Bewegung für eine revolutionär-kommunistische Internationale, 1989, erstmals veröffentlicht in: Revolutionärer Marxismus Nr. 1, September 1989, erneut veröffentlcht in Revolutionärer Marxismus 42, Oktober 2010
Die Ursprünge und der sich ändernde Charakter der Frauenunterdrückung
Die systematische Unterdrückung der Frauen im Kapitalismus
Imperialismus und Frauenunterdrückung
Stalinismus und Frauenunterdrückung
Frauenbefreiung und Sozialismus
1. Die systematische gesellschaftliche Unterdrückung der Frauen ist untrennbar mit der Existenz der Klassengesellschaft verbunden. Es war ein direktes Resultat der Herausbildung von Privateigentum und der Teilung der Gesellschaft in Klassen, dass den Frauen die volle soziale, ökonomische und politische Gleichstellung mit den Männern verwehrt wurde. Es gibt nichts ’natürliches‘ oder ‚ewiges‘ an der Unterordnung der Frauen. Auf der Entwicklungsstufe, die Engels als „primitiven Kommunismus“ bezeichnete, hat es menschliche Gesellschaften gegeben, in denen der Beitrag der Frauen zur und ihre Rolle in der Gesellschaft als gleichwertig (in manchen Fällen sogar als übergeordnet) zu denen der Männer angesehen wurden. Die durch Anthropologen und Archäologen bewiesene Existenz solcher Gesellschaften entkräftet die Argumente jener, die die Unterordnung der Frauen mit der Behauptung ‚Es war schon immer so und muss daher immer so bleiben‘ verteidigen. Es wird dadurch auch der Irrtum jener FeministInnen aufgezeigt, die die Existenz der Frauenunterdrückung in verschiedenen Klassengesellschaften als Beweis dafür betrachten, dass diese Unterdrückung nicht auf der Teilung der Gesellschaft in verschiedene Klasse beruhe.
Die Klassengesellschaft und die mit ihr verbundenen Eigentumsformen entstanden aus der Auflösung der Gentilgesellschaft. Verwandtschaftsgruppen besaßen Eigentum kollektiv oder kommunal und es waren eher Haushalte als Familien, die die grundlegenden Einheiten der sozialen Organisation bildeten. Die Verwandtschaftsgruppen waren oft matrilinear aufgebaut, d.h. die Abstammung folgte der weiblichen Linie, aber einige waren auch patrilinear. Die Produktionsgrundlage für die Gemeinschaften bestand hauptsächlich im Ackerbau und teilweise in Viehzucht und Hirtenleben. Die ältesten Formen menschlicher Gesellschaft jedoch waren nach Nahrung suchende Horden, die den Boden noch nicht als Arbeitsmittel, sondern nur als Arbeitsgegenstand gebrauchten. Das Land war noch kein Eigentum, nicht einmal im gemeinschaftlichen Sinne. Solche Gruppen beruhten anfangs auf dem Jagen und Sammeln. Später wurden Gartenbau und die Zähmung von Tieren die Grundlage der Subsistenz.
In solchen Gesellschaften gab es je nach Geschlecht und Alter verschiedene Arbeitsteilungen. Sie waren weder starr noch durch Rituale oder Sitten formalisiert. Solche Arbeitsteilungen entstanden nicht in jeder Gruppe in identischer Art und Weise, aber in Bezug auf die Rollen, die Männer und Frauen auf dieser Stufe der menschlichen Gesellschaft einnahmen, bildeten sich doch etliche gemeinsame Merkmale heraus. Im allgemeinen waren Frauen eher mit dem Sammeln als mit dem Jagen beschäftigt. Das ergab sich aus ihrer Rolle als Reproduzentinnen der Gattung Mensch. Schwangerschaft und anschließendes Säugen der Kinder (was oft sehr lange getan wurde) erklären, warum Frauen eine Tendenz zum Sammeln als dem Hauptelement ihrer Arbeit hatten. Obwohl es mühsam war, war das Sammeln besser mit dem Tragen eines zu säugenden Kindes vereinbar. Männer waren mit Jagd und anderen Aktivitäten beschäftigt, die eine größere Mobilität erforderten.
Es gibt Ausnahmen (und es gibt viele Fälle von jüngeren Frauen, die vor ihrer Einbeziehung in die Reproduktion an Jagden teilnehmen), aber in den meisten JägerInnen- und SammlerInnengesellschaften, die untersucht wurden, fand man dieselben allgemeinen Merkmale. Jedoch war diese aufkommende Arbeitsteilung damals nicht unterdrückerisch und musste es auch von Natur aus nicht sein. Der Beitrag der Frauen durch das Sammeln war gegenüber dem, was die Männer durch das Jagen herbeischafften, nicht minderbewertet. Zwischen den Geschlechtern existierte eine grobe Gleichheit. In bestimmten Situationen in kleinen Clans, in denen die Reproduktion des Clans durch einen Frauenmangel gefährdet war, wurden Frauen gerade wegen ihrer Gebärfähigkeit zu den bevorzugten Opfern von Raubzügen, während männliche Krieggefangene meist sofort umgebracht wurden. Um sich gegen solche Übergriffe zu schützen, waren die Frauen auf den Schutz der Männer ihres eigenen Clans angewiesen, da sie selbst weniger in der Kriegskunst geübt waren. Mit diese Tatsachen versuchen feministische AutorInnen die Unterdrückung der Frauen auch in urkommunistischen Gesellschaften zu beweisen. Aber das ist falsch. Vielmehr bildete dieses Angewiesensein ein Element einer wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Männern und Frauen in primitiven Gesellschaften. Jedenfalls bedeutet die Maßgeblichkeit der Reproduktion bei der Bestimmung der Art der Arbeitsteilung nicht, dass die Unterdrückung biologisch festgelegt war. Die Rollen in der Reproduktion trugen ihren Teil zur Ausformung einer anfangs nicht unterdrückerischen Arbeitsteilung bei. Aber die Entwicklung der Produktivkräfte und das sich ändernde Verhältnis der Reproduktion zu ihnen, nicht die Tatsache der reproduktiven Rolle der Frauen an und für sich, waren die zentralen Faktoren bei der Verwandlung der Arbeitsteilung in eine unterdrückerische.
Als sich die Produktivkräfte mit der Entwicklung des Gartenbaus und später des Ackerbaus, der Zähmung und Züchtung von Tieren und mit der Entwicklung der Metallbearbeitung, die zur Produktion besserer Werkzeuge (und Waffen) für die Durchführung solcher Arbeiten führte, ausweiteten, wurden die Bedingungen für die Produktion eines Überschusses, d.h. von mehr Nahrungs- und Lebensmitteln als für den unmittelbaren Konsum der Gruppe gebraucht wurden, geschaffen. Die Existenz eines Überschusses stimulierte einen Kampf innerhalb der Verwandtschaftsgruppen. Eine Schicht von Individuen (die aus den komplexen Rangordnungssystemen, die in den Verwandtschaftsgruppen vorherrschten, hervorkam) begann im Widerspruch zu den Normen des Gemeineigentums, die zuvor üblich waren, ihre direkte Kontrolle über den Überschuss durchzusetzen. Individuen, die embryonale Formen von Privateigentum erlangen und kontrollieren konnten, gerieten mit der Verwandtschaftsgruppe als Ganzes in Konflikt.
Dieser Kampf war noch kein Klassenkampf, sondern repräsentiert vielmehr die Geburtswehen der Klassengesellschaft. Für den ‚primitiven Kommunismus‘ hatten die Totenglocken geschlagen. Während dieser Periode wurde die Verwandtschaftsgruppe durch die Familie ersetzt und den Frauen wurde die Monogamie aufgezwungen. Das Ergebnis dieses Prozesses war, dass die Frauen nun systematisch gesellschaftlich unterdrückt wurden.
Selbstverständlich existierten alle möglichen Arten der ‚Unterdrückung‘ auch schon während der frühen Stadien der menschlichen Entwicklung – Gefangene z.B., männliche wie weibliche, waren oft unterdrückt. Und es ist auch diese Zeit, wo die Unterdrückung der Sexualität, v.a. der Frauen, ihren Ursprung hat. Allerdings ist die Unterdrückung der Frauen in allen Gesellschaften an der Schwelle der Klassenspaltung noch weit davon entfernt, ein kohärentes System geschlechtsspezifischer Unterdrückung und Diskriminierung darzustellen. Die Auflösung der ursprünglich urkommunistischen Gleichgewichtung der Geschlechter vollzog sich im Laufe von Jahrtausenden und erlebte in den meisten Stammesgesellschaften auch gegenläufige Tendenzen, um die alte Ordnung beizubehalten. In Gesellschaften, die um die Erhaltung ihrer Existenz noch im Rahmen einer Subsistenzökonomie kämpften, konnten besondere Faktoren, wie z.B. demographische Probleme, zur Einrichtung von Ritualen und Tabus führen, die oftmals brutale Konsequenzen für Frauen hatten, eben wegen deren Rolle in der Reproduktion, z.B. bei den australischen Aborigines. Aber solche Beispiele bleiben Ausnahmen, die durch zufällige materielle Ursachen erklärbar sind, und bilden keinen Beweis für eine verallgemeinerte gesellschaftliche Unterdrückung der Frauen. Die systematische gesellschaftliche Unterdrückung der Frauen als Geschlecht war eine Folge des Kampfes zwischen dem Gemeineigentum und dem Privateigentum (oder, wie im Falle der asiatischen Produktionsweise, dem Staatseigentum) und des Triumphs des letzteren über das erstere. Diese gesellschaftliche Unterdrückung bedeutete, dass die Frauen von einem gleichberechtigten Anspruch am gemeinschaftlichen Sozialprodukt ausgeschlossen wurden und ihnen gleichzeitig die Kontrolle über die Produkte ihrer eigenen Arbeit verwehrt wurde. Diese Form der Unterdrückung, eben gesellschaftliche Unterdrückung, kann nur entstehen, wo es eine längere Produktion von gesellschaftlichem Mehrprodukt gegeben hat und wo der Kampf um die Kontrolle über dieses Mehrprodukt eine Kontrolle der produktiven wie der reproduktiven Funktionen der Frauen erfordert. Die gesellschaftliche Unterdrückung der Frauen war ein Ergebnis des Aufkommens der Klassengesellschaft. Als solches kann sie nur auf dem Misthaufen der Geschichte landen, wenn auch die Klassengesellschaft zerstört wird.
Sobald Überschüsse produziert wurden, wurde der Austauschprozess zwischen den Gruppen gegenüber der einfachen Verteilung zum Verbrauch, wie sie in der Verwandtschaftsgruppe üblich gewesen war, immer wichtiger. Der Handel entwickelte sich und der Wert des Überschusses zeigte sich klar in der Fähigkeit, Produkte anderer Gruppen zu erlangen. Die Gruppen, die die Kontrolle über diesen Überschuss bekamen und daher die herrschende Klasse der neuen Gesellschaften wurden, waren infolge ihrer damaligen Rolle in der Produktion im allgemeinen Männer. D.h., die schon vorher existierende Arbeitsteilung wurde, obwohl sie anfangs nicht unterdrückerisch war, bei der Herausbildung einer herrschenden Klasse zentral. Das Erbe der männlichen Rolle bei der Jagd war auf dreierlei Weise entscheidend: Erstens bedeutete es, dass Männer die Kontrolle über die gezähmten Tiere inne hatten, eine dynamische Produktionssphäre im Bezug auf die Ausweitung des Überschusses. Zweitens führte die wachsende Bedeutung des Landes als wertvolle Ressource zu entsprechenden Kämpfen um Land. Männer hatten, dank ihrer Jägerrolle, Kontrolle über die Waffen (und verbunden damit auch über die ersten Werkzeuge) und hatten Fähigkeiten zu deren Herstellung und Anwendung entwickelt. Ihre Rolle im Krieg bestand nicht nur darin, rivalisierende Verwandtschaftsgruppen zu besiegen, sondern diente auch dazu, die weibliche Kontrolle über das Land zu zerstören. Frauen bearbeiteten noch immer das Land, aber die Männer bemächtigten sich sowohl des neuen Landes, als auch der Kontrolle über die Produkte davon. Der dritte Vorteil der Männer war, dass meistens sie die Mitglieder der Gruppe waren, die reisten. Mit der Ausweitung der Produktivkräfte bedeutete Reisen nicht nur Krieg, sondern auch Handel. Von Anfang an kontrollierten im allgemeinen Männer den Handel (obwohl es Ausnahmen, wie bei bestimmten Stämmen Westafrikas, gibt).
Männer genossen daher sowohl in der Produktion wie auch im Austausch Vorteile. Daher wurde der Teil der Männer, der am besten platziert war, um die Kontrolle über die Verteilung des Mehrprodukts des Kollektivs zu erlangen, eine embryonale herrschende Klasse. In den frühesten Klassengesellschaften wurde dem Übergang vom gemeinschaftlichen Überschuss zum Privateigentum oft eine religiöse Verkleidung gegeben, wobei die Eigentümer als priesterliche Kaste auftraten. Der Gedanke, dass das Privateigentum in Wirklichkeit nur Gemeineigentum sei, das durch die Vertreter der ‚Götter‘ kontrolliert würde, war ein Erbe der Traditionen der Verwandtschaftsgruppe, die erst kürzlich gestürzt worden war und zugleich eine ideologische Rechtfertigung für das neue Regime, das sie ersetzt hat.
Dieser Prozess formte die ökonomische Ordnung des privaten Haushaltes. Die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen wurde für die Frauen durchgehend unterdrückerisch. Die vorher gesellschaftliche Arbeit der Frauen – Sammeln, Landwirtschaft und Haushaltsführung – wurde in privatisierte Arbeit im Dienste der Haushaltseinheit, der frühen monogame Familie, umgewandelt.
Es war die Rolle der Frauen in der Produktion, die sie in eine untergeordnete Stellung in der Gesellschaft brachte. Aber in diesem Prozess hatte der Konflikt zwischen dem Gemein- und dem Privateigentum einen verändernden Effekt auf die gesellschaftliche Organisation, der zur systematischen Unterdrückung von Frauen führte. Die Akkumulation von Privateigentum durch eine kleine Kaste erforderte die Beendung der egalitären Verteilung, die in den Verwandtschaftsgruppen noch existierte. Das große Netzwerk von Leuten innerhalb der Verwandtschaftsgruppe, die Anspruch auf Produkte erhoben (alle aus einer großen Reihe ziemlich entfernter Verwandter haben gleiches Anrecht), musste aufgegeben werden, wenn der Überschuss konzentriert werden sollte.
Eine kleinere gesellschaftliche Einheit, in der nur die direkten Nachkommen legitime Erben waren, wurde als Folge des Widerspruchs zwischen Gemein- und Privateigentum geschaffen. Diese Gruppe, die Familie, wie wir sie heute nennen, entwickelte sich aus der Verwandlung einer temporären, leicht löslichen ‚Paarungsehe‘ zwischen einem Mann und einer Frau aus verschiedenen Verwandtschaftsgruppen in eine dauerhafte Grundstruktur für den neuen Haushalt. Die lockere Paarungsehe wurde beständig und für die Frauen lag nun das sexuelle Betätigungsfeld ausschließlich in ihr. Dies bedeutete, dass alle ihre Kinder notwendigerweise diejenigen ihres Gatten und daher legitime Erben seines Reichtums waren. Als dies zur vorherrschenden Form sozialer Organisation wurde, wurden Kodizes und Gesetze eingeführt, die die Unterordnung der Frau erzwangen und zum Verlust jeglicher gleicher Rechte auf Eigentum oder auf politisches und soziales Leben führten. Der kollektive Haushalt der Verwandtschaftsgruppe war in das Gefängnis der monogamen Familie verwandelt worden. Patrilinearität wurde die Norm, die Matrilinearität war gestürzt.
Der Zusammenstoß zwischen den Verwandtschaftsgruppen (Gentilgesellschaften) und der Familie, der den Zusammenstoß zwischen dem Gemein- und dem Privateigentum widerspiegelte, schuf die objektive Notwendigkeit für eine öffentliche Macht, die als Schiedsrichter fungieren konnte. Die materielle Basis für den Staat war geschaffen. Innerhalb der Verwandtschaftsgruppen war keine externe Macht nötig, da die Gruppen kooperativ handelten, wobei alle Mitglieder gleiche Rechte und Verantwortungen hatten. Der externe Staat verstärkte den patriarchalischen Charakter der Familie und der Erbfolge. Diese Entwicklungen, die sich über viele tausend Jahre und in einer sehr kombinierten und ungleichen Weise ereigneten, brachten die ersten Klassengesellschaften hervor (die alten Stadtkönigreiche Mesopotamiens, Ägyptens etc). Die Klassengesellschaften waren patriarchalisch. Die Frauen hatten eine historische Niederlage erlitten.
Engels‘ Analyse der Ursprünge der Frauenunterdrückung war in seinen Grundaussagen richtig. Neues anthropologisches Material hat gewisse Details seiner Analyse in Frage gestellt, die wir daher abändern oder ergänzen müssen. Und zwar folgende: Engels‘ Anerkennung des Mutterrechts als universelles Stadium der Gesellschaft und seine Implikation, dass dieses Stadium eine Periode weiblicher Dominanz in der Gesellschaft beinhaltete, wird von der modernes archäologisches und anthropologisches Material nicht bestätigt. Während unzählige Zeugnisse von matrilinearen Verwandtschaftsgruppen vorhanden sind, gibt es nur wenige für die Annahme, dass sie gesellschaftlich von Frauen dominiert worden wären. Eine ungefähre Gleichheit existierte. Diese Gleichheit herrschte aber auch in patrilinearen Gesellschaften vor, die es in dieser frühesten Phase der menschlichen Gesellschaft ebenfalls gab. Jedoch, insoweit die Vernichtung der Matrilinearität immer ein Merkmal der Entwicklung zur Klassengesellschaft ist, hat Engels recht, von einer historischen Niederlage für die Frauen zu sprechen. Der Punkt ist, dass diese Niederlage vielmehr das Ergebnis eines Prozesses war, als ein bewusster und umsturzähnlicher Akt der Männer gegen die Frauen.
Engels‘ Betonung der Viehwirtschaft als primärem Gebiet der Akkumulation von Überschuss darf uns gegenüber der Wichtigkeit des Kampfes um Land nicht blind machen. Dieser war ebenfalls ein Bestandteil jenes Prozesses, durch den die Frauen als Geschlecht unterdrückt wurden. Die Entwicklung vom Gartenbau zum Ackerbau machte das Land zu einer wesentlichen Quelle von Mehrprodukt. Während die Frauen in vielen Hackbaugesellschaften mehr oder weniger ihre Gleichheit zunächst beibehielten, stellen die später entwickelten nomadischen Hirtengesellschaften das andere Extrem dar. Bei ihnen trug die von den Männern kontrollierte Produktion von Vieh mehr zum Sozialprodukt bei als die Arbeit der Frauen. In diesem Zusammenhang bildeten sich entscheidende Züge des Patriarchats und der Frauenunterdrückung heraus und diese wurden im Zuge kriegerischer Eroberungen den unterworfenen Ackerbaukulturen aufgezwungen . Die männliche Vorherrschaft in der Kriegsführung stellte sicher, dass Männer die Hauptnutznießer der real stattfindenden Kämpfe um Land waren.
Engels bezeichnet erst die SklavenInnenhalterInnengesellschaft als die erste voll entwickelte Klassengesellschaft, in der die Unterdrückung der Frauen gesetzlich verankert ist. Tatsächlich aber waren schon die städtischen Zivilisationen Mesopotamiens Klassengesellschaften – beherrscht durch große Landbesitzer und eine PriesterInnenkaste, die Tribute aus der Masse der unterworfenen Bauern/Bäuerinnen herausholten – in denen sich die patriarchalische Familie durchgesetzt hatte und in den Gesetzen des Staates anerkannt wurde. Ihr Unterschied zu den SklavenInnenhalterInnengesellschaften der klassischen Welt war, dass sie noch mehr und deutlichere Spuren der gemeinschaftlichen Verwandtschaftsgruppen aufwiesen, aus denen sie entstanden waren (z.B. die Idee, dass das Eigentum eher den Göttern gehörte als irgendwelchen Individuen und die PriesterInnen nur deren Verwalter seien, oder auch die Möglichkeit für Frauen, einzelnen Aspekten ihrer Unterdrückung zu entkommen, indem sie sich in den Tempeldienst einkauften usw.).
Wir müssen Engels‘ Analyse hinzufügen, warum es die Frauen waren, die als Geschlecht untergeordnet wurden. Dies resultiert aus der Umwandlung der ursprünglichen JägerInnen- und SammlerInnen-Arbeitsteilung (die wiederum geprägt war durch die Rolle der Frauen in der Reproduktion, was sie für die Jagd weniger geeignet machte) von einer vorwiegend kooperativen in eine systematisch unterdrückerische. Die Ursache für diese Umwandlung ist in dem Konflikt zwischen der sich entwickelnden Familieneinheit und der Verwandtschaftsgruppe zu finden.
Eine Hauptidee bei Engels‘ Herleitung des Ursprungs der Frauenunterdrückung gründete sich auf Darwins Prinzip der natürlichen Auslese, das er in einem universell verallgemeinerten Inzesttabu verwirklicht sah. Folglich verstand Engels die Entwicklung der Menschheit als eine von voranschreitenden Stufen: beginnend mit der promiskuitiven Urhorde, über die Punalua-Familie und die Gentes zur Paarungsehe, die dem Patriarchat als günstige Voraussetzung für die gewaltsame Errichtung der monogamen Ehe entgegenkam. So fortschrittlich es auch von Engels war, die monogame Ehe als späteres Stadium der menschlichen Geschichte zu betrachten, so ist doch die von ihm vorgeschlagene Stufenfolge weit davon entfernt, universell gewesen zu sein. Bei diesem Punkt überwand Engels den biologischen Determinismus nicht vollständig, da er es nicht verstand, die Entwicklung von Produktion und Reproduktion mit dem Entwicklungsniveau der sozialen Strukturen in Verbindung zu setzen. Die Entwicklung der Familienformen muss genauso mit der historisch-materialistischen Methode untersucht werden wie die Sphäre der unmittelbaren Produktion, und nicht auf darwinistische Art. Inzest-Tabu und Heiratsregeln müssen gesellschaftlich hergeleitet werden, d.h. vom Niveau der Produktivkräfte und den Produktionsverhältnissen.
Mit diesen Abänderungen und Zusätzen können die Ursprünge der Frauenunterdrückung immer noch mit die Methode des dialektischen Materialismus, die Engels verwendet hatte, erklärt werden. Die Frauenfrage kann damit grundsätzlich als Klassenfrage verstanden werden.
2. Das Entstehen der Klassengesellschaft brachte (für die Frauen) die monogame Ehe mit sich. Die Formen der Ehe waren in den primitiven Gesellschaften verschieden. Paarungs- und Gruppenehen waren üblich. Im ersteren Fall war es im allgemeinen relativ leicht, die Ehe auf Wunsch eines Partners aufzulösen. Da das Ausmaß der sexuellen Freiheit in den Eheregeln der primitiven Gesellschaften sehr verschieden war, kann man nicht sagen, dass Monogamie die vorherrschende Norm war. Ihr Aufkommen als die vorherrschende Norm in den frühen Klassengesellschaften bezeichnet eine neue historische Periode sowohl für die Familie, als auch für die Frauen. Zur geschlechtlichen Arbeitsteilung wurde noch eine neue Dimension hinzugefügt, die die Frauenunterdrückung verstärkte und zu einem allgemeinen Merkmal dieser Unterdrückung in jeder folgenden Klassengesellschaft wurde. Das war die Dimension der Privatisierung der Hausarbeit in der individuellen Familieneinheit. Wie es die Anthropologin Eleanor Leacock ausdrückte:
„Die Unterordnung des weiblichen Geschlechtes hatte ihre Grundlage in der Umwandlung ihrer gesellschaftlich notwendigen Arbeit in eine private Dienstleistung, hervorgerufen durch die Trennung der Familie vom Clan. Es war in diesem Zusammenhang, dass die Haus- und anderen Arbeiten der Frauen unter Bedingungen der praktischen Sklaverei durchgeführt wurden“. (Einleitung zu Engels, Der Ursprung …, englische Ausgabe, Lawrence & Wishart).
Trotz der massiven Ausweitung der Produktivkräfte seit der Zeit der Kulturen des Altertums, sind Frauen immer noch Haussklavinnen.
In der SklavInnengesellschaft umfasste die Familie nicht nur (und auch nicht vorwiegend) die Eltern und deren Kinder. Im Griechenland des 5. Jahrhunderts war die Familie der neu aufkommenden herrschenden Klasse (große SklavInnenhalterInnen und Landbesitzer in Attica) um den Haushalt, den Oikos, herum organisiert. In diesem Rahmen führten die Frauen den Haushalt und webten (für den eigenen Verbrauch und für den Handel), während die Männer mit öffentlichen Angelegenheiten, Handel, Angelegenheiten des Staates usw. beschäftigt waren. Die Frauen wurden durch Gesetze im wesentlichen vom Handel ausgeschlossen. Während sie formal Eigentum besitzen durften, konnten sie dieses nicht kontrollieren. Kontrolle war etwas, das mit ihren Ehemännern verbunden wurde, oder, im Fall von Töchtern, die mangels Söhnen den Familienschatz erbten, mit männlichen Vormunden (Kyrios). Der Vater oder Vormund der Frau arrangierte Ehen, um Reichtum für die Familie zu gewinnen. Es ist überflüssig zu sagen, dass die Sklavinnen in den Händen dieses streng patriarchalen Systems unterdrückt wurden, indem sie einerseits zu ökonomischem Nutzen und andererseits zum sexuellen Vergnügen der Männer der herrschenden Klasse eingesetzt wurden. Ihnen wurden alle Rechte auf eine eigene Familie untersagt, da ja die Kinder der SklavInnen einfach Besitz der Herren waren.
