Luz Lo Sasso, Revolution Deutschland, Fight! Revolutionärer Frauenzeitung 13, März 2025
Der Rechtsruck begegnet uns von allen Seiten: In Deutschland ist die AfD in allen Landesparlamenten vertreten, und alle Parteien bis auf die Linkspartei setzen auf rassistische Politik gegenüber Geflüchteten. In den USA hat Trump die Wahlen gewonnen und Georgia Meloni, neoliberale Rechtspopulistin und Regierungschefin Italiens, streicht das Bürger:nnengeld.
Dabei bleibt er auch nicht vor der Jugend stehen: 22 Prozent der 14- bis 29-Jährigen hätten letztes Jahr die AfD gewählt. Bei der Europawahl taten es 16 % der Jugendlichen, während Sprösslinge reicher Eltern auf Sylt rassistische Parolen in die Kamera sangen. Mädchen und Queers sind durch die sexistische Politik besonders betroffen, auch an Schulen, obwohl diese sich gern als „unpolitischen“ oder neutralen Raum bezeichnen.
Queere Schüler:innen erleben dort immer wieder Anfeindungen oder werden von Lehrkräften und Mitschüler:innen mit ihren Deadnames (abgelegte, bei Geburt zugewiesene Namensbezeichnungen) angesprochen. Statt Unterstützung zu erfahren, werden ihre Identitäten häufig ignoriert oder sogar aktiv in Frage gestellt. Geschlechtsneutrale Toiletten oder Umkleideräume fehlen in den meisten Schulen. Betroffene Schüler:innen müssen öffentliche Debatten führen, um ihre Rechte einzufordern, während in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt Genderverbote erlassen werden.
Mädchen berichten regelmäßig von sexistischen Kommentaren durch Lehrkräfte, die beispielsweise traditionelle Rollenbilder verstärken: „Mädchen sind sowieso nicht gut in Naturwissenschaften“. Kleidungsvorschriften werden oft willkürlich und ungleich durchgesetzt – insbesondere Mädchen wird vorgeworfen, durch ihre Kleidung „abzulenken“, was die Verantwortung für unangemessenes Verhalten anderer auf sie abwälzt.
Dazu häufen sich Berichte über rechtsextreme Vorfälle an Schulen in Deutschland: Hakenkreuz-Schmierereien und antisemitische Aussagen wurden 2024 so oft gemeldet, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Bei Online-Quiz wie Kahoot! oder Mentimeter, bei denen Schüler:innen anonym Antworten zu Unterrichtsthemen geben können, werden rassistische Äußerungen wie das N-Wort (Bezeichnung für Schwarze) verwendet und auf Schulfeiern wurde das Zeigen des Hitlergrußes ohne Maßnahmen von Seiten der Schulleitung zugelassen.
Tagtäglich sind muslimisch gelesene Menschen von antimuslimischem Rassismus betroffen und seit dem 07. Oktober 2023 hat sich die Lage verschlechtert, indem alle Muslim:innen unter Generalverdacht gestellt werden. Schülerinnen, die Hidschab (Verschleierung) tragen, berichten auch von einer Zunahme von rassistischen Kommentaren an Schulen und bekommen nicht den Raum, sich überhaupt zu äußern, wenn im Politikkurs über den Nahen Osten gesprochen wird, oder werden sogar, wie an einer Berliner Schule, für ihre Palästinasolidarität geschlagen, und unsere Mitschüler:innen werden immer öfter aus unseren Schulen heraus abgeschoben.
Rassismus und Sexismus finden jedoch nicht nur auf persönlicher Ebene statt, sondern auch in den Lehrplänen. Der Unterricht behandelt Themen wie Kolonialismus, Migration oder Rassismus oft aus einer eurozentrischen Perspektive, ohne die Stimmen der Betroffenen zu berücksichtigen – wenn in der Schule überhaupt darüber gesprochen wird. Auch im Biologieunterricht begegnen wir immer noch überholten Darstellungen von zwei Geschlechtern und ausschließliche heteronormativer Verhütung, von Konsens ganz zu schweigen.
Wir sehen also, dass die Unterdrückung, die wir seit Jahren an Schulen erleben, noch stärker und akzeptierter wird, während gleichzeitig im Zuge der Krise Hilfsangebote für Jugendliche weggekürzt werden. Angebote für junge Menschen, wie Jugendarbeit, Beratungsstellen und Schulsozialarbeit, werden zunehmend abgebaut und die Betroffenen alleinegelassen.
Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, zeigt uns ein Blick in den internationalen Rechtsruck, wovon AfD und CDU bereits träumen. In Ungarn wird Kinderschutz als Vorwand für Diskriminierung verwendet: Seit 2021 verbieten Gesetze den Zugang und die Vermittlung von Inhalten zur „Popularisierung“ von Homosexualität oder trans Identitäten, auch an Schulen. Ausgewählten NGOs ist es nicht erlaubt, Kurse zu sexueller Aufklärung oder Drogenprävention an Schulen zu veranstalten.
In Polen ist auch der Aufklärungsunterricht an den Schulen der Agenda der regierenden rechtskonservativen Partei, Recht und Gerechtigkeit (PiS), zum Opfer gefallen. Seit 1999 lernen Schüler:innen im Fach „Erziehung zum Leben in der Familie“ über Ehe, Familie und Freundschaften, eher weniger über Sex, sexuell übertragbare Krankheiten, Verhütung, geschweige denn queere Themen oder Konsens. Das Fach vermittelt ein katholisches Weltbild und entspricht weder dem aktuellen Stand der Wissenschaft noch der Lebenswelt der Jugendlichen.
Queere Unterdrückung findet auch in den USA statt. Im Bundesstaat Florida wurde der Unterricht über Sexualität und Geschlechtsidentität an Schulen verboten. Lehrer:innen, die dagegen verstoßen, kann Berufsverbot drohen.
Donald Trump hat bereits schon mit seinen Aussagen einen Vorgeschmack auf seine Politik und den Wandel im Land gegeben. Er plant ein Verbot von Geschlechtsangleichungen und der nicht binären Geschlechtsoption in offiziellen Dokumenten. Transgender werden aus Schulen und dem Militär verbannt. Seit dem Wahlkampf hat er schon angekündigt, ein geltendes Verbot von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität an Schulen aufzuheben. Seit seinem Amtsantritt hat Trump außerdem auch mehrere Verordnungen erlassen, die die Rechte von trans Personen in den USA einschränken. So sollen staatliche Versicherungsprogramme künftig keine geschlechtsangleichenden Maßnahmen für unter 19-Jährige mehr übernehmen. Zudem wird von Krankenhäusern und Universitäten, die Bundesmittel erhalten, erwartet, dass sie derartige Behandlungen einstellen.
Regelungen und Verbote wie diese führen zu einem Wiederaufleben von tradierten Rollenbildern, welche tiefgreifende Auswirkungen auf Körperbild, Identität, Selbstbestimmung und medizinische Versorgung haben, insbesondere bei Mädchen und all jenen, die nicht cis-männlich/weiblich und heterosexuell sind. In Online-Communitys (X oder TikTok etc.) wird der „Tradwives“-Trend romantisiert, der ein Frauenbild idealisiert, das auf äußerliche Attraktivität und die Rolle der Frau als „perfekte Hausfrau und Mutter“ fokussiert ist. Frauen, die diesen Weg einschlagen, betonen häufig, dass sie dies „freiwillig tun“. Dass diese Wahl sehr oft durch ökonomischen Druck und verinnerlichte, patriarchale Werte beeinflusst ist, lässt sich nicht abstreiten. Soziale und ökonomische Zwänge wie Lohnungleichheit, prekäre Arbeitsverhältnisse oder mangelnde Kinderbetreuung zwingen viele Frauen, sich für traditionellere Lebenswege zu entscheiden. Gleichzeitig ist dieses Ideal für Frauen der Arbeiter:innenklasse überhaupt nicht zu erreichen. Daher steigt die Doppelbelastung durch Lohn- und Care-Arbeit weiter an. Diese Entwicklung wird außerdem weiter verstärkt durch die Kürzungen im Bildungssektor, z. B. durch Streichung von Förderprogrammen wie Stipendien.
Wir sehen also, wie sehr sich die Situation von Mädchen und Queers noch verschlechtern kann, wenn wir uns nicht gegen den Rechtsruck organisieren.
Der Rechtsruck wird nicht einfach von selbst wieder verschwinden, sondern sich weiter verschärfen, wenn wir ihn nicht aufhalten. Die Schule ist dabei der Ort, an dem wir uns jeden Tag aufhalten müssen, und der, wie wir gesehen haben, dafür genutzt wird, uns in überholte Rollenbilder und Lebensentwürfe zu zwängen. Wir müssen uns also vor Ort zusammenschließen und Schulgruppen aufbauen, die dafür sorgen, dass jede:r Schüler:in in Sicherheit lernen kann. Das schaffen wir nur, indem wir eigene Antidiskriminierungsstellen und demokratische Selbstverteidigungsstrukturen organisieren. Gleichzeitig müssen wir auch über den Schulalltag hinaus den Schulterschluss mit linken Partei- und Gewerkschaftsjugendlichen suchen, um unsere Forderungen durch Proteste und Streiks auf die Straßen zu tragen!