Tobi Hansen, Neue Internationale 222, September 2017
Die kommende Bundesregierung wird – unabhängig von ihrer Farbkombination – eine bürgerliche Regierung sein, die die imperialistische Formierung der EU vorantreibt, deren Außengrenzen weiter abschottet und „überzählige“ Geflüchtete abschieben will. Sie soll nicht nur im Inneren, sondern vor allem auch nach außen durch Aufrüstung und neo-liberale Freihandelspolitik die politischen und ökonomischen Interessen des Kapitals absichern. Innenpolitisch werden weitere Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse wie Umstrukturierungen, Privatisierungen, aber auch Mieterhöhungen und Tariflöhne anstehen, die kaum den Inflationsverlust wettmachen und für immer weniger Beschäftigte gelten. Vor allem den von Armut und Unsicherheit betroffenen Schichten der Lohnabhängigen – Frauen, Jugendlichen, RentnerInnen, MigrantInnen – droht eine weitere Verschlechterung ihrer Situation.
Der folgende Abschnitt skizziert daher zu Schlüsselfragen der nächsten Jahre zentrale Forderungen, für die die Linkspartei (wie die gesamte ArbeiterInnenbewegung) mobilisieren muss, um sie überhaupt durchsetzen zu können. Von Seiten der Linkspartei würde das einen Bruch mit ihrer auf Parlamentarismus und Koalitionssuche ausgerichteten Politik erfordern. Wir richten sie daher an die Führung, Mitgliedschaft und alle WählerInnen der Partei. Wenn die Partei und selbst ihre Führung eine Politik im Interesse der Lohnabhängigen versprechen, so mögen sie auch Taten folgen lassen. Zugleich sollten die Mitglieder und WählerInnen der Partei für die folgenden Forderungen oder auch nur einzelne Punkte daraus mobilisieren, den Kampf aufnehmen.
Eine klassenkämpferische Linke muss die Kämpfe von Geflüchteten und MigrantInnen ohne Wenn und Aber unterstützen und direkt mit den Forderungen der gesamten ArbeiterInnenklasse verbinden. Nur so ist es möglich, rassistische Spaltungen zu bekämpfen. Fragen von Löhnen, Wohnungen, medizinischer Betreuung und Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen dürfen nicht abgekoppelt werden von existierenden Bewegungen und Forderungen:
Um aktuellen und zukünftigen Spaltungen entgegenzuwirken, braucht es eine komplette Umkehr der Politik der ArbeiterInnenbewegung und vor allem der Gewerkschaften. Hier sollte die Linke für die Organisierung der Prekären, des Niedriglohnbereichs, der Geflüchteten eintreten. Das kann Spaltungen innerhalb der Klasse verringern und ihr trotz zunehmender sozialer Unterschiede in ihren eigenen Reihen (Lohnspreizung, Prekarität…) die Vorzüge kollektiven Handelns darstellen. Dazu gehört auch der Kampf gegen jegliche tarifliche Anerkennung der Leiharbeit: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist kein Sonntagsmotto, sondern ein historischer Grundsatz der Gewerkschaftsbewegung.
Wie die Lage der MigrantInnen und Geflüchteten hat sich auch die Lage von Frauen, Jugendlichen, sexuell Unterdrückten, Menschen mit Behinderung oder Alten in den letzten Jahren mehr und mehr verschlechtert.
Jede soziale, fortschrittliche Maßnahme wie beispielsweise der ökologische „Umbau“ der Gesellschaft wie auch Abwehrmaßnahmen gegen drohende Massenentlassungen oder Umstrukturierungen in Großkonzernen oder Zulieferindustrie müssen schöne Worte bleiben, wenn wir nicht an die Profite und das Eigentum der Reichen, an das Großkapital herangehen!
Wir brauchen eine Antwort auf die falsche Alternative zwischen dem Europa des Kapitals und dem „Exit“, dem reaktionären Zerfall der EU mit Rückzug auf Nationalstaaten und Nationalismus.
Wir brauchen grenzübergreifende Initiativen, welche den Klassenkampf auf europäisches Niveau heben und koordinieren. Unsere Alternative zum Europa des Kapitals besteht nicht in einer „sozialen EU“, wo Marktwirtschaft, Militarismus und Rassismus nur sozial(chauvinistisch) ausgestaltet werden.
Gegen das Europa des Kapitals und die EU treten wir für die Einheit im Klassenkampf und die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa ein!