Diese ökonomische Unterordnung war gepaart mit einem unbarmherzigen Regime in sozialen Fragen. Die Frauen in Athen (Sparta war weniger streng in seinen Gepflogenheiten, doch die KriegerInnenkultur unterdrückte die Frauen auf andere Weise) waren abgesondert in ihren eigenen Bereichen im Haushalt und wurden von ihren Männern als Gebärmaschinen betrachtet. Individuelle geschlechtliche Liebe spielte dabei keine Rolle. Ein zynischer griechischer Redner des 4. Jahrhunderts fasste die Einstellung der am höchsten entwickelten SklavInnenhalterInnengesellschaft (Athen) vor dem Römischen Reich so zusammen: „Wir begeben uns zu unseren Kurtisanen für unser Vergnügen, halten uns Konkubinen für unsere täglichen Bedürfnisse und heiraten Frauen, die uns legitime Kinder geben und treue Hüterinnen unserer Feuerstelle sind.“
Im antiken Rom genossen die Frauen (der herrschenden Schicht) größere persönliche Freiheiten als ihre athenischen Vorfahrinnen. Jedoch heißt relative persönliche Freiheit auf manchen Gebieten nicht, dass die soziale Unerdrückung zu existieren aufhörte. In allen Grundzügen war die römische Familie, die familia, wie der Oikos ein Haushalt, in dem die Frauen für alle häuslichen Belange verantwortlich waren, über dessen Produkte sie aber keine unabhängige Kontrolle hatten.
Der Zusammenbruch des römischen Reiches und der langsame und schmerzliche Übergang zum Feudalismus veränderten die Familienstruktur beträchtlich. Der Triumph der Barbarei bedeutete: a) das Ende der Sklaverei als dominante Produktionsweise; b) die Fusion der barbarischen Familie, die im großen und ganzen noch harmonisch mit dem Clan existierte , mit der individuellen Familieneinheit des eroberten Reiches.
Über eine Periode von einigen Jahrhunderten entwickelte dieser Prozess eine neue Produktionsweise und eine heue Familienform. Der Feudalismus, eine Produktionsweise, die sich aus der Übergangsperiode entwickelte und die von bürgerlichen HistorikerInnen die „dunklen Jahre“ genannt wird, verwandelte das Claneigentum der germanischen Stämme in Eigentum der Feudalherren und -fürsten. Der Haushalt der Leibeigenen, der ein Stück Land auf einem der Feudalgüter bearbeitete, arbeitete kooperativ als Produktionseinheit und versuchte permanent den ihm verbleibenden Rest zu vergrößern, den er nach Erfüllung seiner Pflichten gegenüber dem Feudalherren genießen konnte. Klarerweise war das Leben der Leibeigenen miserabel und die Feudalherren versuchten, ihnen alles außer den grundlegenden Subsistenzmitteln zu verweigern. Aber durch die Beendigung der Sklaverei als vorherrschender Produktionsweise und durch die Verwandlung der Leibeigenenfamilie in einen produktiven Haushalt spielte der Feudalismus (eine dynamische agrarische Wirtschaft, verglichen mit dem späten römischen Reich und mit den primitiven landwirtschaftlichen Methoden der germanischen Clans) eine wichtige Rolle dabei, die Gesellschaft nach dem Zusammenbruch der Antike weiterzubringen.
In dieser Situation änderte sich die Form der Frauenunterdrückung. Für die Frau der herrschenden Klasse wird die Führung des Haushaltes zur Aufsicht über die DienerInnen und deren Einteilung und jener ist damit für die Wirtschaft weniger entscheidend als der Oikos oder die familia. Zusätzlich bekamen die Töchter der herrschenden Klasse einen großen Wert bei der Errichtung von Bündnissen, der Vergrößerung der Güter usw. durch die Heiratspolitik. Für die Leibeigenen andererseits war die Familie die grundlegende Produktionseinheit. Mann, Frau und Kinder bearbeiteten das Land gemeinsam, um den Lebensunterhalt für sich und den Überschuss für ihre Herren zu produzieren. Jedoch konnte die schon zuvor existierende Verdrängung der Frauen von der gleichwertigen Kontrolle über den Überschuss oder die Subsistenzmittel von den Leibeigenen nicht rückgängig gemacht werden. Die Ideologie der Feudalherren, verfeinert und ausgedrückt durch die Kirche, legte für alle Frauen einen niederen Status fest. Im mittelalterlichen Europa gab es für die Frauen aus unterschiedlichen Klassen ein durchaus verschiedenes Ausmaß an sexueller Unterdrückung. In der herrschenden Klasse war die ‚höfische Liebe‘ zwischen einer Frau und einem (adeligen oder ritterlichen) Mann im großen und ganzen toleriert. Auf der anderen Seite bedeuteten die Vorschriften der christlichen Moral für die große Masse der leibeigenen Frauen, dass jede sexuelle Aktivität außerhalb der Ehe, stigmatisiert wurde. Insbesondere Ehebruch wurde mit Folter oder gar dem Tode bestraft. Die Einführung bestimmter Regeln durch die Kirche, z.B. die Verpflichtung, zumindest jährlich die Beichte abzulegen (eine Maßnahme, die im Mittelalter eingeführt wurde), stellte sicher, dass die ortsansässigen Priester direkt in das Privatleben der Leibeigenen eingreifen konnten. Natürlich war die Realität vielfältiger als die christliche Moralität. ‚Abweichende‘ sexuelle Aktivitäten, einschließlich jene der Priester, die sexuelle Beziehungen manchmal zu mehreren verheirateten Frauen des Ortes hatten, kamen oft ungestraft davon.
Leibeigene Frauen wurden noch immer als Besitz des Herren angesehen (ein eindeutiges Relikt der Sklaverei), und vielerorts im feudalen Europa waren die männlichen Leibeigenen gezwungen, ihre Bräute dem Lehensherren vorzustellen, damit dieser sein „Recht der ersten Nacht“ ausüben konnte. Die Erhaltung der privaten, häuslichen Sklaverei neben der gemeinschaftlichen, sozialen Produktion in ein und derselben Familie von Leibeigenen war der entscheidende Faktor für das Fortbestehen der Unterdrückung der großen Masse von Frauen während der feudalen Produktionsweise.
Der Haushalt der Leibeigenen konnte nur so lange überleben wie der Feudalismus selbst. Die Auflösung des Feudalismus führte schließlich zu einer Zerstörung der britischen BäuerInnenschaft. Grundbesitzer vertrieben die kleinen Pächter von ihrem Land und legten den Grundstein für die Bildung einer Klasse von freien ArbeiterInnen, ProletarierInnen. Ihres Landes beraubt, das sie gemeinsam bearbeiteten, hörten die BäuerInnenfamilien auf, Haushalte zu sein, die in die gesellschaftliche Produktion einbezogen waren (obwohl die Heimarbeit Aspekte des alten Haushalts während der frühesten Periode der Manufakturen beibehielt). In den Städten und Dörfern wurde die BäuerInnenfamilie während der industriellen Revolution untergraben, indem alle ihre Mitglieder in die Fabriken oder Bergwerke gebracht wurden. Und zwar als vereinzelte ProletarierInnen, die für einen Unternehmer anstatt für die Aufrechterhaltung des Haushalts arbeiteten. Obwohl der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus nicht in jedem Land diesem britischen Modell gefolgt ist, waren dessen wesentliche Züge und die Auswirkungen auf das Wesen der Familie überall die gleichen.
In den deutschen Landen und in Mitteleuropa z.B. hatte ein größerer Teil der Leibeigenen, der als Gesinde am Gutshof arbeitete, gar keine Familien. Der Feudalherr hatte das Recht, eine Ehe zu erlauben, zu verbieten oder sie zu verlangen. Erst der Kapitalismus löste diese Fesseln an persönlicher Abhängigkeit auf. Dies führte zu losen Formen von sexuellen Beziehungen, was eine gewaltige Bevölkerungsexplosion hervorrief. Erst später gewährte ihnen der kapitalistische Staat das gesetzliche Recht auf sexuelle Aktivität, aber nur dadurch, dass ihnen die bürgerliche, monogame Ehe aufgezwungen wurde.
Die Muster von Entwicklung und Übergang, die hier beschrieben wurden, gelten hauptsächlich für Europa. Die Formen und das Ausmaß an Unterordnung der Frauen außerhalb Europas hingen natürlich von den verschiedenen gesellschaftlichen Strukturen ab, die jeweils existierten (z.B. in der asiatischen Produktionsweise). Nichtsdestotrotz ist die Unterdrückung der Frau, die in ihrer Position innerhalb der Familie ursächlich angesiedelt ist, allen Klassengesellschaften gemeinsam.
3. Der industrielle Kapitalismus revolutionierte den Charakter der menschlichen Produktion und mit ihr die spezifische Form der Frauenunterdrückung. Der Haushalt hörte auf, die grundlegende Produktionseinheit zu sein, und wurde ersetzt durch die kapitalistische Fabrik und den kapitalistischen Landwirtschaftsbetrieb. Die ArbeiterInnenfamilie produzierte nicht mehr die Subsistenzmittel für sich selbst, ihr gehörten die Produktionsmittel nicht mehr. Der Kapitalismus hatte also das Proletariat geschaffen, das nichts besitzt außer seine Fähigkeit zu arbeiten. Der Verkauf der Arbeitskraft wurde die einzige Möglichkeit für das Proletariat zu überleben. Die Einführung von Maschinen in der Industrieproduktion erlaubte es allen Teilen der ArbeiterInnenklasse – egal welchen Geschlechts oder Alters, im Produktionsprozess nützlich zu sein.
In der frühen Periode des industriellen Kapitalismus, der zuerst in England am deutlichsten entwickelt war, brachen die neuen Produktionsverhältnisse die alten Formen der Familie und des Haushaltes auf, indem sie alle Mitglieder in die Fabriken und Mühlen zogen. Der Fähigkeit der ArbeiterInnen zu überleben und sich zu reproduzieren, wurde durch diese Entwicklung geschadet, da die für die Reproduktion der Arbeitskraft notwendige Zeit für Hausarbeit von der kapitalistischen Produktion aufgebraucht wurde. Dies führte zu ArbeiterInnenkämpfen um die Länge des Arbeitstages und die Beschränkung der Kinder- und Frauenarbeit.
Obwohl der Haushalt als grundlegende Produktionseinheit durch den Kapitalismus zerstört worden war, blieb die Familie weiterhin bestehen, als Mittel, wodurch die neue Klasse von Proletariern sich selbst und ihre Arbeitskraft reproduzierte. Der Kapitalismus untergrub die Fähigkeit des Proletariats, dies zu leisten. Er untergrub die Familie selbst, indem er jedes Mitglied jeder proletarischen Familie zwang, unter erschreckenden Bedingungen über lange Stunden hinweg zu arbeiten. Angesichts des entschlossenen Kampfes des Proletariats erkannten Teile der KapitalistInnenklasse die Notwendigkeit zu handeln.
Objektiv war die Erhaltung der proletarischen Familie als Mittel zur Reproduktion der Arbeitskraft und des Proletariats selbst im Interesse der UnternehmerInnen. Das Profitinteresse machte die KapitalistInnen jedoch blind gegenüber ihren eigenen langfristigen objektiven Interessen. Nur wenn die Aktion der ArbeiterInnenklasse Brüche in ihren eigenen Reihen erzeugt, sind Teile der herrschenden Klasse gezwungen, die Widerstände „reaktionärer“ UnternehmerInnen zu überwinden und Reformen zu gewähren, die entworfen wurden, um die Herrschaft des Kapitals selbst zu bewahren. Daher beugte sich im 19. Jahrhundert in Großbritannien, dem Prototyp des modernen Industriekapitalismus, die liberale Bourgeoisie dem Druck des Proletariats und gewährte eine Reform, da sie selbst deren Notwendigkeit einsah.
Es gab nichts Automatisches bei diesem plötzlichen Ausbruch der „Aufklärung“ des Kapitalismus, als er eine Gesetzgebung zugestand, die den Arbeitstag einschränkte. Er war gespalten und gewährte eine Reform, um noch Schlimmeres zu verhüten – die revolutionäre Aktion der Arbeiter Innenklasse. Daher erkannte Marx richtig diese Gesetzesreformen als einen entscheidenden Sieg für die politische Ökonomie der ArbeiterInnenklasse an. Die Einführung der Gesetze, die die Länge des Arbeitstages für alle ArbeiterInnen begrenzten und speziell die Arbeit von Frauen und Kindern beschränkten, gewährten der ArbeiterInnenklasse die für die Reproduktion der Arbeitskraft notwendige Zeit. Dies war ein Faktor, der die Verankerung der Frauen in der Produktion schwächte und ihnen die Verantwortung für die Hausarbeit zuwies. Das Resultat war, dass die Familieneinheit, die durch die Brutalität der frühen Industrialisierung zerrüttet worden war, reformiert wurde, und zwar mit der veränderten und beschränkten Funktion, die Arbeitskraft zu reproduzieren. Daraus folgte nicht der völlige Ausschluss der Frauen aus der sozialisierten, kapitalistischen Produktion, aber es hatte zur Folge, dass diese eine sekundäre Rolle spielten und gleichzeitig eine flexible Reservearmee darstellten.
In Großbritannien verwendeten in der Periode von Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts Teile der ArbeiterInnenaristokratie in den Facharbeiter Innengewerkschaften die Durchsetzung der Schutzbestimmungen und den Wiederaufbau der Familie dazu, die Frauen von der Produktion weiter gehend auszuschließen, als für die Reproduktion der Klasse notwendig gewesen wäre. So war die Fabriksgesetzgebung sowohl progressiv als auch für die ArbeiterInnenklasse notwendig, durchgeführt wurde sie aber auf Kosten der Frauen, die dadurch keine große Rolle im beschäftigten Arbeitskräftepotential spielen konnten. Die Familie wurde zum einzigen physischen und sozialen Überlebensmittel der ArbeiterInnenklasse im brutalen, kapitalistischen System und deshalb von der Klasse verteidigt. Sie war jedoch auch ein Gefängnis für die Frau. Sie war als Mittel zur Reproduktion der Arbeitskraft institutionalisiert worden. Dies bedeutete, dass die bereits existierende Trennung zwischen Hausarbeit und gesellschaftlicher Produktion verschärft und die Unterdrückung der Frauen dadurch verstärkt wurde. Die proletarische Familieneinheit war daher in dieser Periode zutiefst widersprüchlich (und bleibt dies bis heute). Auf der einen Seite war sie der einzige Platz, wohin sich die ArbeiterInnen – Männer wie Frauen – zu physischer Regeneration, Entspannung und emotionaler Unterstützung zurückziehen konnten. Auf der anderen Seite zerstörte ihre zwangsläufig unterdrückerische Struktur sehr oft ihre Fähigkeit, diese Bedürfnisse wirklich zu befriedigen. Sie war daher nur ein beschränkter Schutz gegen die kapitalistische Verwüstung.
In Ländern wie England war es der ArbeiterInnenaristokratie aufgrund ihres Wohlstandes möglich, zu Hause reine Hausfrauen zu haben, das ‚Ideal‘ der bürgerlichen Familie imitierend. Durch die ArbeiterInnenaristokratie wurde dieses Ideal in die ganze ArbeiterInnenklasse hineingetragen. Die Verteidigung dieses Ideals wurde auf das Banner des politischen Reformismus geschrieben. Die Verteidigung der Familie als Mittel zum Überleben wurde also durch die reformistischen Führer, deren Basis die Aristokratie des Proletariats war, in eine Verteidigung des reaktionären, bürgerlichen Ideals der Familie umgewandelt. Dies erklärt teilweise, warum, entgegen den Erwartungen von Marx und Engels, die Familie des Proletariats nicht verschwand. Ein anderer Grund jedoch bestand darin, dass der Kapitalismus selbst keine andere gesellschaftliche Struktur entwickeln konnte, die fähig zur Erfüllung seiner Bedürfnisse hinsichtlich der Arbeitskraft gewesen wäre.
Mit der Herausbildung des Kapitalismus im Weltmaßstab und im speziellen mit der Entwicklung des Imperialismus wurde die Zerstörung der Familie, die ein Erbe vorkapitalistischer Perioden ist, wiederholt. Der Kapitalismus hat im Laufe seiner Entwicklung ständig sein Familienideal widerlegt. Unter Bedingungen, wie dem afrikanischen Sklavenhandel nach Amerika, kam es zur völligen Zerstörung der Familie und auch der Familienideologie. In den imperialisierten Ländern werden in Zeiten schneller Industrialisierung Männer, Frauen und Kinder in die Lohnarbeit gezogen, mit geringem Arbeitsschutz und kaum einer Rücksichtnahme auf deren Möglichkeit, Heim und Familienleben aufrechtzuerhalten. In ähnlicher Weise unterminieren in industrialisierten Ländern in Krisenzeiten Arbeitslosigkeit, Armut und die physische, durch Wanderarbeit verursachte Trennung von Familien die bürgerliche Familiennorm. Jedoch anerkennt der bürgerliche Staat das allgemein- gesellschaftliche Interesse der Bourgeoisie an der Aufrechterhaltung der Familie und ‚modernisierende‘ Staaten propagieren das Ideal der Familie, während sie oft in der Praxis deren Fähigkeit, als Einheit zur Reproduktion der Arbeitskraft zu dienen, aushöhlen. In Südafrika werden Familien physisch geteilt, um die Ausbeutung der schwarzen ArbeiterInnen zu ermöglichen. Mit faktisch keinen sozialen Einrichtungen, die die ArbeiterInnenfamilie schützen, wird sie in den Barackensiedlungen und Ghettos zerrissen, die die städtischen Industriezentren der Halbkolonien umgeben. Von den Banden heimatloser und Essen suchender Jugendlicher in Sao Paolo und Mexiko City bis zu den unbarmherzig ausgebeuteten Kindern, die als Halbsklaven in den Ausbeuterbetrieben Thailands arbeiten, reichen die Beweise für die Bereitschaft des Kapitalismus, die ArbeiterInnenfamilie dem übermäßigen Profit zuliebe zu opfern.
Nur der Kampf der ArbeiterInnenklasse kann diesen brutalen Prozess aufhalten. Marx erkannte den Sieg der europäischen ArbeiterInnen, sich die gesetzliche Begrenzung des Arbeitstages zu sichern (eine Schutzmaßnahme, die den Wiederaufbau der Familie ermöglichte) als Sieg für die politische Ökonomie der ArbeiterInnenklasse über die KapitalistInnen an. So ein Sieg ist in den Halbkolonien notwendig, aber seine Erringung wird unlösbar verbunden sein mit der Zerstörung der imperialistischen Dominanz durch die Erlangung der ArbeiterInnenmacht. Das wiederum stellt sicher, dass die ArbeiterInnenklasse nicht Zuflucht in der bürgerlichen Familie sucht, in der die Frau versklavt ist.
4. Die Familie der Bourgeoisie bildete sich im Kapitalismus mit einer anderen Rolle heraus. Ihre primären Funktionen sind die Reproduktion der nächsten Generation der herrschenden Klasse und die patrilineare Übertragung des Wohlstandes. Dies verlangte die fortgesetzte Kontrolle über die weibliche Sexualität, und die Monogamie für die Frau blieb erforderlich, da die Vaterschaft des Mannes garantiert werden musste. Die bürgerliche Familie wurde oft verwendet, um die Anhäufung von Kapital in den reichsten Familien zu sichern. Die bürgerliche Ehe war von der Ehe vorangegangener Epochen verschieden. Bis zum Triumph des Kapitalismus wurde die Heirat immer von anderen Leuten als den dabei betroffenen EhepartnerInnen arrangiert. Sogar bis heute sind arrangierte Ehen in einer Anzahl von halbkolonialen Ländern vorherrschend. Dies ist ein Zeichen der Rückständigkeit solcher Länder, in der sie in der Epoche des Imperialismus gefangen bleiben.
Für die entstehende Bourgeoisie des 18. Jahrhunderts wurden die arrangierten Heiraten durch Eheverträge ersetzt, einen Vertrag, der von zwei freien Individuen, die sich selbst entschieden hatten, wer ihr/e PartnerIn sein sollte, unterzeichnet wurde. Um dieses neue Arrangement in ihrem Kampf gegen die Feudalaristokratie zu rechtfertigen, griff die Bourgeoisie die Vorstellung der individuellen Geschlechtsliebe als Motiv für die Heirat auf und romantisierte sie. Diese Vorstellung war jedoch eine heuchlerische Verkleidung für die wirklichen Motive der aufstrebenden Bourgeoisie. Sie versorgte sie mit einem moralischen Schutz gegen die „ausschweifende“ Aristokratie und befähigte sie gleichzeitig, der monogamen Ehe ihren eigenen, besonders gemeinen Stempel aufzudrücken.
Der „Vertrag“, den beide Parteien frei eingingen, besiegelte die Vorherrschaft des Mannes innerhalb der Familie und garantierte, dass die individuelle Geschlechtsliebe das Mittel war, um die Treue einer Ehefrau in der Ehe sicherzustellen. Der Vertrag ließ aber dem Mann die Freiheit, individuelle Geschlechtsliebe mit anderen Frauen (und als sich der Kapitalismus entwickelte, v.a. mit Prostituierten) zu praktizieren. Die frühen Entwicklungsstadien des Kapitalismus schlossen auch bürgerlich-demokratische Revolutionen ein, welche die wirtschaftlichen und politischen Fesseln, die die kapitalistische Produktion behinderten, zerbrachen. Diese Revolutionen proklamierten die „Menschenrechte“ (Rights of MEN), haben jedoch bis jetzt ziemlich dabei versagt, die „Gleichheit der Frau“ in der Praxis zu verwirklichen, obwohl bürgerliche Revolutionäre gelegentlich bereit waren, sie auf ihre Fahnen zu schreiben, um die Unterstützung des gesamten Volkes zu erlangen.
Die weiterhin bestehenden gesetzlichen Beschränkungen versagten den Frauen viele Dinge, z.B. ihr Recht, Eigentum zu besitzen und zu kontrollieren, ihr Stimmrecht, ihr Recht, ein Staatsamt auszuüben, ihr Recht auf Scheidung, auf Zugang zu Bildung, zu qualifizierten Berufen und zu verfügbaren Methoden der Kontrolle ihrer eigenen Fruchtbarkeit. Das stand im Widerspruch zu den erklärten Idealen der bürgerlichen Demokratie.
Der Kampf für diese Rechte war die Basis für die bürgerlichen Frauenbewegungen des späten 19. Jahrhunderts. Trotz Ausnahmen reflektiert der allgemeine Widerstand der herrschenden Klasse, diese beschränkten Rechte auch nur den Frauen ihrer eigenen Klasse zu gewähren, ihre Notwendigkeit, jene Familienform zu verteidigen, die die Erben ihres Eigentums produzierte. Zugleich zeigte dies ihren Widerwillen, demokratische Rechte auszuweiten, die von den untergeordneten Klassen wahrgenommen und dann im Kampf gegen die Bourgeoisie verwendet werden könnten.
In den meisten imperialistischen Ländern wurden den Frauen im Laufe des 20.Jahrhunderts viele, wenn nicht alle formalen, gesetzlichen, demokratischen Rechte gewährt. Die gesetzlichen Rechte bleiben aber beschränkt und sind häufig Angriffen ausgesetzt, sobald kapitalistische Krisen die Bourgeoisie dazu treibt, die Ideologie der Familie und die ungleiche Stellung der Frauen zu verstärken. Während das primär erforderlich ist, um sicherzustellen, dass die ArbeiterInnenfamilie wachsende Verantwortung für ihre Mitglieder übernimmt, kann es sein, dass die bürgerliche Frau als Beispiel für die „natürliche“ Familienrolle gebraucht wird. Die Rechte, die die bürgerlichen Frauen errungen haben, bewirken keine wirkliche Gleichheit, nicht einmal für sie selbst, da sie es versäumten, den Kern ihrer eigenen Unterdrückung, und damit auch den der Arbeiterfrau, anzugreifen, der immer noch die Existenz der Familie ist.
5. In der kapitalistischen Produktionsweise leiden alle Frauen unter der Unterdrückung. Das ist das Ergebnis ihrer ungleichen Stellung in der Produktion. Für die überwältigende Mehrheit der Frauen, d.h. jene der ArbeiterInnenklasse, ist die Unterdrückung ein Resultat ihrer Verpflichtungen in der Familie. Die materielle Wurzel ihrer Unterdrückung ist die fortgesetzte Existenz der Haussklaverei. Die Zuordnung der Aufgabe, die Kinder zu versorgen und einen Haufen Arbeiten im Haushalt zu erledigen, führt bei den Frauen dazu, dass es ihnen nicht möglich ist, eine volle und gleichwertige Rolle in der sozialisierten Produktion zu spielen. Frauen sind entweder ausgeschlossen vom sozialen Leben, eingeschlossen im Haushalt, oder, wenn sie in die gesellschaftliche Arbeit miteinbezogen sind, geschieht das oft in Bereichen, die eng mit der häuslichen Wirtschaft und den dazugehörigen Fähigkeiten verbunden sind.
So ist in den imperialistischen Hauptländern trotz der Anwesenheit einer großen Zahl von Frauen in der Industrie „Frauenarbeit“ überwiegend in Bereichen wie Einzelhandel, Bekleidung, Verpflegung, Sozial-, Gesundheits- und Reinigungswesen etc. zu finden. Wo Frauen in Fabriken und Büros neben Männern arbeiten, sind sie im allgemeinen beschränkt auf ungelernte, angelernte und schlechtbezahlte Sektoren. Die Erziehung und Ausbildung von Frauen und Mädchen soll diese „Spezialisierung“ verstärken. Vor allem wird die Familie als Zentrum dargestellt, als oberste Verantwortung der Frau, der die Lohnarbeit untergeordnet ist.
Das Bild in den Halbkolonien ist einigermaßen anders. Der Imperialismus gründet sich auf der Überausbeutung solcher Länder und ist in Zusammenarbeit mit räuberischen einheimischen KapitalistInnen sehr wohl bereit, Frauen in großer Zahl zu beschäftigen und sie lange Stunden für sehr geringe Bezahlung in der verarbeitenden Industrie arbeiten zu lassen. Diese ‚Subversion‘ seiner eigenen ideologischen Ansichten über die Rolle der Frauen ist für die Superprofite des imperialistischen Kapitals notwendig und wird durch die politische und wirtschaftliche Beherrschung der halbkolonialen Länder aufgewogen.
Die Jobs, die Frauen haben, bleiben trotz der steigenden Zahlen auf wenige Bereiche beschränkt. Frauen arbeiten selten neben Männern mit gleichem Rang. Lohn und Arbeitsbedingungen reflektieren diese Abtrennung, so dass die Gesetze für die Lohngleichheit die Durchschnittslöhne der Frauen in den meisten Ländern nicht wesentlich verbessert haben. In manchen Ländern nahm der durchschnittliche Lohn für Frauen in Ganztagsstellungen relativ zu dem der Männer in den letzten 15 Jahren sogar ab. Im öffentlichen Sektor gibt es eine große Zahl von nichtmanuellen weiblichen Angestellten, die in den niedrigsten Angestelltenschichten konzentriert sind. In manchen Ländern gab es einen Anstieg der Frauenbeschäftigung hauptsächlich im Teilzeitbereich, der mit den häuslichen Verpflichtungen in Übereinstimmung gebracht werden kann, aber die Frauen auch auf niedere Löhne und schlechte Bedingungen (wie zum Beispiel große Arbeitsplatzunsicherheit) beschränkt. In anderen Ländern ist der Anstieg der Teilzeitarbeiten nicht so signifikant (z.B. in Frankreich), und es gibt ein höheres Niveau an staatlicher Kinderfürsorge, das es Frauen mit kleinen Kindern zu arbeiten erlaubt.
