Neue antikapitalistische Organisation Berlin, Neue Internationale 194, November 2014
Seit Wochen führt die Bevölkerung Rojavas, das sind die selbstverwalteten kurdischen Kantone im Norden Syriens, einen Kampf auf Leben und Tod gegen die Kräfte des „Islamischen Staates“ (IS, vormals ISIS).
Hunderttausende mussten fliehen und unter menschenunwürdigen Bedingungen zusehen, wie die Bevölkerung von Kobanê und deren Selbstverteidigungskräfte YPG und der Frauenverteidigungskräfte YPJ trotz waffentechnischer Unterlegenheit heroischen Widerstand leistet.
Die ganze Welt weiß, was geschieht, wenn die Mörderbanden des IS siegen. Hunderttausende werden auf Dauer zu Flüchtlingen, Tausende bestialisch ermordet, den verbliebenen EinwohnerInnen und KämpferInnen droht ein Massaker. Ein solches Schicksal droht nicht nur den KurdInnen, sondern allen, die sich der Herrschaft faschistoider „Gotteskrieger“ nicht unterwerfen wollen. Der versuchte Völkermord an den EzidInnen verdeutlicht das.
Mit dem Fall von Rojava droht auch eine der verbliebenen Errungenschaften der Revolutionen im Nahen und Mittleren Osten vernichtet zu werden. Inmitten des syrischen Bürgerkrieges verteidigen die KurdInnen einen fortschrittlichen Gesellschaftsentwurf des gleichberechtigten Zusammenlebens unabhängig von Nationalität, Religionszugehörigkeit oder Geschlecht. Die Selbstverwaltung in Rojava stellt eine demokratische Errungenschaft dar, die nun von der Vernichtung bedroht ist.
In dieser Situation halten wir es für die politische Pflicht aller Linken, aller SozialistInnen und KommunistInnen, aller GewerkschafterInnen und aller fortschrittlichen Organisationen, sich mit dem Widerstandskampf des kurdischen Volkes zu solidarisieren – und diese Solidarität praktisch werden zu lassen.
Daher beteiligen wir uns an den Aktionen der Organisationen in Solidarität mit Kurdistan, daher treten wir für die Öffnung der Grenzen für alle Flüchtlinge ein, daher fordern wir die Aufhebung des Verbotes der PKK wie aller anderen verbotenen kurdischen Organisationen und Vereinigungen in Deutschland und der EU.
Wer den Sieg der VerteidigerInnen von Kobanê und Rojava will, muss auch dafür eintreten, dass diese die dazu notwendigen Mittel erhalten. Daher haben wir die Kampagne „Solidarität mit Rojava! Waffen für die YPG/YPJ“ ins Leben gerufen.
Wir wissen, dass dies nur ein kleiner Beitrag ist zum Aufbau einer größeren Solidaritätsbewegung. Aber wir wollen damit zeigen, dass es einen Ausweg gibt aus dem Meer von Blut und zunehmender Barbarisierung, die den Nahen und Mittleren Osten überzieht, dass die Unterdrückten ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen können. Wir wollen damit auch zeigen, dass es eine Alternative gibt zur „Befriedung“ dieser Länder durch die imperialistischen Mächte – allen voran die USA – und der reaktionären Regionalmächte.
Auch wenn die KurdInnen heute berechtigterweise die Bombardements von IS-Stellungen durch die Imperialisten ausnutzen, wenn sie zurecht Waffen fordern, so sagen wir auch: Kein Vertrauen in diese falschen „Verbündeten“! Nein zu jeder imperialistischen Einflussnahme – gegen den Einsatz von NATO Bodentruppen!
Die Türkei zeigt heute am deutlichsten, dass es ihr um die Wahrung ihrer geostrategischen Interessen geht, dass sie PKK und PYD als „Hauptfeinde“ betrachtet und seit Monaten versucht, die Bevölkerung von Rojava mit einem Embargo niederzuzwingen.
Die USA und ihre Verbündeten, die sich heute als „Freunde“ des kurdischen Volkes darstellen wollen, haben selbst als dominierende imperialistische Macht, nach zwei Kriegen und der Besetzung des Iraks erst jene Zustände verursacht, auf denen der „Islamische Staat“ entstehen konnte.
Auch die BRD versucht, als militärisch schwächere Kraft ihre wirtschaftliche und politische Stellung in der Region auszubauen. „Humanität“ ist dabei allenfalls ein willkommenes Mittel zur Beschönigung und Rechtfertigung eigener imperialistischer Ambitionen – während die kurdischen Organisationen weiter kriminalisiert werden.
Der Sinn und Zweck der US-Intervention, des „Engagements“ Deutschlands, der EU und anderer illustrer „KämpferInnen“ gegen den IS (wie dessen (ehemalige?) Finanziers aus Qatar und Saudi-Arabien oder des Assad-Regimes und seiner russischen sowie iranischen Verbündeten) besteht nicht darin, „Freiheit“ und „Demokratie“ in die Region zu bringen.
Vielmehr geht es darum, die Region im eigenen Interesse „neu zu ordnen“ – einschließlich des obligaten Streits um wirtschaftliche und geostrategische Interessen, des Streits um die Beute.
Das ist auch der Grund, warum all diese Mächte mit realer Hilfe für Rojava so zögerlich sind oder diese verhindern. Die Befreiung des kurdischen Volkes von Unterdrückung gehört nicht zum Plan für die „Befreiung“ des Nahen Ostens. Die KurdInnen, v.a. die Widerstandsbewegungen in Syrien und in der Türkei, stehen diesem vielmehr im Weg.
Auch deshalb sind wir in der Solidaritätsbewegung mit Rojava und dem kurdischen Volk aktiv. Deshalb haben wir uns zur Kampagne „Solidarität mit Rojava – Waffen für die YPG/YPJ“ entschlossen. Wir wollen Spenden sammeln, um die militärische Verteidigung gegen den drohenden Massenmord und die Vertreibung Hunderttausender zu unterstützen!