Liga für die Fünfte Internationale, aus „Die Krise der Globalisierung und die sozialistische Revolution“, Juni 2019, Revolutionärer Marxismus 54, Dezember 2021
Die Verschlechterung und Zerstörung der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen auf der Erde schreitet unvermindert fort und nimmt immer bedrohlichere Ausmaße an. Die immer häufigeren extremen Wetterereignisse, immer heftigere Stürme, Überschwemmungen und Waldbrände, ausgedehntere Dürreperioden, das Abschmelzen der Eiskappen, welches zu einem bedrohlichen Anstieg des Meeresspiegels führen wird und viele Länder mit totaler Überschwemmung bedroht, sind alle Indizien für den fortschreitenden Klimawandel auf der Erde.
Der Klimawandel, verursacht durch den massiven Ausstoß von Treibhausgasen, stellt die größte Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen auf unserem Planeten dar. Aber er ist wahrlich nicht die einzige. Die Versauerung und zunehmende Vermüllung und Verschmutzung der Ozeane, die Überlastung und Unterbrechung von Nährstoffkreisläufen, die Übernutzung von Trinkwasserressourcen und Verschmutzung von Gewässern, die Dezimierung der Biodiversität und die Anreicherung von giftigen Chemikalien in der Umwelt – all das sind sehr bedrohliche Entwicklungen für die Existenz der gesamten Menschheit.
Während Eingriffe in die Umwelt und die Nutzung der Umwelt für menschliche Bedürfnisse notwendig sind und auch im Sozialismus fortbestehen werden, ist es der Kapitalismus, der aus seinem grenzenlosen Drang nach Kapitalakkumulation die Umwelt um der Profite willen zerstört. Die großen Wirtschaftsmächte der Welt weigern sich hartnäckig, wirksame Maßnahmen für ein Umsteuern zu ergreifen. Die Unvereinbarkeit kapitalistischer „Entwicklung“ mit der Erhaltung und Wiederherstellung eines für menschliche Gesellschaften wünschenswerten Zustands der Umwelt, von der alles Leben abhängt, wird hier besonders deutlich. Der unstillbare Drang des Kapitals nach maximalem Gewinn forciert nicht nur die Ausbeutung der Menschen, sondern auch der natürlichen Ressourcen, die für den künftigen menschlichen Fortschritt erforderlich sind.
Diese Phänomene, neben der Bedrohung durch einen globalen Krieg, zeugen davon, dass der Kapitalismus ein im Sterben liegendes System ist. Die entscheidende Frage ist, ob er rechtzeitig durch eine revolutionäre Umwälzung überwunden wird, oder ob die Menschheit mit ihm den Weg in die Barbarei und sozialen Rückschritt beschreitet. Trumps Ankündigung von 2017, dass die USA das Pariser Abkommen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen und anderer „Klimakiller“ zurückweisen wollen, bestätigt dies. Doch der US-Rückzug verhüllt die Tatsache, dass weder die „entwickelten“ Hauptemittenten der Welt wie die USA, Japan und die Europäische Union noch die „sich entwickelnden“ Giganten wie China und Indien wirklich bereit sind, die Gewinne der Konzerne zu gefährden, um die notwendigen Emissionsminderungen vorzunehmen. Schlimmer noch: die meisten Regierungen und Großkonzerne ignorieren weiterhin alle Pläne und Vorschläge von WissenschaftlerInnen und UmweltaktivistInnen, wie die bevorstehende Katastrophe zu verlangsamen oder umzukehren ist.
Der Kapitalismus zerstört nicht nur die natürlichen Lebensgrundlagen, sondern hat sich global zu einem System des Umweltimperialismus entwickelt. Die Ausbeutung in den halb-kolonialen Ländern wird systematisch ohne Rücksicht auf die ökologischen und sozialen Folgen intensiviert, um die Profite in den imperialistischen Zentren zu vermehren. Die sozio-ökologischen Auswirkungen werden systematisch in die Halbkolonien ausgelagert. Der Umweltimperialismus ist gekennzeichnet durch unregulierte Weltmärkte, in denen der Handel zugunsten der reichen, imperialistischen Länder organisiert wird. Grundlage dafür ist die immer weiter zunehmende Konzentration von Kapital und die Unterdrückung der halb-kolonialen Länder mithilfe der Kontrolle über entscheidende Technologien und mittels des Kapitalexports.