6. Die Familie der ArbeiterInnenklasse ist im Wesentlichen der Bereich, in dem die Ware Arbeitskraft reproduziert wird; und zwar sowohl durch die tagtägliche Wiederherstellung der Arbeitskraft jeder Arbeiterin/jedes Arbeiters – als auch durch die Aufzucht künftiger ArbeiterInnengenerationen. Die notwendige Arbeit zur Produktion der Arbeitskraft wird im Haus, d.h. außerhalb der vergesellschafteten Produktion, verrichtet. Diese Hausarbeit wird hauptsächlich von Frauen verrichtet, für die diese keine direkte Bezahlung bekommen. Die ArbeiterInnenklasse als Ganzes erhält einen Lohn, der die Reproduktion der Arbeitskraft beinhaltet. Wo eine Frau selbst nicht lohnabhängig beschäftigt ist, wird angenommen, dass der Lohn ihres Mannes für die ganze Familie verwendet wird. Dies führt zu einer extremen ökonomischen Abhängigkeit der nicht entlohnten Frauen von ihren Männern. Die Arbeitsteilung zwischen der Hausarbeit und der restlichen vergesellschafteten Arbeit für das Kapital in den Fabriken etc. und das unterschiedliche Gewicht der Monogamieforderung für Männer und Frauen sind die Wurzeln der ungleichen Stellung der Frau.
Der Charakter der Hausarbeit ist im allgemeinen wiederholend, arbeitsintensiv und wird von der Frau in Isolation von anderen, die in einer ähnlichen Situation sind, verrichtet. Das führt dazu, dass sie vom sozialen Charakter der Arbeit im Kapitalismus abgetrennt sind. Dieser ist aber grundlegend für die Entwicklung der ArbeiterInnenklasse zu einer kollektiven bewussten Klasse, die fähig ist, soziale Veränderungen durchzuführen. Dies ist auch der Fall bei Frauen, Kindern und wenigen Männern, die mit Heimarbeit beschäftigt sind. Diese Arbeiten sind normalerweise aufreibend, werden oft zusätzlich zur Hausarbeit gemacht und beinhalten eine übermäßige Ausbeutung der HeimarbeiterInnen. Der Kapitalismus hat sich als unfähig erwiesen, die im Haushalt verrichtete Arbeit systematisch zu sozialisieren. Obwohl viele Elemente der Arbeit, die früher im Haushalt verrichtet wurden, die die Erzeugung von Kleidung oder die Zubereitung von Essen, im Kapitalismus in profitable Industrien umgewandelt wurden, wurde anderen Elementen der Hausarbeit, wie der Sorge um Kinder, Kranke und andere abhängige Familienmitglieder, in vergesellschafteter Form nie genügend Rechnung getragen. Es ist dieser Bereich der Hausarbeit, den der Kapitalismus nicht vollständig sozialisieren kann. Das Potential, sie zu vergesellschaften, existiert ganz offensichtlich. Während des 2. Weltkrieges war die KapitalistInnenklasse in Britannien und den USA durch ihren Staat bereit und fähig, für Kindergärten, Gemeinschaftskantinen, Wäschereien usw. zu bezahlen, damit die Arbeiterinnen voll in den Betrieben eingesetzt werden konnten, während die Männer in der Armee waren. Solche Perioden sind im Kapitalismus jedoch Ausnahmen. Würden solche Maßnahmen zur Norm, wäre der Abfluss vom gesamten Mehrwert in der kapitalistischen Gesellschaft größer, als sie ertragen könnte. Die Leistungen, die zu liefern sie manchmal gezwungen ist, wie medizinische und soziale Versorgung, sind in Gefahr, sobald eine Krise die Bourgeoisie zwingt, den „sozialen Lohn“ der ArbeiterInnenklasse zu kürzen.
Ein anderer Grund, warum der Kapitalismus die Hausarbeit nicht vollständig vergesellschaften kann und will, besteht darin, dass dies unabhängig davon, ob er es sich leisten kann oder nicht, die Familie komplett untergraben würde. Die Familie ist keine bloße Dekoration für den Kapitalismus. Sie ist eine gesellschaftliche Struktur, innerhalb der die Unterdrückung der Frauen und Jugendlichen verewigt wird und aufgrund der die Diskriminierung der Lesben und Schwulen stattfindet. Sie ist fundamental für die Existenz des Kapitalismus selbst.
7. Seit dem 2. Weltkrieg hat der Anteil der Frauen, die außerhalb des Heimes arbeiten, in den imperialistischen Ländern drastisch zugenommen. Der wachsende Anteil der Frauen, die in die Produktion gezogen werden, hat die Tendenz, einige Aspekte der Frauenunterdrückung auszuhöhlen, indem den Frauen, die (lohn)arbeiten, etwas wirtschaftliche Unterstützung und sozialer Kontakt mit dem Rest der Klasse gegeben wird. Jedoch hat diese Tendenz die fundamentalen Merkmale der Frauenunterdrückung, die auf der fortgesetzten Existenz der Familie als Bereich der privaten Arbeit für die Reproduktion der Arbeitskraft beruht, nicht geändert. Da die Frauen noch immer für das Aufziehen der Kinder verantwortlich sind und noch immer die meisten Hausarbeiten erledigen, blieb das auch ihre oberste Verantwortung. Es gibt keine Alternative. Der Staat hat gewisse Dienstleistungen bereitgestellt, wie Schulen, Kindergärten, Spitäler usw., um den Frauen manche ihrer Aufgaben abzunehmen, die sie früher im Haushalt zu erfüllen hatten. Aber keine dieser Einrichtungen hat die Notwendigkeit einer zentralen Person ersetzt, die sich um das Wohlbefinden der anderen kümmert. Die Tatsache, dass Frauen diese Rolle weiterhin spielen müssen, bedeutet, dass ihre Fähigkeit, im Arbeitspotential gleichwertig teilnehmen zu können, eingeschränkt ist.
Frauen müssen sich nicht nur für die Geburt frei nehmen, sondern auch, um auf kleine Kinder während der Schulferien aufzupassen, um sich um kranke Familienmitglieder zu kümmern usw. Die Tatsache, dass so viele Frauen mit Abhängigen arbeiten, zeigt, dass sich die Verantwortung der Frau im Haushalt nicht verringert, sondern dass vielmehr die Abhängigkeit der ArbeiterInnenfamilie vom Einkommen zweier Erwachsener anwächst, während sie früher zumindestens periodenlang mit einem Einkommen auskam. Frauen mit Kindern müssen arbeiten, um ihre Familien zu unterstützen. Die Arbeit, die sie verrichten, ist im allgemeinen an die Verpflichtungen im Haushalt angepasst – die Schichten, die Frauen arbeiten, nachts, abends oder während der Schulzeit – erlauben es den Frauen, ihre beiden Rollen so gut wie möglich zu vereinen, aber auf Kosten der Freizeit für sich selbst und für die Familie. Wenn ein Kind krank oder ein Verwandter abhängiger wird (wie ältere und Invaliden), so ist es zumeist die Frau, die ihre Arbeit aufgeben muss.
8. Die Familie spielt noch eine andere wichtige Rolle für den Kapitalismus: Sie ist die Institution, durch welche die Ideologie des Kapitalismus in die ArbeiterInnenklasse getragen wird. Sie ist jene gesellschaftliche Struktur, in der am Modell patriarchalischer Autorität und weiblicher Unterdrückung Disziplin, Gehorsam, Kritiklosigkeit, Autoritätshörigkeit und Unterordnung gegenüber gesellschaftlicher Herrschaft den Kindern von klein auf eingeprägt und anerzogen werden und im Alltagsleben der Ehepartner tagtäglich die Erneuerung und Bestätigung dieses Untertanenverhältnisses passiert. Die Familie unterdrückt Widerständigkeit und vermittelt Konformität mit der bürgerlichen Moral. In der patriarchalischen Familie findet die erste Identifikation mit den jeweiligen Geschlechtsrollen statt. Die Misshandlung von Frauen und Kindern in der Familie und deren Tolerierung durch die bürgerliche Gesellschaft ist auch ein Mittel, ihnen reaktionäre Moral, unterdrückerische Sexualität und Geschlechtsrollen in der Familie aufzuzwingen. Die Unterdrückung von Sexualität ist ein integraler Teil der frühen Charakterentwicklung und spielt daher eine Schlüsselrolle bei der Verankerung der bürgerlichen Ideologie und Passivität in den Köpfen der Beherrschten. Sexuelle Unterdrückung passiert in der Einübung geschlechtspezifischen Sozialverhaltens, der Leugnung der kindlichen Sexualität, der Diskriminierung der weiblichen Sexualität und der Unterdrückung der Homosexualität. Obwohl der ideale Familienkern nicht die überwiegende Familieneinheit ist, wird von Kirche, Staat, Massenmedien und Schulen als Modell gepriesen, das angestrebt werden soll. Die Rolle der Familie als Überträger der Ideologie wird dadurch effektiver gemacht, dass sie der „Hafen“, im speziellen der ArbeiterInnenklasse , eine Quelle des Komforts, der geistigen und materiellen Hilfe, eine Verteidigung gegen die Verwüstungen der kapitalistischen Gesellschaft ist oder zu sein scheint.
Wir weisen den Gedanken zurück, dass Frauen in der Familie objektiv ihre eigene Unterdrückung schaffen oder bewusst im Einverständnis mit ihr sind. Ihre isolierte Situation im Haushalt trennt die Frauen der ArbeiterInnenklasse und macht sie anfällig für rückständige Ideen, die täglich in Presse, Radio und Fernsehen verkündet werden. Deshalb äußern Hausfrauen, deren Horizont durch die unmittelbaren Bedürfnisse der Familie begrenzt ist, oft reaktionäre Ideen und spielen eine zentrale Rolle bei der Übermittlung dieser rückständigen und unterdrückerischen Ideen gegenüber ihren Kindern. Diese werden von den Müttern gemäß den sexistischen Regeln, die von der kapitalistischen Gesellschaft festgelegt werden, aufgezogen. Dies ist jedoch ein Ausdruck ihrer gesellschaftlichen Position und nicht eines bewussten Einverständnisses, sondern eher eine Rückständigkeit, geboren aus ihrer Unterdrückung.
Aber dies darf nicht über das wahre Machtverhältnis in der Familie hinwegtäuschen. Es ist die väterliche Autorität, gestützt durch Schule, Kirche und herrschende Kulturnormen, die die Erziehung der künftigen Generation hauptsächlich bestimmt, auch wenn die Mutter den Großteil der praktischen Erziehungsarbeit leistet. Ein weiterer Aspekt, der zur politischen Rückständigkeit von Frauen beiträgt und von dem die Nur- Hausfrauen am stärksten betroffen sind, ist, dass ihre Männer (auch die politisch aktiven) mehrheitlich ihre Teilnahme an politischen Organisationen und dem politischen Kampf behindern, wenn nicht überhaupt zu verhindern suchen. Die politische Rückständigkeit von Hausfrauen ist aber genauso wie der männliche Chauvinismus ohne Massenbewegung für eine sozialistische Revolution, oder die Revolution selbst, deren Einfluss direkt in die Familie hineinreichen würde und die sich mit Frauen und Kindern im Kampf gegen patriarchalische Verhältnisse auf eine Seite stellen würde, für die Mehrheit unvermeidlich.
9. Die Auferlegung der Monogamie für die Frauen, die mit der Entwicklung des Privateigentums und der Klassengesellschaft kam, bedeutete, dass die Frauen sexuell, ebenso wie sozial, unterdrückt werden. Die Monogamie, die auch von den Frauen der ArbeiterInnenklasse verlangt wird, ist notwendig, um eine stabile Familieneinheit zur Reproduktion der Arbeitskraft aufrechtzuerhalten. Das monogame Modell der bürgerlichen Familie, das für die herrschende Klasse zur Weitergabe des Reichtums notwendig ist, wurde so der ArbeiterInnenklasse auferlegt, allerdings mit einer unterschiedlichen sozialen Funktion. Die sexuelle Unterdrückung ist in erster Linie eine Folge (nicht eine Ursache!) der Unterordnung der Frauen in der Klassengesellschaft. Das gleiche trifft für unser Verständnis des Aufbaus der Geschlechtsrollen zu. Obwohl die Prozesse, durch die Geschlechtsrollen geschaffen werden, eine tiefe psychologische Auswirkung auf die Leute haben und oft durch eine Vielfalt subtiler psychologischer Mittel ausgeführt werden, können sie nicht durch rein psychologische oder therapeutische Methoden überwunden werden. Es ist utopisch zu glauben, dass eine sozial-psychologisch befreiende Praxis innerhalb der Partei oder anderer ArbeiterInnenorganisationen die tiefen Widersprüche, die vom Aufbau der Geschlechtsrollen in der kapitalistischen Gesellschaft herrühren, lösen kann.
Diese Geschlechtsrollen dienen zuallererst einem gesellschaftlichen Zweck. Sie sind notwendige Mittel, um die Familie im Kapitalismus aufrechtzuerhalten. Wenn dies nicht verstanden wird, werden wir in einen Kampf zur Schaffung der perfekten Persönlichkeit, frei von den Zwängen einer künstlich geschaffenen Geschlechtsrolle auf rein individueller Grundlage, verfallen. Dies ist utopisch und spalterisch. Obwohl es notwendig ist, einige der Zwänge unserer Geschlechtsrollen zu überwinden, um uns zu besseren KämpferInnen gegenüber dem Kapitalismus zu machen (Fähigkeiten, die im allgemeinen eher aus der kollektiven Solidarität herrühren, als von den Anstrengungen individuellen Wollens oder psychologischer Behandlung), werden unsere Persönlichkeiten die Wunden der Gesellschaft, in der wir leben, behalten. Wir müssen diese Gesellschaft verändern, bevor wir hoffen können, unsere Persönlichkeiten vollständig umzuformen, und die materielle Basis der Geschlechtsrollen, die der Kapitalismus uns auferlegt hat, zerstören.
Sexuelle Unterdrückung und Charakterbildung sind aber zugleich auch Mittel, um die Klassengesellschaft insgesamt zu erhalten. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Erzeugung von Unterordnungsbereitschaft und Autoritätshörigkeit. Sexuelle Unterdrückung spielt auch durch die Verwandlung klassenkämpferischer Aggressionen in Frustration und sogar Neurosen eine rückschrittliche Rolle. Dies findet in verschiedenen Formen von, vom Standpunkt des Klassenkampfes aus, irrationalem Verhalten und einer Passivität gegenüber reformistischen FührerInnen seinen Ausdruck. Wenn auch solche psychologische Faktoren eine gewisse Rolle spielen, so darf doch das ‚falsche Bewusstsein‘ der ArbeiterInnenklasse nicht auf Psychologie reduziert werden. Die atomisierenden Effekte des Kapitalismus und die demoralisierenden Wirkungen der ReformistInnenen sind für uns die entscheidenden politischen Ansatzpunkte.
Deshalb weisen wir die Behauptung vieler FeministInnen zurück, dass die wichtigsten Bereiche im Kampf für die Befreiung die Themen rund um die Sexualität sind. Diese Anschauung führt zu einer Hervorhebung persönlicher Politik, zu einem Glauben an individuelle Lösungen der Unterdrückung und zu utopischen Konzepten für die Befreiung. Überdies ist es eine Anschauung, die die medizinische Wissenschaft, im speziellen die Psychoanalyse, als gleichwertiges, wenn nicht sogar als dem Klassenkampf überlegenes Mittel zur Beendigung der Unterdrückung darstellt.
MarxistInnen ignorieren nicht die wertvollen Beiträge zum menschlichen Verstehen, die die Fortschritte auf dem Gebiet der Psychologie gebracht haben. Persönliche Probleme können durch verschiedene Formen der psychologischen Behandlung vermindert werden. Jedoch bestehen wir darauf, dass psychologische Einsichten die fundamentalen sozialen Widersprüche, die tatsächlich zu persönlichem und sexuellem Unglücklichsein führen, nicht lösen können. Der Schlüssel zum Verständnis dieser Wiedersprüche und zu ihrer Lösung liegt im Studium der Klassengeschichte. Fallstudien von Individuen müssen in ihrem historischen Zusammenhang verstanden werden und haben einen ergänzenden Wert bei der Ausrottung der sexuellen Unterdrückung.
Das gleiche gilt für massen- und politisch-psychologische Analysen. Die Grenzen der psychoanalytischen Herangehensweise wurden durch die theoretische Entwicklung von Wilhelm Reich aufgezeigt. Indem er die Wichtigkeit der Sexualpolitik als ein Element der Unterdrückung der Massen durch den Kapitalismus identifizierte, eröffnete Reich den Weg zu verschiedenen Einblicken in die Art und Weise, in der der Kapitalismus die menschliche Persönlichkeit formt – oder besser – entstellt. Jedoch führte ihn sein Unvermögen, die Beziehung zwischen gesellschaftlichem Leben, Klassenkampf und Sexualität zu verstehen, zu fatalen Irrtümern. Er erhob die Sexualpolitik über den ökonomischen und politischen Klassenkampf und begann, den Schlüssel zur Befreiung in rein sexuellen Ausdrücken zu definieren (daher seine spätere Besessenheit vom Orgon als Energiequelle). In Wirklichkeit – ebenso wie die sexuelle Unterdrückung eine Konsequenz der Klassengesellschaft und der Frauenunterdrückung innerhalb dieser Gesellschaft ist – wird die vollständige sexuelle Befreiung als Konsequenz der sozialistischen Revolution, und nicht vor ihr, kommen.
Jede Klassengesellschaft hat Ideologien entwickelt, die Ausbeutung und Unterdrückung rechtfertigen. Eine in Bezug auf die Sexualität reaktionäre Ideologie war in gewissem Maße immer ein Merkmal von Gesellschaften, in denen Frauen unterdrückt waren. Die vorherrschenden moralischen Werte einer bestimmten Gesellschaft sind, ebenso wie ihre Ideen als Ganzes, die moralischen Werte der herrschenden Klasse (oder eher die, die dieser Klasse dienen). Die Klassengesellschaft hat sich weiterentwickelt, und so auch die Mittel zur Fort- und Durchsetzung einer Moral, die zutiefst unterdrückend für Frauen ist. In der Familie selbst wird diese Moral durch die Männer gegenüber den Frauen durchgesetzt und durch die Eltern gegenüber den Kindern. Auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene sind die Kirche und immer mehr die Massenmedien mächtige Propagandamaschinen für die reaktionäre Moral. Sie schreiben die schädlichen moralischen Gesetze der Sexualität vor, die bestimmen, was „normal“ und was „abnormal“ ist, und sie brandmarken, oft mit brutalen Auswirkungen, jene, die nicht mit diesen Gesetzen konform gehen (insbesondere Lesben und Schwule).
In der kapitalistischen Gesellschaft ist die bürgerliche Moral, trotz der gelegentlichen liberalen Perioden, ein Mittel, die Frauen zu unterdrücken. In der bürgerlichen Gesellschaft ist die freie und volle Befriedigung des sexuellen Appetites vereitelt oder entstellt. Während alle Menschen sexuelles Elend erleiden als Ergebnis der bürgerlichen Moral, sind Frauen besonders betroffen. Die Beschränkungen, die den sexuellen Aktivitäten der Frauen auferlegt sind, sind viel weitreichender als die der Männer. Um die Familie heilig zu sprechen, versagt der Kapitalismus den Frauen die volle Kontrolle über ihre eigene Fruchtbarkeit und attackiert die „Ehebrecherinnen“ oder die alleinstehenden Mütter viel systematischer, als er dies bei den männlichen Äquivalenten tut. Das Hure-Weiberheld-Syndrom existiert noch immer in breiten Schichten in der kapitalistischen Gesellschaft.
Normalerweise werden daher Frauen entmutigt, mehrere sexuelle Beziehungen zu haben. Ihr Recht auf sexuelles Vergnügen (das ihnen manchmal als Ganzes versagt ist) wird nur mit einem einzigen Partner und innerhalb einer Ehe als rechtmäßig definiert. Stereotypisierte Rollen sind so gestaltet, dass sie das Potential der Frauen für gleichwertiges und genussreiches Sexualleben ganz deutlich unterdrücken.
Frauen sind entweder tugendhaft oder unmoralisch, während es Männern erlaubt ist ,sexuell abenteuerlich zu sein (und ihnen das auch Respekt einbringt), und trotzdem noch als „gute Familienväter“ angesehen werden. Die Körper der Frauen werden zu Objekten und behandelt wie Dinge, die die Männer genießen, entweder umsonst wie in der Ehe oder zu einem Preis wie in der Prostitution. Frauenkörper werden verwendet, um Produkte, die nichts mit diesen Körpern zu tun haben, an Männer zu verkaufen.
Mit einer solchen gefühllosen Einstellung ist es wenig verwunderlich, dass Frauenmisshandlungen so weit verbreitet sind. Frauen, die das stereotypisierte Image zurückweisen und versuchen, ihre Sexualität durch Lesbianismus, Bisexualität oder durch mehrere Partner frei auszudrücken, werden beschimpft und misshandelt, als gesellschaftliche Außenseiter behandelt und die legalen Rechte an ihren Kindern werden ihnen abgesprochen. Frauen ohne männlichen Partner werden bemitleidet und als minderwertig angesehen. Und die überwältigende Mehrheit der Frauen ist gezwungen, mit den Normen des Familienlebens konform zu gehen, trotz all der daraus resultierenden Frustration und dem Unglücklichsein, das mit diesen Normen verbunden ist.
Und die Frauen, die sich ihr Leben als Prostituierte verdienen, werden von der Gesellschaft stigmatisiert, als Aussätzige behandelt und in vielen Ländern sogar als Kriminelle, während ihre männlichen Kunden von aller Schuld freigesprochen werden. Was für ein klares Zeugnis für die stinkende Heuchelei der kapitalistischen Moral!
Trotz gewaltiger Unterschiede in Kultur und Tradition erleiden die Frauen auf dem ganzen Erdball sexuelle Unterdrückung. Die Epoche der Weltwirtschaft hat jeglichen Schutz, den Frauen in primitiven Gesellschaften genossen haben mögen, niedergerissen. In Brasilien z.B. werden die Frauen von primitiven IndianerInnenstämmen am Amazonas buchstäblich gestohlen und als Prostituierte gebraucht, um die Bedürfnisse der Männer einer Zivilisation, die in jeden Winkel des Regenwaldes expandiert, zu befriedigen. In entwickelteren Halbkolonien mag die sexuelle Unterwerfung der Frauen subtiler erscheinen, aber sie ist nichtsdestotrotz brutal, weitreichend und erniedrigend. Wie in den imperialistischen Ländern gibt es Beispiele institutionalisierter sexueller Unterdrückung im Überfluss. Zusätzlich jedoch wurde in bestimmten halbkolonialen Ländern (Thailand und Teile Ostafrikas z.B.) die Prostitution in eine Massenindustrie verwandelt, in der Tausende von Frauen überausgebeutet, unter schrecklichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen und höchst schutzlos den (oft tödlichen) sexuell übertragbaren Krankheiten ausgesetzt werden.
10. Durch die Fortsetzung des sexuellen Elends aller und durch die Objektifizierung der Frauenkörper hat die Klassengesellschaft die Frauen immer gegenüber der extremen Aggression von Seiten der Männer ungeschützt gelassen – nämlich der systematischen Misshandlung, Vergewaltigung und der Bedrohung durch eine solche Misshandlung. Anders als die Radikalfeministinnen betrachten wir die männliche Gewalt nicht als das eigentliche Wesen der Frauenunterdrückung oder, in ihrer Sprache, als Ausdruck ‚männlicher Macht‘ über Frauen. Akte von sexuellem Missbrauch und physischer Gewalt sind nicht eine einfache Ausdehnung der ’normalen‘ unterdrückerischen Verhältnisse zwischen Männern und Frauen. Die hohen Raten von sexuellem Misshandlungen von Frauen widerspiegeln aber den besonderen Einfluss der sexistischen, die Frauen entwürdigenden Ideologie. Die relative Toleranz von Seiten des Staates und der bürgerlichen Ideologie (einschließlich der Kirche) gegenüber solch physischen, sexuellen oder psychischen Misshandlungen von Frauen in der Familie, bei der Arbeit oder im gesellschaftlichen Leben, bringt den institutionalisierten Sexismus der Klassengesellschaft zum Ausdruck. In der ArbeiterInnenklasse widerspiegelt solche Misshandlung die Demoralisierung und Spaltung, die die ArbeiterInnen gegeneinanderstellt, und die allgemeine Brutalität, die für die Klassengesellschaft charakteristisch ist. Die Existenz von unterdrückerischen und sexistischen Einschränkungen und deren schädliche Auswirkungen auf die Menschen rufen Vergewaltigungen und systematische Brutalität hervor. Die Existenz sexueller Gewalt und physischer Misshandlungen sind wirklich ein Faktor der Einschüchterung der Frauen (was zur Folge hat, dass Frauen sich in der Nacht nicht auf die Straßen trauen usw.).
Sexistische Ideologie ist in der kapitalistischen Gesellschaft allgegenwärtig und nimmt weiter zu. Ihr Zweck ist es, die Unterordnung der Frauen in sozialen und sexuellen Anliegen zu legitimieren. Das Frauenbild in den Medien führt mit seiner Objektifizierung des Körpers oft zu dessen Degradierung. Die Frau wird zu einer Sexmaschine zu Diensten des Mannes und ohne unabhängigen eigenen Willen. Die Existenz solcher Darstellungen und das Ausmaß sexistischer Ideologie in den Medien führte dazu, dass einige Frauen die Pornographie als Kerninhalt der Frauenunterdrückung sehen. „Porno ist die Theorie, Vergewaltigung die Praxis“, ist eine populäre Maxime unter vielen FeministInnen, radikalen ebenso wie sozialistischen. Tatsächlich ist es aus vielen Gründen falsch, die Pornographie als Feind Nummer eins zu bezeichnen.
Erstens, weil es alle Darstellungen von Frauen mit denen gleichstellt, die Frauen degradieren. Es setzt Pornographie mit gewalttätiger Pornographie gleich. Das ist eine gänzlich subjektive Herangehensweise, die theoretisch die Möglichkeit einer nicht unterdrückerischen, erotischen Darstellung ausschließt. Es versagt den Frauen den möglichen Genuss erotischer Darstellung ihrer eigenen Wünsche und Fantasien. Kurz gesagt ist es eine feministische Form der Prüderie. Daher sind wir nicht für einen Aufruf zum gesetzlichen Bann der Pornographie, egal ob sie als unterdrückerisch definiert ist oder nicht.
Das zweite Problem der Anti-Porno-Kampagnen ist, dass der einzige Weg, ihre Ziele zu verwirklichen, darin besteht, den Staat zu einem Bann der Pornographie aufzurufen. In der Praxis bedeutet das, die repressive Macht des Staates, seine Fähigkeit, sich in das Privatleben der Leute auf unterdrückerische Weise einzumischen, zu stärken. Der Staat als einer der Hüter des reaktionären Moralkodex wird seine Macht, die Pornos zu verbannen, ausnahmslos gegen Publikationen von Lesben und Schwulen verwenden. Der Staat wird Richter darüber sein, was „obszön“ ist und was nicht.
Das dritte Problem bei der Erklärung, der Angriff auf die Pornographie sei in der Kampfstrategie gegen den Sexismus zentral, ist, dass sexistische Darstellungen ein Symptom und nicht die Ursache der Frauenunterdrückung sind. Kampagnen gegen Pornos liegen daher falsch, wenn sie sie als „Theorie“, d.h. als Ursache der Vergewaltigung und der Unterdrückung im allgemeinen hinstellen. Diese Fehler der Einschätzung der Pornographie haben katastrophale politische Konsequenzen. Insbesondere haben sie Sektionen der feministischen Bewegungen in Großbritannien und den USA in Allianzen mit der reaktionären moralischen Mehrheit und der Mary Whitehouse Brigade gebracht.
Als RevolutionärInnen sind wir jedoch nicht neutral in den Kämpfen gegen sexistische Darstellungen in der ArbeiterInnenbewegung und in den Medien. Wir sind entschlossene KämpferInnen gegen sexistische Darstellungen und unterstützen alle Kampagnen, die Publikation von Pinups in der Presse der ArbeiterInnenbewegung zu beenden, die Bemühungen von Frauen, beleidigende Poster oder Inserate von den Wänden am Arbeitsplatz zu nehmen, Kampagnen gegen sexuelle Belästigungen der Frauen am Arbeitsplatz und für konkrete Maßnahmen zum Schutz von Frauen gegen die Gefahr von Vergewaltigungen, wie bessere Beleuchtung und Transportmöglichkeiten, kostenlose Selbstverteidigungskurse usw. In den Medien fordern wir das Recht, auf Artikel oder Bilder, die Frauen degradieren, zu antworten. Wir rufen alle DruckereiarbeiterInnen auf, bei der Verwirklichung dieser Forderungen zu helfen: durch eine Weigerung, solche Artikel und Bilder zu drucken, solange der Gewerkschaft, ihrer Frauensektion oder einer entsprechenden Kampagne/Organisation dieses Recht auf Stellungnahme nicht gewährt wird. Diese Methoden, die Methoden der direkten Aktion, führten tatsächlich zu erfolgreichen Diskussionen mit männlichen Arbeitern über den Charakter des Sexismus und warum er spalterisch ist, ebenso wie zu einer tatsächlichen Verminderung der Propaganda für die Unterordnung oder Degradierung der Frauen.
11. Ein anderes Schlachtfeld gegen sexistische Ideologie ist der religiöse Bereich. In allen Klassengesellschaften spielen religiöse Ideen, die die oft in den Staat eingebundenen organisierten Kirchen fortbestehen lassen, eine wichtige Rolle beim Sanktionieren und Durchsetzen der Ideologie der Frauenunterdrückung. Im Westen haben Christentum und Judaismus, deren beider Basis Ideologien sind, die sich in vorkapitalistischen und höchst patriarchalischen Gesellschaften verfestigten, Jahrhunderte lang die Doktrin der Unterordnung der Frauen gepredigt. Dies hat praktische Folgen für Millionen von Frauen.
Die Verfügungen der katholischen Kirche über Verhütung und Abtreibung sind ein klares Beispiel. In den imperialistischen Ländern bringen diese Verordnungen Elend und Not in Verbindung mit ungewollten Schwangerschaften und Kindern. In den Semi-Kolonien sind die Folgen mit dem größeren Grad an Armut ermischt, der dort existiert. In Lateinamerika, einem Kontinent, der von der Ideologie des Katholizismus beherrscht wird, führen die reaktionären Doktrinen der Kirche, trotz der Theologie der Befreiung, zum buchstäblichen Massenmord an Frauen. Die Verweigerung der kostenlosen Abtreibung auf Verlangen löscht die Abtreibung nicht ein für allemal aus. Es öffnet lediglich den SchlächterInnen der Seitengassen Tür und Tor. In Brasilien allein sterben pro Jahr 400.000 Frauen durch die Hände dieser MörderInnen. Der Zweck solcher Gesetze ist, dass Frauen ihre eigene Fruchtbarkeit nicht kontrollieren können. Da Sex außerdem bloß zum Zwecke der Reproduktion da sei, wird den Frauen durch die Kirche gelehrt, dass sexuelle Aktivität außerhalb der Ehe, ja überhaupt sexuelle Aktivität zum Vergnügen, verboten ist.
Die ausgearbeitete Mythologie des Christentums und des Judaismus bestärkt die reaktionären Lehren über Frauen. Die Eva-Legende, die Geschichte von Lots ungehorsamer Frau im Alten Testament, der Kult der Jungfrau Maria, alle stellen Frauen als willige Dienerinnen für die häuslichen Bedürfnisse der Männer dar, die bestraft wurden, wie Lots Frau, wenn sie den Befehlen des Patriarchen nicht gehorchten. Die Grundlinie dieser religiösen Ideologien ist die Heiligsprechung der Familie und ihrer Struktur rund um einen dominanten Mann. Der Charakter der Familie hat sich in den verschiedenen Klassengesellschaften verändert, und die Religion hat diese Veränderungen durch unterschwellige Abänderungen der Doktrin reflektiert.
Aber der reaktionäre Inhalt der religiösen Lehren über Frauen und die Familie haben sich über Jahrhunderte nicht qualitativ verändert. Sie sind der deutlichste Ausdruck der Tendenz der toten Vergangenheit, schwer auf der lebendigen Gegenwart zu lasten. Das ist sogar dort der Fall, wo eine religiöse Ideologie Befreiungsschmuck aufnimmt. Zuletzt kam dies in der katholischen Kirche durch die Entwicklung der Theologie der Befreiung, vor allem in Lateinamerika, vor. Obwohl sie die Gewalt gegen die imperialistische Unterdrückung rechtfertigt, bleibt diese Theologie verbunden mit all den reaktionären Lehren der Kirche über alle wichtigen sozialen Fragen, die Frauen betreffen. Letzten Endes sind alle Religionen, ungeachtet aller Nuancen, vom Standpunkt des menschlichen Fortschrittes im allgemeinen und von dem der Befreiung der Frauen im besonderen aus, reaktionär, weil sie die Eigenaktivität und Eigenverantwortung an eine außerhalb der Menschen liegende Macht delegieren, die Machtlosigkeit des Menschen bestärken und damit die Möglichkeit der Selbstbestimmung der Menschheit beschränken.
Auch die Religionen des Ostens bilden dazu keine Ausnahme. Sie sind nicht qualitativ anders als jene des Westens. Hinduismus, Buddhismus und Islam mögen sich in vielem von Christentum und Judaismus unterscheiden, aber, wie alle Religionen, die alle von Menschen erfunden wurden, um existierende Ordnungen zu rechtfertigen, legen ihre Lehren für Frauen eine untergeordnete Rolle in der Gesellschaft und in der Familie fest. Heute ist der Islam die Vorhut der Konterrevolution gegen die Frauen in Nordafrika und im Nahen Osten. Die Behandlung der Frauen als Eigentum in Afghanistan, wo es noch den Brautpreis gibt, und die Ausrottung des westlichen Einflusses auf die Frauen in der islamischen Republik Iran durch die erzwungene Wiedereinführung des Schleiers und von Gesetzen, die Ehebruch bestrafen, weisen deutlich auf die Bedrohung hin, die der Islam für die Frauen darstellt. Keine Masse antiimperialistischer Rhetorik, keine der Phrasen über den Respekt des Islams für die Frauen kann die Tatsache aus der Welt schaffen , dass sein praktischer Einfluss auf das Leben von Frauen destruktiv ist.
MarxistInnen haben die eindeutige Pflicht, organisierte Religionen zu bekämpfen, während sie zugleich das Recht des einzelnen auf Freiheit des religiösen Glaubens und der religiösen Verehrung respektieren. Wir können Religion nicht einfach nur als private Angelegenheit betrachten. Wir kämpfen mit kämpferischer, materialistischer Propaganda gegen den Einfluss religiöser Ideologie und gegen den Versuch der Kirche, das Privatleben der Leute zu kontrollieren, indem wir für religionsfreie Sexualerziehung, freie Abtreibung und Verhütung für Frauen etc. eintreten. Weiters kämpfen wir für die grundlegende, bürgerlich-demokratische Forderung, Kirche und Staat zu trennen.
12. Die Erfahrung der Frauenunterdrückung ist verschieden in den verschiedenen Klassen. Für Frauen der herrschenden Klasse und für einige Frauen in gehobenen Berufen, stehen heute manche Bereiche des Lebens und der Arbeit, die ihnen früher versagt blieben, wie Managerposten, Zugang zu qualifizierten Ausbildungen usw., offener als in früheren Zeiten. Sie sind auch befähigt, sich gewisse „Freiheiten“ zu erkaufen, indem sie Arbeiterinnen anstellen, die ihre Hausarbeiten machen und ihre Kinder aufziehen. Den Frauen der Superreichen steht es frei, zu Müßiggängerinnen zu werden wie ihre aristokratischen Vorfahren.
Dies heißt jedoch nicht, dass sie als den Männern ihrer Klasse gleichwertig behandelt werden. Ihnen werden noch immer Rechte im Gesetz bezüglich Erbe und Besitz vorenthalten, und ihre Rolle bleibt im wesentlichen die einer untertänigen Frau oder Tochter, dem männlichen Oberhaupt der Familie verpflichtet. In diesem Sinn sind die Frauen der herrschenden Klasse nicht von der Unterdrückung ihres Geschlechtes ausgenommen. Jedoch bleiben sie Teil der nicht-produktiven, herrschenden Klasse und spielen durch ihre Arbeit in Kirchen, Wohlfahrtsgesellschaften oder als Mitglieder der herrschenden oder königlichen Familien (an denen sich die ArbeiterInnenklasse ein Beispiel nehmen sollte), oft eine wichtige Rolle für den Fortbestand der Unterordnung der Frauen.
Den Frauen der gehobenen Schichten des modernen KleinbürgerInnentums hat der verbesserte Zugang zu Bildung, Karriere und Eigentum wesentliche Verbesserungen ihres Lebens erlaubt. Die Verfügbarkeit über bessere Verhütung und sicherere Abreibung gibt ihnen ein gewisses Maß an Kontrolle über ihre Fruchtbarkeit, die sie befähigt, eine Karriere mit sexuellem und privatem Leben zu verbinden, was in früheren Generationen als sich gegenseitig ausschließend angesehen wurde. Zusätzlich können jene Frauen, deren Einkommen es erlaubt, Dienstleistungen anderer Frauen zu kaufen und so ihre Aufgaben in Haushalt und Kinderfürsorge von anderen erledigen zu lassen, jetzt vergesellschaftete Arbeit mit einem Familienleben verbinden. Aber ihre scheinbare Gleichheit hat sie nicht von ihrer Unterdrückung voll emanzipiert. Frauen sind in den gehobenen Berufen noch immer stark unterrepräsentiert, ihre Aufstiegschancen werden durch die Vorurteile der männlichen Bosse erschwert, und ihre Karrieren können gewöhnlich nicht so flexibel gestaltet werden, um sich auch nur kurze Perioden frei zu nehmen, um Kinder zu haben und gleichzeitig Gehalt und Position zu behalten.
Im Haushalt sind diese ‚Mittelschicht‘-Frauen noch immer der Dominanz ihrer Männer und u.U. auch sexueller und physischer Misshandlung unterworfen. Wie bei ihren wirklich bürgerlichen Schwestern, kann jedoch die Erfahrung der Unterdrückung in einem größeren Ausmaß, als dies für die meisten Arbeiterfrauen möglich ist, ausgeglichen werden, da sie sich von vielen Schindereien und sogar gewalttätigen Situationen freikaufen können.
Gänzlich anders ist die Situation der Frauen des traditionellen KleinbürgerInnentums (wie bei Handwerksbetrieben, Bauern und kleinen Familienunternehmen). Selbst innerhalb dieser Schichten gibt es große Unterschiede, aber für viele von ihnen fällt die gesellschaftliche Ausbeutung mit der Geschlechterunterdrückung im persönlichen Verhältnis zwischen Mann und Frau zusammen. Diese Frauen werden so als Beschäftigte im Familienbetrieb direkt ausgebeutet, sie leisten die Reproduktionsarbeit an Mann und Kindern, wobei sich im KleinbürgerInnentum die traditionelle autoritäre Kleinfamilienstruktur am unangetastetsten erhalten hat; eine Situation der mehrfachen Ausbeutung und Unterdrückung, die in einer Reihe von Fällen durch einen im Vergleich zum Durchschnitt der ArbeiterInnenklasse höheren Lohn etwas gemildert wird.
Von Frauen der ArbeiterInnenklasse, und das schließt viele Frauen ein, die sich selbst vielleicht als Teile der ‚Mittelschichten‘ sehen, da ihre Arbeit nicht manuell ist (z.B. Angestellte, Lehrerinnen, Krankenschwestern usw.), wird ihre Unterdrückung anders erfahren. Die Mehrheit muss die Arbeit in Fabrik oder Büro mit der hauptsächlichen Verantwortung für Haushalt und Kinder verbinden. Diese Doppelschicht kann eine sehr harte Arbeit sein, vor allem für die Frauen, die eine Nachtschicht arbeiten und dann den Großteil des Tages daheim Hausarbeiten erledigen und Essen zubereiten.
Die Folgen davon sind ungenügender Schlaf und fehlende Zeit zur Entspannung. Den Frauen der ArbeiterInnenklasse stehen selten geeignete Arrangements für ihre Kinder, die an ihren Bedarf als Arbeiterinnen angepasst sind (wie die Kindermädchen und privaten Kindergärten der bürgerlichen und der in gehobenen Berufen arbeitenden Frauen) zur Verfügung, und ihr niederer Lohn und die mangelnde Arbeitsplatzsicherheit haben zur Folge, dass sie weiterhin wirtschaftlich von ihren Männern abhängig sind.
Offensichtlich erlaubt die Tatsache, dass sie ihren eigenen Lohn verdienen, einer wachsenden Zahl von Frauen eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit, selten jedoch genügend, um einer Frau die Möglichkeit zu geben, ihren Mann zu verlassen, wenn sie es will, und ihre Kinder ohne große finanzielle oder Wohnungsprobleme zu behalten. Das ist umso mehr der Fall bei Frauen, die von staatlichen Zuschüssen abhängig sind, da diese in allen wesentlichen imperialistischen Ländern von der Annahme ausgehen, dass die Familieneinheit aus einem männlichen Haushaltsvorstand mit abhängiger Frau und Kindern besteht. Daher können diese Unterstützungen oft nur von ihren Männern beansprucht werden. Alleinstehende Mütter haben zum Teil große Schwierigkeiten mit Zuschüssen und Unterkunft. So nähern sich die Lebensbedingungen der besserbezahlten und qualifizierten Arbeiterinnen jenen des KleinbürgerInnentums an, und zwar sowohl was Familienstruktur, Ideologie und Rollenvorstellungen, als auch was den Lebensstandard betrifft. Auf der anderen Seite sind im Lumpenproletariat, bei den Langzeitarbeitslosen und den am meisten ausgebeuteten und unterdrücktesten Schichten der ArbeiterInnenklasse Prostitution, Familienzerrüttung, Gewalt und Kriminalisierung die tagtäglichen Merkmale der Frauenunterdrückung.
Die Bäuerinnen, die in der imperialisierten Welt nach Millionen zählen, erleiden eine extreme Unterdrückung. Die Idee, dass eine lateinamerikanische Bäuerin mit den Frauen der herrschenden Klassen der Welt ein grundlegendes gemeinsames Interesse hätte, ist lächerlich. Die von den Bäuerinnen, besonders von den armen, erlittene Unterdrückung ist vielfältig. Im Verlauf ihrer Arbeit wird eine Bäuerin verpflichtet sein, sich um die Pflanzungen, Tiere, die Betreuung des Haushaltes und die Verwaltung des Budgets zu kümmern und die Produkte des Landes, das sie bearbeitet, auf den Markt zu bringen, sie zu verkaufen und die Güter einzuhandeln, die sie und ihre Familie brauchen, um davon zu leben. Man füge zu dieser endlosen Reihe an Hausarbeiten die Funktionen des Kindergebärens und -erziehens, die sie ausfüllt, hinzu, und wir können klar das Ausmaß der Unterdrückung, die von den Bäuerinnen erlitten wird, sehen. die Bäuerin, noch mehr als die BäuerInnenschaft im allgemeinen, ist tatsächlich das Lasttier der Geschichte.
Die Frauen der ArbeiterInnenklasse sind auch der Brutalität der Gewalt und der sexuellen Misshandlung ausgesetzt, sowohl zu Hause, als auch durch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Während sexuelle und physische Misshandlungen in keiner Weise auf sie beschränkt sind, sind sie doch weniger in der Lage, sich durch Ausziehen aus der gemeinsamen Wohnung, Kündigung der Arbeit, Verwendung eines Autos (was ihnen einen gewissen Schutz gegen Angriffe auf der Straße geben würde usw.) o.ä. aus ihrer Situation zu befreien.
Selbstverständlich verwechseln wir nicht (und entschuldigen schon gar nicht!) die gelegentliche Gewalt, die in der Familie durch die Spannungen im Alltagsleben der kapitalistischen Gesellschaft auflodert, mit der systematischen Brutalität mancher Männer gegen manche Frauen. Aber die Brutalität im Hause, wie schrecklich sie auch immer für die betroffenen Individuen sein mag, muss im Zusammenhang erfasst werden. Sie ist nicht ein Ausdruck oder ein Mittel zur Verewigung der „Männermacht“. Sie ist ein Produkt der Frustrationen, die das Alltagsleben im Kapitalismus erbärmlich und nicht lohnend machen. Sie kann nicht mit dem systematischen Gebrauch von Gewalt, insbesonders durch viele Diktaturen in der halbkolonialen Welt, verglichen werden, die sich gegen Frauen und Männer richtet und dazu bestimmt ist, die Macht der halbkolonialen Bourgeoisie und ihrer imperialistischen ZahlmeisterInnen zu bewahren. In diesen Ländern sind es die Diktatoren – und nicht die Ehemänner -, die wirklich systematisch Gewalt gegen Frauen ausüben. Wir überbetonen also nicht die Frage der Gewalt gegen Frauen in den imperialistischen Ländern, wie die Feministinnen mit ihrer Theorie, dass männliche Macht existiert und durchgesetzt wird durch systematische männliche Gewalt.
Es gibt nämlich nichts grundlegend männliches an der Gewalt. So ein Ansatz würde der durch und durch reaktionären Ideologie in die Hände spielen, dass Frauen unvermeidlich schwache und passive Objekte seien. Klassenkämpferinnen auf der ganzen Welt, von Nicaragua während der Revolution gegen Somoza bis zu Großbritannien während des Bergarbeiterstreikes 1984/85, haben gezeigt, dass sie fähig sind, gegen die wirklichen UnterdrückerInnen, nämlich die KapitalistInnen und ihren Staat, körperlich anzukämpfen.
13. Auch die Beziehung zwischen Mann und Frau ist im Proletariat anders als in den anderen Klassen. Die Familie bleibt oft der letzte Hafen für die ArbeiterInnenklasse, da der Kapitalismus unfähig ist, die für Individuen und insbesondere für Abhängige notwendige gesellschaftliche Unterstützung bereit zu stellen. Sie ist auch der Bereich, in dem die Frauen und Männer der Klasse die meiste Geselligkeit, Unterstützung und Liebe finden. Sie wird daher von den Arbeitern und Arbeiterinnen verteidigt. Im Gegensatz zu den Frauen des BürgerInnentums und der ‚Mittelschichten‘, sind es nicht ihre Ehemänner und die Männer der ArbeiterInnenklasse im allgemeinen, die die grundlegende Ursache ihrer Probleme sind. Für die Frauen der herrschenden Klasse ist es ihre eigene Klasse, die Ungleichheit und Unterordnung hervorbringt. Die Männer sind das Hindernis, das ihnen wirkliche Gleichheit versagt.
Doch für Frauen der ArbeiterInnenklasse sind es nicht die Männer ihrer Klasse, die ihre „Feinde“ sind. Es ist das kapitalistische System, und damit auch die Männer und Frauen der herrschenden Klasse, die sowohl die Ausbeutung als auch die Unterdrückung der Frauen der ArbeiterInnenklasse schaffen. Das zeigt sich im gemeinsamen Kampf von Männern und Frauen, wie z.B. dort, wo Frauen in der Gemeinde aktiv eine Unterstützung für den Kampf ihrer Männer aufbauen (die Bergarbeiter der Zinnminen in Bolivien und die der Kohlengruben in England sind hervorragende Beispiele für diese Einheit). Für Männer und Frauen sind es die Bosse, die die wirklichen Feinde sind.
Doch ist es wahr, dass die Arbeiter allgemein besseren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen haben als die Arbeiterinnen. Sie ziehen auch ihren Nutzen aus der Tatsache, dass die Frauen den Großteil der öden Hausarbeit, oft noch zusätzlich zur entlohnten Arbeit, machen. Die Struktur der Familie, die männliche Dominanz in ihr und die überaus sexistische Ideologie, die mithilft, die Situation zu verewigen, führt dazu, dass sich Männer so verhalten, dass sie Frauen direkt unterdrücken. Sie versagen den Frauen die Kontrolle über ihr gemeinsames Familienleben, sie bestimmen, wie viel ihrer Löhne für den „Haushalt“ verwendet wird. In manchen Fällen misshandeln sie ihre und andere Frauen brutal physisch und sexuell.
Diese Spaltung innerhalb der Klasse schwächt ihre kollektive Kraft. Dies hat zu Ereignissen geführt, wo sich männliche Arbeiter organisiert haben, um Frauen vom Zugang zu gewissen Arbeiten, insbesondere zu handwerklichen Fach- und anderen qualifizierten Arbeiten abzuhalten, und wo Männer Streiks der Frauen für gleichen Lohn brachen. Diese Arbeiter sind überzeugt, dass die Arbeiterinnen eine Gefahr für ihren eigenen Lohn und ihre Arbeitsbedingungen sind. Genau deshalb können sie zum reaktionären Hindernis für die Frauen werden. Es gibt daher keinen Zweifel, dass Männer wirkliche materielle Vorteile als Ergebnis der Unterdrückung der Frauen genießen. Diese Vorteile sind jedoch entweder nur Randerscheinungen (der Status als Haushaltsvorstand), vorübergehend (Zugang zu bestimmten Jobs während bestimmter Perioden) oder in einem historischen Maßstab gering (nicht so viel Hausarbeit leisten zu müssen).
Sicherlich muss die Ideologie der männlichen Vorherrschaft, die ‚Macho- Identität‘, die in der Arbeiterklasse weit verbreitet ist und durch die materiellen Privilegien, die die männlichen Arbeiter erhalten und bei Gelegenheit verteidigen, aufrechterhalten wird, durch die revolutionäre Partei und die proletarische Massenfrauenbewegung beständig bekämpft werden.
Männer beuten jedoch Frauen nicht ökonomisch aus. Sie eignen sich nicht die Früchte der Hausarbeit der Frauen an und kontrollieren sie nicht. Und gegenüber den relativen Privilegien, die männliche Arbeiter zu Hause oder bei der Arbeit genießen, sind die Nachteile, denen sie sich als Ergebnis der gesellschaftlichen Unterdrückung der Frauen gegenübersehen, ungeheuer. Die Spaltungen innerhalb der ArbeiterInnenklasse, die als Ergebnis der Unterdrückung der Frauen aufbrachen, schwächen die Klasse als Ganzes und machen sie verwundbar gegenüber den wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Angriffen der UnternehmerInnen. Die Möglichkeit des Sturzes des Systems, das sowohl alle ArbeiterInnen ausbeutet und zugleich die Frauen gesellschaftlich unterdrückt, wird durch diese Spaltungen verzögert.
In diesem Sinne sind die männlichen Vorteile nicht entscheidend. Sie bedeuten nicht, dass die Männer einen historischen Anteil an der Unterdrückung der Frauen hätten, ebenso wenig wie die Vorteile, die einige ArbeiterInnen gegenüber anderen genießen, ihnen einen historischen Anteil am Kapitalismus geben würden. Im Gegenteil, die männlichen Arbeiter haben ein historisches Interesse am Sturz des Kapitalismus und daran, dabei die Grundlage für die gesellschaftliche Unterdrückung der Frauen zu zerstören. Sie sind daher die wirklichen strategischen Verbündeten der Frauen der ArbeiterInnenklasse im Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung. Tatsächlich ist die ArbeiterInnenklasse geschwächt durch diese Spaltung und daher auch die Fähigkeit, gemeinsam für den Sturz dieses Systems zu kämpfen, das die Ausbeutung und die Unterdrückung verursacht.
Die Errungenschaften, die die Männer der ArbeiterInnenklasse durch die endgültige Befreiung der Frauen aus der Familie erhalten werden – die kollektive Sorge um das Wohlergehen, die Freiheit in den Beziehungen, die sexuelle Befreiung und die ökonomischen Errungenschaften des Sozialismus- all dies bedeutet, dass die Männer der ArbeiterInnenklasse letzten Endes keinen entscheidenden Nutzen ziehen, sondern infolge der Unterdrückung der Frauen leiden. Die von ihnen erfahrenen Vorteile gegenüber Frauen führen leider dazu, dass einzelne Männer und auch Männer kollektiv in den Gewerkschaften und reformistischen Parteien glauben, dass ihrer Situation am besten gedient ist, indem sie weiterhin an der Unterdrückung der Frauen mitwirken.
