Wem gehört die Stadt? ArbeiterInnenmacht-Broschüre, Mai 2021
Dass private VermieterInnen ihr Eigeninteresse verfolgen, ist klar. Aus unserer Erfahrung wissen wir aber auch, dass die Kommunen oder andere staatliche AkteurInnen keineswegs die Interessen der MieterInnen und erst recht nicht der Lohnabhängigen vertreten. In ihren Händen fungieren Wohnungen als staatskapitalistisches Eigentum oder erscheinen für die herrschende Klasse als unnötige Kosten im Staatshaushalt, weshalb sie immer wieder auf Kürzungen der Wohnungsetats oder auf Privatisierungen drängen. Kurzum, der Klassenkampf um die Wohnungsfrage endet nicht mit der Enteignung, er nimmt nur eine andere Form an.
Daher treten wir in allen privaten, staatlichen und auch genossenschaftlichen Wohnungsgesellschaften für die Kontrolle durch gewählte Ausschüsse oder Komitees der MieterInnen ein. Diese müssen volle Einsicht in die Geschäftsunterlagen, Finanzen und Verträge bekommen sowie ein Vetorecht über alle Entscheidungen. Notwendige, größere Erweiterungsinvestitionen oder ökologische Erneuerungen müssen nicht von den MieterInnen bezahlt werden, sondern sollen aus der Besteuerung privater EigentümerInnen oder vom Staat bestritten werden. In oben genannte Ausschüsse oder Komitees müssen neben den MieterInnen auch die Beschäftigen einbezogen werden, die für Instandhaltung, Betreuung, Neubau usw. tätig sind.
Wie bei allen gesamtgesellschaftlich relevanten Bereichen kann sich die Kontrolle über das gesamte System des Wohnens und des Wohnbaus nicht auf MieterInnen und Beschäftigte beschränken. Die Prioritäten für Neubau z. B. müssen von der gesamten Gesellschaft, also der gesamten ArbeiterInnenklasse, vertreten durch ihre Gewerkschaften oder Stadtteilkomitees, gesetzt werden.
Die genauen Formen der Kontrolle werden sich logischerweise im Zuge der Entwicklung verändern. Es versteht sich von selbst, dass die VertreterInnen von MieterInnenvereinen, Gewerkschaften, migrantischen und linken Organisationen und Parteien der ArbeiterInnenbewegung einbezogen werden müssen.
Grundsätzlich muss aber der Kampf um Kontrolle von jenem um bloße Mitbestimmung unterschieden werden, also von Gremien, in denen Staat, Kommunen und private Unternehmen neben den Lohnabhängigen vertreten sind. Dabei kommt allenfalls eine etwas gemilderte bürgerliche Wohnungspolitik heraus, ein mehr oder weniger zufriedenstellender Kompromiss zwischen Lohnabhängigen, Staat und Unternehmen, aber keine Prioritätensetzung im Sinne der Masse der Bevölkerung.
MieterInnenvertretungen und MieterInnenräte, die direkt die Interessen der Masse vertreten, stellen daher Kontrollorgane dar, die Organen der ArbeiterInnenkontrolle in den Betrieben ähneln. Sie können nur in größeren Kämpfen entstehen und verallgemeinert werden und sie müssen sich auf direkt-demokratische Strukturen in den Wohnhäusern und Stadtteilen stützen, auf Versammlungen, von den sie gewählt und denen sie rechenschaftspflichtig sind. Nur durch diese Verankerung an der Basis können sie ihre Unabhängigkeit von Staat und bürgerlichen Institutionen überhaupt erreichen und behaupten. Diese bedeutet aber auch, dass sie – wie die ArbeiterInnenkontrolle in der gesamten Wirtschaft – entweder zum Sprungbrett für eine größere Umwandlung der Eigentumsverhältnisse und der Gesellschaft insgesamt oder wie einst die Betriebsräte inkorporiert oder zerschlagen werden.
In jedem Fall nimmt die Kontrolle durch die MieterInnen und die ArbeiterInnenklasse insgesamt eine zentrale Stellung ein, wenn der Kampf um Verbesserungen und Reformen mit dem strategischen Ziel der Enteignung und dem Sturz des Kapitalismus verbunden werden soll.