Arbeiter:innenmacht

Die Taktik der anti-imperialistischen Einheitsfront

Thesen der Bewegung für eine revolutionär-kommunistische Internationale (BRKI), 1986

Angenommen von der BRKI -Delegiertenkonferenz (Juli 1986), Zuerst veröffentlicht in: Arbeitermacht-Zeitschrift 6, Frühjahr 1987

1. Die Taktik der Kommunisten in Bezug auf bürgerlich und kleinbürgerlich geführte Bewegungen, die in Konflikt mit dem Imperialismus geraten, wurde im Wesentlichen auf dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale herausgearbeitet. Lenins Thesen brachten die Möglichkeit zum Ausdruck, eine ‚Allianz‘ mit diesen Kräften unter zwei Bedingungen zu schließen. Die erste war, dass diese Kräfte in der Praxis einen Kampf gegen den Imperialismus anführten, und die zweite, dass eine solche Allianz keine Einschränkungen für die auf die Organisierung der Arbeiter und Bauern gerichtete unabhängige Aktivität der Kommunisten mit sich bringe. Die Thesen nährten keine Illusionen – weder über den Willen noch in die Fähigkeit der ’nationalrevolutionären‘ Bewegungen, d.h. der Bourgeoisie, den Kampf auch zu Ende zu führen, dem Würgegriff des Imperialismus zu entkommen. Sie betonten, dass ein ‚entschlossener Kampf‘ dagegen geführt werden müsse, diese Bewegungen in kommunistische Gewand erscheinen zu lassen. Die Unabhängigkeit von Propaganda, Organisation und Aktion war notwendig, gerade weil die nationale Bourgeoisie zögern und Kompromisse im Kampf gegen den Imperialismus schließen würde.

2. Die Taktik der Einheitsfront in der kolonialen und halbkolonialen Welt wurde vollständiger auf dem IV. Kongress der Kommunistischen Internationale ausgebaut. Ihre Entwicklung war Teil der Diskussion und Ausarbeitung der Einheitsfronttaktik, die zwischen dem III. und IV. Kongress vor sich gegangen war, insbesondere mit Bezug auf die sozialdemokratischen Parteien und ihre Gewerkschaften in Europa. In der Periode direkt nach der russischen Revolution und während der revolutionären Krise, die Europa nach dem Ersten Weltkrieg ergriff, gab es wenig Antrieb, die Praxis der Bolschewiki von 1917 in eine allgemein anwendbare Taktik für die Komintern weiterzuentwickeln, da der Masseneinfluss der sozialdemokratischen Führungen auf dem Punkt des Zusammenbruchs angelangt zu sein schien. Wie Trotzki sagte: „Wenn wir annehmen, dass die Partei am Vorabend der Machteroberung steht und die Arbeiterklasse ihr folgen wird, dann taucht die Frage der Einheitsfront nicht auf.“ In der Komintern waren die Schaffung von Kommunistischen Parteien, der Aufbau von Sowjets und der bewaffnete Aufstand die zentralen Aufgaben einer revolutionären Situation. 1921 wurde es dann offenbar, dass diese revolutionäre Situation vorbei war. Der Kapitalismus hatte, unterstützt von den verräterischen sozialdemokratischen und Labour-Führern, eine zeitweilige Stabilisierung erreicht. Indem sie die veränderte Situation und die Stärke des Reformismus in Westeuropa erkannte, lancierte die Komintern auf dem III. Kongress unter der Losung „Heran an die Massen!“ die EInheitsfronttaktik. Nach diesem Kongress entwickelte das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (EKKI) die Taktiken, die als Einheitsfront bekanntgeworden sind.

Die Formen der Einheitsfront

3. Die Arbeitereinheitsfront war eine Taktik – oder eine Reihe von aufeinander bezogenen Taktiken, die darauf abzielte(n), die Masse der Arbeiterklasse für den revolutionären Kommunismus, für das Programm der revolutionären Partei und für die Diktatur des Proletariats zu gewinnen – nicht durch Propaganda allein, sondern durch die Aktion und im Kampf. „Nur indem sie die konkreten Kämpfe des Proletariats führen und indem sie sie vorantreiben, werden die Kommunisten wirklich fähig sein, die breiten proletarischen Massen für den Kampf um die Diktatur zu gewinnen“ (Thesen zur Taktik, III. Komintern-Kongress). Als eine Taktik war die Einheitsfront diesem strategischen Ziel untergeordnet. Die Einheitsfront von einer Taktik zur Strategie zu machen, wenn ihr Zustandebringen (oder ihr Weiterbestehen, ist sie einmal erreicht) das dauernde langfristige Ziel wird, das kann nur zur Liquidation des revolutionären Programms führen. Letzteres wäre die notwendige Konsequenz, wollte man das Fortbestehen einer langfristigen Allianz mit nichtrevolutionären Parteien oder Organisationen absichern.

4. Ungeachtet der einheitlichen Methode der Einheitsfront, die der Arbeitereinheitsfront und der Antiimperialistischen Einheitsfront zugrunde liegt, existieren dennoch wichtige Unterschiede zwischen diesen beiden Formen. Die Arbeitereinheitsfront in den imperialistischen Ländern basiert auf der Einheit der Arbeiterorganisationen und ihrer Parteien in der Aktion. Die Kommunisten kämpfen in solchen Einheitsfronten, wie beschränkt diese auch immer sein mögen, um die Forderungen und Ziele des gemeinsamen Kampfes zu entwickeln und zu erweitern. Sie tun dies durch die Handhabung der Übergangsforderungen in Richtung auf einen Kampf zur Überwindung des Kapitalismus. Das erfordert in Perioden des verschärften Klassenkampfes den Kampf zur Weiterentwicklung der Einheitsfront in Arbeiterräte und den Kampf für eine Arbeiterregierung. Die Anti-imperialistische Einheitsfront wiederum entwickelt sich auf dem Boden von Minimal- bzw. demokratischen Forderungen: Kampf gegen die imperialistische Herrschaft, für nationale Unabhängigkeit und Einheit, für Demokratie und demokratische Rechte. Hier liegt das Anliegen darin, in diesen Kampf nicht allein die Arbeiterorganisationen einzubeziehen, sondern auch die des Kleinbürgertums – die Organisationen speziell der Bauernschaft, der städtischen Kleineigentümer, der Freiberuflichen, der Akademiker etc. – ja sogar Sektionen oder Elemente der nationalen Bourgeoisie, wo immer letztere durch den Druck der Massen gezwungen wird, sich dem Imperialismus zu widersetzen. Der Kampf der Kommunisten zur Gewinnung der Arbeiter, armen Bauern und der städtischen Kleinbourgeoisie für die Perspektive der sozialistischen Revolution, also dafür, den Kampf für Demokratie und gegen Imperialismus in einen Kampf gegen den Kapitalismus und für die Diktatur des Proletariats zu verwandeln, muss die anti-imperialistische Einheitsfront aufbrechen und ersetzen, soll er bis zu diesem Grad erfolgreich sein. Der Kampf zur Gewinnung der Massen von den bürgerlichen und kleinbürgerlichen Führern und ihren Parteien, die Anstrengungen, Arbeiterräte in den Städten und Räte der armen Bauern und agrarischen Arbeiter auf dem Lande zu schaffen, sind beide Teile des Kampfes für eine Arbeiter- und Bauernregierung: eine Regierung, wo die Bauern mit ihren bürgerlichen und kleinbürgerlichen Führern gebrochen haben und zur Unterstützung der Diktatur des Proletariats gewonnen wurden.

5.  Die Einheitsfront ist ihrem eigentlichen Wesen nach eine zeitlich begrenzte Übereinkunft. In neun von zehn Fällen, wenn kein besonders günstiges Kräfteverhältnis oder keine günstige politische Situation besteht, werden die reformistischen Führer sie zurückweisen und ihr Äußerstes tun, um ihre Basis von einer Teilnahme abzuhalten. Wo sie erreicht ist, wird sie um klare, präzise und begrenzte Ziele des wirklichen Kampfes geschlossen werden. Ihr primäres Ziel ist nicht, gemeinsame Propaganda zu machen (falls es so wäre, würde sie ein Propagandablock und keine Einheitsfront sein), sondern Agitation um die Aktionsziele der Einheitsfront.

