Neue anti-kapitalistische Organisation, 4. April 2016, Revolutionärer Marxismus 48, August 2016
Seit der Verabschiedung des NaO-Manifests sind bald zwei Jahre vergangen, in denen die NaO als Prozess und Organisation die Möglichkeit hatte, sich weiterzuentwickeln. Seit Beginn 2014 gründete sich die NaO in Potsdam, Berlin, Kassel, Bremen, Stuttgart und Köln; in Hamburg und München gab es Anläufe zur Gründung.
Heute können wir im NaO-Prozess bestenfalls von einer Stagnation sprechen und schon dies wäre eine optimistische Formulierung. Im Aufbau einer Mitgliederorganisation, die links von der Linkspartei ihr Programm vertritt, ist die NaO gescheitert.
Es sind keine neuen Gruppen dazugekommen, die während des Prozesses Kontakt mit der NaO aufgenommen haben. In Berlin und Stuttgart stehen wir weiterhin mit Mitgliedsgruppen in Kontakt, aber die NaO hat keine Attraktivität und Dynamik entwickeln können, um ihre „Basis“ zu verbreitern. Stattdessen ist die Aktivität insgesamt seit Sommer 2015 nochmals runtergegangen, wie auch die Debatte innerhalb der NaO.
Für den Niedergang der NaO sind unserer Meinung nach drei Faktoren ausschlaggebend:
a) Die relative Stabilität des deutschen Kapitalismus in den letzten Jahren, was nicht zuletzt ein Resultat der Fähigkeit war, den Lohnabhängigen wie anderen Staaten und deren Bevölkerung die Kosten für die Krise aufzuzwingen, also Resultat eines zunehmend aggressiveren Kurses des deutschen Imperialismus und der Dominanz des Sozialchauvinismus in der ArbeiterInnenbewegung. Die deutsche „radikale“ Linke selbst befindet sich in dieser Lage in Desorientierung, Rückzug und verweigert mehrheitlich eine politische Auseinandersetzung.
b) Der zweite, zentrale Grund für die Stagnation der NaO ist in den politischen Differenzen zu sehen. Sie sind der Grund nicht nur für die numerische Stagnation, sondern auch dafür, dass die in der NaO organisierten politischen Kräfte sich nach anfänglicher Konvergenz wieder mehr und auseinanderentwickelt haben. Beim letzten bundesweiten Treffen im Juni 2015 in Berlin gab es größtmögliche Differenzen zur Einschätzung der Syriza/ANEL-Regierung und vor allem, wie sich die NaO dazu verhalten soll. Als die NaO Berlin nach der Oxi-Abstimmung und den Neuwahlen weiterhin Position dazu bezogen hatte, blieb dies im gesamten bundesweiten Prozess eigentlich undiskutiert. Dadurch werden sicherlich keine Differenzen ausgeräumt oder geklärt bzw. sich darauf verständigt, was eine NaO vertreten könnte.
c) Nicht zuletzt litt die NaO an einer mangelnden Verbindlichkeit, was unterschiedliche Aufbauvorstellungen und Zielsetzungen widerspiegelte. Während die einen eine Mitgliederorganisation wollten, wollten andere nur ein Netzwerk von Gruppen. Während die einen die NaO als Schritt zu einer größeren revolutionären Organisation mit ebensolchem Programm betrachteten, wollten sie andere auf dem Stand eines programmatisch pluralen Netzwerkes halten.
Selbst wenn sich politische Strömungen gebildet haben, hat dadurch weder die politische Debatte zugenommen, geschweige denn die Klärung politischer Differenzen. Das ist insofern für uns eigentümlich, da wir von Strömungen und Fraktionen erwarten würden, dass diese eine andere Vorstellung zum Prozess als Ganzem bzw. zu einzelnen politischen Positionen zumindest in die NaO einbringen, aber auch diese Auseinandersetzung findet nicht statt.
Die vereinbarte weitere programmatische Diskussion wurde im NaO-Prozess nicht geführt. Dadurch ist nach unserem Verständnis letztlich auch der Prozess zum Erliegen gekommen.
Unserer Meinung nach lässt sich dieser Prozess nicht wieder beleben, auch wenn die „Internationalismustage 2016“ ein Erfolg waren. Wir halten es für vernünftiger und für zukünftige Umgruppierungsprozesse zweckdienlicher, den Prozess einvernehmlich zu beenden, statt so zu tun, als würde aus der NaO bundesweit oder auch an einzelnen Orten eine neue Organisation erwachsen.
Wir denken, dass es trotz seines Scheiterns richtig war, das NaO-Projekt in Angriff zu nehmen. In seiner Geschichte konnte es sowohl inhaltlich einige richtige Positionen entwickeln (Manifest), positionierte sich auf einer internationalistischen Basis zur Ukraine, zur Solidarität mit dem kurdischen Volk, zum Klassenkampf in Griechenland. Aber die dabei auftauchenden politischen Differenzen paralysierten den NaO-Prozess zunehmend und untergruben auch seine Anziehungskraft nach außen.
Zweifellos haben die verschiedenen Strömungen in der NaO unterschiedliche Gründe für dieses Scheitern, die sie sicher auch öffentlich darlegen werden. Aber es macht keinen Sinn, das Label nur um seiner selbst willen fortzuführen und mit sich selbst „Umgruppierung“ zu spielen.
Wir schlagen vor, weiter gemeinsam politisch zu arbeiten bei:
a) bundesweiten, internationalen wie lokalen Mobilisierungen (Anti-Rassismus, Gewerkschaftsopposition, internationale Solidarität, Erster Mai),
b) Organisierung von Diskussionsforen zu grundlegenden Fragen der ArbeiterInnenbewegung und der Linken,
c) Fortführung der „Internationalismustage“ als eines strömungsübergreifenden, internationalistischen Diskussionswochenendes.
Wir halten jedoch eine Beendigung des NaO-Prozesses an dieser Stelle für notwendig, weil seine Fortführung ein zukünftiges Ringen um Einheit von RevolutionärInnen und Anti-KapitalistInnen auf einer klaren, politischen Grundlage und gemeinsamer, dynamischer und verbindlicher Außenaktivität mehr beschädigen denn fördern würde.
Mehrheitlich beschlossen von der bundesweiten Koordinierung, 4. April 2016