Oda Lux, Gruppe Arbeiter:innenmacht, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung 13, März 2025
Ob Gewalt durch Securitys oder systemimmanenter Sexismus, der selbst sexuelle Belästigung und Vergewaltigungen zugunsten universitärer Machtstrukturen unter den Tisch fallen lässt: All das ist Universität. Frauen (und Queers) sind hier in besonderem Maße gefährdet. So kam es im Oktober 2024 zu Massenprotesten nach einer Vergewaltigung am Punjab College in Lahore, Pakistan. Doch nicht erst die gezielte sexualisierte Gewalt ist eine Gefahr für uns, sondern bereits die prekären Lebensbedingungen, die zum Beispiel am Howard College in Washington D.C. 2021 zu „Dorm Strikes“ (Weigerung, in der Student:innenunterkunft zu übernachten) geführt haben. Je prekärer die Wohnsituation, desto gefährdeter sind Frauen und Queers, selbst in ihrem Zuhause Gewalt zu erfahren. Es ist daher Zeit, zurückzuschlagen und sich zu organisieren!
Schaut man sich die Weltlage an, so sieht man schnell, dass patriarchale Gewalt wieder auf dem Vormarsch ist: Sie findet in der Bahn, an der Uni und in der Familie statt. In den Medien müssen wir von Massenvergewaltigungen, etwa in Indien oder Pakistan, aber auch in Deutschland, lesen. Erst im November 2024 berichteten wir von Protesten nach einer Vergewaltigung durch einen Wachmann am Punjab College in Lahore. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, hatte die Universität die solidarischen Kommiliton:innen u. a. mit Verleumdungen und durch Polizeigewalt eingeschüchtert und schaltete die Polizei ein. Nicht etwa, um den Fall schnell aufzuklären, sondern um die Betroffenen zum Schweigen zu bringen. Mehr dazu: https://arbeiterinnenmacht.de/2024/10/21/pakistan-massenprotest-von-studentinnen-gegen-vergewaltigung-am-punjab-college/ .
Doch auch im imperialistischen Zentrum ist sexuelle Gewalt an der Uni Alltag. In den USA wohnen die meisten Studierenden auf dem Campus. Dort sind Frauen und Queers durch die prekäre Wohnsituation und die Frat-Kultur (Burschenschaftskultur amerikanischer Studentenverbindungen, deren Wurzeln ebenso wie die im deutschsprachigen Raum auf Freimaurerlogen zurückgehen), bei deren Partys es häufig zu sexueller Gewalt in Kombination mit Alkohol und K.-o.-Tropfen kommt, noch mehr gefährdet. Foubert et al. (2007) fanden heraus, dass Männer in diesen Verbindungen dreimal so häufig eine Vergewaltigung begehen wie andere Studenten. Aufgrund der hohen Studiengebühren, die in den USA viele in immense Schulden treiben, ist ein Collegewechsel oft keine Möglichkeit. Aus Protest trug die Studentin Emma Sulkowicz 2014 ihre Matratze, auf der sie vergewaltigt wurde, täglich über den Campus, um Aufmerksamkeit zu schaffen und Konsequenzen zu fordern. Emmas Fall wurde von Uni und Polizei abgelehnt. Die 2020 unter Trump und Bildungsministerin Betsy DeVos eingeführten Title-IX-Regelungen verpflichten US-Hochschulen, Live-Anhörungen durchzuführen, in denen Beschuldigte ihre Ankläger:innen ins Kreuzverhör nehmen können (Title IX: § 9 des Bundesbürgerrechts der 1972 eingeführten Bildungsänderungen verbietet geschlechtsspezifische Diskriminierung an Schulen bzw. bei bundesstaatlich finanzierten Bildungsprogrammen). Zudem lockerten sie die Meldepflicht für Hochschulangestellte und schränkten die Definition sexueller Belästigung zum Nachteil der Betroffenen ein. Nach einer gerichtlichen Entscheidung wurden diese Maßnahmen 2025 erneut in Kraft gesetzt – ein Rückschritt für den Opferschutz, da es die Meldebereitschaft senkt und Hochschulen weniger Verantwortung übernehmen müssen.
