Urs Hecker, Neue Internationale 296, November 2025
Ende September verabschiedete US-Präsident Trump ein Dekret zur Einstufung der Antifa-Bewegung als Terror-Organisation. Das Dekret selbst erklärt „die Antifa“ zu einer „militaristischen, anarchistischen Organisation“ und ermächtigt US-Behörden, jegliche ihrer Aktivitäten zu „untersuchen, unterbrechen und zu unterbinden“. Es geht einher mit einem neuen Memorandum zur Nationalen Sicherheit, das verschiedene US-Behörden wie das FBI dazu ermächtigt, politische Gruppen und Einzelpersonen zu verfolgen. Doch was steckt dahinter?
Seit der Amtseinführung von US-Präsident Trump jagt ein reaktionärer Angriff den anderen. Erst auf trans Personen und Frauen, kurz darauf folgte die Erlaubnis, dass ICE (Einwanderungs- und Zollbehörde) migrantische Gemeinschaften terrorisieren kann. Menschen werden auf offener Straße, an ihrem Arbeitsplatz und zu Hause von Beamt:innen in Zivil abgefangen, in drakonischen Abschiebeknästen festgehalten und abgeschoben. Die Behörde wird dabei auf ihrer Menschenjagd durch Quoten von 3.000 täglichen Festnahmen getrieben. Zusätzlich wurde die Staatsbürger:innenschaft per Geburt abgeschafft.
Die Trump-Regierung zelebriert dabei förmlich den Terror und die Grausamkeit, veröffentlicht Videos von Abschiebeflügen und Festnahmen und kündigt auch verbal an: „We’re coming for you“ (Wir kriegen euch). Als sich Widerstand gegen den rassistischen Terror in Metropolen wie Los Angeles, New York und Chicago bildete, setzte die Trump-Regierung die National Guard (Nationalgarde; Reserve der Streitkräfte und Miliz der föderalen Teilstaaten) in Los Angeles ein. In Chicago und New York scheiterte dies bislang an den Gerichten – aber weitere Repression konzentrierte die Regierung zunächst auf die Palästinabwegung, allen voran an den Universitäten. Unis wurden unter Druck gesetzt, aktive Studierende zu exmatrikulieren und ihnen sogar ihre bereits erlangten Abschlüsse abzuerkennen. Internationalen Studierenden wurden die Visa entzogen und Abschiebungen vorbereitet. Am berühmtesten ist der Fall Mahmoud Khalils, der monatelang für seinen Aktivismus in einem Abschiebeknast festgehalten wurde.
Das Attentat auf Charlie Kirk gab nun Anlass für den nächsten großen Angriff; das Ziel: die „Antifa-Bewegung“. Dass diese als homogene Bewegung nicht so existiert, ist nicht nur vielen Linken klar, sondern natürlich auch der US-Rechten. Gerade weil Antifa auch als Sammelbegriff für verschiedene Strömungen wie auch für jede Form direkter antifaschistischer Aktion verwendet werden kann und wird, kann er von der US-Regierung genutzt werden, um ihren Repressionsapparat auf jegliche Gruppierung der US-Linken anzusetzen. Die Einstufung der Antifa als Terrororganisation und das neue Sicherheitsmemorandum stellen also einen massiven Angriff auf die gesamte US-Linke und auf demokratische Rechte im Allgemeinen dar. Gleichzeitig handelt es sich nicht um ein isoliertes Geschehen, sondern es stellt die aktuelle Spitze eines reaktionären autoritären Umbaus der USA dar, der von der Trump-Regierung im Rahmen von „Project 2025“ verfolgt wird. Um zu verstehen, warum dies passiert, reicht es nicht, die Politik alleinig auf Trumps Person zu reduzieren. Vielmehr kann die aggressive US-Innen- und Außenpolitik nur im internationalen Kräfteverhältnis verstanden werden.
Hintergründe dieser Politik
Die Welt befindet sich in der Krise und so auch ihre (ehemalige) Hegemonialmacht USA. Die Überakkumulation sorgt spätestens seit 2008 für niedrige Profitraten. Große Teile des US-Kapitals sehen sich seit Jahren härterer Konkurrenz ausgesetzt. Eine ganze Menge ist längst nicht mehr profitabel, sondern verwendet die eigenen Gewinne vor allem, um die Schulden zu bedienen. Mit Russland und allen voran China treten imperialistische Mächte auf den Plan, die die US-Hegemonie und die aktuelle Aufteilung der Welt herausfordern. Um dieser Herausforderung entgegenzutreten, versuchen die USA, ihre Position mit einer aggressiven Politik gegenüber Rivalen wie Verbündeten zu verteidigen.