Alle Proteste der Betroffenen in den Halbkolonien gegen die Projekte der großen Agro-, Saatgut-, Bergbau-, Energiekonzerne etc. führen sofort zum Auftreten der internationalen Geldgeber und Institutionen, die die Regierungen vor Ort dann meist als willige Vollzugsorgane vorfinden. In den imperialistischen Zentren wird der tatsächlich betriebene Raubbau an Mensch und Natur dann mit zynischen Kampagnen über angeblich „nachhaltige“ Produktion verbunden, die es aber nur für die Menschen dort gibt . Jedes Programm im Kampf gegen den Imperialismus muss, ausgehend von den Betroffenen und den globalen Interessen der ArbeiterInnenklasse, auch zentral Forderungen zum Kampf gegen den weltumspannenden ökologischen Raubbau zu Lasten vor allem der Halbkolonien entwickeln.
Klimawandel und Umweltzerstörung können nur gemildert und umgekehrt werden, wenn die Kontrolle über die Produktion den Händen der großen Kapitalformationen entzogen wird, die die Menschheit an den Rand der Katastrophe gebracht haben. In den letzten Jahrzehnten hat sich starker Widerstand gegen Umweltzerstörung und die Bedrohungen des Klimawandels herausgebildet, ausgehend von lokalen Initiativen gegen bestimmte Großprojekte, großen Bewegungen gegen die falschen politischen Antworten z.B. zur Klimapolitik, Widerstand in Halbkolonien, aber auch Umweltbewegungen in den imperialistischen Zentren. In Europa waren es die Jugendlichen, die mit weltweiten Schüler- und Schulstreiks und direkten Aktionen die Vorreiterrolle spielten. Die Arbeiterbewegung muss sich mit ihnen verbinden, ihre Aktionen und Kampagnen unterstützen und erweitern, ohne zu versuchen, ihre Begeisterung zu unterdrücken. In gewissen Bereichen konnte das bisher ungehemmte Handeln der Großkonzerne und ihrer Helfershelfer in Bezug auf Umweltfragen gebremst werden. Es ist notwendig, diese Erfolge zu einer gesellschaftlichen Kontrolle über die sozio-ökologischen Auswirkungen von ökonomischen Entscheidungen auszubauen. Demokratische legitimierte Kontrollorgane aus Beschäftigten, KonsumentInnen, Betroffenen von Großprojekten, um ihre Zukunft kämpfenden Jugendlichen etc. müssen gebildet und befähigt werden, um über Projekte, Gefährdungsstufen, Grenzwerte, ökologische Maßnahmen etc. zu entscheiden. Dem Kapital muss systematisch die gesellschaftliche Kontrolle in Bezug auf die sozio-ökologischen Auswirkungen seines Handelns entgegengesetzt werden. Letztlich wird nur die sozialistische Revolution das System des Umweltimperialismus überwinden und die geplante optimale Nutzung der Ressourcen unter Kontrolle der Mehrheit weltweit ermöglichen.
Die folgenden Forderungen richten sich nicht einfach an staatliche und supra-nationale Umweltpolitik, sondern sind Forderungen, die sich nur in einer internationalen Bewegung umsetzen lassen, die die zuvor dargestellte Form demokratisch legitimierter gesellschaftlicher Kontrolle über die hier geforderten Maßnahmen durchsetzt.
• Für einen Notfallplan zum Umbau des Energie- und Transportsystems – weg vom weltumspannenden Verbrauch fossiler Brenn- und Treibstoffe!
• Die großen Konzerne und imperialistischen Staaten wie die USA und die EU müssen für die Umweltzerstörung bezahlen, die sie im Rest der Welt verursacht haben. Für Reparationszahlungen, um die halb-kolonialen Ländern darin zu unterstützen, den notwendigen ökologischen Wandel herbeizuführen.
• Für einen Plan zum Ausstieg aus der fossilen und nuklearen Energieerzeugung. Für massive Investitionen in regenerative Energieformen wie Wind-, Wasser- und Sonnenenergie sowie in geeignete Speichertechnologien!
• Für ein großes globales Programm zur Wiederaufforstung zerstörter Wälder bei gleichzeitigem Schutz der noch vorhandenen naturnahen Ökosysteme!
• Für den Schutz und das Recht auf Selbstbestimmung der indigenen Völker!
• Für die Unterstützung der Kämpfe der von Umweltzerstörung bedrohten Bevölkerungen und indigener Völker!
• Für ein globales Programm zum Schutz der Wasserressourcen. Für massive Investitionen in Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung!
• Für ein globales Programm zur Ressourcenschonung, Müllvermeidung und Abfallmanagement.