14. Von Anbeginn an war der Kapitalismus expansionistisch. Er schuf eine kapitalistische Weltwirtschaft auf eine kombinierte und ungleiche Weise. Der Kolonialismus und dann der Imperialismus (vom späten 19.Jahrhundert an) teilten die Welt zwischen den Großmächten auf, um natürliche Ressourcen und Arbeitskraft zu plündern und die beherrschten Gebiete – die Kolonien und Halbkolonien – zum Nutzen des Monopolkapitals auszubeuten. Durch seine Expansion und Beherrschung der Welt zerstörte das imperialistische Kapital zugleich die vorhandenen Wirtschaftsformen und die sozialen Beziehungen der vorkapitalistischen Produktionsweisen der imperialisierten Welt. Es zerschlug die Subsistenzwirtschaft, ruinierte die einheimische Textilindustrie, zerstörte die Systeme von Verpflichtungen und Unterstützung in den BäuerInnendörfern und untergrub die feudale und religiöse Autorität. Aber dort, wo der Kapitalismus „die Chinesische Mauer niederreißt“, reißt er auch die soziale Struktur der alten Gesellschaften einschließlich der Familienstrukturen in Stücke – nicht, um den Fortschritt zu fördern, sondern um die koloniale Versklavung der Völker, die er eroberte, zu erleichtern.
Für die Frauen – wie für die arbeitenden Massen insgesamt – schufen diese Entwicklungen die materiellen Bedingungen für die Befreiung von den oftmals brutal patriarchalischen Familienstrukturen, die vor der Ankunft des imperialistischen Kapitals vorgeherrscht hatten, sie vertieften und verschärften jedoch gleichzeitig die Unterdrückung und Ausbeutung, die die Frauen erlitten. Die Einführung der kapitalistischen Industrie, die Durchdringung der ländlichen Gebiete durch den Kapitalismus, die Lockerung der feudalen Bande führten zur Schaffung der ArbeiterInnenklasse, der einzigen Klasse, die fähig ist, Ausbeutung, Unterdrückung und Klassengesellschaft zusammen zu beenden. In der imperialistischen Epoche wurde für die Masse der bäuerlichen und proletarischen Frauen der Kolonien und Halbkolonien der Weg frei. Die Unterordnung unter das männliche Familienoberhaupt, Aberglaube, Unwissenheit und Versklavung – die Normen des Familienlebens während vieler Jahrhunderte – können ein für allemal abgeschafft werden.
Jedoch gerade weil wir in der Epoche des Imperialismus leben, ist das Potential für einen derartigen Fortschritt blockiert und tatsächlich durch den reaktionären Würgegriff des Imperialismus in einigen Ländern, Gebieten und Sektoren insgesamt verhindert worden. Die kombinierte und ungleichzeitige Entwicklung hat die materiellen Voraussetzungen, aber auch die Hindernisse für die Befreiung der Frauen geschaffen. Nur Revolutionen, die von der ArbeiterInnenklasse geführt und auf die Zerstörung des Kapitalismus insgesamt gerichtet sind, können diese Voraussetzung verwenden und diese Hindernisse zerstören.
15. Die Rolle der Frauen in Produktion und Reproduktion wird von der imperialistischen Ausbeutung beeinflusst. Proletarisierung kann für Millionen Frauen eine endlose Hölle der Wanderarbeit ,der besitzlosen Landarbeit oder der Arbeitslosigkeit und ein Leben im Slum bedeuten. Für die Frauen in entwickelteren Halbkolonien wie Südkorea kann sie Überausbeutung in der Jugend bedeuten, gefolgt von bitterem Elend, sobald ihre Arbeitsfähigkeit als Ergebnis der Jahre, geprägt von langer Arbeitszeit und erbärmlicher Bezahlung (oft schon ab dem Alter von 10 Jahren), versiegt ist. Und für Millionen anderer Frauen führt dieser Prozess unausweichlich zur Prostitution (eine gewaltige Industrie in Ländern wie Thailand) oder dazu, als Dienerin/Hausfrau (de facto als Sklavin) der Männer im Westen exportiert zu werden. (Die „verkäuflichen Bräute“ auf den Philippinen und der Export junger Frauen aus Sri Lanka sind beides ekelerregende Beispiele für diesen Frauenhandel.)
Bäuerinnen verbleiben mit der doppelten Belastung, den Haushalt zu führen und das Land zu bearbeiten. Wo das Land weggenommen wurde oder wo die Klassendifferenzierung auf dem Land die Ärmsten ohne Land lässt, kann den Frauen nichts übrigbleiben, als sich für die Familie durchs Leben zu schlagen – ohne Unterstützung außer der Hoffnung, dass ein wenig Lohn vom Ehemann, der in der Stadt arbeitet, nach Hause geschickt wird. Eheschließungen und traditionelle Familienstrukturen werden zerstört oder in einer Form wiedergeschaffen, die die von den Frauen erlittene Unterdrückung intensiviert. Und proletarische Frauen, die vom Land entkommen sind, finden ihre Einkommen oft von der Notwendigkeit aufgezehrt, die landlose Familie, die sie zurückgelassen haben, zu unterstützen. Sehr oft werden die Frauen jedoch in die produktive Arbeit zu niedrigeren Löhnen als die Männer einbezogen und bleiben oft auf Saisonarbeit beschränkt. All dies steigert das Risiko, dass Prostitution oder Unterwerfung unter die gegenwärtige Sklaverei die einzigen Alternativen zum Verhungern werden.
Für jene Frauen, die auf dem Land geblieben sind, insbesondere in Afrika, führte die Einführung moderner Landwirtschaft, insbesondere der „cash-crops“ (exportorientierte landwirtschaftliche Produkte), dazu, dass die Frauen die Kontrolle über das (matrilinear vererbte) Land und über die Nahrungsmittelproduktion verloren haben, obwohl sie noch immer die meiste Arbeit leisten. Der Zwang, unter diesen Bedingungen weiterhin zu arbeiten, ist die Notwendigkeit, die Subsistenzmittel für junge und alte Angehörige zu produzieren. Frühere Formen der Frauenunterdrückung – Mitgift, Brautpreis, Frauenbeschneidung, Polygamie – wurden vom Imperialismus nicht beseitigt, wenn auch deren soziale Grundlage untergraben sein mag. Millionen Frauen, speziell in Afrika und in einigen islamischen Ländern, erleiden Klitorisbeschneidung und Infibulation (Verschließen des Sexualorgans durch Klammern,..). Zehntausende in Südasien tragen die Last der Arbeit im Haushalt der Familie des Ehemannes.
Die teilweise Zerstörung der traditionellen Strukturen und der Verpflichtungen der Familie kann die Frauen noch schutzloser machen, was zum Beispiel zu solchen Schrecklichkeiten wie der Zunahme an Brautverbrennungen in Indien führt. Und von den Vorteilen, die der Kapitalismus bringt – wie im Erziehungs- und Gesundheitswesen, profitiert in Wirklichkeit nur eine kleine Handvoll der Menschen in der imperialisierten Welt. Die weibliche Alphabetenrate liegt noch immer unter der der Männer. Und trotz medizinischer Fortschritte besitzt die Masse der Frauen in den Halbkolonien keine Kontrolle über ihre eigene Fruchtbarkeit, und in Afrika und Asien stirbt jedes Jahr eine halbe Million Frauen bei der Geburt ihres Kindes.
Unter diesen Bedingungen der Unterdrückung ist es nicht überraschend, dass die Frauen zu Tausenden an den Kämpfen gegen den Imperialismus in den Kolonien und Halbkolonien teilgenommen haben. In Vietnam, Nicaragua, den Philippinen, Angola und Mozambique haben die Frauen in heldenhaften Kämpfen gegen schwerbewaffnete imperialistische – oder vom Imperialismus gestützte – Regimes zu den Waffen gegriffen. Die Interessen der bäuerlichen und proletarischen Frauen wurden immer wieder verraten – entweder von den kleinbürgerlich-nationalistischen Führungen, die, einmal an der Macht, zu einer neuen Übereinkunft mit dem Imperialismus gebracht wurden, oder von den stalinistischen FührerInnen, deren bürokratische Herrschaft viele der schlimmsten Züge des kapitalistischen Familienlebens reproduziert.
In einigen Fällen, wie im Iran, bedeutet die traditionell untergeordnete Rolle, die die Frauen spielten, dass sie nach der Revolution gegen den Schah einer fürchterlichen Konterrevolution seitens der Mullahs unterworfen wurden. In anderen Fällen haben Frauen tatsächliche Errungenschaften gemacht, besonders was die Alphabetisierung, Gesundheitsfürsorge und manchmal sogar demokratische Rechte anbelangt. Ohne den Sturz des Kapitalismus oder der stalinistischen HerrscherInnen der degenerierten ArbeiterInnenstaaten, die aus den antiimperialistischen Kämpfen entstanden sind, werden sich jedoch alle Errungenschaften der Frauen als vorübergehend, eingeschränkt, nach kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht erweisen oder durch die andauernde imperialistische Ausbeutung, die Forderungen des Weltwährungsfonds oder die Bedürfnisse der parasitären Bürokratie, die der Planwirtschaft vorsteht, wieder bedeutungslos werden.
Die Bereitwilligkeit der PDPA in Afghanistan, das Alphabetisierungsprogramm für Frauen als Teil ihres Kuhhandels mit den reaktionären islamischen Rebellen zu opfern, ist nur das letzte Beispiel für den Verrat an der Sache der Frauenbefreiung, zu dem der Stalinismus fähig ist. Der kleinbürgerliche Nationalismus hat – und wird – sie auf genau dieselbe Weise verraten. Nur das Programm der Permanenten Revolution, in dem das Erlangen sinnvoller demokratischer Rechte und eine progressiven Lösung der Agrarfrage untrennbar mit dem Erreichen der ArbeiterInnenmacht und des Sozialismus verbunden sind, kann den Frauen die Perspektive auf eine erfolgreiche Beendigung ihres Kampfes gegen die Unterdrückung bringen.
16. Ein Merkmal der frühen kolonialen Periode warn die massenhaften erzwungenen Vertreibungen und Versklavungen von WestafrikanerInnen durch europäische HändlerInnen und amerikanische PlantagenbesitzerInnen. Familien und Gemeinschaften wurden buchstäblich auseinandergerissen. Sowohl die Arbeitskraft als auch die Reproduktionsfähigkeit wurden von den SklavInnenhalterInnen streng kontrolliert und ausgebeutet. Sklavinnen wurde jegliche Wahl ihrer sexuellen und persönlichen Beziehungen verweigert, und sie wurden – als Eigentum ihrer Besitzer – systematisch von ihnen vergewaltigt und misshandelt. Sie waren beinahe gänzlich verantwortlich für das Aufziehen ihrer Kinder, doch hatten sie keine Kontrolle über deren Zukunft. Es ist daher nicht überraschend, dass schwarze Frauen an der Vorderfront des Kampfes gegen die Sklaverei in den USA standen.
Die Sklaverei hat ihre Spuren in den betroffenen Gesellschaften hinterlassen. Im besonderen hat sie zum Wachstum des Rassismus beigetragen und so die Last der Unterdrückung, die schwarze Frauen der ArbeiterInnenklasse in Nord- und Südamerika und Europa erleiden, verdreifacht.
Das vertraglich abgesicherte Arbeitssystem hat nicht so extreme Formen der Unterordnung und Unterdrückung geschaffen, doch zwang auch dieses den Frauen zusätzliche Belastungen auf, da ihnen ohne jegliche Unterstützung die Verantwortung für die Familie bleibt, wenn der Imperialismus die männlichen Arbeitskräfte benötigt.
Die verheerende Auswirkung des Imperialismus auf die Volkswirtschaften und Halbkolonien hat eine weltweite Wanderarbeit geschaffen. Die Frauen in dieser Gruppe leiden unter spezifischen Formen der Diskriminierung und unter einer schrecklichen Last der Unterdrückung in den ‚Gastländern‘. Institutionalisierter Rassismus und allgemeine Formen des Rassismus in Form des Nationalchauvinismus hindern die meisten dieser Frauen an der Nutzung dieser Errungenschaften, die die Frauen in den imperialistischen Kernländern im Rahmen der bürgerlichen Demokratie gewonnen haben. In den meisten Fällen zwingt der Rassismus diese Frauen, sich in die ImmigrantInnenkreise zurückzuziehen. Wo aus kulturellen oder religiösen Gründen patriarchale Ideologie diese Kreise dominiert, können Frauen zusätzlichen Hindernissen gegenüberstehen, die sie daran hindern, ihre vollen demokratischen Rechte einzufordern, an der ArbeiterInnenbewegung teilzunehmen und gegen ihre eigene Unterdrückung zu kämpfen. Sie werden daher unfähig, die Themen der Frauenunterdrückung innerhalb der ArbeiterInnenklasse als Ganzes aufzugreifen. Eine untergeordnete Position der Immigrantinnen verursachen auch die Einwanderungskontrollen, da in diesen die verheirateten Frauen als anhängig von den Männern gesehen werden. Das Gewicht dieser Unterdrückung und Unterordnung macht es auch doppelt schwer für diese Frauen, die Unterdrückung in ihren eigenen Kreisen und Familien zu bekämpfen.
Eine andere Folge der Einwanderungskontrollen in den imperialistischen Ländern ist, dass sie tausende Frauen von ihren Partnern trennt und daher weder das Ursprungsland noch das Land, wo der Mann beschäftigt ist, die Verantwortung für deren Wohlfahrt übernimmt.
Das Gewicht ihrer Unterdrückung zusammen mit dem Rassismus innerhalb der ArbeiterInnenbewegung und das Versagen der existierenden Frauenbewegungen, konsequent für die Interessen schwarzer Frauen zu kämpfen, schaffen die Bedingung für wachsende Unterstützung für die Strategien, die von SeparatistInnen und schwarzen NationalistInnen vorgeschlagen werden.
Dennoch haben schwarze Frauen immer wieder die Führung in Kämpfen für gewerkschaftliche Organisierung, Sozialleistungen und gegen Rassismus übernommen. Dies zeigt das Potential schwarzer und anderer immigrierter Frauen, für eine Klassenlösung ihrer eigenen, spezifischen Unterdrückung zu kämpfen.
17. In der Sowjetunion bleiben die Frauen weiterhin unterdrückt, auch wenn sie ein ArbeiterInnenstaat, der auf nachkapitalistischen Eigentumsverhältnissen beruht, ist. Der zentrale Wesenszug der Frauenunterdrückung – die Existenz einer gesonderten Sphäre der Hausarbeit innerhalb der Familie, für die die Frauen weitgehend verantwortlich sind – gilt in diesem degenerierten ArbeiterInnenstaat weiterhin genauso wie in den imperialistischen Kernländern. Dies ist nicht das Ergebnis irgendeiner „natürlichen“ Grundlage für die Frauenunterdrückung, die von der Klassengesellschaft verschieden wäre. Sondern es reflektiert eher die Art und Weise, wie die Sowjetunion von der gesunden nachrevolutionären Periode hin zu ihrer gegenwärtigen stagnierenden Verfassung entartete.
Die bolschewistische Revolution des Oktobers 1917 verfügte als Schlüsselstelle ihres Programms die Verpflichtung zur vollständigen Befreiung der Frauen. Unmittelbar nach der Machtergreifung wurden gesetzliche Veränderungen durchgeführt, die weiter gingen als in jeder bürgerlichen „Demokratie“ jemals zuvor oder seither – bei der Abschaffung der Ungleichheiten der Frauen auf der Ebene der politischen, gesetzlichen oder bürgerlichen Rechte. Ab Dezember 1917 wurde die zivile Registration der Eheschließung und eine einfache, freie Scheidung gewährt; die Abtreibung wurde 1920 legalisiert und in den sowjetischen Spitälern frei zugänglich gemacht. Zusätzlich versuchten die Bolschewiki, die grundlegenden Charakterzüge der Frauenunterdrückung im Haushalt zu entfernen. Für die Vergesellschaftung der Kindererziehung, gemeinsame Essensausgaben, Wäschereien etc. und die Ermutigung zu Wohnkommunen wurden Pläne erstellt.
Zusätzlich dazu wurde eine große und aktive Frauenabteilung (der „Zhenotdel“) aufgebaut, die Millionen von Arbeiterinnen und Bäuerinnen in die Diskussionen, Entscheidungen und in die praktische Arbeit, das Programm der Befreiung auszuführen, einbezog. Diese Pläne wurden jedoch niemals in ernsthaftem Umfang verwirklicht, da die Verwüstungen des Bürgerkrieges und der Hungersnot das junge Regime unter einen ungeheuren wirtschaftlichen Druck brachten. Gemeinschaftskantinen wurden im Bürgerkrieg eingerichtet, aber nicht mittels irgendwelcher großer Pläne zur Vergesellschaftung und Verbesserung des Lebens, sondern eher, um die spärliche Nahrungsmittelversorgung effizienter zu gestalten. Nach dem Krieg wurde die Periode der „Neuen Ökonomischen Politik“ eingeführt, als deren Auswirkung eine Massenarbeitslosigkeit, unter der die Frauen am meisten litten, entstand.
Um die Mitte der 1930er Jahre hatte das Regime alle Überreste des bolschewistischen Programms für die Vergesellschaftung der Hausarbeit aufgegeben. Mit dem Wachstum der Bürokratie inmitten des Mangels – verstärkt durch die ersten Fünfjahrespläne – wurden die schlecht ausgerüsteten und schlecht mit Personal besetzten Einrichtungen für Kinderaufsicht, Verpflegung und Waschen weiter einschränkt und die Betonung wieder einmal auf die privaten Haushaltsmethoden gelegt.
Für die bürokratische Schicht wurden auch Hausdiener und -dienerinnen üblich. Eine intensive, heuchlerische Kampagne für den Aufbau der „neuen Familie“ versuchte die Rückkehr zu häuslicher Sklaverei als programmatisches Ziel zu legitimieren. Ansprüche, dass die „sozialistische Familie“ auf Liebe allein aufbaue, wurden mit der Einführung von Beschränkungen für Liebe und Scheidung in den Dreck gezogen.
Wie es Trotzki aufzeigte, lief tatsächlich die ganze Logik des Stalinismus darauf hinaus, die Häufigkeit von „Geldheiraten“ als Mittel, Zugang zu Privilegien oder spärlichen Ressourcen zu bekommen, zu erhöhen. Das Versagen des Stalinismus, den Bedürfnissen der Frauenmassen nach Verhütung und Abtreibung zu entsprechen, führte zu einer wachsenden Zahl der „Engelmacherinnen“ und zu einem Anstieg der Todesfälle durch mangelnde Hygiene bei Abtreibungen. Die Antwort darauf war, die Abtreibung 1936 überhaupt zu illegalisieren, anstatt geeignete Einrichtungen bereitzustellen. Erst nach 1955, inmitten einer Epidemie von Abtreibungsopfern, wurde das Gesetz reformiert.
Der Mangelcharakter der Sowjetwirtschaft brachte mit sich, dass viele der Haushaltsgeräte, die in vielen imperialistischen Ländern die für Hausarbeit und Essenszubereitung nötige Zeit reduziert haben, für sowjetische Frauen nicht verfügbar sind. Dies, zusammen mit häufigen Engpässen an Nahrungsmitteln, kann die Erfahrung der Doppelbelastung für sowjetische Frauen noch drückender machen als für viele Frauen in den imperialistischen Ländern. Die Auswirkung dieses Verrats der bolschewistischen Revolution diskreditierte den Sozialismus in den Augen der ArbeiterInnenklasse der Welt – und insbesondere jener Arbeiterinnen, die sehen, dass diese „kommunistische“ Gesellschaft für sie dasselbe bedeutet wie die Unterdrückung innerhalb des kapitalistischen Systems.
Die jüngsten „Reformen“ unter Gorbatschow, die weit davon entfernt sind, ein erneuter Versuch zu sein, die Hausarbeit zu vergesellschaften und die Frauen von häuslicher Plackerei zu befreien, wurden teilweise auf der Grundlage befürwortet, dass die Rolle der Familie als gesellschaftliche Einheit noch zu stärken wäre; und auf die sowjetischen Frauen wird zunehmend Druck ausgeübt, dass sie ihre Arbeit aufgeben sollten. Die Bürokratie hat argumentiert, dass es die „Entweiblichung“ der Frauen durch ihre extensive Rolle bei der Fabrikarbeit etc. wäre, die zumindest teilweise für viele der „Krankheiten“ des Gesellschaftssystems verantwortlich sei. Diese reaktionäre Ideologie bildet den Hintergrund für Berichte über die erschütternden Bedingungen, denen sich Arbeiterinnen gegenübersehen, wobei damit vorgegeben wird, im Interesse der Frauen zu handeln, wenn sie zum Zuhausebleiben ermuntert werden.
18. Auch wenn die herrschenden Bürokratien der degenerierten Arbeiterstaaten der Welt ein lebendiges Interesse gezeigt haben und zeigen, die tatsächliche Emanzipation der Frau zu verhindern, und ihren reaktionären Charakter gerade im Schutz der Familie und der Aufrechterhaltung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung beweisen, sind die gewaltigen Fortschritte in diesen Gesellschaften (verglichen mit der vorrevolutionären Periode und der heutigen imperialistischen Welt) nicht zu leugnen. In China und Kuba wurden Frauen zum Beispiel gesetzliche Rechte gewährt und eine verbesserte Gesundheitsfürsorge und bessere Sozialleistungen bereitgestellt. Extreme Formen barbarischer Unterdrückung, wie der Handel mit Frauen und Mädchen in China, wurden durch den Staat illegalisiert.
Nichtsdestotrotz bleiben die staatlichen und gesellschaftlichen Führungspositionen in Partei, Gewerkschaft usw. eine Domäne der Männer. Gerade dies zeigt, dass die Einbeziehung der Frau in die öffentliche Produktion zwar die Grundvoraussetzung zu ihrer Befreiung ist, dies allein aber nicht ausreicht. Angesichts der von der Bürokratie verursachten Misswirtschaft geraten die Errungenschaften der Frauen auch wieder in Gefahr, da sie nicht wirklich politisch abgesichert sind.
In den degenerierten ArbeiterInnenstaaten blieb die Rolle der Frauen weiterhin die, dem Staat und der Gesellschaft durch Hausarbeit, kombiniert mit anderer Arbeit, falls für das Regime notwendig, zu dienen. Die Rolle der Kirche in Polen zum Beispiel wurde niemals von den stalinistischen Bürokratien wirksam angegriffen und ist weiterhin vorherrschend bei der ideologischen und sexuellen Unterdrückung der Frauen.
19. Damit die Frauen die vollständige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Gleichheit mit den Männern erreichen, muss die gesellschaftliche und wirtschaftliche Basis ihrer Unterdrückung zerstört werden. Die Existenz der Familie als eine privatisierte Sphäre der Arbeit muss beendet werden. Dies kann nur durch die völlige Vergesellschaftung von Kindererziehung und Hausarbeit erreicht werden. Deshalb lehnen wir die Idealisierung der ‚proletarischen Familie‘ durch den Stalinismus ab, der in Wirklichkeit eine Kopie der bürgerlichen Familie ist, in der die privatisierte Hausarbeit – in diesem Fall im Interesse der Bürokratie – erhalten bleibt. Die Aufgaben, das für Reproduktion notwendige Essen, Unterkunft und Annehmlichkeiten bereitzustellen, müssen von der Gesellschaft kollektiv übernommen werden, um so die individuelle Verantwortung jeder einzelnen Familie, damit zurechtzukommen, zu beenden. Nur wenn die Frauen von dieser häuslichen Sklaverei erlöst sind, können sie voll und gleichwertig neben den Männern in die vergesellschaftete Produktion einbezogen werden.
Diese Vergesellschaftung jedoch wird nur dann einen tatsächlich sozialistischen Charakter tragen, wenn sie von der Zerstörung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung (und der entsprechenden Rollenbilder) auch in der sozialisierten Produktion begleitet wird. Historisches Subjekt für diese spezielle Umwälzung, die gezielte Aufhebung der bürgerlichen Familie und die Überwindung der geschlechtsspezifischen Zwänge, sind nicht nur die Frauen, obwohl sie der vorwärtstreibendste Teil der Arbeiterklasse in dieser Angelegenheit sein werden.
Sicher werden Frauen als undifferenzierte Masse in diesem Kampf nicht einheitlich agieren, um die männliche Dominanz und die bürgerliche Familie zu zerstören. Das Gegenteil zu glauben würde bedeuten, der spontaneistischen Idee zu verfallen, dass die Tatsache der Unterdrückung automatisch eine einheitliche Form des Widerstandes unter den Unterdrückten schaffe. Wie in jedem anderen Kampf wird hier die Avantgarde eine entscheidende Rolle spielen. Die revolutionäre Partei selbst, und im wesentlichen die weiblichen Mitglieder der Partei, werden an der Vorderfront dieses Kampfes sein. Kommunistische Frauen werden die fortschrittlichsten Schichten der ArbeiterInnenklasse, einschließlich derjenigen KlassenkämpferInnen, die nicht Parteimitglieder sind, und insbesondere Frauen organisieren, um den Sexismus zu bekämpfen, für Gleichheit zu kämpfen und die ganze Masse der ArbeiterInnen zu mobilisieren, um ihre Rolle als historisches Subjekt der sozialistischen Umwandlung und der Frauenemanzipation zu spielen.
Diese Aufgaben sind nicht vom Sturz des Privatbesitzes an den Produktionsmitteln zu trennen. Dann, und nur dann erst, wird es möglich sein, auf der Grundlage einer Planwirtschaft systematisch alle Aspekte der Frauenunterdrückung – gesetzliche, wirtschaftlich, gesellschaftliche und politische – auszumerzen. Um diesen Prozess einzuleiten, ist die Übernahme der Staatsmacht durch die ArbeiterInnenklasse, bewaffnet und organisiert in ArbeiterInnenräten und ArbeiterInnenmilizen, und die Unterdrückung des Widerstandes der AusbeuterInnen notwendig.
