Arbeiter:innenmacht

GEW Berlin: LehrerInnen streiken weiter

Martin Suchanek, Neue Internationale 179, Mai 2013

Berlins LehrerInnen streiken weiter. Am 23. April legten rund 3.000 Beschäftigte die Arbeit nieder. 2.000 von ihnen demonstrierten vom Berliner Innensenat zum Roten Rathaus, dem Sitz der Landesregierung, 1.000 beteiligten sich an einem Fahrradkorso.

Die Berliner “Gewerkschaft Erziehung Wissenschaft” (GEW) hatte dazu aufrufen. Nachdem die Gewerkschaften den Gehaltstarifvertrag der Länder abgeschlossen haben, war eine der Hauptforderungen der angestellten LehrerInnen – die nach Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte – außen vor geblieben.

Doch die Mobilisierung zur Tarifrunde hat in Berlin u.a. Ost-Bundesländern mit einem vergleichsweise hohen und ständig wachsenden Anteil an Angestellten unter den LehrerInnen auch zu einem Stimmungsumschwung an der Basis geführt.

Sie wollen nicht weiter warten. Sie haben nun den Kampf aufgenommen für eine „tarifliche Eingruppierung“ und „altersgerechte Arbeitsbedingungen“ – so der Fachjargon. Weil es zur Eingruppierung keine tarifliche Regelung gibt, besteht hier auch keine Friedenspflicht.

Senatsmärchen

Das musste selbst der Berliner SPD/CDU-Senat einsehen, der noch am 22. April den Arbeitskampf per Gericht für rechtswidrig erklären lassen wollte. Doch damit hatte er  vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Um die Streikfront zu schwächen, arbeitet der Senat außerdem auch mit einer Mischung aus medialer Hetze, Demagogie und kleinen Zugeständnissen. „Natürlich“ wäre er „gesprächsbereit“, nachdem jahrelang Schulen geschlossen wurden, die Lehrkräfte und ErzieherInnen weit weniger als in anderen Bundesländern verdienen und obendrein die Arbeit weiter verdichtet wurde.

„Natürlich“ ist der Senat auch ein Freund der SchülerInnen und Eltern, die zum „Opfer“ des LehrerInnenstreiks würden, könnten sie doch ihre Prüfungen nicht unter Aufsicht ihrer vertrauten LehrerInnen durchführen. Wer hätte gedacht, dass sich der Senat so ums Wohl von Kindern und Jugendlichen sorgt, für die es noch längst nicht genügend Ausbildungsplätze (erst recht nicht tariflich bezahlte) gibt und deren berufliche Perspektiven mau sind. Mag der Senat zwar bei Jugendfreizeiteinrichtungen sparen, so soll es wenigstens am Aufsichtspersonal nicht mangeln. Schließlich ist der Senat auch ein Freund der LehrerInnen selbst. Für ältere Lehrkräfte will er gar Mittel locker machen, um ihnen etwas vom Leistungsdruck zu nehmen, den er selbst erhöht hat.

Wozu, so fragt da der Bildungssenator, braucht es da noch einen Tarifvertrag?! Brosamen könne er doch schließlich auch auf dem Verordnungsweg verteilen.

Tarifvertrag – keine Brosamen!

Genau das wollen die Beschäftigten aber nicht. Sie wollen keine „großzügigen“ Zuwendungen von neoliberalen Koalitionären, welche die Schulen in jeder Hinsicht zum permanenten Reparaturbetrieb gemodelt haben, wo jede Flickschusterei zur „Reform“ erklärt wird.

Sie wollen schlicht und einfach bessere Arbeitsbedingungen, höhere Entgelte, kürzere Arbeitszeiten und ausreichende Finanzierung der Schulen. Und sie wollen Verbesserungen nicht als Gnadenakte einer unnützen und inkompetenten Bildungsbürokratie, sondern als tarifliche Rechte.

Daher wird der Kampf sicher auch in die nächste Runde gehen. Vom 13.-17. Mai ist eine Aktionswoche geplant, um den Druck zu erhöhen. Hier sollen manche Schulen über mehrere Tage bestreikt, andere an Schwerpunkttagen die Arbeit niederlegen.

Zweifellos kann und muss der Streik dazu genutzt werden, auch die Organisierung der Beschäftigten zu erhöhen. An allen Schulen sollten GEW-Mitglieder geworben und -Gruppen gebildet werden. Für die Aktionen sollten Versammlungen über die weitere Kampfperspektive diskutieren, die Tarifrunde muss demokratisch von unten kontrolliert werden.

In diesem Kampf brauchen die LehrerInnen und die Berliner GEW unsere Solidarität. Das betrifft zuerst die SchülerInnen und Eltern. So haben auf der Demonstration SchülerInnen um die Jugendgruppen REVOLUTION und Red Brain einen kleinen Block in Solidarität mit den LehrerInnen organisiert.

Das Beispiel sollte Schule machen – an möglichst vielen Schulen, so dass die SchülerInnen die nächsten Streiks und Demos ebenso wie ihre Eltern massenhaft unterstützen.

Anhang: Nein zu allen Einschränkungen des Streikrechts!

Die Posse um den gerichtlichen Streit zeigt trotz des Urteils, das den Streik für rechtens erklärte, auch, dass die Möglichkeiten der Lehrkräfte, offen und klar für ihre Interessen zu kämpfen, massiv eingeschränkt werden.

Zum ersten trifft das auf den reaktionären Beamtenstatus zu, welcher der Mehrheit der Lehrkräfte überhaupt verbietet zu streiken. Zum anderen ist aber auch das Tarifrecht selbst eine Einschränkung des Kampfes. Jede/r weiß, dass hinter der Forderung nach einer anderen Eingruppierung natürlich das Interesse steht, höher eingruppiert zu werden, also mehr zu verdienen. Offen darf das aber so nicht gesagt werden, weil es ja einen Gehaltstarifvertrag gibt. Es wird daher, um einen legalen Streik zu ermöglichen, immer eine bizarre Sprache verwendet, die juristischen Überprüfungen standhalten soll, aber  vielen Außenstehenden, ja selbst vielen Beschäftigten unklar bleibt.

Diese Einschränkungen des Streikrechts sind auch aus anderen Bereichen bekannt. Hier ist deshalb die gesamte Gewerkschaftsbewegung gefordert. Wir brauchen eine Kampagne gegen alle rechtlichen Beschränkungen des Streikrechts!

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