6. Die Komintern machte deutlich, dass die Einheitsfront nicht bloß ein ‚Appell an die Führer‘, sei – geschweige denn ein Vorschlag für eine rein parlamentarische Kombination oder einen Block. „Die Einheitsfront bedeutet den Zusammenschluss aller Arbeiter, ob Kommunisten, Anarchisten, Sozialdemokraten, Unabhängige oder Parteilose, ja sogar christliche Arbeiter, gegen die Bourgeoisie. Mit den Führern, wenn sie wollen, ohne die Führer, wenn sie gleichgültig daneben stehen, und in. Herausforderung und gegen die Führer, wenn sie die Arbeitereinheitsfront sabotieren“ (EKKI, April 1922). So erfolgte der Aufruf zur Einheitsfront zugleich von ‚oben und unten‘. Aber: „Der wirkliche Erfolg der Einheitsfronttaktik hängt von einer Bewegung ‚von unten‘, von der Basis der arbeitenden Massen, ab“ (Thesen zur Taktik, IV. Weltkongress der Komintern).

7. Das Schmieden einer Einheitsfront bedeutet nicht einen Augenblick lang, der Beendigung der Kritik zuzustimmen. Für die Komintern gab es kein diplomatisches Verschweigen oder Vertuschen vergangenen oder gegenwärtigen Schwankens und Verrates seitens der  reformistischen Führer. Kommunisten innerhalb der Einheitsfront, „während sie eine Aktionsgrundlage akzeptieren, müssen das bedingungslose Recht und die Möglichkeit, ihre Meinung über die Politik aller Arbeiterorganisationen ohne Ausnahme auszudrücken, behaupten – nicht nur bevor und nachdem eine Aktion unternommen wurde, sondern auch, wenn notwendig, während ihres Verlaufs. Unter keinen Umständen können diese Rechte aufgegeben werden“ (EKKI, Dezember 1921). Darüber hinaus würde es bedeuten, die Einheitsfront in einem Block mit reformistischen Führern während oder nach einem Betrug in der Aktion noch weiterhin aufrechtzuerhalten, selbst zum Komplizen ihres Verrats zu werden. Wenn es wichtig ist zu wissen, wann man eine Einheitsfront machen kann, dann ist es gleichermaßen wichtig zu wissen, wann man sie wieder brechen muss und dementsprechend eine sofortige Warnung den Arbeitern an der Basis zukommen zu lassen, dass der Verrat bevorsteht.

8. Der der Einheitsfront angemessene Organisationstyp ist ein Kampforgan, nicht eines für Propaganda für ein Programm. Als solches ist eine Gewerkschaft in einem bestimmten Sinn eine Einheitsfront. Passender aber schafft eine Einheitsfront aus dem Augenblick heraus kämpfende Körperschaften, entsprechend den auf der Hand liegenden Aufgaben. Das können Streikkomitees, Aktionsräte und, auf der höchsten Ebene, Sowjets sein. Solche für den Kampf lebensnotwendige Organe verstärken den Druck auf die reformistischen Führer, mit der Bourgeoisie zu brechen. Die Einheitsfront kann daher viele Formen annehmen. Sie kann äußerst kurzfristig sein – für eine einzige Demonstration, Versammlung oder einen Streik; oder sie kann eine ‚höhere‘ Form annehmen, was eine Reihe von Aktionen und Übereinkommen mit einschließt – einen militärischen Block, eine Basisopposition in den Gewerkschaften, wie das britische ‚Minority Movement‘. Welche Form auch immer sie annimmt, sie ist ein Block zur Verteidigung der Arbeiterinteressen, in dem die Kommunisten weder ihr eigenes Programm boykottieren noch verschwinden lassen; sie „marschieren getrennt, aber schlagen gemeinsam“.

