Markus Lehner, Infomail 994, 21. März 2018
Am Abend des 14. März wurde Marielle (Francisco da Silva) „Franco“ (38), gewählte Stadträtin in Rio de Janeiro, auf offener Straße in ihrem Auto erschossen. Mit ihr starb ihr Fahrer im Kugelhagel, ihr Sekretär überlebte schwer verletzt. Marielle war Mitglied der linksgerichteten Partei PSOL (Partei für Sozialismus und Freiheit) und eine der wenigen schwarzen Frauen, die ein politisches Spitzenamt in Brasilien ausübten.
In letzter Zeit hatte sie sich durch ihren Einsatz gegen Gewaltakte, Ermordungen und willkürliche Verhaftungen von armen, meist schwarzen Opfern von Polizeigewalt bei den „Ordnungskräften“ sehr unbeliebt gemacht. Insbesondere nach der Verhängung des Militärrechts in Rio und dem Einmarsch schwerbewaffneter Militärkräfte Ende Februar in die großen Favelas kann man von einem regelrechten Krieg gegen die schwarzen Unterschichten von Rio sprechen. Marielles Auftreten und Entlarvung von Polizeimorden in der jüngst eingerichteten „Wahrheitskommission“ empfanden die Militärkommandanten wohl als Provokation. Die Art der Attacke auf Marielle deutet auf eine Exekution, die aus den Reihen der Ordnungskräfte angeordnet wurde. In den folgenden Tagen kam es in Rio erstmals seit dem Einmarsch des Militärs wieder zu riesigen Demonstrationen und Solidaritätskundgebungen mit Marielle unter dem Motto „Marielle Presente“ – „Marielle lebt unter uns weiter!“.
Eine Erklärung der Frauen der PSOL bringt die Trauer, Wut und Empörung von Millionen zum Ausdruck:
„Heute ist unsere Hoffnung ein wenig erschüttert. Eine Frau, eine Schwarze, eine Mutter und eine Verfechterin der Gleichheit, die in der Favela Mare geboren und aufgewachsen ist, wurde ermordet.
Wir werden nicht von solch einer Brutalität zum Schweigen gebracht, sondern werden stattdessen keine Anstrengungen scheuen, um die Kämpfe zu ehren, die die Genossin in ihrem Leben geführt hat. Wir wollen sofort Aufklärung! Wir wollen die Wahrheit!
An alle Angehörigen der Stadträtin und des Fahrers, der sie begleitete und auch verstorben ist, unsere tiefe Solidarität.
An alle kämpfenden Frauen, die träumen und heute betrübt sind: verwandeln wir Schmerz und Empörung in Kampf!“
Die GenossInnen in Brasilien, die Mitglieder der Liga Socialista schließen sich dieser Erklärung an: