Arbeiter:innenmacht

Sparen bis zum Stillstand – Kahlschlag bei der Deutschen Bahn

PoliticalPost DE, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

Lia Malinovski, Infomail 1286, 8. Juli 2025

Es ist bekannt: Die Deutsche Bahn soll sparen. Als privatrechtlich organisiertes Unternehmen ist sie dazu gezwungen, wirtschaftlich zu arbeiten und schwarze Zahlen zu schreiben. Bekanntlich tut sie das nicht im Geringsten. Daraus und daraus, dass die Investitionen vom Staat nicht signifikant mehr werden, ergibt sich ein harter Sparkurs, bei dem jeder Cent gedreht und gewendet wird und an allen Ecken und Enden Gelder gestrichen werden. DER SPIEGEL hat in der vergangenen Woche dazu ein internes Papier erhalten, nach dem 21.000 Sitzplätze – das ist ein Minus um 8 Prozent! – im Fernverkehr gestrichen werden sollen. Des Weiteren sollen die schnellsten Züge der DB-Flotte vom Typ ICE 3 ausgemustert und verkauft werden, ebenso wie die Züge des ICE T. Neue Züge sollen verzögert oder gar nicht kommen, die Mehrsystemzüge des ICE, die also auch nach Frankreich fahren, sollen auch verkauft werden und die neuen Doppelstock-Intercitywagen wurden es schon. Es ist ein Kahlschlag, wie er im Buche steht. Dabei schafft die Bahn es schon jetzt nicht, ihr Angebot ausreichend bereitzustellen. Im zweiten Quartal 2025 lag die Pünktlichkeit bei gerade mal 60 Prozent – und blieb damit schon unter dem Ziel von 67 %. Heißt: Mehr als jeder dritte gefahrene Zug kam mehr als 6 Minuten zu spät. Die Ausfälle sind in dieser Rechnung unberücksichtigt.

Generalsanierung Hamburg – Berlin

Neben dem Fuhrpark soll auch bei der Infrastruktur gespart werden. Das Projekt der Generalsanierung, das zum ersten Mal bei der Riedbahn (Frankfurt/M.–Mannheim) getestet wurde, ist selbst schon Ausdruck dessen. In möglichst kurzer Zeit wird eine ganze Strecke aus dem Betrieb, alles parallel saniert und dann wieder in Betrieb genommen. Das ist wesentlich günstiger als kurze Sperrungen kleinerer Abschnitte, oder zwischenzeitlich ein Gleis zu befahren. Doch für die Nutzer:innen sind monatelange Sperrungen und damit das Abschneiden ganzer Regionen vom Schienennetz kaum zumutbar. Monatelang nur Bus und Fahrzeitverlängerungen um Stunden sollen geschluckt werden. Und als wenn das nicht schon genug wäre, wird auch hier wieder gespart. Sollte zwischen Hamburg und Berlin eigentlich die Strecke digital ausgebaut werden, was mehr Kapazität schaffen und den Betrieb sicherer machen würde, bleibt die Bahn nun doch bei der Technik, mit der schon die ersten Eisenbahnen gefahren sind. Auch war die Rede von etwa 20 Überleitstellen, die zwischen Hamburg und Berlin neu oder ausgebaut werden sollen. Jetzt reduziert man die Zahl auf sechs. Das Ganze wird sogar positiv verkauft: Mit den Sparmaßnahmen schafft man die angestrebten Zeit- und Geldziele. 9 Monate kein Zug und doch wird es kaum besser.