• Für die Umstellung der Landwirtschaft auf nachhaltige Anbaumethoden. Für die Enteignung des Großgrundbesitzes und eine Verteilung von Land an die Menschen, die es bebauen (wollen). Für tiergerechte Haltungsbedingungen in allen landwirtschaftlichen Betrieben! Für die Intensivierung der Erforschung nachhaltiger Anbausysteme unter Kontrolle der BäuerInnen und ArbeiterInnen! Wo nötig auch die Verpflichtung zur Anwendung von ökologisch nachhaltigen Anbaumethoden wie der ökologischen Landwirtschaft unter Berücksichtigung der Ernährungssicherheit.
• Kostenloser Nahverkehr für alle und massive Investitionen in öffentliche Verkehrssysteme! Umbau des Verkehrssystems zu einem auf Schienenverkehr basierenden System, sowohl bei der Personen, als auch bei der Güterbeförderung. Gleichzeitig massive Reduktion von Auto, LKW und Flugverkehr!
• Abschaffung des Geschäftsgeheimnisses! Abschaffung des Patentschutzes! Für die Zusammenführen dieses Wissens, um nachhaltige Alternativen zu bestehenden Technologien zu schaffen. Echte Unterstützung der weniger entwickelten Ländern durch Technologietransfer!
• Verstaatlichung aller Umweltressourcen, wie Agrarflächen, Wälder und Gewässer.
• Verstaatlichung aller Energiekonzerne und aller Unternehmen mit Monopolen auf grundlegende Güter wie Wasserwirtschaft, der Agrarindustrie sowie aller Luftverkehrsgesellschaften, Schifffahrts- und Eisenbahnunternehmen unter ArbeiterInnenkontrolle!
• Für eine restriktive Chemikalienpolitik nach dem Vorsorgeprinzip, dh keine Zulassung solche Stoffe, die im Verdacht stehen schädlich zu sein! Für das Verbot von Chemikalien, die erwiesenermaßen oder wahrscheinlich gesundheitsgefährend und/oder umweltzerstörend sind, wie z.B. Glyphosat! Grenzwerte oder Gefahrenstufen in der Chemikalienverwendung müssen von Organen demokratisch legitimierter gesellschaftlicher Kontrolle bestimmt werden!
Mehr als die Hälfte der Menschheit lebt heute in Städten, aber die Mehrheit von ihnen in Baracken- und Elendsvierteln ohne richtige Straßen, Beleuchtung, sauberes Trinkwasser oder Abwasser- und Abfallentsorgung. Ihre behelfsmäßigen Konstrukionen werden von Erdbeben, Wirbelstürmen, Überschwemmungen und Tsunamis weggerissen, wie wir es in Indonesien, Bangladesch, New Orleans und auf Haiti gesehen haben. Hunderttausende sterben nicht einfach an diesen „natürlichen“ Ereignissen, sondern an einer von Armut geprägten Infrastruktur. Die Flucht der Menschen in die Städte wird durch die Unfähigkeit des Kapitalismus, des Großgrundbesitzes und der Agrarindustrie getrieben, ein Leben auf dem Land zu ermöglichen.
Nur wenige BewohnerInnen dieser Viertel haben dauerhafte und sichere Arbeitsplätze. Ihre Kinder haben keinen Zugang zu Tagesstätten, Kliniken oder Schulen. Kriminelle Banden, DrogendealerInnen und Polizei nötigen und erpressen die BewohnerInnen. Frauen und Jugendliche werden in Prostitution und sexuelle Sklaverei oder Sklavereiarbeit in gefährlichen und gesundheitsschädigenden Klitschen (Sweatshops) gezwungen. Echte Sklaverei und der Handel mit Menschen nehmen wieder zu. Dies ist ein weiteres Phänomen, das nach Abschaffung des Kapitalismus schreit! Dieses entsetzliche Anhäufung menschlichen Elends muss ein Ende haben.
Dies kann aber nicht mit dem bisschen Hilfe aus reichen Ländern, Spendenveranstaltungen, NGOs oder von Kirchen, Moscheen und Tempeln betriebenen Wohltätigkeitsorganisationen erreicht werden. Auch Selbsthilfe- oder Mikrokreditprogramme können diese enormen Probleme nicht lösen. Die Bevölkerung der Barrios, Favelas und Townships kann, wie sie gezeigt hat, ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Durch Massenmobilisierungen in Venezuela, Bolivien und Südafrika konnte sie bereits Reformen durchsetzen. Im Verbund mit der ArbeiterInnenklasse kann sie mittels einer gemeinsam durchgeführten sozialen Revolution den repressiven Staat und die wirtschaftliche Ausbeutung zerschlagen und an ihrer Stelle eine auf Komitees und Räten der ArbeiterInnen und Armen gegründete Gesellschaft aufbauen als Instrument zur vollständigen Transformation unserer Städte.