Die Angriffe im Inneren dienen dazu, möglichen politischen wie gewerkschaftlichen Widerstand präventiv auszuschalten, die Spaltungen innerhalb der Arbeiter:innenklasse und Unterdrückten zu forcieren und eine neue, rechte Hegemonie dauerhaft durchzusetzen.
Der Terror gegen die migrantischen Gemeinden, der allgemein grassierende Rassismus, die Angriffe auf die Rechte queerer Menschen und auf Frauen, die Repression gegen die Linke einschließlich der Palästinenser:innenbewegung und das Antifa-Verbot – all das sind Kriegserklärungen an die Ausgebeuteten und Unterdrückten. Die Neuordnung der Welt sowie der autoritäre Umbau im Inneren sind also zwei Seiten der Strategie der Trump-Administration.
Der Rechtsruck und die damit einhergehende Repression sind dabei international und nicht nur auf die USA beschränkt. Während Trump die Vorreiterrolle einnimmt, nehmen andere Rechte die Inspiration dankend an: Während in Deutschland die AfD mit ihrem Antifa-Verbotsantrag scheiterte, konnten andere Erfolge feiern. Ob der Rechtspopulist Geert Wilders in den Niederlanden oder das autoritäre Orbán-Regime in Ungarn, beide haben mit Verweis auf die USA ebenfalls ein „Antifa-Verbot“ durchgesetzt. Auch in diesen Ländern ist der Rechtsruck die Antwort der Kapitalist:innen auf die Krise. Auch wenn dies nicht Ergebnis einer so klaren Angriffsstrategie wie in den USA ist, verdeutlicht es, wie die internationale Rechte sich am Trump-Regime orientiert und Repressionsvorstöße dankend annimmt, um eigene Instabilität auszugleichen und sich für kommende Konflikte im Innern zu rüsten. Es zeigt den internationalen Charakter des Rechtsrucks – und bringt eine Idee, was auch anderswo auf uns zukommen kann.
Es waren die internationalen Niederlagen der Arbeiter:innenklasse in den Kämpfen nach dem Ausbruch der Krise 2007/08, die den reaktionären Kräften den Weg frei gemacht haben und die kämpfenden Massen demoralisierten. Doch das muss nicht so bleiben:
Heute steht eine neue Generation auf der Straße, wie wir an den Protesten in Indonesien, Nepal, Peru oder Marokko sehen können. Und auch in den USA erwacht der Widerstand gegen die 2. Trump-Administration. So gingen am 19.10. unter dem Motto „No Kings“ sieben Millionen auf die Straße, um sich gegen die Angriffe Trumps zu wehren. Allein in Chicago waren es über 300.000. Der Bürgermeister der Stadt rief dabei zu einem Generalstreik auf.
Doch um erfolgreich zu sein und die aktuellen Angriffe abzuwehren, muss aus der Geschichte gelernt werden. Die zeigt: Wer sich auf die Demokratische Partei verlässt, die die No-Kings-Bewegung einmal als Wähler:innenstimmen nutzen will, um dann selbst den US-Imperialismus zu stärken, ist am Ende selbst verlassen.
In den USA heißt das konkret, dass wir jede Unterordnung unter die Demokratische Partei bekämpfen müssen. Die Gewerkschaften, die DSA (Demokratische Sozialist:innen Amerikas), die antirassistischen und antisexistischen Bewegungen müssen endlich mit dieser Partei brechen. Sie steht nicht für die Interessen der Arbeiter:innen ein, sondern für einen Flügel der Bourgeoisie!
Es braucht jetzt ein Bündnis aller Kräfte der Arbeiter:innenklasse gegen die Angriffe der Rechten – und Revolutionär:innen müssen in diesen Mobilisierungen für ein revolutionäres Programm kämpfen, das den Kampf gegen Angriffe wie das Antifa-Verbot mit dem Sturz der Trump-Administration verbindet sowie mit dem Sturz des kapitalistischen Systems. Das kann nur geschehen, wenn die Massenproteste in den Betrieben, an Unis, Schulen und in Wohnvierteln verankert werden, um gleichzeitig ihre fortschrittlichsten Schichten für den Aufbau einer Arbeiter:innenpartei zu gewinnen, in der Kommunist:innen von Beginn an für ein revolutionäres Programm eintreten. Dabei ist klar: Der Kampf gegen den Rechtsruck ist ein internationaler, muss also mit dem Aufbau einer internationalen Partei der Arbeiter:innenklasse verbunden werden, einer neuen revolutionären Internationale.