Arbeiter:innenmacht

Israels Waffenstillstand ist nur Fassade

Alex Rutherford, Infomail 1300, 27. Dezember 2025

Der Waffenstillstand in Gaza hat sich als diplomatische Fiktion erwiesen. Die Realität sieht aus wie tägliche Bombardierungen, eine abgeschnittene humanitäre Versorgungslinie und eine Militäraktion, die sich auf das Westjordanland und den Libanon ausweitet. Diese Aggression von außen spiegelt eine tiefe Krise innerhalb Israels wider, wo Premierminister Benjamin Netanjahu in einen Skandal verwickelt ist, weil er versucht hat, sich der Justiz zu entziehen, und damit die korrupten Grundlagen des zionistischen Projekts offenbart hat.

Die im Oktober vereinbarte Einstellung der Feindseligkeiten wurde von Israel fast täglich systematisch verletzt. Nach Daten, die bis Dezember 2025 erfasst wurden, haben israelische Streitkräfte seit Beginn des „Waffenstillstands“ mindestens 738 Mal gegen das Abkommen verstoßen, dabei mindestens 383 Palästinenser:innen getötet und über 1.000 verletzt. Die Vorwände sind fadenscheinig; oft werden vereinzelte Vorfälle angeführt, um massive Vergeltungsmaßnahmen zu rechtfertigen, während die allgemeineren Bedingungen des Abkommens ignoriert werden.

Im Mittelpunkt des Abkommens stand der ungehinderte Fluss humanitärer Hilfe. Dennoch blockiert Israel weiterhin die Versorgungswege nach Gaza. Nur 38 % der zugeteilten Hilfsgüter-Lkw haben ihr Ziel erreicht, wobei wichtige, nahrhafte Lebensmittel wie Fleisch und Gemüse zugunsten von nicht nahrhaften Snacks blockiert wurden.

Die UNO berichtet, dass zwei Drittel der Kinder unter fünf Jahren von zwei oder weniger Lebensmittelgruppen leben, was eine ganze Generation an den Rand der akuten Unterernährung bringt. Mittlerweile sind über 80 % der Gebäude in Gaza beschädigt oder zerstört, und allein die Beseitigung der Trümmer wird voraussichtlich sieben Jahre dauern.

Gelbe Linie und Westjordanland

Die Strategie Israels besteht darin, an allen Fronten maximalen Druck auszuüben. In Gaza bleiben die Streitkräfte entlang der sogenannten „Gelben Linie“ stationiert, wobei Positionswechsel neue Wellen von Vertreibungen auslösen, da verängstigte Zivilist:innen vor erneuten Bombardierungen fliehen. Diese Taktik sorgt für einen Zustand permanenter Unsicherheit und Obdachlosigkeit.

Gleichzeitig hat Israel seine Operationen im besetzten Westjordanland drastisch ausgeweitet. Unter dem Deckmantel des Gazakrieges hat es eine brutale Kampagne mit Razzien, Ausgangssperren und Terror durch Siedler:innen gestartet. Allein in den ersten Dezembertagen waren über 95.000 Palästinenser:innen betroffen.

In Tubas wurden bei einem viertägigen Überfall mit Drohnen, Flugzeugen und Bulldozern 163 Menschen verletzt, Wassernetze zerstört, wodurch 17.000 Menschen von der Wasserversorgung abgeschnitten wurden, und weitreichende Zerstörungen hinterlassen. Das ist eine kollektive Bestrafung, die darauf abzielt, Gemeinschaften zu zerstören. Die Gewalt der Siedler:innen, die als bewaffnete Vorhut des Staates agieren, hat die Olivenernte terrorisiert, indem sie Bäuer:innen angegriffen und alte Olivenhaine ungestraft zerstört haben.

Die Botschaft ist klar: Für die Palästinenser:innen gibt es keine Zukunft auf diesem Land.

Die aggressive Haltung Israels geht über Palästina hinaus. Im Libanon wurde ein von den USA vermittelter Waffenstillstand aus dem Jahr 2024 zunichtegemacht. Israel setzt seine fast täglichen Luftangriffe fort, wobei ein UN-Bericht warnt, dass diese Attacken Kriegsverbrechen darstellen könnten. Israel startete Anfang Dezember eine neue Welle von Luftangriffen, nur wenige Tage nachdem zivile Waffenstillstandsverhandlungen angekündigt worden waren, und untergrub damit die Gespräche von Anfang an.

Interne Zersetzung

Diese externe Aggressivität wird durch eine tiefe interne Zersetzung angeheizt. Netanjahu, der wegen Bestechung und Betrug vor Gericht steht, hat den beispiellosen Schritt unternommen, noch vor einer Verurteilung um eine Begnadigung durch den Präsidenten zu bitten. Sein Argument, dass der Prozess die Nation spaltet, ist ein offensichtlicher Versuch, sich über das Gesetz zu stellen. Der Antrag kommt wenige Wochen, nachdem Donald Trump den israelischen Präsidenten Isaac Herzog öffentlich unter Druck gesetzt hat, ihn zu gewähren, und damit die Unterwürfigkeit des israelischen Staates gegenüber seinem imperialistischen Oberherrn offenbart hat.

Der Skandal hat Israel in eine Verfassungskrise gestürzt. Ein enger Vertrauter von Herzog soll gedroht haben, „peinliche Informationen“ über Herzogs Beziehung zu Netanjahu zu veröffentlichen, falls die Begnadigung gewährt wird, was auf Korruption auf höchster Ebene hindeutet. Oppositionsführer:innen und die Zivilgesellschaft sind empört.

Jair Lapid, Vorsitzender von `Jesch Atid (liberale zionistische Partei), erklärte, eine Begnadigung sei „ohne ein Schuldeingeständnis, eine Reuebekundung und einen sofortigen Rückzug aus dem politischen Leben“ unmöglich. Dieses Drama entlarvt die Fassade der „Rechtsstaatlichkeit“ Israels und legt ein System offen, in dem politisches Überleben über allem steht.

Die Ereignisse dieser Zeit zeigen ein Regime in einer existenziellen Krise. Seine innenpolitischen Grundlagen bröckeln, während seine internationale Strategie auf fortwährender Gewalt beruht, um die Kontrolle zu behalten. Der „Waffenstillstand“ ist eine Täuschung für die Weltöffentlichkeit; in Wirklichkeit handelt es sich um einen unaufhörlichen Krieg an mehreren Fronten gegen das palästinensische Volk und seine Nachbar:innen.

Diese Strategie ist nicht tragbar. Die schrecklichen menschlichen Kosten – Tausende von Toten, Millionen von Vertriebenen und eine traumatisierte Generation – sorgen weltweit für Abscheu und schüren den Widerstand. Die israelischen Führer:innen, die durch Begnadigungen und militärische Eskalation nach politischer Rettung suchen, sichern nicht die Zukunft ihres Staates. Sie beschleunigen dessen zunehmende Isolation und sorgen dafür, dass der Kampf für Gerechtigkeit in Palästina so lange intensiver wird, bis die Befreiung erreicht ist.

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