Die Unterordnung der Frauen und der zentrale Platz der Familie im Alltagsleben waren die Wesenszüge aller früheren Klassengesellschaften. Die wirkliche Befreiung der Frauen und Kinder von ihrer Unterdrückung, ebenso wie die Änderung der Lebensweise aller im Sozialismus, wird einen langen und schwierigen Kampf gegen die Ideen und Normen der Vergangenheit erfordern. Die Umwandlung der Persönlichkeit, der Psyche, was für die Leute notwendig sein wird, um kollektiv und kooperativ zu leben, wird Generationen brauchen, bis sie vollkommen erreicht sein wird. Die tiefen psychischen Wunden, die das Aufwachsen und Arbeiten in einer Gesellschaft bedeuten, die auf Profit, Gier und Kampf gründet, werden nicht über Nacht verschwinden. Ein bewusster Kampf für eine Veränderung wird viele Jahre hindurch erforderlich sein. Aber mit der materiellen Basis für Kollektivität, ermöglicht durch die Schaffung eines ArbeiterInnenstaates, Planung nach Bedürfnis und nicht nach Profit, die Zerstörung der Einzelhaft des Privathaushaltes, wird der „Kampf“ für eine neue Psyche, für ein neues, menschliches Wesen und wirklich befreite sexuelle Beziehungen möglich sein.
1848 erhoben Marx und Engels die Forderung nach Abschaffung der bürgerlichen Familie. In Russland nach dem Oktober 1917 wurde jedoch klar, dass die durch den Kapitalismus aufgebauten Familienbeziehungen nicht mit einem Schlag abgeschafft werden konnten. Der ArbeiterInnenstaat schuf die wirtschaftliche Grundlage, auf der die Hausarbeit vergesellschaftet werden konnte (auch wenn der Stalinismus die Verwirklichung der Errungenschaft – wie in so vielen anderen Fällen – vereitelt hat).
Durch die Vergesellschaftung vieler Aspekte der Hausarbeit schafft der ArbeiterInnenstaat die bürgerliche Familie nicht ab, aber stellt die Mittel bereit, durch die sich die Frauen vom familiären Gefängnis und von der privatisierten Arbeit lösen können.
In dem Ausmaß, als dieser Prozess der Vergesellschaftung (durch gemeinsame Kinderbetreuung, Wasch- und Essenseinrichtungen) erfolgreich ist, wird die Grundlage der „alten“, vom Kapitalismus geerbten Familie ausgelöscht. In diesem Sinn wird die „alte“ Familie, wie der Staat selbst, mit dem Fortschritt in Richtung Kommunismus absterben. Ebenso wenig jedoch, wie wir uns dazu verleiten lassen, das Wesen der Geschlechterbeziehungen im Kommunismus auf eine utopische Weise vorauszusagen, werden wir uns dazu verleiten lassen, ein Bild dessen zu malen, wie die „Familie“ im Kommunismus aussehen wird.
Die bürgerliche Familie wird verschwinden. Was sie ersetzen wird, ist etwas, das die Menschen der Zukunft entscheiden werden, frei von materiellen und ideologischen Fesseln, die die Familienbeziehungen im Kapitalismus charakterisieren (und quälen). So werden die Bedingungen für eine wirkliche sexuelle Befreiung, bei der die Menschen frei ihre Sexualität bestimmen, geschaffen werden.
20. Die Rolle der Frauen beim Sturz des Kapitalismus und beim Aufbau des Sozialismus ist wesentlich. Als Teil der ArbeiterInnenklasse müssen die Frauen in den Kampf um die Macht einbezogen sein. Frauen in der ganzen Welt haben ihre Fähigkeit zum Kampf entschlossen gezeigt. Tatsächlich ist es oft der Fall, dass Arbeiterinnen, angesichts der schweren Probleme, die Familie zu führen und zu arbeiten, eine explosive Kraft im Klassenkampf darstellen (zum Beispiel in Russland im Februar 1917). Mehr noch, da Frauen oft unorganisiert oder erst frisch organisiert sind, können sie eine Zeitlang eine explosive Kampfbereitschaft mit der Freiheit von bürokratischer Herrschaft und Regeln, die die „normale“ Gewerkschaftsroutine charakterisieren, verbinden. Gerade aufgrund der mit der Hausarbeit und Kindererziehung verbundenen Belastungen und Aufgaben spielen eigenständige Organe der Frauen, wie (Haus- )Frauenkomitees zur Preiskontrolle und Nahrungsmittelverteilung, in vor- und revolutionären Perioden als Teile einer proletarischen Frauenbewegung eine entscheidende Rolle für die Errichtung von Organen der ArbeiterInnenmacht. Ein Versagen dabei, die Arbeiterinnen wirklich für den Kampf zu gewinnen, kann sie zur Beute der Argumente der herrschenden Klasse werden lassen und sie als eine rückständige Kraft innerhalb der ArbeiterInnenklasse wirken lassen. Als diejenigen, die am direktesten in die Kinderbetreuung, die Versorgung mit Alltagsbedürfnissen und die grundlegendsten „Haushaltsverrichtungen“ involviert sind, werden die Erfahrung und der Beitrag der Frauen lebensnotwendig bei der Planung einer gesellschaftlichen Vorsorge für diese Aufgaben sein.
Die Arbeiterinnen sind zentral im Kampf für die Emanzipation sowohl der ArbeiterInnenklasse als auch der Frauen – sie sind die am meisten unterdrückte Sektion ihres Geschlechtes. Unter den Frauen haben sie das radikalste Interesse am Sturz ihrer Unterdrückung im Kapitalismus. Die Erlangung gleicher Rechte und Möglichkeiten oder utopische Schemata für individuelle sexuelle und psychische Befreiung werden nicht die grundlegenden Bedürfnisse der proletarischen Frauen befriedigen. Und innerhalb der ArbeiterInnenklasse haben sie keine aristokratischen Privilegien (und einen vergleichsweise geringeren Status an beruflicher Qualifikation) und keine hohen Löhne, die sie mit dem Kapitalismus versöhnen könnten.
Jedoch nur allzu oft werden die am besten organisierten Arbeiterinnen von reformistischen GewerkschaftsführerInnen, die ihrerseits Frieden mit dem Kapitalismus geschlossen haben, in die Irre geführt. Dies und zusätzlich noch die traditionelle Rückständigkeit vieler Frauen aufgrund ihrer Isolation daheim, als Beute der Ideen der Massenmedien und der Kirche, zeigen auf, dass intensive Unterdrückung und Ausbeutung für sich allein nicht ausreichend sind, um Frauen an die Führung des Befreiungskampfes zu bringen. Dies gilt auch in den Halbkolonien, wo die Unterdrückung der Arbeiterinnen und Bäuerinnen sogar noch schärfer ist als in den imperialistischen Ländern.
Die ArbeiterInnenklasse ist die erste ausgebeutete Klasse, die imstande ist, jegliche Ausbeutung zu beenden. Nicht einfach deswegen, weil sie die am meisten ausgebeutete und unterdrückte Klasse ist, sondern weil der Kapitalismus selbst sie im Zentrum der gesellschaftlichen Produktion organisierte und sie damit befähigte, sich ihrer selbst als Klasse bewusst zu werden, sich gegen die KapitalistInnen zu organisieren, sie zu stürzen und die Produktion zu reorganisieren. Die Frauen bilden einen Teil der ArbeiterInnenklasse mit genau diesem Potential. Obwohl der Kapitalismus niemals imstande war, alle proletarischen Frauen in die Produktion einzubeziehen, stellen die Frauen einen zentralen Bestandteil der menschlichen Arbeitskraft dar, und es sind gerade die in Lohnarbeit stehenden Frauen, die – teilweise von den verdummenden Auswirkungen der häuslichen Isolation erlöst – als Avantgarde aller proletarischen Frauen handeln kann.
21. Der Begriff „Feminismus“ beschreibt die Ideen und die Praxis sowohl der modernen Frauenbefreiungsbewegung (der 1960er und 1970er Jahre) als auch der liberalen Frauenrechtlerinnen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Grundlegend für die Anhängerinnen dieser Bewegungen ist die Idee, dass der Kampf um die Rechte der Frauen vom Kampf gegen andere Ungleichheiten, gegen Ausbeutung und Unterdrückung unterschieden werden kann. Das heißt, dass es eine getrennte Frauenfrage gibt, die alle Frauen ohne Ansehen ihrer Klasse gleich betrifft und die von allen Frauen gelöst werden kann, indem sie gemeinsam, ohne Ansehen ihrer Klasse, handeln. Diese Auffassung einer besonderen Frauenfrage, getrennt vom Klassenkampf, ist der vereinigende Wesenszug aller Spielarten des Feminismus.
MarxistInnen glauben jedoch, dass die Ursprünge, die Fortdauer und die genauen Formen der Frauenunterdrückung untrennbar mit der Klassengesellschaft verbunden sind. Da Klassengesellschaft und Frauenunterdrückung wechselseitig voneinander abhängen, kann es keine gesonderte „Frauenfrage“ und daher auch keine verschiedene Ebene des Kampfes geben.
Das Wesen des Feminismus, wenn er auch aufgrund von konkurrierenden Theorien und seiner Praxis von Spaltungen zerrissen sein mag, besteht darin, dass diejenigen Themen, die sich auf Frauen beziehen, auf eine gesonderte Ebene gehoben werden. Das bedeutet nicht, dass alle Feministinnen die Themen, die Klassenausbeutung und imperialistische Unterdrückung betreffen, zurückweisen, aber ihre Theorien – und noch wesentlicher, ihr Befreiungsprogramm – verbinden nicht die verschiedenen Kämpfe in einer zusammenhängenden Weise. Der Feminismus ist daher unfähig, eine revolutionäre Herausforderung gegenüber der Frauenunterdrückung zu bilden. Bei dem Versuch, eine Strategie für die Gleichheit oder Befreiung der Frauen ohne eine Strategie für die ArbeiterInnenmacht zu liefern, verbleibt der Feminismus eine utopische Ideologie.
22. Die bürgerlich-demokratischen Revolutionen riefen bei Teilen der liberalen Bourgeoisie und der Intellektuellen Erwartungen auf eine wirkliche Gleichheit hervor. Dies wurde auf die Rechte der Frauen erweitert und bildete den Antrieb für die bürgerliche Frauenbewegung. Das erste beeindruckende Beispiel lieferten die ersten Frauenrechtlerinnen unter Olympe de Gouges, die auf dem Höhepunkt der französischen Revolution die völlige juridische und politische Gleichstellung aller Frauen forderte und deswegen von der JakobinerInnendiktatur aufs Schafott geschickt wurde.
In den 1930er und 1940er Jahren des vorigen Jahrhunderts verband sich diese unterdrückte Tradition einer radikal-demokratischen Frauenbewegung mit dem utopischen Sozialismus der entstehenden ArbeiterInnenbewegung, wie im Falle von Flora Tristan mit ihren saint-simonistischen Mitkämpferinnen. Die bürgerliche Frauenbewegung erreichte in den 1980er und 1990er Jahren v.a. in Britannien, den USA, Australien und Neuseeland Masseneinfluss, um das Wahlrecht durchzusetzen. Trotz der von den Suffragetten bewiesenen Hartnäckigkeit und Militanz, die eine starke Repression des bürgerlichen Staates hervorrief, und trotz Schrittweiser Verbesserungen und Wahlrechtsreformen um die Jahrhundertwende, versagte die bürgerliche Frauenbewegung aufgrund ihrer bürgerlich-demokratischen Beschränkungen. Obwohl ein historisch progressiver Forderungskatalog, gab es einen Widerspruch zwischen den Klasseninteressen dieser Frauen und ihren Aspirationen nach Geschlechtergleichheit, die im Kapitalismus nicht vollständig ereicht werden konnte. Für einfache Forderungen nach gleichen Rechten – Frauenwahlrecht, Zugang zu Bildung und Beruf, Besitz- und Scheidungsrechte – wurde oft militant gefochten, aber solange sie von bürgerlichen Frauen vorgebracht wurden, konnten sie niemals über ein Reformprogramm hinausgehen.
Ein derartiges Programm griff unvermeidlich darin zu kurz, die wirklichen Wurzeln der gesellschaftlichen Unterdrückung der Frauen, nämlich die kapitalistische Gesellschaft selbst, zu erfassen. Insofern war es in keiner Weise ein Programm für die Emanzipation der Frauen. Ihr beschworenes Ziel erweiterter Rechte für alle Frauen würde das kapitalistische System, aus dem sie ihre Klassenprivilegien gewannen, destabilisieren, auch wenn diese Vorteile geringer waren als die ihrer männlichen Gegenspieler. Dieser Widerspruch führte dazu, dass die bürgerliche Frauenbewegung sich an zentralen Punkten spaltete.
So wurden zum Beispiel bei Ausbruch des ersten Weltkrieges einige wenige Frauen, wie Sylvia Pankhurst, für die Seite der ArbeiterInnenklasse gewonnen, während andere, einschließlich Emmilene und Christabel Pankhurst, zeigten, dass ihre Klasseninteressen überwogen und sie zur Unterstützung ihres „Vaterlandes“ brachten, indem sie ihre feministischen Forderungen zugunsten der Fortdauer des imperialistischen Krieges fallen ließen. Sie waren bereit, das Wahlrecht für die Masse der Frauen im Austausch für Almosen seitens der KapitalistInnen zu opfern, die den kleinbürgerlichen und bürgerlichen Frauen politische Rechte auf der Grundlage von Besitz- und Eigentumsgrößen gewährten.
Die Gefahr des bürgerlichen Feminismus für die ArbeiterInnenklasse bestand in seinem Versuch, alle Frauen in seine Reihen beim Kampf um gleiche Rechte einzugliedern. Bei Wahlrechtsgesellschaften bedeutete diese oft, dass Arbeiterinnen als Unterstützerinnen für die Wahlrechtskampagnen für Frauen mit Eigentum benutzt wurden. Diese Verbindung von Arbeiterinnen mit der bürgerlichen Frauenbewegung ist eine Form der Klassenkollaboration, die die Unabhängigkeit der Arbeiterinnen, die für ihre eigenen Rechte kämpften, untergräbt. Sozialistische Frauenbewegungen standen immer in scharfer Opposition zu den Versuchen bürgerlicher Frauen, ihre proletarischen „Schwestern“ für deren eigene Ziele zu gebrauchen.
Zusätzlich zu den Gefahren der Klassenkollaboration wurden Forderungen der bürgerlichen Feministinnen in einigen Fällen dazu benutzt, um die ArbeiterInnenklasse anzugreifen. Insbesondere in den USA wurde die Forderung nach gleichem Wahlrecht für weiße Frauen von den führenden Feministinnen auf der Basis begründet, dass schwarze Männer kein Stimmrecht haben sollten, wenn die weißen Töchter der Bourgeoisie auch über keines verfügten. Ihr Rassismus und die Unterstützung, die viele Führerinnen der Fortdauer der Sklaverei gegeben hatten, machten sie zu klaren Feinden der ArbeiterInnenklasse.
Mehr noch, in historisch entscheidenden Situationen spaltete sich die bürgerliche Frauenbewegung oder ging insgesamt, wie im Fall der deutschen Frauenbewegung, zur Vaterlandsverteidigung über. Schlimmer noch, der bürgerlichen Frauenbewegung war von Anfang an der Charakterzug eigen, dass sie selbst eine feministische Form der Klassenkollaboration darstellte, was führende Frauenrechtlerinnen dazu brachte, zwar das Wahlrecht für Frauen der besitzenden Klassen, aber nicht das allgemeine und gleiche Wahlrecht für alle zu fordern. Dem bourgeoisen Paternalismus einzelner UnternehmerInnen wurde ein feministisches Programm von Sozialreform und Bevormundung der Frauen der ‚armen und ungebildeten‘ Klassen entgegengesetzt. Mit der Erreichung des Frauenwahlrechtes und sonstiger rechtlicher Angleichung der Stellung der Frau in den imperialistischen Ländern verschwand die bürgerliche Frauenbewegung von der politischen Szenerie, wobei der rechteste Flügel in Deutschland im Nationalsozialismus aufging.
23. Die zweite Hauptphase des Feminismus tauchte in den späten 1960er Jahren auf und bildete die Frauenbefreiungsbewegungen in den USA und in Westeuropa, die bis in die 1970er Jahre andauerten. Die Bewegungen traten als Ergebnis der dramatischen Veränderungen der materiellen Bedingungen der Frauen, die seit dem zweiten Weltkrieg stattgefunden hatten, auf. Die Ausweitung der Ausbildung und steigende Berufsmöglichkeiten für Frauen in dem langen Nachkriegsboom brachten eine große Anzahl von Frauen zu höherer Bildung und Angestellten- oder BeamtInnenberufen. Verbesserte Verhütungsmethoden und Abtreibungsmöglichkeiten neben dieser Ausweitung der Berufschancen führten zu gestiegenen Erwartungen vieler dieser Frauen nach gleichen Rechten. Die klare Diskriminierung von Frauen in Ausbildung und Beruf und die soziale Isolation, auf die sie trafen, wenn sie den Beruf aufgaben, um sich um die junge Familie zu kümmern, waren ein Ansporn, um ihre Unterdrückung zu bekämpfen.
Die Kampfbereitschaft der ArbeiterInnenklasse, besonders im Mai ’68, und die Radikalisierung der StudentInnen und Jugendlichen während der Bürgerrechtskampagnen und der Anti-Kriegs-Bewegung in den USA, die Vietnam-Solidaritätskampagnen in den Vereinigten Staaten und in Westeuropa wirkten als Ansporn für die Mobilisierungen der Frauen. Arbeiterinnen griffen ihre eigenen Forderungen für gleichen Lohn und verbesserte Arbeitsbedingungen, gewerkschaftliche Rechte etc. auf, und die Frauen in den radikalen Bewegungen und innerhalb der Organisationen der alten und neuen Linken rebellierten zuerst gegen den Sexismus ihrer männlichen „Genossen“ und griffen später ihre eigenen Forderungen nach Gleichheit und Befreiung auf. Die Frauenbefreiungsbewegung, die in dieser Periode wuchs, war, ungleich der ersten Phase des Feminismus, in politischer Hinsicht ihrem Charakter nach kleinbürgerlich. Dies resultiert aus seiner Massenbasis unter den Frauen der Intelligenz, der oberen Sektionen des Proletariats und der StudentInnen.
Gebrochen widerspiegelte die Zusammensetzung der Bewegungen die politische Tradition und die aktuelle Stärke der ArbeiterInnenbewegung des jeweiligen Landes ebenso, wie die Intensität der Klassenkämpfe Richtung und Inhalte ihrer Entwicklung beeinflusste. In den USA, wo die Frauenbefreiungsbewegung zuerst heranwuchs, gab es ein starkes bürgerliches Element um die „National Organisation of Women“ (NOW), die in Zusammensetzung, Zielen und Methoden den frühen bürgerlichen Feministinnen ähnlich war. In den Teilen Europas, wo es stärker organisierte ArbeiterInnenbewegungen gab, identifizierten sich wichtige Teile der Frauenbefreiungsbewegung mit der Bewegung der ArbeiterInnenklasse.
Den größten Einfluss auf die frühe Frauenbefreiungsbewegung hatten radikale Feministinnen in den USA, wie die „Red Stockings“ (Rotstrümpfe) in New York. Diese Gruppen – in den USA und in Westeuropa – waren radikal und militant und machten auf die Medien und die ArbeiterInnenbewegung, die für eine so lange Zeit die Frage der Frauenunterdrückung ignoriert hatten, einen bedeutenden Eindruck. Zusammen mit dem Druck organisierter Arbeiterinnen für gleichen Lohn, Kinderbetreuung etc. kann es keinen Zweifel geben, dass die frühe Frauenbefreiungsbewegung einen wichtigen Beitrag dazu leistete, die Frage der Frauenbefreiung aufs Tapet zu bringen. Gerade angesichts des vorherrschenden Sexismus in der ArbeiterInnenbewegung bedeutete die Organisierung und Mobilisierung der Frauen einen begrenzten Fortschritt. Jedoch so, wie sie auf einer falschen Ideologie, dem Feminismus, basierten, waren sie unfähig, grundsätzliche Veränderungen in der Gesellschaft zu erzielen.
Da die Fähigkeit der UnternehmerInnen, den Frauen begrenzte Reformen zuzugestehen, von den Wirtschaftsgewinnen abhing, zwang das Ende des Nachkriegsbooms und der Beginn der Rezession die fortschrittlichsten Teile der Frauenbewegung zu der Erkenntnis, dass sie nicht einfach Vorurteile bekämpfen müssten, sondern das gesamte Wesen der kapitalistischen Gesellschaft. Versuche, eine Theorie und ein Programm zu entwickeln, um mit derartig grundlegenden Fragen fertig zu werden, führten zu größeren Brüchen und Spaltungen innerhalb der Bewegung.
Der Feminismus in dem 1980er Jahren hat seine Ursprünge in diesen frühen Spaltungen, vor allem von radikalem und sozialistischem Feminismus, aber zunehmend tauchte auch eine Tendenz des liberalen Feminismus auf.
24. Der Radikalfeminismus tauchte als eine eigene und einflussreiche Kraft auf, als die Frauenbefreiungsbewegung selbst an die Grenzen ihres eigenen Programms und ihrer Organisation stieß. Er fußte auf den Versuchen einer theoretischen Definition der Frauen als eine eigene unterdrückte und ausgebeutete Kaste oder Klasse, die sich getrennt in Opposition zu ihrem Klassenfeind – den Männern – organisieren sollte. Dies ist eine bewusst antimarxistische Herangehensweise, die männliche Arbeiter als Feinde und bürgerliche Frauen als Verbündete im Kampf für die Frauenbefreiung identifiziert. Es gibt verschiedene theoretische Stränge des Radikalfeminismus, sie sind jedoch durch ein Konzept des Patriarchats als das zugrundeliegende System der Unterdrückung, noch grundlegender als die Klassenbeziehungen, vereint.
Die Männermacht steht im Ursprung der Frauenunterdrückung, und sie wird gegen die Frauen durch den Staat, die Familie und durch individuelle Beziehungen zwischen Männern und Frauen ausgeübt. Die Gewalt der Männer gegen Frauen ist die Methode, mittels der die Männer die Frauen unterdrückt halten und daher eine zentrale Angelegenheit, was die Gruppen dazu gebracht hat, sich auf Kampagnen gegen Vergewaltigung und Gewalttätigkeit auszurichten. In den 1980er Jahren wurde diese Konzentration auf individuelle Männergewalt durch eine Ausdehnung auf militärische Ziele aufgehoben. Atomwaffen werden als die extremsten Beispiele der Männermacht angesehen; radikale Feministinnen haben Friedenslager errichtet usw.
Der Radikalfeminismus ist im wesentlichen eine kleinbürgerliche Ideologie, die zu bestimmten Fragen zutiefst reaktionäre Positionen einnimmt. Zuerst behauptet er, dass die Männer Feinde seien, und argumentiert daher gegen jegliche ArbeiterInneneinheit gegenüber den UnternehmerInnen. Dies führt zum Ausschluss der Männer von allen Veranstaltungen der Frauenbefreiungsbewegung und bei einigen Gruppen zum Ausschluss der heterosexuellen Frauen, die der Zusammenarbeit mit dem Feind bezichtigt werden. In einigen Gruppen führte dies zur Weigerung, z.B. männliche Kinder in ihren Kindergärten zuzulassen.
Zweitens führte ihre Konzentration auf Männermacht, Gewalt und Sexualität sie dazu, sich auf die Seite rechter pressure-groups bei Kampagnen gegen Pornographie, Sexshops etc. zu schlagen. Sie wurden Teil einer repressiven Lobby, die den Staat ermutigt, Filme und Bücher zu verbieten und Leute, mit deren Sexualität sie nicht übereinstimmen, zu schikanieren. Es erübrigt sich zu sagen, dass lesbische und schwule Publikationen sich als eines der Hauptziele der Antipornographie- Gesetzgebung in Großbritannien und in den USA erweisen sollten. Drittens argumentieren sie, dass den Frauen für die Hausarbeit Löhne bezahlt werden sollten, da sie die Familie als den Platz ansehen, wo die Männer die Frauenarbeit ausbeuten. Dies ist eine rückständige Losung, die nicht zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Frauen durch ihre Einbeziehung in die gesellschaftliche Produktion führt, sondern zu einer Bekräftigung des Zuhauses als besonderem Bereich der Frauen.
25. Der sozialistische Feminismus tauchte als spezifische Strömung innerhalb der westlichen Frauenbewegung während der 1970er Jahre als Antwort auf den Radikalfeminismus auf. Er war in den USA eine kleine Tendenz, wobei er die Schwäche der organisierten ArbeiterInnenbewegung widerspiegelte, jedoch einflussreicher in Britannien, Italien, Holland und Frankreich. Viele Frauen in der Frauenbefreiungsbewegung waren vom Aufschwung der Aktivität unter den Arbeiterinnen in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren beeinflusst und hatten daran teilgenommen. Dies traf besonders auf Großbritannien zu. Frauen insbesondere aus linken Gruppen traten der Frauenbefreiungsbewegung entweder als Individuen oder als organisierte Tendenzen bei.
Sie fanden sich der radikalen Opposition gegen jegliche Orientierung auf die ‚männlich beherrschte‘ ArbeiterInnenbewegung gegenüber und waren unfähig, die radikalfeministischen Anschuldigungen, dass der Marxismus die Unterdrückung der Frauen nicht erklären könne und dass die existierenden linken Organisationen von Sozialdemokratie und Stalinismus bis zum Zentrismus bezüglich der Frauenfrage eine erschütternde Vergangenheit aufwiesen, zu beantworten. Tatsächlich war es nicht überraschend, dass die Geschichte der Linken so schlimm war. Die revolutionär-kommunistische Position zur Frauenfrage und zur Arbeit unter den Frauen war von den marxistischen KlassikerInnen und der gesunden Komintern bis 1923 erst in entscheidenden Ansätzen entwickelt worden. Aber der Aufstieg des Stalinismus und die Vorherrschaft des Stalinismus und der Sozialdemokratie seit Mitte der 1920er Jahre über die ArbeiterInnenbewegung garantierten, dass diese Position begraben wurde.
