Lukas Müller, Infomail 1299, 16. Dezember 2025, ursprünglich veröffentlicht im Palästina-Bündnis Leipzig, Infomail 1299, 17. Dezember 2025
Weltweit befindet sich der Kapitalismus in einem Stadium sinkender Profitraten und stagnierender Ökonomien. Der zu verteilende Kuchen wird kleiner und die Kämpfe, wer welches Stück abbekommt, umso heftiger. Dies gilt sowohl innerhalb der Nationalstaaten – und hier vor allem zwischen Konzernbossen auf der einen und Lohnabhängigen auf der anderen Seite – als auch international für die Konkurrenz der Nationalstaaten und ihrer Konzerne untereinander. Vor allem zwischen den imperialistischen Großmächten sehen wir einen sich zuspitzenden Kampf um wirtschaftliche und geostrategische Einflusssphären.
Der Ton der Diplomatie wird schärfer, Konflikte und Kriege nehmen immer häufiger die Form von Stellvertreterkriegen/-konflikten an, wie zum Beispiel in der Ukraine oder um Taiwan. Und nicht zuletzt stellt der von Trump forcierte Zollkrieg ein neues Kapitel dieser sich zuspitzenden Konkurrenz der Großmächte und ihrer Konzerne um Profite dar. Im Zuge dessen rüsten diese in einem nie dagewesenen Ausmaß auf und versuchen, ihre Ökonomie und ihr Militär unabhängiger voneinander zu reorganisieren.
Auch deutsches Kapital will weiterhin im internationalen Wettbewerb mitmischen und nicht ins Hintertreffen geraten. Die Zusammenarbeit mit verbrecherischen Regimen wie in der Türkei, Israel oder Saudi-Arabien zeigt, dass es dabei wohl kaum um Menschenrechte geht. Die Regierung Merz versucht, die Profite deutscher Konzerne und dadurch die Dividenden reicher Aktionär:innen zu schützen. Wie auch in anderen Ländern soll dies auf zwei Ebenen passieren: Erstens durch massive Aufrüstung und ein stärker militärisch orientiertes Durchsetzen der ökonomischen und geostrategischen Interessen. Und zweitens durch soziale Angriffe auf die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen, Rentner:innen, Geflüchteten, Erwerbslosen, auf Frauen und die Jugend.
Merz hat verkündet, Deutschland zur „konventionell stärksten Armee Europas“ machen zu wollen. Ein ambitioniertes Ziel angesichts der Marine Großbritanniens, der Luftwaffe Frankreichs und der Panzerbrigaden Polens. Laut Verteidigungsminister Pistorius soll Deutschland bis 2029 „kriegstüchtig“ werden. Ein Schritt dorthin ist die nun beschlossene schrittweise Wiedereinführung der Wehrpflicht. Beginnend im kommenden Jahr sollen alle ab dem 1. Januar 2008 geborenen Männer verpflichtend für den Wehrdienst gemustert werden. Deutschland hat schon jetzt das weltweit viertgrößte Militärbudget. Doch das Sondervermögen der alten Bundesregierung von 100 Milliarden ist längst verplant. Wie das Budget für diese historische Aufrüstung konkret refinanziert werden soll, ist nach wie vor unklar. Sicher ist nur eines: Die Kosten werden nicht die Reichen und Konzerne tragen. Schon jetzt sehen wir massive Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich, die sich in den kommenden Jahren noch drastisch verschärfen werden.
Ohnehin bekommen Lohnabhängige angesichts der gewaltigen Profite großer deutscher Konzerne lediglich Krümel vom Kuchen ab. Durch die internationale wirtschaftliche Krise und die damit einhergehende Inflation sinken Reallöhne seit Jahren immer weiter. Die Konzerne wälzen die gestiegenen Warenpreise auf die Konsument:innen und damit in erster Linie auf die Lohnabhängigen ab. Konzerne und Politik weigern sich, die Löhne daran anzupassen. Um die Dividenden der Aktionär:innen aufrechtzuerhalten, wird beispielsweise in der Automobilbranche außerdem die Konkurrenz mit Elektrofahrzeugen aus China als Totschlagargument genutzt, weshalb Löhne nicht weiter erhöht werden können und Zehntausende perspektivisch gekündigt werden müssen. Nun soll auch der 8-h-Tag fallen und demgegenüber eine wöchentliche Höchstgrenze von 48 h gelten. Dies stellt eine deutliche Verschlechterung der aktuellen Regelung dar, welche ohnehin immer wieder im Interesse der Konzerne flexibilisiert wurde.