• Wohnungen, Licht und Strom, Abwasser- und Müllentsorgung, Krankenhäuser und Schulen, Straßen und öffentliche Verkehrsmittel für die EinwohnerInnen der riesigen und rasch wachsenden Armutsviertel, die alle Großstädte der „Entwicklungsländer“ umgeben, von Manila und Karatschi bis Mumbai, Mexiko-Stadt und Sao Paulo!
• Für ein Programm öffentlicher Arbeiten unter der Kontrolle der ArbeiterInnen und der Armen! Für einen kostenlosen Personennahverkehr und Berufsverkehr für die ArbeiterInnen!
• Massive Investitionen in Sozial- und Gesundheitsdienste, Wohnungswesen, öffentliche Verkehrsmittel und eine saubere, nachhaltige Umwelt!
• Unterstützung der Kämpfe von KleinbäuerInnen, LandarbeiterInnen und Landlosen!
Noch leben 45 Prozent der Menschheit in Dörfern, auf Plantagen und in den ländlichen Gemeinschaften indigener Völker. Bis 2050, so schätzt die UNO, wird sich diese Zahl auf ein Drittel reduzieren. Die Landflucht ist nicht nur durch den Reiz des Stadtlebens motiviert. Für die meisten MigrantInnen überwiegen die Nachteile der Slums, der Kriminalität und der Überausbeutung die Vorzüge des Stadtlebens bei weitem. Verantwortlich ist vielmehr die Unfähigkeit des Kapitalismus, ein Minimum an würdigem Leben auf dem Land zu bieten. Das Ausbleiben und Scheitern von Landreformen hat die Arbeitslosigkeit in den Dörfern und Landlosigkeit verstärkt. Die Kluft zwischen Einkommen, Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Kommunikation dort und dem in den Städten verfügbaren ist oft enorm. Darüber hinaus sind die LandbewohnerInnen von der Zerstörung der ländlichen Umwelt durch Industriezweige wie Holzwirtschaft, Bergbau sowie durch Monokulturen und andere wirtschaftliche Aktivitäten betroffen, die zu Überschwemmungen oder zur Auslaugung des Bodens führen. Zugleich konzentriert der Kapitalismus unermüdlich Landbesitz in den Händen einer wohlhabenden Elite oder des internationalen Agrobusiness. Von China und Bengalen bis Südamerika und Afrika werden Bauern/Bäuerinnen und indigene Gemeinschaften vom besten Land vertrieben und müssen in die Slums der Städte wandern.
Das Leben auf den Plantagen, auf denen Zucker, Kaffee, Tee, Baumwolle, Sisal, Gummi, Tabak und Bananen erzeugt werden, reproduziert viele der Merkmale der Sklaverei und von unfreien Vertragsarbeitsverhältnissen. PlantagenarbeiterInnen werden oft in Schuldknechtschaft gezwungen. Eine Revolution auf dem Lande, angeführt vom Proletariat, den landlosen Bauern/Bäuerinnen oder kleinen LandbesitzerInnen, bleibt immer noch eine mächtige Verbündete der städtischen ArbeiterInnenschaft und diese ist wiederum eine unverzichtbare Unterstützung für ihre Schwestern und Brüder auf dem Land.
• Enteignung der OligarchInnen, ehemals kolonialer Plantagen und des multinationalen Agrobusiness unter Kontrolle von ArbeiterInnen, armen BäuerInnen und LandarbeiterInnen!
• Das Land denen, die es bebauen!
• Abschaffung der Pachtrente und Streichung aller Schulden der armen BäuerInnen!
• Kostenlose Kredite für den Kauf von Maschinen und Dünger; Anreize, um die SubsistenzbäuerInnen zu ermutigen, freiwilligen Produktions- und Vermarktungsgenossenschaften beizutreten!
• Freier Zugang zu Saatgut, Abschaffung aller Patente in der Landwirtschaft!
• Modernisierung des ländlichen Lebens. Volle Elektrifizierung, Internetzugang und moderne städtische Einrichtungen. Stopp der Abwanderung der Jugend aus dem ländlichen Raum durch die Förderung kreativer und kultureller Aktivitäten.
• Gegen die Armut auf dem Land; Einkommen, Zugang zu Gesundheit, Bildung und Kultur an die Städte angleichen! Dies allein kann die pathologische Form der Verstädterung des Kapitalismus verlangsamen und umkehren und den Weg zu dem im Kommunistischen Manifest festgelegten Ziel ebnen: „Vereinigung des Betriebs von Ackerbau und Industrie, Hinwirken auf die allmähliche Beseitigung des Unterschieds von Stadt und Land.“