Alex Zora, Infomail 1096, 21. März 2020
Die Corona-Pandemie hat die ganze Welt, insbesondere Europa fest im Griff. Täglich werden mehr und mehr Infizierte gemeldet, die Zahl der Opfer steigt mit einer ähnlichen Geschwindigkeit. Das normale Leben ist in den meisten europäischen Ländern stark eingeschränkt. Versammlungen wurden verboten, Schulen und Universitäten sind geschlossen und weitreichende Befugnisse für die Organe des bürgerlichen Staates wurden beschlossen.
Doch ein Bereich ist von den Maßnahmen bisher wenig betroffen: Die Produktionsstätten. In den meisten Ländern sind Zusammenkünfte von mehr als ein paar dutzend Menschen verboten, Kontakte mit Menschen, die nicht im selben Haushalt leben, sollen weitgehend vermieden werden und trotzdem scheint es kaum ein Problem zu sein, dass Betriebe mit hunderten oder sogar tausenden Beschäftigten ohne große Einschränkungen weiter produzieren können. Wieder einmal zeigt der Kapitalismus, dass Profite wichtiger sind als Menschenleben.
Doch vielerorts lassen sich die ArbeiterInnen das nicht so einfach gefallen. Schon vor einer Woche kam es in Italien zu einer regelrechten Streikwelle als von SchiffsbauerInnen im nördlichen Ligurien bis zu StahlarbeiterInnen im südlichen Apulien viele ArbeiterInnen spontan ihre Arbeit niederlegten, weil die Unternehmen ihnen keine Schutzmaßnahmen in den Arbeitsstätten zur Verfügung stellten. Eine Vertreterin der MetallerInnen-Gewerkschaft FIOM-CGIL meinte dazu: „Fabrikarbeiter sind nicht Bürger vierundzwanzig Stunden minus acht. Es ist nicht hinnehmbar, dass sie ihr tägliches Leben durch viele Regeln geschützt und garantiert sehen, aber sobald sie durch die Fabriktore gehen, sich im Niemandsland befinden.“
Durch die weitgehend spontanen und weit verbreiteten Arbeitsniederlegungen sah sich die Regierung in Italien gezwungen, in die Auseinandersetzung zwischen Gewerkschaften und Unternehmen einzugreifen. Nach Verhandlungen wurde von Gewerkschaften (CGIL, CSIL, UIL) und Unternehmensverbänden (Confindustria, Confapi) eine Übereinkunft unterzeichnet, die die Arbeit in vielen Bereichen reduzieren soll. Ein Produktionsstopp in allen nicht systemrelevanten Bereichen wurde aber nicht erreicht.
Dass diese Übereinkunft bei weitem nicht ausreichend war, zeigt sich auch daran, dass die Streiks nach der getroffenen Übereinkunft weiter gehen. So streikten Anfang dieser Woche Amazon Lager-ArbeiterInnen in der Nähe von Mailand.
Auch in Spanien, dem am zweitstärksten betroffenen Land in Europa, kam es zu etlichen spontanen Arbeiterniederlegungen, z.B. von den Mercedes ArbeiterInnen in Vitoria. Auch hier wurde gegen die unverantwortliche Firmenpolitik protestiert, die die Aufrechterhaltung der Produktion vor den Schutz der Beschäftigten stellt.
Die (wilden) Streiks anlässlich von Corona verbreiten sich aktuell parallel zu dem Virus selbst. Am Montag kam es offenbar auch in Linz (Österreich) zur spontanen Verzögerung des Schichtbeginns um 2 Stunden, weil die KollegInnen gegen das „unverantwortliche Verhalten der Firmenleitung“ protestieren. Erst unter Mitwirkung des Betriebsrats war es dem Unternehmen möglich, die Produktion wieder aufzunehmen.
Alle diese Beispiele zeigen, dass es auch in Zeiten von Versammlungsverbot und „sozialer Isolierung“ möglich und notwendig ist, kollektive Arbeitsverweigerung zum Schutz von sich und seinen KollegInnen durchzuführen. Die Beschäftigten und die Gewerkschaften müssen sich jetzt für einen sofortigen Arbeitsstopp mit voller Bezahlung in allen Produktionsstätten einsetzen, die nicht direkt notwendig sind, um das Gesundheitssystem und die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.