Martin Suchanek, Neue Internationale 296, November 2026
Die neue Regierung markiert eine Wende in der Offensive des Kapitals. Unter dem Vorwand „notwendiger Reformen“ soll die Krise des deutschen Imperialismus auf dem Rücken der Arbeiter:innenklasse und der Jugend gelöst werden. Sozialabbau, Aufrüstung und Repression bilden die drei Säulen dieser Politik. Doch selbst dort, wo sich Widerstand regt, bleibt er oft auf Teilbereiche beschränkt und verliert den Gesamtzusammenhang aus dem Blick.
Hier liegt eine zentrale politische Schwäche selbst jener Kräfte der Arbeiter:innenbewegung oder von sozialen Bewegungen, die den Regierungskurs des sozialen Kahlschlags ablehnen und bekämpfen wollen. Daher besteht eine wesentliche Aufgabe darin, den Gesamtzusammenhang des Angriffs in den Betrieben, Gewerkschaften, in der Linkspartei, an Unis und Schulen darzulegen, um gegen die ideologische Verblendung vorzugehen. Das ist untrennbar mit dem Kampf gegen die Regierung auf allen Ebenen und gegen die Arbeiter:innenbürokratie in Gewerkschaften und Großkonzernen verbunden, die die Klasse an Staat und Kapital bindet.
Dazu reicht natürlich bloße Aufklärung und Bewusstseinsbildung nicht aus. Unsere Klasse lernt nicht primär im Seminarraum, sondern im Kampf. Aber was sie im Kampf lernt, hängt wesentlich davon ab, welche Politik, welches Programm, welche Theorie Revolutionär:innen und Klassenkämpfer:innen in diesen tragen. Daher ist der Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung gegen die Bürokratie unerlässlich und untrennbar verbunden mit dem Kampf für eine politische Alternative, für eine revolutionäre Arbeiter:innenpartei.
Die Aufgabe aller klassenkämpferischen Kräfte in den Gewerkschaften, in der „radikalen“ Linken wie auch in der Linkspartei besteht daher auch darin, darzulegen, wie der Widerstand gegen die nächste Regierung formiert werden kann. Eine Schlüsselrolle nehmen dabei jene kämpferischen Schichten der Arbeiter:innen und sozialen Bewegungen ein, die in den letzten Jahren immer wieder auf die Straße gegangen sind und auch in gewerkschaftlichen und sozialen Kämpfen eine militantere Position eingenommen haben, auch wenn sie selbst vom linken Reformismus geprägt sind. So kann die Führungskrise der Klasse im Kampf gegen die Herrschaft des Elends zumindest ein Stück weit positiv aufgelöst und eine Kraft aufgebaut werden, die die Macht der Bürokratie herausfordern und eine Einheitsfront, die Einheit in der Aktion gegen die Regierung Merz, in der Praxis erzwingen kann. Konferenzen wie „Gegenmacht im Gegenwind“ sollten nicht nur zur Diskussion, sondern vor allem auch zur Festlegung eines Kampfplans gegen die Bundesregierung dienen, zur Organisierung von Massendemonstrationen, Besetzungen und der Vorbereitung eines politischen Massenstreiks gegen den Generalangriff!
Dem Programm der Regierung müssen wir dabei ein Forderungsprogramm der Arbeiter:innenklasse entgegensetzen:
Ein solches Programm kann und wird nie von einer bürgerlichen, parlamentarischen Regierung umgesetzt werden. Es kann nur durch die Arbeiter:innenklasse erkämpft werden, gegen die Regierung und durch eine Arbeiter:innenregierung, die sich direkt auf demokratische Kampforgane eines politischen Massen- oder Generalstreiks, auf Aktionskomitees und -räte in den Betrieben und Stadtteilen und auf Selbstverteidigungsorgane dieses Kampfes stützt.
Die Frage der Arbeiter:innenregierung mag in Zeiten der Defensive weit entfernt erscheinen. Doch der Generalangriff gegen Merz und Co. erfordert auch einen verallgemeinerten Abwehrkampf, den politischen Massenstreik bis hin zum Generalstreik. Und dieser würde nicht nur das Überleben der Regierung in Frage stellen, er würde auch die Machtfrage aufwerfen, also welche Klasse mittels welcher Institutionen herrscht. Grundsätzlich gibt es dann zwei Möglichkeiten – entweder wird die Regierung Merz durch eine andere bürgerliche ersetzt oder aber die Arbeiter:innenklasse errichtet, gestützt auf ihre Kampforgane, eine eigene. Kräfte wie die Linkspartei mögen eventuell vereinzelte Abwehrkämpfe führen können, doch letzten Endes können sie nur erfolgreiche, dauerhafte Verbesserungen erkämpfen, wenn auch sie mit der Idee des Mitverwaltens des kapitalistischen Elends brechen. Ansonsten sind alle Organizing-Ansätze längerfristig zum Scheitern verurteilt, da es an politischer Alternative fehlt. Denn eine solche Konstellation würde nicht nur den Generalangriff stoppen – sie würde auch die Tür öffnen zum Kampf für eine sozialistische Umwälzung in Deutschland und für ein sozialistisches Europa.