Nach dem Krieg waren die Gruppen, die sich als trotzkistisch bezeichneten, nicht erfolgreich gewesen, das theoretische Verständnis und ein Programm für die Frauenfrage wiederzuerstellen, ganz zu schweigen davon, es für die Nachkriegsperiode zu verfeinern und zu entwickeln. Die Tradition des „Internationalen Komitees der Vierten Internationale“ – und in Großbritannien die Cliffsche Tradition – hatten anfänglich eine rein ökonomistische Antwort auf das durch den Aufstieg der Frauenbefreiungsbewegung für RevolutionärInnen gestellte Problem. Sie spielten die Frauenfrage alle zusammen herunter, indem sie die Angelegenheit der Frauen in ausschließlich gewerkschaftlichen Begriffen darstellten. Die Frauenbefreiungsbewegung, nachdem sie als kleinbürgerlich charakterisiert worden war (eine korrekte Klasseneinschätzung, aber schwerlich das letzte Wort zum Thema, insbesondere nachdem alle anderen kleinbürgerlichen Bewegungen, besonders die nationalistischen, von den gleichen Gruppen in den Himmel gehoben wurden), wurde einfach abgetan. Der sozialistische Feminismus tauchte in diesem Klima auf. Das Ergebnis war, dass bestimmte Teile der zentristische Linken, insbesondere das „Vereinigte Sekretariat der Vierten Internationale“, das eine andere neue Avantgarde im Werden witterte, bewusst ihre Politik an die sozialistisch-feministische Bewegung anzupassen begannen.
Die sozialistischen Feministinnen haben eine Reihe von theoretischen Positionen entwickelt, die ein marxistisches Verständnis von Geschichte und Klasse mit dem, was sie als ein feministisches Verständnis der Frauenunterdrückung ansehen, zu verbinden versucht. Diese Theorien scheiterten aus einer Vielzahl von Gründen. Zuerst einmal stimmen sie alle darin überein, dass Marx‘ politische Ökonomie „geschlechtsblind“ sei und das wirtschaftliche Verhältnis der Frauen zu Produktion und Reproduktion nicht erklären könne. Die Tatsache, dass Marx dieses Verhältnis in seinen Schriften niemals explizit erforschte, bedeutet nicht, dass seine Kategorien und Methoden in dieser Angelegenheit nutzlos wären.
Marx‘ historischer Materialismus gibt uns die Werkzeuge, wie er es auch für Engels getan hatte, um die Frauenunterdrückung im Zusammenhang des Klassenkampfes zu verstehen, indem er die gesellschaftlichen Verhältnisse, innerhalb derer Frauen hinsichtlich ihrer Beziehung zur Produktionsweise unterdrückt sind, erklärt.
Sozialistisch-feministische Theorien haben versucht, auf Marx andere Kategorien, wie die von „Reproduktionsweisen“, die relativ autonom von der Produktionsweise seien, aufzupfropfen. Diese Theorien, die sich stark in ihrer Verfeinerung und ihrem Verständnis von Marx unterscheiden, führen alle zum Schluss, dass es irgendetwas Besonderes an der Dynamik der Frauenunterdrückung gäbe; eine Dynamik, die tiefer liege als die fundamentalen Klassengegensätze, die Marx darstellte. Und gerade diese Schlussfolgerung ist falsch. Sie führt die sozialistischen Feministinnen dazu, ihre Praxis, die die „Frauenfrage“ auf eine besondere Sphäre absondert, theoretisch zu rechtfertigen.
Zweitens, und damit verwandt, teilen die meisten sozialistischen Feministinnen mit dem Radikalfeminismus den Begriff des Patriarchats-Strukturen und Ideen, die unabhängig von der einzelnen Klassengesellschaft die männliche Vorherrschaft reproduzieren – als irgendetwas von den Beziehungen der herrschenden Klasse und ihrem Staat Getrenntes. Im Zentrum davon steht die Idee, dass die Familie die gesellschaftliche Einheit sei, in der die Frauen direkt von ihren Vätern, Ehemännern oder anderen männlichen Verwandten unterdrückt würden, mit der Implikation, dass diese über die Frauen eine Klassenüberlegenheit genießen würden. Dies ist grundsätzlich falsch. Wie der Radikalfeminismus endet es damit, die Männer, gleich welcher Klasse, als Feinde anzugreifen. Wir argumentieren, dass die Familie ein für den Kapitalismus notwendiges Verhältnis ist und dass es nur die KapitalistInnen sind, die von der Aufrechterhaltung der Familien substantiellen Nutzen ziehen. Aus diesem Grund weisen wir die Idee zurück, dass das „Patriarchat“ als ein gesellschaftliches Verhältnis innerhalb jeder Familie existiere und der tiefste Grund der Frauenunterdrückung sei. Wir weisen jedoch den Begriff des Patriarchats nicht gänzlich zurück.
Die Familienstruktur mit einem männlichen Oberhaupt, das Frauen und Kinder beherrscht, ist patriarchalisch und verleiht den Männern innerhalb der Familie und der Gesellschaft Prestige. In früheren Klassengesellschaften gründete sich die Familienstruktur auf ein tatsächliches wirtschaftliches Verhältnis, wo die männlichen Familienoberhäupter das Arbeitsprodukt der Frauen und Kinder kontrollierten. Für die Massen der Leibeigenen, der Bauern/Bäuerinnen ergab diese Kontrolle für die Männer keine besonders großen Vorteile, da jegliches Mehrprodukt von den herrschenden Adeligen und GrundbesitzerInnen angeeignet wurde. Aber innerhalb der Familie verlieh es den Männern die Macht, die Arbeit der Frauen und Kinder zu regeln – und damit die gesellschaftliche Vorherrschaft.
Viele sozialistisch-feministische Theorien schaffen es nicht, die ArbeiterInnenfamilie im Kapitalismus zu verstehen, da sie nicht die Umwandlung der Rolle dieser Familie gesehen haben. Ihr Begriff des Patriarchats innerhalb der Familie ist unhistorisch, da sie dieses als konstante Struktur der Unterdrückung neben der historischen Entwicklung der Klassengesellschaften betrachten und die sich verändernde soziale Funktion von Familie und männlicher Vorherrschaft in der ArbeiterInnenklasse ignorieren.
Der sozialistische Feminismus stellt damit keinen qualitativen Bruch mit den Irrtümern des Radikalfeminismus dar und behält das utopische und letztlich reformistische Programm bei. Da der sozialistische Feminismus die radikalfeministische Vorstellung einer besonderen Dynamik, die der Frage der Frauenunterdrückung anhaftet, teilt, wird auch das Gebiet, worauf er seine Forderungen und Kämpfe konzentriert, ebenso geteilt. Er war zu Fragen in Verbindung mit Männergewalt, Sexualität und Fruchtbarkeit am aktivsten. Innerhalb der ArbeiterInnenbewegung haben die sozialistischen Feministinnen Themen des Sexismus aufgeworfen, Aktionsprogramme für Frauen in den Gewerkschaften und am Arbeitsplatz entwickelt und Kampagnen, dass die Männer mehr Verantwortung für die Hausarbeit und Kinderbetreuung übernehmen sollten, geführt.
Obwohl all dies Fragen sind, die auch RevolutionärInnen ernsthaft aufgreifen müssen, umgehen die sozialistischen Feministinnen doch das grundlegende Problem, dem sich Frauen gegenübersehen: den Kapitalismus. Sie weisen ebenso die Idee zurück, dass die Arbeiterinnen in der Avantgarde eines Kampfes für Frauenbefreiung sein müssten, indem sie es vorziehen, ihr Bündnis mit den Radikalfeministinnen und kleinbürgerlichen oder bürgerlichen Verbündeten in einer klassenübergreifenden Frauenbewegung zu bewahren. Die sozialistischen Feministinnen haben argumentiert, dass männliche Arbeiter kein natürlicher Verbündeter der Arbeiterinnen wären, dass sie – obwohl sie die Frauen unterdrücken – der größere Teil einer Klasse seien, die das Potential zur Schaffung der ökonomischen Vorbedingungen für die Frauenbefreiung, d.h. für den Sozialismus, besitze. Sie argumentieren daher, dass die Arbeiter zeitweilige Verbündete bei einigen Kämpfen seien, dass sie aber letztlich zu einer Kraft würden, gegen die sich die Frauen organisieren müssten.
Das „Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale“, an vorderster Front im Kampf, eher den Feminismus in die sozialistische Bewegung zu bringen als eine revolutionäre Politik in die Frauenbewegung, argumentierte in den 1970er Jahren, dass die Frauen ein natürlicher Verbündeter der ArbeiterInnenklasse wären. Damit meinten sie ALLE Frauen. Dies ist ein unkorrekter und irreführender Begriff, der von dem Problem klar widersprüchlicher Klasseninteressen zwischen bürgerlichen und proletarischen Frauen ablenkt. Es sind die Arbeiter, nicht feindliche, bürgerliche „Schwestern“, die die ’natürlichen‘ Verbündeten der Arbeiterinnen sind, und zwar in dem Sinn, dass sie ein objektives Interesse teilen und dies subjektiv wahrnehmen können im Verlauf des Kampfes.
26. Ebenso wie die bürgerliche Revolution und der Beginn des Industriekapitalismus die Frauen in der westlichen Welt zu Kampagnen für die weibliche Emanzipation trieb, so trieb die Auswirkung des Imperialismus in Asien, Afrika und Lateinamerika und das Wachstum der nationalistischen Bewegungen in diesen Kontinenten die Frauen in eine Schlacht gegen Reaktion, Obskurantismus und gesellschaftliche Unterdrückung.
Modernisierung – Industrialisierung und die Entwicklung von Infrastruktur und Landwirtschaft – wurde ein zentraler Angelpunkt der Programme verschiedener bürgerlich-nationalistischer Bewegungen und vieler nationaler Bourgeoisien in den Halbkolonien. Die Ausweitung von Erziehung, bürgerlich-demokratischen Rechten und als Teil davon mehr Rechte für Frauen waren ein notwendiger Teil des bürgerlich- nationalistischen Programms für Modernisierung. Wenn die neuen herrschenden Klassen ihre eigene nächste Generation erziehen sollten, benötigten sie gebildete Frauen und Familien, die auf der westlichen Monogamie basierten. Es war auch der Fall, dass religiöse und kulturelle Traditionen den Fortschritt auf dem Land zurückhalten konnten und die Freisetzung weiblicher Arbeitskraft dort, wo die entwickelten Industrien sie benötigten, verhinderten.
Fortschrittliche Frauenorganisationen in so verschiedenen Ländern wie Ägypten, Korea und Südafrika wuchsen als Teil der modernen nationalistischen Bewegungen. Einige nationalistische Regierungen, wie die von Atatürk in der Türkei oder Sun Yat Sen in China, standen an der Spitze eines Zuges gegen besonders empörende Unterwerfung der Frauen, die ein Wesenszug im Leben z.B. des Osmanischen Reiches gewesen war. Frühe feministische Bewegungen in den Kolonien und Halbkolonien fanden daher vergleichsweise mehr Unterstützung von Teilen der nationalistischen Bourgeoisie, als ihre Schwestern im Westen von den herrschenden imperialistischen Klassen gefunden hatten.
Aber diese Unterstützung hatte festgelegte Grenzen. Zuerst einmal gab es Zeiten und Orte, wo der Nationalismus Hand in Hand mit einer tiefen Reaktion bezüglich der Frauenfrage einherging. (Der Islamische Fundamentalismus im Iran und anderen Teilen der Nahen/Mittleren Ostens ist das jüngste Beispiel, aber die NationalistInnen in den 1920er Jahren waren gleichfalls fähig, die Frauenrechte anzugreifen, so wie sie jede Errungenschaft, die von den Massen im antiimperialistischen Kampf gemacht wurde, angriffen.) Zweitens genügte für die neuen herrschenden Klassen der Halbkolonien eine begrenzte Emanzipation und die Einrichtung der Monogamie nach westlichem Stil für ihre Zwecke. Eine freie und unabhängige Frauenschaft würde eine Drohung für die etablierte Ordnung, der sie jetzt vorstanden, und für die Institution der Familie gewesen sein. In diesen Fällen starben die feministischen Bewegungen entweder nach Erlangung der Unabhängigkeit ab oder behaupteten eine kümmerliche Existenz, bis eine neue Generation von Frauen fähig war, die ungelösten Fragen aufzugreifen.
Der bürgerliche Feminismus in den Kolonien und Halbkolonien hat den westlichen Feminismus größtenteils darin widergespiegelt, dass er den Bedürfnissen der großen Massen der Frauen der ArbeiterInnenklasse, der städtischen Armen oder der Bauernschaft wenig Aufmerksamkeit schenkte. Wo ihnen Aufmerksamkeit zuteil wurde, wurden ihre unabhängigen Interessen in das allgemeine bürgerliche Reformprogramm eingebunden. Die Komintern in den frühen 1920er Jahren unternahm einen entschlossenen Versuch, durch den Aufbau der kommunistischen Fraueninternationale die ArbeiterInnenklasse und die kommunistische Führung mit den fortschrittlichen Frauenorganisationen des Ostens zusammenzubringen und Arbeiterinnen und Bäuerinnen unabhängig von der Bourgeoisie zu mobilisieren. Mit der Degeneration der Komintern ab Mitte der 1920er Jahre jedoch hörten diese Anstrengungen auf, und viele der Errungenschaften gingen verloren.
Nichtsdestotrotz führten die spezifischen Interessen der Arbeiterinnen und Bäuerinnen und ihre Erkenntnis, dass die imperialistische Herrschaft ihnen immer größere Lasten aufbürdete, zur Teilnahme einer wesentlichen Anzahl dieser Frauen in antiimperialistischen Bewegungen, die sich während und nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten – einschließlich des bewaffneten Kampfes, so z.B. in China, Vietnam und Zimbabwe. Gleichzeitig griffen diese Frauen ihre traditionell untergeordneten Rollen an oder versuchten, ihre Unabhängigkeit zu bewahren oder auszuweiten, sobald das Kapital die bäuerliche Familie entwurzelte und immer schwerere Lasten auf ihre Schultern legte. Die Ausbreitung von sozialistischen und antiimperialistischen Ideen innerhalb dieser antiimperialistischen Bewegungen ermutigte die Forderung nach Gleichheit und nach der Organisation der Frauen, aber die Hegemonie des Stalinismus und das Programm des kleinbürgerlichen Nationalismus haben dazu geführt, dass diese Bewegungen entweder den neuen herrschenden Bürokratien oder den neuen bürgerlichen Regierungen wie in Zimbabwe verbunden bleiben.
Heute existieren Frauenorganisationen mit kulturellem, politischem und/ oder sozialem Charakter in jedem Land der Erde. Frauen spielen eine entscheidende Rolle im Leben und in der Führung der ArbeiterInnenklasse in den Barrios, Slums und auf den Arbeitsplätzen der imperialisierten Welt. Der westliche Feminismus wird oft mit Argwohn betrachtet. Seine Beschäftigung mit der Lebensweise scheint Lichtjahre entfernt vom täglichen Existenzkampf, dem sich die Mehrheit der Frauen der Welt gegenübersieht. Aber dies bedeutet nicht, dass der Feminismus nicht vorhanden oder nicht einflussreich wäre. Arbeiterinnen und Bäuerinnen nehmen nicht nur den Kampf gegen Armut und Ausbeutung auf, sondern auch die Schlacht gegen den Machismus, die Witwenverbrennung, die Aneignung von Land, das Frauen gehörte, gegen sexuelle Brutalität. Wo der Feminismus mit seiner Theorie eines gesonderten oder parallelen Kampfes gegen das Patriarchat und mit seiner Strategie einer Frauenbewegung mehrerer Klassen die Antwort auf diese Probleme scheinbar bereithält, wird er so lange weiterhin wachsen, bis eine kommunistische Führung eine Alternative zu ihm bereitstellt.
27. Gegen Ende der 1970er Jahre und in den ganzen 1980ern bewegte sich der Feminismus zunehmend auf Defensivkämpfe zu. Im Gefolge der Niederlagen der ArbeiterInnenbewegung in Westeuropa und in den USA wandten sie sich von pseudorevolutionären Strategien – ob nun sozialistische oder radikalfeministische – ab und reformistischen zu. Unter den Radikalfeministinnen wurden die Antipornographie-Kampagnen zentral und auf langwierige und ausgefeilte Kämpfe vor Gericht ausgerichtet. Unter den sozialistischen Feministinnen gab es einen größeren Schwenk in Richtung sozialdemokratische Parteien und in den USA sogar in gewissem Umfang zu der offen bürgerlichen Demokratischen Partei.
Frauenabteilungen wurden zum integralen Bestandteil der verschiedenen lokalen und nationalen Regierungsapparate der Sozialdemokratie. Kader aus der Frauenbefreiungsbewegung wurden zu gut bekannten, führenden Aktivistinnen innerhalb der reformistischen Parteien. Die radikalen Forderungen nach ‚Befreiung‘ wurden zum Schweigen gebracht, als die Aktivistinnen der Frauenbewegung ihre Universitätsdiplome dazu hernahmen, um in ‚Frauenstudien‘, Abteilungen, ‚Gleichheitsämtern‘ der Regierung und in feministischen Verlagen zu arbeiten. Das Wachstum derartiger politischer Areale zeigte, dass der Staat gezwungen worden war, die Angelegenheiten der Frauenrechte in größerem Umfang als jemals zuvor aufzugreifen. In allen imperialistischen Ländern begannen staatliche Agenturen, Erziehungsabteilungen und die meisten der großen bürgerlichen Parteien offen die Thematik verbesserter Möglichkeiten für Frauen anzusprechen.
Diese Entwicklung ist zweifelsohne zum Teil der Tätigkeit der Frauen aus der Frauenbefreiungsbewegung und aus anderen Organisationen, wie den Gewerkschaften, als Lobby zuzuschreiben, aber es wäre falsch, das gesamte Verdienst der feministischen Bewegung zuzusprechen. In der Realität reflektieren diese Entwicklungen die tatsächlich sich verändernde Rolle der Frauen in der Gesellschaft, mit einer steigenden Anzahl von arbeitenden Frauen und mit besserer Kontrolle über ihre Fruchtbarkeit, was den Frauen gestattet, eine zentralere Rolle auf allen Ebenen der Gesellschaft zu spielen, obwohl sie ihre familiäre Rolle weiterhin beibehalten. Die Ausweitung staatlicher Versorgung in Gesundheitswesen, Sozialhilfe etc. bezog die Frauen in die Arbeit ein und gab ihnen auch größere Möglichkeiten der Teilnahme an Ausbildung, Politik und anderen gesellschaftlichen Aktivitäten.
Obwohl die Frauenbewegung zweifelsohne die Art und Weise, auf die die Frauen in die staatliche Verwaltung und ins politische Leben einbezogen wurden, beeinflusste, gab es die Tendenz dazu auch dort, wo es nur eine kleine oder unorganisierte feministische Bewegung in den 1970er und 1980er Jahren gegeben hatte. In Schweden z.B. gab es eine kleine Frauenbefreiungsbewegung, obwohl reformistische Frauengruppen seit der ersten Welle des Feminismus existierten. Dennoch ist es Schweden, wo die Frauen die größte Einbeziehung ins öffentliche Leben der kapitalistischen Länder aufweisen – 28% der Parlamentsmitglieder sind Frauen, verglichen mit 3,5% in Großbritannien, 5,9% in Frankreich und 7,9% in Italien (im Jahre 1983), alles Länder, die viel größere Frauenbefreiungsbewegungen besaßen.
Die Ausweitung der Einbindung der Frauen in den Staat und in andere Schauplätze hat viele Feministinnen (insbesondere aus dem sozialistisch- feministischen Lager) in die Politik gezogen; weg von ihrem bewusstseinserweiternden, alternativen Lebensstil der 1970er Jahre. Dies schloss eine bedeutende Zunahme an bürokratischen Posten für Frauen in den Gewerkschaften, die viele sozialistischen Feministinnen angezogen hatten, ein. Gleichfalls wurden die Frauen in die staatliche Verwaltung auf lokaler Ebene einbezogen. Hier stellten sich die chronischen Beschränkungen der Feministinnen und ihrer utopischen Strategien am klarsten dar: Keine der Frauenabteilungen, der Gleichberechtigungsprogramme oder der Frauenstudienkurse hat die Position der Arbeiterinnen bedeutend verändert. Fürsorgeagenturen wie Frauenhäuser und Antivergewaltigungszentren haben für einige Frauen eine zeitweilige Erholung von den Auswüchsen der Brutalität gewährt, aber die in diese Bereiche gepumpten Ressourcen werden das zugrundeliegende Problem nie lösen.
Sobald Feministinnen in die staatliche Verwaltung einbezogen werden, können sie bestenfalls mithelfen, die schlimmsten Fälle der Frauenunterdrückung zu lindern, aber in dem Maß, in dem die Krise des Kapitalismus sich verstärkt, sind sogar diese kleinen Errungenschaften bedroht. Schlimmstenfalls – und meistens – werden Feministinnen in Regierungsposten Verteidigerinnen der bürgerlichen Politik, wenn auch mit einer ‚frauenfreundlichen‘ Fassade. Eine ‚feministische‘ Einkommenspolitik (Nehmt von den männlichen Arbeitern, um die weiblichen zu bezahlen!), „Zuerst Männer raus!“-Lösungen gegen Arbeitslosigkeit – dies zeigt das Grundproblem des Feminismus insgesamt auf: Ein Programm, das – da es darin versagt, die Frage des Kapitalismus anzusprechen – dabei scheitert, eine Strategie der Einheit der ArbeiterInnenklasse angesichts der UnternehmerInnenoffensive aufzustellen, endet damit, eine liberale Tarnung für eine bürgerliche Politik zu sein.
Die gegenwärtige Periode der kapitalistischen Krise macht die Aufgabe des Aufbaus einer revolutionären Partei, die imstande ist, die ArbeiterInnenklasse, Männer und Frauen, an die Macht zu führen, zu einer dringlichen Notwendigkeit. Die Frauen von den falschen Ideen des Feminismus wegzubringen, ist ein wesentlicher Teil des Aufbaus dieser Partei.
28. Es gibt eine Tradition der Organisation der Frauen, die nicht zur feministischen Bewegung gehört. Arbeiterinnen haben sich im Verlauf vieler Kämpfe während der letzten 100 Jahre organisiert, und die sozialistische Bewegung spielte eine zentrale Rolle bei den wichtigsten dieser Bewegung, die unabhängig von den bürgerlichen Frauenbewegungen und allgemein in Opposition zu ihnen arbeiteten.
Vor dem ersten Weltkrieg organisierte die zweite Internationale und ihre inoffiziell führende Partei, die SPD, Arbeiterinnen in einer ausdrücklich sozialistischen Frauenbewegung. Diese wurde von linken Mitgliedern der SPD einschließlich Klara Zetkins geführt, die eine zentrale Rolle sowohl in der deutschen Frauenbewegung wie in der internationalen sozialistischen Frauenorganisation spielte. Ursprünglich war es den Frauen aufgrund der repressiven Gesetze Ende des 19. Jahrhunderts und des frühen 20. Jahrhunderts nicht gestattet, Mitglieder der SPD zu sein. Dies brachte Zetkin dazu, ein Netzwerk von Frauen durch halblegale Parallelstrukturen zu denen der SPD zu organisieren.
Obwohl eine derartige erzwungene Trennung es den Frauen schwer machte, eine volle und aktive Rolle in der Partei zu spielen, gestattete diese es ihnen, für ihre eigenen Forderungen zu kämpfen und sich selbst auf eine Weise zu organisieren, die es neuen Frauen erleichterte, in die Politik einbezogen zu werden. Sobald die Gesetze in Deutschland gelockert worden waren und Frauen Mitglieder politischer Parteien sein konnten, gab es keinen Grund mehr für eine Frauenorganisation, die bloß als Ersatz für die Parteimitgliedschaft sozialistischer Frauen diente. Dennoch kämpfte Zetkin erfolgreich dafür, die Frauenbewegung zu erhalten und auszuweiten, da sie und andere ParteiführerInnen, Männer und Frauen, mit der Zeit die Notwendigkeit spezieller Formen von Agitation und Propaganda, die an Frauen gerichtet sind, erkannt hatten.
Dies bedeutete nicht, dass Zetkin eine politisch und organisatorisch von der Partei getrennte sozialistische Frauenbewegung gegründet hätte. Vielmehr kämpfte sie für eine besondere, von Parteimitgliedern geführte Organisation, die die Frauen aus Rückständigkeit, Passivität und niedrigem kulturellen Niveau, was ihnen durch die andauernde Unterdrückung aufgezwungen wurde und durch die kapitalistische Ausbeutung erhalten blieb, herausziehen sollte.
Zetkin lernte im Kampf auch, dass nicht nur Frauen ‚rückständig‘ waren. Da die Frauenbewegung und ihre wichtigsten Führerinnen auf der linken, revolutionären Seite der SPD standen, als die Partei in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg immer mehr von Partei- und GewerkschaftsbürokratInnen dominiert wurde, versuchte die immer reformistischer werdende Führung, die Frauenbewegung ihrer Kontrolle zu unterwerfen, gleichzeitig ihren Radikalismus zu verwässern, indem sie sie in eine soziale Massenorganisation für die Ehefrauen der männlichen Parteimitglieder verwandelte, und ihren politischen Charakter und ihre Orientierung auf die Kämpfe von Arbeiterinnen zu unterwandern. Zetkin und andere Frauen, die sich um die Zeitung ‚Die Gleichheit‘ gruppierten, setzten ihren revolutionären Kampf gegen den rechten Flügel der ArbeiterInnenbewegung und dessen Gleichgültigkeit gegenüber der vollständigen Emanzipation der Frauen fort.
Das hieß nicht, dass Zetkin für eine von den männlichen Parteimitgliedern getrennte sozialistische Frauenorganisation war. Sie argumentierte immer dafür, dass die Frauen vollständige Mitglieder der sozialistischen – und später der kommunistischen – Parteien sein sollten.
Aber die spezielle Unterdrückung und Ausbeutung, der die Frauen unterworfen waren und die oft politische Rückständigkeit und Analphabetismus bewirkten sowie die Diskriminierung und Geringschätzung, die sie auch innerhalb der SPD gegenüber ihren Forderungen erfuhren, machten eigene Arbeitsmethoden, eine eigene Presse, getrennte Treffen usw. erforderlich. Bei wichtigen Fragen, wie z.B. dem Wahlrecht in Österreich und Deutschland, waren die rechten sozialdemokratischen Parteiführungen bereit, die Forderungen der Frauen zugunsten eines Kompromisses mit den Herrschenden zu opfern. Darin drückte sich der wachsende bürokratische Reformismus ebenso aus wie historisch bedingte Mängel in der Analyse der Frauenunterdrückung und des revolutionären Frauenprogramms. Obwohl auch Zetkin von diesen Mängeln nicht frei war, war es doch sie, die gegen die Aufgabe der Forderung nach dem Frauenwahlrecht kämpfte.
