Arbeiter:innenmacht

Stimmen aus der Tarifrunde-Länder: Erwartungen drücken oder Perspektiven geben?

Ein ver.di-Mitglied aus Berlin, Neue Internationale 278, November 2023

Seit einigen Monaten bin ich als Tarifbeschäftigter im TV-L in der Vorbereitung der Tarifrunde der Länder aktiv. Ich gehe mit Kolleg:innen auf Veranstaltungen wie tarifpolitische Konferenzen, Branchenkonferenzen, regionale wie überregionale, Tarifbotschafter:innentreffen, Fachbereichskonferenzen und vieles mehr. Alle verlaufen nach einem gewissen Schema F., auch wenn diese partizipativer ablaufen mögen als viele andere Gewerkschaftsveranstaltungen, da mein Fachbereich in Berlin-Brandenburg, FB C, stark durch die Krankenhausbewegung geprägt wurde und Organizing hier beliebt ist. Das Schema F bleibt aber, um die Erwartungen auf einen erfolgreichen Arbeitskampf zu dämpfen.

Überall wird gesagt, dass wir zu schwach organisiert sind. Christine Behle, stellvertretende ver.di-Vorsitzende, sagte beim ersten bundesweiten Treffen der Tarifbotschafter:innen direkt, dass wir nicht sofort von tabellenwirksamen Entgelterhöhungen ausgehen dürfen. Frank Werneke setzte gleich noch nach und führte das neue Mantra ein, dass die Krise ausgeblieben sei. Was uns hiermit bedeutet werden soll, ist, dass wir schuld sind, wenn ein schlechtes Ergebnis herauskommt. Und dass die Teuerungen der letzten beiden Jahre, die im Durchschnitt bei über 14 % liegen, gar nicht so wild sind.

Nur eines fehlt mir bei diesen Analysen: die Perspektive! Es stimmt, wir brauchen eine bessere Streikfähigkeit. Es stimmt, die Länder sind wenig verhandlungswillig. Denn sie lügen sich die Taschen voll und damit die Kassen leer, während die Steuereinnahmen hochkorrigiert werden mussten. Und das stört mich. Ich erwarte, dass mir die Gewerkschaftsführung einen Plan vorlegt, wie die Schwäche gebrochen werden kann. Ich erwarte, dass ich in meiner Gewerkschaft einen Raum bekomme, gerne auch mit demokratischen Möglichkeiten, wo wir über eine Streikausrichtung diskutieren und beschließen können, die auch den Erfolg ermöglicht. So wäre die Bedingung von 12 Monaten Laufzeit des Vertrags eine, denn dann könnten wir im öffentlichen Dienst zusammen streiken mit den Tarifbeschäftigten des TVöD bei Bund und Kommunen oder auch mit den Kolleg:innen der GDL. Aber nein: Wer Verbündete wie den Gewerkschaftsapparat hat, braucht keine Gegner:innen.

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