Erinnerungen an 1995

Allen Eisenbahner:innen ist klar, was dieser Kahlschlag bedeutet. Wir kennen ihn schon und erleben zumindest seine Auswirkungen. Als die Bahn zur Börse gehen wollte, wurden auch jeder Cent umgedreht, alles auf seine Wirtschaftlichkeit überprüft und in der Folge Weichen ausgebaut, Strecken stillgelegt, Fahrzeuge verkauft, Wartungsintervalle hochgesetzt, Personal gespart, wo es nur möglich war. Mehdorn hat seinen Job gut gemacht – zum Leidwesen der Eisenbahner:innen und Nutzer:innen des Schienenverkehrs. Dass diese Maßnahmen ein großer Fehler waren und die Bahn nie hätte privatisiert werden sollen, merken wir jetzt besonders. Die schlechten Zahlen kommen nicht von irgendwo, sondern von jahrelanger Vernachlässigung der Infrastruktur, der Fahrzeuge und des Personals. Dagegen will man vorgehen mit tollen Projekttiteln wie der „Starken Schiene“, aber ankommen tut nichts. Im Gegenteil: Es werden die gleichen Fehler wieder gemacht, mit schon benannten Auswirkungen auf die Nutzer:innen. Auch die Eisenbahner:innen leiden darunter. Zwar heißt es immer wieder, im operativen Bereich (d. h. Fahrdienstleiter:innen, Lokführer:innen, Zugbegleitpersonal etc.) wird nicht gespart, in der Realität werden Ruhezeiten und -tage kürzer, die Schichten länger und in der Ausbildung wird alles gespart, was geht. Nur das Nötigste wird gemacht, um den Laden am Laufen zu halten. Unter dem Banner „S3“ will man zurück zur „Starken Schiene“ und die Bahn wieder auf Kurs bringen, doch mit für die Bahner:innen unverständlichen Maßnahmen und Kürzungen werden die Kolleg:innen nur verunsichert und der Ton wird rauer. Was wir erleben dürfen, löst die offensichtlichen Probleme der Bahn nicht, sondern verschlimmert sie teilweise und verschiebt andere auf die Zukunft. Daran ändert auch kein Haka-Tanz der Führungskräfte vom DB Fernverkehr etwas, die sich auf ihrer Tagung Mut zusprechen und das ganze Schlamassel mit „Fernverkehr, wir sind stark“ ausrufen und sich anhören, als würden sie einen Dämon beschwören, und so wirken, als machten sie sich über den Protest der Maori, eben deren traditionellen Haka-Tanz, vor einigen Monaten lustig. Für sie sind das alles bloße Zahlen, für die Eisenbahner:innen ein fester Schlag ins Gesicht.

Programm der Regierung

Nun sind die Manager:innen der Bahn nicht die einzigen, die für ihren Zustand verantwortlich sind und diesen verschlechtern werden. Auch die neue Regierung aus CDU und SPD trägt ihren Anteil. Wer nach konkreten Zielen für die Verkehrswende sucht, darf lange warten. Zum DB-Konzern sagt sie, sie wolle eine Bahnreform durchführen, am Konzept des Konzerns aber festhalten – was genau das bedeutet, bleibt offen, klingt aber nach mehr Privatisierung, Entflechtung von Betrieb und Infrastruktur, aber weiter unter dem Mantel der Deutschen Bahn. Wir haben schon öfters deutlich gemacht, dass eine weitere künstliche Trennung von Betrieb und Infrastruktur nur zu Problemen führt und keine Perspektive darstellt. Dass hier die Gewerkschaft EVG meint, das sei okay und man müsse nur wachsam bezüglich der Bahnreform sein, anstatt für eine Verstaatlichung der Bahn einzutreten, lässt tief blicken – aber dazu später mehr. Zur Finanzierung wartet sie mit mehreren Ideen auf, die die Finanzierung sicherstellen sollen, inklusive Sondervermögen Infrastruktur. Was davon aber wo ankommt und wie viel in den bürokratischen Strukturen des Konzerns versickert, wird sich zeigen. Der aktuelle Trend beweist aber nichts Gutes, wenn selbst eine 9-monatige Generalsanierung um alles beraubt und nur zur Instandhaltung, nicht zum Ausbau genutzt wird und notwendige Planungen nach hinten verschoben werden.

Für den Regionalverkehr wollen SPD und CDU eine neue Finanzierungsgrundlage schaffen, setzen sich aber nur die Erhaltung des Status quo zum Ziel – vom Ausbau des ÖPNV ist keine Rede. Zusätzlich sollen „innovative Ansätze“ gefördert werden – beispielsweise Magnetschwebebahnen. Anstatt in vorhandene, funktionierende Konzepte zu investieren und die Bahn zum Vehikel der Verkehrswende zu gestalten, sollen unsinnige Konzepte probiert und finanziert werden. Das Deutschlandticket soll erhalten werden – erst mal finanziert bis 2029 –, aber der Preis soll weiter steigen, zwar „sozialverträglich“, das Wort ist aber schon so ausgelutscht, dass es nichts mehr zu bedeuten hat.