Die Bundesregierung hat demgegenüber nicht vor, Konzerne und vermögende Personen an den Kosten für Krieg und Krise zu beteiligen. Eine höhere Körperschaftsteuer oder die Wiedereinführung der 1997 abgeschafften Vermögensteuer sind nicht geplant. Im Gegenteil sollen diese steuerlich weiter entlastet werden. Während viele Menschen kaum noch wissen, wie sie ihre Miete bezahlen sollen, oder das Elternhaus erst gar nicht verlassen können, machen sich Bosse und Aktionär:innen die Taschen voll – allen Krisen zum Trotz. Um von den eigentlichen Ursachen des sinkenden Lebensstandards der großen Mehrheit in Deutschland abzulenken, wird systematisch gegen Migrant:innen und Erwerbslose gehetzt. Wer ins Bürgergeld abrutscht, wird zukünftig noch stärker zur Annahme extrem prekärer Arbeitsverhältnisse gezwungen und andernfalls mit finanziellen Sanktionen drangsaliert. Gleichzeitig werden in den Kommunen soziale und kulturelle Angebote drastisch abgebaut. Der Abbau von sozialen Angeboten trifft bereits marginalisierte Teile der Gesellschaft, wie psychisch Erkrankte, Suchtkranke, von Gewalt betroffene Frauen und Migrant:innen. Der Abbau kultureller Projekte trifft überproportional junge Menschen, welche durch die Wiedereinführung der Wehrpflicht ohnehin düstere Aussichten haben.
Neben der Aufrüstung des eigenen Landes stellt auch die Aufrüstung eines anderen Landes einen Pfeiler des imperialistischen Programms der Regierung Merz dar: Nach den USA ist Deutschland der zweitgrößte Waffenlieferant Israels. In den letzten Jahren hat deutsches Kriegsgerät ungefähr 30 % der Importe ausgemacht, jenes der USA ungefähr 70 %. Seit 2003 wurde Israel durch Deutschland mit Waffen und Munition im Wert von über 3,3 Milliarden Euro aufgerüstet. Vor allem seit dem Gazakrieg von 2014 hat sich dies intensiviert, 2023 ist es zwischenzeitlich sprunghaft angestiegen. Viele dieser Waffen wurden von Deutschland subventioniert – eine kostspielige Angelegenheit, die nicht von ungefähr kommt. Deutschland und Israel verbindet eine enge wirtschaftliche Partnerschaft, vor allem im Bereich Rüstung und IT. Mindestens 16 deutsche Unternehmen produzieren nachweislich gemeinsam mit israelischen Firmen Kriegsgerät oder Bauteile für dieses. Deutschland nutzt also umgekehrt auch israelisches Know-how im Bereich Rüstung. Deutsche Militärs werden regelmäßig von israelischen und durch deren Erfahrung in Israels unzähligen Kriegen gegen seine Nachbar:innen geschult. Außerdem hat die enge Patenschaft Deutschlands zu Israel eine wichtige geostrategische Bedeutung, da Letzteres ähnlich wie die Türkei Deutschlands Tor zur arabischen Welt darstellt. Merz hält an dieser Partnerschaft fest. Der kurzzeitige und ohnehin nur teilweise Stopp deutscher Waffenlieferungen an Israel gehört bereits der Vergangenheit an.
Soziale Angriffe in Deutschland, Waffenlieferungen an Israel – sie haben eine gemeinsame Ursache: das militaristische Programm der Regierung Merz. Egal ob in Deutschland, Palästina oder sonst wo in der Welt. Die Lohnabhängigen, die Bauern/Bäuerinnen und die Jugend haben kein Interesse an der Aufrüstung und den Kriegen der Großmächte. Im Gegenteil sind wir es, die die Kosten dafür tragen müssen. Letztlich mit unserem Leben, so wie es die Menschen in Gaza bereits zu Zehntausenden tun mussten. Wir haben ein gemeinsames Interesse, die Regierung Merz zu Fall zu bringen. Wir haben ein gemeinsames Interesse an einer Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Lasst uns unsere Kämpfe verbinden. Hoch die internationale Solidarität!