9. Die Einheitsfront ist nicht auf defensive gewerkschaftliche oder außerparlamentarische Kämpfe beschränkt. Sie gerät in die Arena des Wahlkampfes, wo reformistische Parteien die Arbeiterklasse dominieren (siehe Resolution der BRKI zur Wahltaktik). Sie erhebt auch die Frage der Regierung und der Regierungslosung. Die Resolution zur Taktik auf dem IV. Kongress machte klar, dass die Losung für eine Arbeiterregierung die unvermeidliche Konsequenz der Einheitsfronttaktik ist Die Teilkämpfe der Arbeiterklasse stoßen unvermeidlich mit den Strukturen des kapitalistischen Staates zusammen, mit der jeweiligen Regierung und ihrer Politik. Die Kommunisten haben gesellschaftsweite Antworten auf die Probleme, mit denen die Arbeiter konfrontiert sind, bereitzustellen. Sie richten Forderungen an die Arbeiterführer, stellen ein Programm für eine Arbeiterregierung auf. Aber das alles verbleibt nicht bloße Forderung; für die Durchsetzung wird in der Basis der Arbeiterklasse, die allen Parteien und keiner gehört, in einem Einheitsfrontkampf, durch die Arbeiterkontrolle in den Fabriken und durch Sowjets, durch den Generalstreik etc. gekämpft.

Die anti-imperialistische Einheitsfront

10. Die Grundlage der Anti-imperialistischen Einheitsfront beruht auf dem Zusammenstoß der Interessen der imperialisierten Länder mit denen der imperialistischen Bourgeoisie. Der Imperialismus fördert die industrielle Entwicklung in den imperialisierten Ländern, aber in einer verkümmerten und verzerrten Weise. Die imperialistischen Banken und Monopole beherrschen deren Wirtschaft, indem sie Superprofite (wieder in die Metropolen zurück überführte Profite und Wucherzinsen für Darlehen …) abziehen. Sie setzen ihre Einschränkungen für die Wirtschaft durch imperialistische Agenturen, wie den Internationalen Währungsfond, die Weltbank etc. durch; und zwar – aufgrund der Unmöglichkeit, solche Plünderungen über eine längere Periode demokratisch durchführen zu können – unvermeidlicher Weise in Allianz mit den reaktionärsten mit dem Imperialismus verbundenen Elementen – der Militärhierarchie und der Agraroligarchie. Die Forderung nach „unabhängiger wirtschaftlicher Entwicklung“, für Schuldenerleichterung, für staatskapitalistische Industrialisierung, Protektionismus, Landreform und eine konstitutionelle Demokratie spiegelt die Bedürfnisse jener Teile der Bourgeoisie und des Kleinbürgertums, die am stärksten unter der Zwangsjacke imperialistischer Beherrschung leiden, wider. Diese Forderungen können zu episodischen Zusammenstößen zwischen der Bourgeoisie der Halbkolonie und der imperialistischen Bourgeoisie (oder mit deren Agenten im Land) führen – wie im Falle des Kampfes gegen Somoza in Nicaragua.

11. Aufgrund der Schwäche der Bourgeoisie in der halbkolonialen Welt, dem Ausmaß, in dem wichtige Teile wirtschaftlich mit dem imperialistischen Kapital selbst verbunden sind, und – am wichtigsten – aufgrund ihrer Furcht vor einer revolutionären Mobilisierung der Massen, die deren eigene Herrschaft ebensogut wie die der Imperialisten bedroht, führt die „nationale Bourgeoisie“ nur in Einzelfällen oder wirft ihr Gewicht nur ausnahmsweise in ernsthafte Kämpfe gegen den Imperialismus. Als Resultat ist in vielen Ländern im 20. Jahrhundert die Führung der antiimperialistischen Bewegungen dem Kleinbürger¬tum zugefallen. Aber in der großen Mehrheit der Fälle ist das Programm dem der Bourgeoisie treu geblieben, trotz der Versuche, die Arbeiter zu täuschen, indem das Programm in sozialistische oder kommunistische Farben gekleidet wird – Beispiele wären Nyereres „Afrikanischer Sozialismus, Mugabes „Marxismus-Leninismus“ genauso wie der des äthiopischen Derg, der Sandinismus der FSLN etc.

