Indien zu ersetzen, was von Modi befürwortet, aber von den dortigen Gewerkschaften verurteilt wird und auf Widerstand stößt.

Arbeiter:innenklasse

Es ist jetzt höchste Zeit für die Arbeiter:innenbewegung, direkte Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich des Boykotts der israelischen Schifffahrt, des Luft- und Schienenverkehrs und der Verweigerung aller Tätigkeiten, die zu den israelischen Kriegsanstrengungen in Fabriken, Forschungseinrichtungen, Büros usw. beitragen. Sozialist:innen sollten dafür werben, dass sich Belegschaften und Gewerkschaftsgliederungen mit ihren Bannern an Protesten beteiligen und, wo möglich, auch streiken, beginnend in Großbritannien am 7. Februar, dem Tag der betrieblichen Aktionen für Palästina, zu dem die Stop the War Coalition (Koalition für die Beendigung des Krieges) und andere aufgerufen haben.

Medienschaffende, Akademiker:innen und Lehrer:innen sollten ein Ende der verlogenen Propaganda ihrer Arbeit„geber“:innen fordern, die behaupten, dass Palästinabefürworter:innen Antisemit:innen seien oder das jüdische Volk im Allgemeinen bedrohen. Sie sollten sich den Verboten ihrer Bosse und Regierungen widersetzen, Ansichten zur Unterstützung der Palästinenser:innen zu verbreiten. Die wachsende Zahl antizionistischer Jüdinnen und Juden, die mit dem Slogan „Nicht in meinem Namen“ demonstrieren, beweist, dass es durchaus möglich ist, sich dem echten Antisemitismus entgegenzustellen und gleichzeitig gegen den zionistischen Genozid zu sein, der im Namen „aller Juden/Jüdinnen“ verlogen verfolgt wird.

Den Labour- und sozialdemokratischen Parteien Europas, die derzeit Israels Krieg gegen den Gazastreifen unterstützen, sollten wir sagen: „Ihr verdient keine einzige Stimme der Arbeiter:innen“. Aber wir können diejenigen Parlamentarier:innen  und anderen Vertreter:innen unterstützen, die sich unmissverständlich für die Freigabe der UNRWA-Mittel und einen dauerhaften und vollständigen Waffenstillstand aussprechen.

Wir müssen weiterhin für eine massive Aufstockung der Hilfe für Gaza und den Abzug aller israelischen Land-, See- und Luftstreitkräfte demonstrieren – in der Tat für ein vollständiges Ende der 17-jährigen Belagerung des Gazastreifens und ein Ende der Tötungen durch IDF und bewaffnete Siedler:innen im Westjordanland (330 seit dem 7. Oktober).

Wir sind sicher, dass die Verbrechen Israels im den Jahren 2023 und 2024 in die lange Liste derjenigen gegen die Menschlichkeit aufgenommen werden, und dass trotzdem die Forderung nach einem freien, demokratischen, säkularen und sozialistischen Palästina, in dem sowohl für seine jüdischen als auch für seine palästinensischen Bürger:innen gleichberechtigt leben, zu einem immer lauteren Losung für Millionen von Arbeiter:innen und Unterdrückten weltweit werden wird.

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