Die Tradition der deutschen sozialistischen Frauenbewegung – immer in scharfer Opposition zu den bürgerlichen Feministinnen – ist eine wertvolle Lehre für uns. Versuche des Aufbaus solcher Bewegungen in anderen Ländern waren weniger erfolgreich, aber auch wichtig – so zum Beispiel die gemeinsamen Versuche von bolschewistischen und menschewistischen Frauen, wie z.B. Alexandra Kollontai, eine Bewegung der Arbeiterinnen in Russland in der Periode 1905-07 aufzubauen. Diese Versuche wurden vom internationalen Frauenbüro ermutigt. Dieses wurde von linken Sozialdemokratinnen wie Zetkin geführt und spielte bei Ausbruch des ersten Weltkrieges eine wichtige Rolle in der Sammlung einer internationalen Opposition gegenüber dem chauvinistischen Verrat der zweiten Internationale.
29. Nach dem Verrat an der ArbeiterInnenklasse durch die zweite Internationale 1914 begann der Kampf um die Gründung dessen, was die Kommunistische Internationale werden sollte. Die Verteidigung einer revolutionären Position hinsichtlich der Frauen war nicht weniger wichtig als die vielen anderen von den Bolschewiki und linken SozialdemokratInnen aufgegriffenen Themen. Die Revolution 1917 in Russland schloss breite Mobilisierungen von Arbeiterinnen ein: So begann die Februarrevolution überhaupt erst mit Streiks und Massendemonstrationen der Arbeiterinnen in Petrograd am internationalen Frauentag.
Die Bolschewiki hatten in dieser Periode unter den Frauen Arbeit geleistet, aber erst zwischen Februar und Oktober versuchten sie wirklich, eine Massenbewegung der Arbeiterinnen aufzubauen. Nach z.T. heftigen innerparteilichen Diskussionen gründeten sie ein bolschewistisches Frauenbüro, um diese Arbeit anzuleiten. Nach der Revolution wurde es in den „Zhenotdel“ (Frauenabteilung) umgewandelt. Die Frauenbewegung, die die Bolschewiki aufbauten, war kommunistisch geführt, richtete aber ihre Bemühungen darauf, Frauen außerhalb der Partei zu gemeinsamen Aktivitäten mit ihnen einzubeziehen. Das schloss spezielle Konferenzen für Arbeiterinnen, spezielle Vertretungen von Fabrikarbeiterinnen und Bäuerinnen bei lokalen Komitees und staatlichen Organisationen ein.
Diese Bewegung war nicht ‚gesondert‘ in dem Sinne, autonom zu sein (sie wurde von bolschewistischen Frauen geführt), obwohl sie es den Arbeiterinnen ermöglichte, an Konferenzen teilzunehmen, Resolutionen zu verabschieden etc., die an die Sowjetregierung geschickt wurden. Ebenso wenig war es ein Versuch, die Frauen auf ein anderes Kampfgebiet zu führen. Sie hatte zwei Hauptziele, über die sich Kollontai, Lenin und andere führende Bolschewiki klar waren. Sie sollte zuerst einmal die Frauen an die Partei heranziehen und an die Aufgaben des Aufbaus des Sozialismus durch ihre eigenen direkte Beteiligung an der Arbeit bei den Sowjets und im Staat gewöhnen.
Spezielle Formen der Arbeit, Organisation und Propaganda waren notwendig, um dies zu erreichen, da die Frauen rückständig, in der Familie isoliert waren und sich oft mit anderen Frauen vereinigen mussten, um die sexistische Reaktion der Männer um sie herum, denen es lieber gewesen wäre, wenn ihre Frauen und Töchter die Politik ihnen überlassen hätten, zu überwinden. Zweitens war die Frauenbewegung notwendig, um die Interessen der Frauen auszudrücken, um sicherzustellen, dass sie von der Sowjetführung aufgegriffen würden. Keiner dieser Gründe führte zur Notwendigkeit einer gesonderten Organisation, da sie immer durchgängig in die Partei, die Gewerkschaften und in die Sowjets integriert waren. Wie Lenin argumentierte: „Dies ist kein bürgerlicher ‚Feminismus‘, es ist eine praktische revolutionäre Zweckmäßigkeit.“
Der Übergang zur NEP 1921, den Lenin als notwendigen Rückschritt des jungen ArbeiterInnenstaates erkannte, bedeutete für die Frauen einen ersten schweren Rückschlag. Sie verloren als erste ihre Arbeit, und die Vergesellschaftung der Hausarbeit wurde aufgeschoben. Dies war einerseits das Resultat der objektiven ökonomischen Rückständigkeit Russlands, andererseits erleichterten Mängel in der Programmatik und v.a. in der Massenagitation der Bolschewiki in Bezug auf die Frauenemanzipation (z.B. Unterschätzung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, fehlende Kritik der sexuellen Unterdrückung u.ä.) das Zurückdrängen der Frauen in den Haushalt.
Der dritte Kongress der Kommunistischen Internationale 1921 nahm Thesen zu „Methoden und Formen der Arbeit unter Frauen der kommunistischen Partei“ an. Sie betonten die zentralen Positionen, wie die nationalen Sektionen Abteilungen für Arbeit unter Frauen organisieren und aufbauen sollten. Dies schloss alle zentralen Taktiken ein, die die Bolschewiki und die deutsche sozialistische Frauenbewegung benützt hatten. Sie forderten dringend Sektionen für spezielle Arbeit unter den Frauen in den Gewerkschaften, am Arbeitsplatz, in den Gemeinden etc. Dies hätte, falls es durchgeführt worden wäre, zu einer Art von kommunistischer Massenfrauenbewegung, die sich in der Sowjetunion entwickelt hatte, geführt. Die Thesen bieten eine korrekte Perspektive für die Arbeit in einer Periode, in der es kommunistische Massenparteien gibt, die in der Lage waren, die Avantgarde der ArbeiterInnenklasse, Männer und Frauen, für ihre Fahne durch Massenarbeit zu gewinnen.
Trotzki hielt ebenso diese revolutionäre Perspektive für die Arbeit unter Frauen lebendig. Er bemerkte den Prozess des Thermidor in der Familie in der UdSSR, stellte sich ihm entgegen und sprach sich für die Verteidigung jener Rechte auf Abtreibung, einfache Ehescheidung etc., die durch die Revolution gewonnen und von Stalin verraten worden waren, aus. Der Kampf der Linksopposition und Trotzkis gegen die bürokratische Konterrevolution ging auch auf dem Gebiet des Familienlebens, der Sexualmoral und der Rechte der Frau vor sich. Diese Themen wurden jedoch nicht ausreichend in das Gesamtprogramm integriert, auch wenn Trotzki als einer der ersten auf die reaktionären Auswirkungen der Sowjetbürokratie hingewiesen hatte. Ebenso war die IV. Internationale zu schwach und isoliert, um diesbezüglich eine tatsächliche programmatische Weiterentwicklung leisten zu können, obwohl ihr Gründungsdokument, das Übergangsprogramm, in deutlichem Kontrast zu den Programmen der StalinistInnen und SozialdemokratInnen die Losung „Öffnet die Türen den Arbeiterinnen!“ aufstellte.
Die Degeneration der Vierten Internationale in den Zentrismus nach dem Krieg machte es unvermeidlich, dass die von Trotzki behauptete revolutionäre Position zur Frauenfrage neben seinem revolutionären Programm bezüglich dem Stalinismus und der Sozialdemokratie aufgegeben wurde. Obwohl ein Gelegenheitsdokument zur Frauenfrage geschrieben wurde, wurde durch die Vierte Internationale dem Arsenal des Marxismus zu dieser Frage nichts hinzugefügt.
Einen weiteren wichtigen und nicht zu unterschätzenden Beitrag lieferte die Sexpol-Bewegung unter W. Reich in den frühen 1930er Jahren in Deutschland. Reich versuchte mit der Methode der Psychoanalyse im Rahmen der revolutionären Arbeiterbewegung eine sexualrevolutionäre Bewegung aufzubauen, die sich v.a. auf Jugendliche und Frauen stützen sollte. Sie hatte zunächst einige Erfolge, wurde aber bald von der stalinistischen KPD-Führung eingestellt. Während Reich zurecht das sexuelle Elend als wichtigen Bereich für kommunistische Massenpropaganda aufgriff und interessante Zusammenhänge zwischen der gesellschaftlichen Unterdrückung von Sexualität und der Anfälligkeit für reaktionäre Ideologien aufzeigte, blieb sein Ansatz doch beschränkt.
Reich überschätzte den Beitrag, den die sexuelle Repression bei der Entwicklung falschen Bewusstseins innerhalb der ArbeierInnenklasse leistet, und unterschätzte das Ausmaß, in dem falsches Bewusstsein vom Charakter der Lohnarbeitsform selbst herrührt. Er übersah die entscheidende Wichtigkeit der Einheitsfronttaktik gegen den Reformismus und überbetonte sexuelle Aufklärung. Weiters vertrat er die Position einer normativen heterosexuellen Genitalität, durch die alle Abweichungen von dieser Norm als abartige Formen des Orgasmus und pathologische Formen der Sexualität bezeichnet würden.
30. Es ist die Tradition sowohl der deutschen und russischen revolutionären Arbeiterinnenbewegung als auch der Verteidigung der revolutionären Position zur Frauenfrage von Trotzki und der frühen Vierten Internationale, worauf wir schauen und was wir zu entwickeln versuchen. Nicht weil wir ihre Positionen und Aktionen sklavisch kopieren, sondern weil sie eine unschätzbare Erfahrung der Führung der Arbeiterinnen im Kampf für die Emanzipation der Frauen darstellen. Es ist ebenso notwendig, die marxistischen Positionen, die in jenen Perioden gegen die Kapitulation der Sozialdemokratie und des Stalinismus vor den bürgerlichen Positionen zu den Frauen entwickelt wurden, erneut zu bekräftigen.
Wir kämpfen für den Aufbau einer Massenbewegung der Arbeiterinnen, basierend auf den Arbeitsplätzen, den Gewerkschaften und den ArbeiterInnenvierteln. Wie die Bewegungen in Deutschland und Russland würde eine solche Bewegung nicht von den Massenorganisationen der ArbeiterInnenklasse getrennt sein, sondern in ihnen wurzeln. Ihre Kampfstrategie darf nicht auf wirtschaftliche Angelegenheiten beschränkt sein – oder bloß auf sektorale Interessen der „arbeitenden Frauen“. Ihr Programm muss eines des Kampfes gegen alle Aspekte der Frauenunterdrückung im Kapitalismus sein – gegen alle Angriffe auf die Rechte auf Abtreibung und Verhütung, gegen die von Frauen erlittene körperliche Gewalt, gegen alle Auswirkungen des Kapitalismus in der Krise, wie niedrige Löhne, Berufsunsicherheit, steigende Mieten und Preise, Einsparungen im Gesundheitswesen etc. Eine Arbeiterinnenbewegung würde all diesen Kämpfen eine Führung verleihen.
Innerhalb einer solchen Bewegung würden revolutionäre Kommunistinnen für ihr Programm und um die Führung gegen die Reformistinnen, Feministinnen und Zentristinnen kämpfen. RevolutionärInnen würden darum kämpfen, die Frauen zur Mitgliedschaft in der Partei zu gewinnen, damit sie mit den allgemeinen Kämpfen der ArbeiterInnenklasse zusammenkämen.
Denen, die sagen, dass die Bewegung der Arbeiterinnen die ArbeiterInnenklasse spalten und eher zu Separatismus und bürgerlichem Feminismus führen würde als zum revolutionären Kampf, antworten wir: Erstens ist die Klasse schon entlang der Geschlechterlinien durch den Sexismus, der die Klasse durchdringt, und durch die Tatsache der Frauenunterdrückung gespalten. Diese führt zu Privilegien, die viele männliche Arbeiter aktiv verteidigen (etwa durch den Ausschluss von Frauen aus bestimmten Fachgewerkschaften). Damit die Frauen unter diesen Bedingungen vollständig und gleichberechtigt an der ArbeiterInnenbewegung teilnehmen können, werden sie darum kämpfen müssen, dass ihre Stimmen gehört werden, damit ihre Teilnahme ernstgenommen wird, damit die Klasse insgesamt die Forderungen der Frauen aufgreift.
Zweitens ist eine Frauenbewegung der Arbeiterinnen notwendig, um Frauen zu erreichen, die in der Familie und außerhalb der gesellschaftlichen Produktion gefangen und daher Beute für rückständige Ideen sind und einen möglichen UnterstützerInnenkreis für die Reaktion darstellen. Drittens mögen wir als revolutionäre KommunistInnen argumentieren, dass die Bewegungen der Arbeiterinnen spontan im Verlauf der Kämpfe auftauchen.
In einem Land nach dem anderen fanden sich Frauen der ArbeiteInnenklasse hineingestoßen in politische Aktivitäten und kämpfen um die Führung in den Gemeinden, demokratischen Bewegungen und Gewerkschaften; all dies mit der Tendenz, ihre eigenen Organisationen zu bilden. Sie gründeten Sektionen und Ausschüsse in den Gewerkschaften und schufen Kampagnen für gleiche Bezahlung und Abtreibungsmöglichkeiten. Sie haben Frauenorganisationen zur Unterstützung der männlichen Arbeiter im Kampf, beispielsweise zur Unterstützung der BergarbeiterInnen in Bolivien und England, gebildet; Organisationen, die die Klasseneinheit und Solidarität fördern. Gleichzeitig reflektierte die Schaffung dieser Unterstützerinnengruppen die Erkenntnis, dass Frauen etwas Verschiedenes anzubieten hätten, und stärkten ihre eigene Fähigkeit zur Teilnahme am Kampf sogar dann, wenn sie auf sexistische Feindschaft trafen.
Der Aufbau einer von kommunistischen Frauenkadern geführten wahrhaft revolutionären Frauenbewegung ist notwendig, die sowohl dem Sexismus und der Feindschaft, denen man in Teilen der organisierten ArbeiterInnenbewegung begegnet, als auch dem Sexismus, den Vorurteilen und Hindernissen, denen Frauen der ArbeiterInnenklasse zuhause gegenüberstehen, den Kampf ansagt. Die Partei und insbesondere ihre weiblichen Mitglieder werden rund um diese Frage bewusste Kämpfe innerhalb der ArbeiterInnenklasse und in ihren eigenen Reihen, insofern Formen des Sexismus innerhalb der Partei auftreten, führen müssen.
Wenn KommunistInnen nicht mit einem klaren Programm zum Aufbau von Arbeiterinnenbewegungen intervenieren, dann wird die Führung dieser Organisationen den Reformistinnen und Feministinnen und der Vorherrschaft fremder Klassenkräfte zufallen.
Wir stellen hier die Frage der Einheitsfront. Gegenüber den ArbeiterInnenorganisationen und gleichermaßen den Feministinnen argumentieren wir, dass die Arbeiterinnen unter Unterdrückung leiden, verstärkten Angriffen in Perioden kapitalistischer Krisen gegenüberstehen und zurückschlagen müssen. Sie sollten kein Vertrauen in die existierenden reformistischen FührerInnen, weder in den Gewerkschaften noch in den stalinistischen oder sozialdemokratischen Parteien, noch in die kleinbürgerlich-nationalistischen Bewegungen und Parteien haben. Aber wir erkennen an, dass in der gegenwärtigen Periode, in der RevolutionärInnen einen sehr kleinen Teil der Klasse darstellen, es sektiererisch und kindisch sein würde, unseren Aufruf auf den Aufbau einer Frauenabteilung der Partei oder einer „kommunistischen Frauenbewegung“ zu beschränken. Die große Mehrheit der Arbeiterinnen blickt auf die reformistischen FührerInnen und Parteien, um ihre Kämpfe aufzugreifen. Wir argumentieren für Forderungen – gerichtet an diese FührerInnen, um sie zur Rechenschaft ziehen zu können – und für die Selbstorganisation der Arbeiterinnen, um Verrätereien der Führung zu vermeiden.
Doch die Einheitsfront ist niemals ein Ziel an sich. Sie existiert, nicht nur, um den Kampf zu vereinen, sondern auch, um konkurrierende Führungen – reformistische, zentristische und revolutionäre – in der Praxis auszutesten. Sie ist also eine Taktik, mittels der RevolutionärInnen die Führung der Massen von allen anderen Führungen übernehmen können. Dies kann nicht in einen evolutionären Prozess verwandelt werden. Wie in allen anderen Einheitsfronten werden auch hier die ReformistInnen und ZentristInnen oft versuchen, die proletarische Frauenbewegung zu spalten und dabei auch erfolgreich sein. KommunistInnen scheuen nicht davor zurück, die Verantwortung für die Führung einer ausdrücklich kommunistischen Frauenbewegung zu übernehmen, die sowohl gegen die reformistischen als auch gegen die bürgerlichen Frauenbewegungen kämpft. Nach einer erfolgreichen Revolution ist es eindeutig die Aufgabe von KommunistInnen, eine wahrhafte Massenfrauenbewegung auf der Grundlage eines kommunistischen Aktionsprogramms auszuweiten oder aufzubauen. Im Fall, dass andere Parteien der ArbeiterInnen und BäuerInnen sich um die Diktatur des Proletariats sammeln, könnte eine kommunistische Massenfrauenbewegung ihren Einheitsfrontcharakter aufrechterhalten.
Doch in jedem Fall ist es notwendig, eine Bewegung aufzubauen, die von kommunistischen Frauen geführt wird. Ihre Aufgabe ist es, spezielle Formen der Agitation und der Arbeit unter Frauen mit dem Ziel zu organisieren, in der Partei organisierte und unorganisierte Frauen in einen aktiven Kampf für ihre eigene Emanzipation hineinzuziehen. Diese würde organisatorische Maßnahmen wie demokratische, selbstbestimmte Konferenzen und lokale Komitees, die komplementär zur Teilnahme in den Organisationen der ArbeiterInnenklasse (Partei, Gewerkschaft und Sowjets) und nicht ihr entgegengestellt sind, mit einschließen. Wir entschuldigen uns nicht für den Versuch, die Führung der ArbeiterInnenmassen für den Kommunismus zu gewinnen oder zu halten. Unser strategisches Ziel bleibt durchwegs die kommunistische Massenfrauenbewegung. Während der Kampfes dafür und in allen Einheitsfronten, die dafür taktisch notwendig sein mögen, hat die kommunistische Organisation die Pflicht, ihre weiblichen Mitglieder als kommunistische Fraktion unter voller Parteidisziplin zu organisieren.
Der Kern der Bewegung der Arbeiterinnen und Kommunistinnen muss in den Frauen, die sich am Arbeitsplatz organisieren, liegen. Dies schließt ihre Organisierung ein, um sicherzustellen, dass die Gewerkschaften die Angelegenheiten der Frauen aufgreifen. Der Aufbau von Frauengruppen in den Gewerkschaften ist notwendig, um ihre besondere Unterdrückung zu diskutieren und ihr Selbstvertrauen im Kampf zu stärken, um mehr Frauen in die Gewerkschaften zu bringen und das Klassenbewusstsein zu entwickeln. Im Zuge einer Organisierung gegen die Bürokratie, die sich weigert, die Forderungen der Frauen Ernst zu nehmen, wird es Teil des Kampfes zum Aufbau einer Basisopposition und alternativen Führung sein. Aber eine Arbeiterinnenbewegung wird auch die Frauen einbeziehen, die auf den Plantagen, in den Barrios und Vorstädten organisiert sind, und sie wird sich aufs Land erstrecken zu den Massen der Bäuerinnen, die unter zermürbender Armut und Unterdrückung leiden.
Der Aufbau einer solchen Bewegung ist nicht eine beliebige Option für RevolutionärInnen, sondern ein wesentlicher Teil des Kampfes, um die ArbeiterInnenklasse und ihre Verbündeten beim Sturz des Kapitalismus und beim Aufbau des Sozialismus zu vereinen.
In den imperialisierten Ländern kann es notwendig sein, die Taktik der Antiimperialistischen Einheitsfront mit bürgerlichen und kleinbürgerlichen Kräften zur Durchsetzung fortschrittlicher Maßnahmen anzuwenden.
31. Obwohl wir wissen, dass der Kampf um die Befreiung der Frauen nicht vom Kampf um den Sozialismus zu trennen ist, ignorieren wir die Frage der demokratischen Rechte und die Kämpfe der Feministinnen zu diesen Themen nicht. Wir unterstützen den Kampf für demokratische Reformen, die den Frauen gleichen Zugang zum Gesetz, zum Eigentum, in die Politik etc. gewähren würden. Die Erfahrung des Feminismus war es, dass derartige Rechte schwer zu erlangen und sogar unter sogenannten liberal- demokratischen Regimes schwer zu bewahren sind. Wie bei allen demokratischen Forderungen kann nur die ArbeiterInnenklasse an der Macht solche Rechte garantieren. Wir unterstützen den Kampf um das gleiche Wahlrecht für alle, nicht für ein Wahlrecht auf Besitzgrundlage oder für ein Wahlrecht, das auf Rassen- oder Religionszugehörigkeit beruht. Wir würden die ArbeiterInnen dazu aufrufen, in Unterstützung solcher Forderungen sich zu organisieren und industrielle Kampfmaßnahmen zu ergreifen, indem wir ihre Erlangung mit der Frage der ArbeiterInnenmacht verbinden.
Wir versuchen kleinbürgerliche Feministinnen in einen gemeinsamen Kampf mit der ArbeiterInnenklasse zu demokratischen oder anderen Forderungen hineinzuziehen. Wir weisen aber die Schaffung einer Volksfront von bürgerlichen und ArbeiterInnenparteien im Namen der Erlangung solcher demokratischer Reformen zurück. Solche klassenübergreifenden Allianzen binden die ArbeiterInnen in Wirklichkeit an ein bürgerliches Programm und verleugnen die Unabhängigkeit der ArbeiterInnenparteien. Die Frauenbefreiungsbewegung der 1960er und 1970er Jahre basierte hauptsächlich auf kleinbürgerlichen Kräften, auf Angestellten und Staatsbediensteten. In ihrer Politik argumentierte die Frauenbefreiungsbewegung, dass eine Allianz mit bürgerlichen Frauen wünschenswert sei, doch verweigerten diese gewöhnlich die Annäherung und blieben in ihren eigenen Organisationen. RevolutionärInnen müssen mit den Frauen der ArbeiterInnenklasse – und mit Studentinnen und Intellektuellen, die der Frauenbefreiungsbewegung beigetreten und in ihr aktiv sind, in dauernder Auseinandersetzung bleiben. Eine gemeinsame Aktivität um Themen wie Abtreibung kann den Kampfplatz bieten, um solche Frauen vom Feminismus wegzubringen und für revolutionäre Politik zu gewinnen. Der Aufbau einer revolutionären Tendenz innerhalb einer kleinbürgerlichen, feministischen Massenbewegung könnte eine wichtige Taktik für eine revolutionäre Partei sein, aber dies impliziert in keiner Weise eine Konzession gegenüber politischer Autonomie oder Separatismus, da kommunistische Frauen gegen solche Praktiken sind und alle Möglichkeiten ausnützen würden, um Verbindungen zu den organisierten ArbeiterInnen, ob männlich oder weiblich, herzustellen. Wir verteidigen aber das Recht einer proletarischen Frauenbewegung auf unabhängige organisatorische Strukturen (z.B. Frauenabteilungen in Gewerkschaften) und kulturelle Ausdrucksformen (z.B. Frauenfeste).
32. Für MarxistInnen ist eine zusammenhängende Strategie für die Machtergreifung durch die ArbeiterInnenklasse – ein Programm – nicht zu trennen von organisierten MilitantInnen, die für dieses Programm kämpfen und es taktisch anwenden – von einer Partei. Die Frage der Frauenbefreiung ist selbst ein integraler Teil dieses Programms und Kommunistinnen ein integraler Bestandteil dieser Partei – sowohl in ihrer Führung wie in ihren Basiskadern. Eine solche Partei muss den Sexismus in ihren eigenen Reihen bekämpfen, unter den militanten ArbeiterInnen und in der ArbeiterInnenklasse insgesamt. Um dies zu leisten, muss sie spezielle Maßnahmen ergreifen, um die Frauen innerhalb der Partei – und in der Klasse – zu stärken und zu unterstützen. Das Recht auf gesonderte Treffen der Frauen, die Versorgung mit Kindergarteneinrichtungen, um auch Müttern die Teilnahme an politischen Veranstaltungen zu ermöglichen, etc. sind zentral für diesen Zweck. KommunistInnen propagieren das Prinzip, dass, solange die Hausarbeit und das Aufziehen von Kindern nicht vollständig vergesellschaftet sind, Männer politisch und moralisch verpflichtet sind, sich an diesen Tätigkeiten entsprechend zu beteiligen.
Obwohl diese Rechte auf gesonderte Treffen etc. garantiert sein müssen, weisen wir die Ansicht absolut zurück, dass die demokratisch-zentralistische Partei der vollen Teilnahme der Frauen gegenüber abweisend wäre, dass die Frauen gesondert und ausschließlich „ihren Kampf“ organisieren müssten, da sie allein die subjektive Erfahrung ihrer Unterdrückung hätten. Obwohl letztere eine zentrale Komponente bei der Ausarbeitung der Strategie und Taktik ist, wurde die Unterdrückung der Frauen und ihr Verhältnis zur Klassengesellschaft nicht durch subjektive Erfahrung allein entdeckt (ebenso wenig wie die Ausbeutung der ArbeiterInnenklasse). Sie wurde, wird und wird auch weiterhin durch eine wissenschaftliche Arbeit, für die die Partei als ganzes das notwendige Instrument ist, analysiert werden.
Die Arbeiterinnen werden zentral beim Aufbau einer revolutionären Partei sein, ebenso wie sie es für den Aufbau des Sozialismus nach der Schaffung eines ArbeiterInnenstaates sein werden. Ohne die Führung einer revolutionären Partei werden die spontanen Kämpfe der Frauen nicht imstande sein, die Lehren vergangener Kämpfe zu ziehen und eine tatsächliche Bedrohung für die reformistischen FührerInnen der ArbeiterInnenbewegung oder für die feministischen Führerinnen der Frauenbewegung zu werden. Alle Siege nach solchen spontanen Kämpfe riskieren es, nur teilweise und zeitweilig zu sein. Die Bewegungen werden im Ansprechen der grundlegenden Themen der Unterdrückung der Frauen und der Klasse versagen, wenn sie nicht im Verlauf des Kampfes für die revolutionäre Partei mit ihrem Programm für die Frauenbefreiung und den Sozialismus gewonnen werden. Es ist daher die Aufgabe des Aufbaus einer solchen Partei und einer kommunistisch geführten, die Massen umfassenden, Frauenbewegung der ArbeiterInnenklasse, wozu sich die Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale bekennt.