12. Wenn die Bourgeoisie (oder‘ Teile von ihr) oder das Kleinbürgertum in den Kampf mit dem Imperialismus eintreten, werden sie genötigt, die Masse der Arbeiter und Bauern einzubeziehen und sich auf sie zu stützen. In solchen Fällen ist es die Pflicht der Kommunisten, neben diesen. Kräften in den Kampf zu treten. Die Anti-imperialistische Einheitsfront zielt darauf ab, den Einfluss der bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Nationalisten auf die Massen im Kampf zu zerbrechen. Weder stehen die Kommunisten in sektiererischer Manier abseits, noch verbergen sie ihre Kritik an diesen Führungen oder die Ziele, wofür sie kämpfen. Im Unterschied zur Volksfront, die eine Koalition entgegengesetzter Klassen ist und die die Interessen der Arbeiterklasse dem Programm der Bourgeoisie unterordnet, beschränkt sich die Arti-imperialistische Einheitsfront auf konkrete gemeinsame Aktionen und spezifische Abkommen, die den Kampf gegen den Imperialismus vorantreiben, in denen aber die Kommunisten die Freiheit der Kritik und der Propaganda bewahren. Solche Einheitsfronten, die kompromisslerische Rolle der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Naionalisten vorausgesetzt, sind gewöhnlich äußerst episodisch und zeitlich begrenzt. Es ist keine Frage, dass man die Kampfloungen im anderen Falle so weit zurechtstutzen müsste;.bis sie für die Bourgeoisie akzeptabel wären – ganz abgesehen davon dass man ihr ‚einen Sitz in der Einheitsfront‘ reservieren müsste.

13. Die Schlüsse, die Trotzki für die Internationale Linksopposition aus der chinesischen Revolution von 1923 bis 1927 zog, waren nicht die, dass die Taktik der Anti-imperialistischen Einheitsfront aufgegeben werden sollte, sondern dass ihr opportunistischer Gebrauch zur Katastrophe geführt hatte. Unter der Führung von Bucharin und Stalin war die Taktik ihres revolutionären Gehalts beraubt worden. Die chinesische KP gab ihre Unabhängigkeit auf und tauchte in der bürgerlichen Kuomintang unter. Sie hatte unter Anleitung der Komintern die Kuomintangführung als kommunistisch hochstilisiert, indem sie ihre anti-imperialistischen Bezeugungen lobte und jegliche Kritik an ihr aufgab. Sie hatte die Forderungen der Arbeiter und Bauern, die die Allianz mit der Bourgeoisie zu zerbrechen drohten, boykottiert. Sie hatte die Anti-imperialistische Einheitsfront in eine Volksfront verwandelt, die das chinesische Proletariat der Konterrevolution auslieferte.

14. Stalin und Bucharin kam dabei die Unklarheit der von der Komintern in ihren Diskussionen um die Taktik der Anti-imperialistischen Einheitsfront aufgestellten ‚Regierungslosungen zu Hilfe. Die chinesische Revolution bewies, dass die Losung der „Demokratischen Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft“ nicht nur überflüssig war, sondern, dass sie geeignet war, zu einem Ruf für eine separate bürgerliche Etappe der Revolution pervertiert zu werden. In diesem Sinne war – in Trotzkis Worten – die Losung zu einer Schlinge um den Hals des Proletariats geworden. Diese, Losung implizierte, dass eine bürgerliche Lösung des Kampfes gegen den Imperialismus das Ziel, für das das Proletariat in der ‚Einheitsfront‘ zu kämpfen hätte, sei. Die chinesischen Ereignisse bestätigten erneut die Notwendigkeit der Perspektive der permanenten Revolution, des Kampfes für Sowjets und für die Arbeiter- und Bauernregierung. Eine solche Perspektive bedeutet nicht, dass die Anti-imperialistische Einheitsfront nur um solche Forderungen geschlossen werden kann. In Perioden der Niederlage oder wenn die Massen aus langen Perioden der Diktatur hervortreten, kann die Einheitsfront ebensogut um demokratische Forderungen, die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Demonstration oder für die Freilassung aller politischen Gefangenen etc. eingegangen werden. Der Kampf für eine demokratische konstituierende Versammlung kann ein wichtiges Ziel einer Anti-imperialistischen Einheitsfront werden, und zwar dort, wo dieser ein. Teil des Kampfes zur überwindung einer vom Imperialismus gestützten Diktatur ist. Der Kampf für die Enteignung der Großgrundbesitzer und für eine Agrarrevolution würde eine zentrale Stellung im Kampf für eine solche konstituierende Versammlung in den meisten Teilen der imperialisierten Welt einnehmen. Der Kampf um diese Forderungen wird vor allem geführt, um die Unabhängigkeit der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen neben denen der Bauern zu stärken – mit den Mitteln von Demonstrationen, Streiks, Kampfkomitees, sowjetähnlichen Organisationen usw.