Zum Güterverkehr nimmt sich die Regierung vor, weiter auf die Schiene zu setzen – nennt aber kein konkretes Ziel, bis wann – wie die vorherige. DB Cargo soll auf „Marktfähigkeit überprüft“ werden. Bedeutet: DB Cargo wird mittelfristig fallengelassen. Insbesondere Einzelwagenverkehr ist keine „marktfähige“ Transportart. Es läuft auf mehr LKW und weniger Schienengüterverkehr hinaus, unter dem Ziel, Güter auf die Schiene zu verlagern. Überfällige Neuerungen wie die automatische Kupplung werden nicht erwähnt und Trassenpreise sollen unkonkret „reformiert“ werden, nicht einmal günstigere werden ins Auge gefasst.

Kurzum: Die Bahn soll weiter kaputtgespart werden. Der Verkehrswende wird eine absolute Absage erteilt und jede Investition soll überprüft werden. Für Nutzer:innen sind höhere Preise vorgesehen, Güter bleiben auf der Straße und das Auto wird weiter attraktiv gemacht. Die einzige „positive“ Entwicklung für die Bahn ist die massive Aufrüstung, für die die Kernstrecken (insbesondere West-Ost-Achse) saniert und kriegstüchtig gemacht werden müssen.

Gewerkschaften

Das Ganze tragen die Gewerkschaften – ob GDL oder EVG – mehr oder weniger schweigend mit. Die zahme EVG hat in ihrer Tarifrunde bewiesen, dass sie keinen Widerstand leisten wird – daran ändert auch der symbolische Protest gegen die Werksschließung in Delitzsch nichts. Selbst der Koalitionsvertrag der neuen Regierung, der diesen Sparkurs nur unterstützt, wird kaum kritisiert und nur ein paar Wünsche daran werden geäußert. Und trotzdem ist die EVG damit lauter gegen den Kurs von Regierung und Bahnvorstand als die GDL, die in Tarifrunden immer laut, danach aber kaum erkennbar ist. Beide Gewerkschaften sind so fest in der Sozialpartner:innenschaft und ihrem gegenseitigen Konkurrenzkampf gefangen, dass sie schweigend zusehen, wie die Eisenbahner:innen verkauft und die Bahn in den Stillstand gespart wird.

Verstaatlichung unter Kontrolle der Bahner:innen und Nutzenden!

Alles in allem ist klar, dass es nicht weitergehen kann wie bisher. Es braucht eine Bahnreform, aber keine der neoliberalen Art. Die Bahn muss wieder verstaatlicht werden, unter der Kontrolle der Eisenbahner:innen und ihrer Nutzer:innen. Es braucht massive Investitionen in die Infrastruktur, ein Ende des Profitzwangs und genug Werkstätten, um die notwendigen Reparaturen und Wartungen der Fahrzeuge sicherzustellen. Die Trassenpreise müssen unter die Kontrolle der Nutzenden gebracht werden, der ÖPNV gehört kostenlos und ausgebaut, für eine Bahn für alle und eine tatsächliche Verkehrswende! Die Gewerkschaften müssen ihren Konkurrenzkampf beilegen und gemeinsam diese Forderungen aufwerfen. Dabei muss uns klar sein, dass die Gewerkschaftsbürokratie, ob grün oder blau, das nicht von sich aus tun wird. Die Eisenbahner:innen müssen sie dazu zwingen und sich über die eigene Gewerkschaft hinaus vernetzen.

  • Nein zu Werksschließungen und Sparkurs – für eine Verstaatlichung der Bahn unter der Kontrolle der Eisenbahner:innen und Nutzenden! Mit der Eisenbahn lassen sich keine Gewinne erzielen!
  • Kostenloser ÖPNV für alle! Für den massiven Ausbau und die Elektrifizierung! Trassenpreise unter die Kontrolle der Eisenbahner:innen!

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3 thoughts on “Sparen bis zum Stillstand – Kahlschlag bei der Deutschen Bahn”

  1. Hanns Graaf sagt:

    Ihr fordert die Verstaatlichung der Bahn (was in diesem Fall richtig ist, weil ein systemisches Unternehmen nicht als Genossenschaft geführt werden kann), doch die Bahn ist eine AG, die schon zu 100% in Staatshand ist. MfG Hanns Graaf

    1. Sophia Pusteblume sagt:

      Damit bezieht sich die Autorin wohl in erster Linie auf die privatrechtliche Organisierung der DB AG und den daraus resultierenden Zwang zur Wirtschaftlichkeit.

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