15. Die Anti-imperialistische Einheitsfront impliziert in keiner Weise, sogenannten ‚anti-imperialistischen Regierungen‘ Unterstützung zu gewähren. Kommunisten geben bürgerlichen Regierungen keine wie auch immer geartete Unterstützung. Wir unterstützen aber jede ernsthafte Aktion solcher Regierungen, die gegen imperialistische Interessen unternommen wird, z.B. die Verstaatlichung oder Enteignung imperialistischer Besitzungen. Kommunisten würden an militärischen Aktionen, die gegen den Imperialismus unternommen werden, teilnehmen und sie unterstützen, d.h. in Nicaragua gegen die Contras und die US-Berater, in Argentinien gegen Großbritannien auf den Malvinen, um in einer solchen Auseinandersetzung für die Bewaffnung der Arbeiter, für demokratisch kontrollierte Arbeitermilizen zu kämpfen. Auf ähnliche Weise könnten Kommunisten, wo der politische Kampf das Stadium des Bürgerkriegs gegen eine Diktatur erreicht hat, in eine militärische Einheitsfront eintreten – wo immer möglich als unabhängige bewaffnete Kraft, die aber eine gemeinsame militärische Disziplin akzeptiert und Abkommen schließt zur Erringung von gemeinschaftlichen Kampfzielen – sofortige Wahlen zu einer konstituierenden Versammlung, Legalisierung der Gewerkschaften und von Streiks etc. Wir gehen davon aus, dass militärische Blöcke eine Form der Einheitsfront sind – eine Form, die nicht qualitativ unterschiedlich ist zu Einheitsaktionen für politische Ziele – denn: „Der Krieg ist nichts anderes als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Wenn wir für den Sieg von Bewegungen wie der FMLN, FSLN etc. eintreten, die gegen den Imperialimus, seine Agenten oder eine Diktatur kämpfen, so tun wir das vor dem Hintergrund, dass ein solcher Slogan in der Regel dann zu erheben ist, wenn der Bürgerkrieg oder eine revolutionäre Krise ein entscheidendes Stadium erreicht hat. Wir heißen aber nicht den Sieg ihres politischen Programmes gut. Innerhalb einer solchen Einheitsfront würden wir für unser Programm kämpfen, um die Arbeiter und Bauern von den bürgerlichen und kleinbürgerlichen Führungen loszubrechen und den Weg zum Kampf für eine Arbeiter- und Bauernregierung freizumachen.

16. Es ist daher nicht gestattet, der Anti-imperialistischen Einheitsfront eine gemeinsame Regierungsform zu geben, da das Proletariat mit den bürgerlichen Kräften das Ziel einer gemeinsamen Regierung nicht teilen kann. Während wir also einen gemeinsamen Kampf für. die Einberufung einer konstituierenden Versammlung an der Seite mit kleinbürgerlichen und sogar bürgerlichen Kräften führen können, kann unsere Regierungslosung nur die der Arbeiter- und Bauernregierung sein. Keine Bourgeoisie wird eine wirkliche Arbeiterregierung, d.h. eine, die sich auf die bewaffneten Arbeiter stützt und den gegenwärtigen und historischen Interessen des Proletariats dient, tolerieren. Andererseits darf die Arbeiterklasse unter keinen Umständen eine Regierung seiner eigenen Ausbeuter unterstützen. Jede Regierung, die vorgibt, ‚über den Klassen‘ zu stehen oder das Volk insgesamt zu vertreten, ist ein Betrug. Das Proletariat kann aber ein demokratisches Regime verteidigen oder versuchen, ein solches zu erreichen, indem es demokratische Losungen, insoweit sie für den Kampf gegen die Diktatur und für die Rechte der Arbeiter, armen Bauern und des unterdrückten Kleinbürgertums mobilisieren, verwendet. Aber solche Kämpfe und Losungen dürfen niemals in einem sich selbst beschränkenden Bereich aufgestellt werden. Sowjets müssen das freieste Parlament ersetzen und die Diktatur der Arbeiter die demokratische Republik. Von dem Moment an, ab dem die demokratischen Freiheiten erreicht sind – de facto ebenso wie nach dem Gesetz – werden sie zur Arena für den Kampf des Proletariats um die Macht.

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