Auch in Österreich und Deutschland ist sexuelle Gewalt an Unis ein Problem. Etwa jede:r Zehnte (!!!) hat in Österreich im letzten Jahr laut einer ÖH-Umfrage an der Uni sexualisierte Gewalt erlebt (ÖH: Österreichische Hochschüler:innenschaft). Vorher wurden keine Zahlen erhoben, und in Deutschland ist es schwierig, überhaupt Daten zu finden. Nicht nur, weil es mutige Betroffene braucht, die sich melden, sondern auch, weil Unis dies verhindern wollen und man bei der Polizei zumeist nicht auf offene, einfühlsame Ohren stößt. Der Fall eines Dozenten des Geschichtsinstituts der Berliner Humboldt-Universität, welcher über Jahrzehnte weibliche Studierende verbal belästigte und quälte, konnte erst durch die unermüdliche Arbeit von Betroffenen und Unterstützer:innen offengelegt werden. Dies hat „nur“ 20 Jahre und zahlreiche Betroffene gebraucht. Der Uni war das Problem bekannt, eingegriffen hat sie erst mal nicht. Stattdessen wurde jetzt der rechtsradikale Professor Baberowski als Ansprechpartner in Fällen von Übergriffen benannt. Sehr vertrauenswürdig, insbesondere für Menschen mit Migrationshintergrund!
Doch das ist nicht alles: Durch drohende Kürzungen ist es wahrscheinlich, dass die wenigen Anlaufstellen weiter abgebaut werden. Zudem werden rechtsextreme Gruppen wie die Identitäre Bewegung oder diverse Burschenschaften immer lauter. An der Uni Wien gefährdet der wöchentliche Burschenschaftsbummel auf der Rampe des Hauptgebäudes seit Jahren das Unileben. Dabei treffen sich jeden Mittwoch Burschis der zusammengeschlossenen Verbindungen in ihrem Couleur, um ihre reaktionären Einstellungen wie Deutschnationalismus, Antisemitismus und Antifeminismus zur Schau zu stellen. Durch den Wahlerfolg der FPÖ und die große Schnittmenge zwischen FPÖ, deren Jugendorganisationen und deutschnationalen Burschenschaften ist der Burschi-Bummel momentan besonders gut besucht. Diese Männerbünde sind nicht nur ideologisch sexistisch, ihre Mitglieder legen dieses Verhalten ebenso an den Tag wie die US-amerikanischen Frats. In ihren Burschi-Häusern sind Frauen nur während der Partys erlaubt, bei denen Unmengen an Alkohol fließen und sexualisierte Gewalt sicherlich kein Einzelfall ist.
Universitäten sind Ausbildungsstätten des bürgerlichen Staates mit dem Ziel, qualifizierte Arbeitskräfte und zukünftiges Management auszubilden und, besonders im Falle von Privatuniversitäten, direkt mit dem Kapital verknüpft. Aber auch staatliche Unis erhalten Förderungen, z. B. für Forschungsprojekte von Kapitalseite, oder es wird unter dem Deckmantel von ziviler Forschung Kriegsgerät entwickelt. Darüber hinaus stellen sie die Reproduktion der bürgerlichen Ideologie sicher. Universitäten sind also kein herrschaftsfreier Raum, der für alle gleichermaßen zugänglich ist und in dem sich jede/r am wissenschaftlichen Diskurs beteiligen kann.
Das zeigen unter anderem die hohen Studiengebühren in den USA, die Anforderungen fürs Studieren generell oder praktisch der Umgang vieler Universitätsleitungen mit den Palästinaprotesten. Diskursfreiheit sieht anders aus. Die steigende Zahl an Securitys, bspw. an Berliner Universitäten, die gegen propalästinensische Studierende eingesetzt werden, zeigt, dass sie in erster Linie zum Schutz des Universitätseigentums da sind. Spätestens in Gremien, die Vorbeugung sexueller Gewalt beschließen könnten, werden die Machtverhältnisse an der Uni deutlich. In Deutschland haben die Profs im Senat die absolute Mehrheit, Studierende und Beschäftigte sind unterrepräsentiert. Kommt doch was ans Licht, so helfen eben diese Gremien den Betroffenen nicht, sondern legen ihnen Steine in den Weg, da sie um ihre Position und Finanzierung fürchten. Im akademischen Mittelbau ist dies noch brisanter, da das Personal dort nur in prekären Beschäftigungsverhältnissen mit massiven Befristungen angestellt ist. Muckt wer zu sehr auf, sind sowohl Betroffene als auch Unterstützer:innen leichter loszuwerden als Profs, die neben akademischem Ansehen oft durch ihre Professur auf Lebenszeit unantastbar sind. Die Universität wird daher keine nachhaltigen Maßnahmen gegen sexuelle Übergriffe umsetzen. Ihr ist egal, ob Gremien wirklich etwas gegen Sexismus bringen, solange eine Rufschädigung oder der Entzug von Mitteln verhindert wird.
Es ist klar, weder bürgerlicher Staat noch Universitätsleitungen werden uns vor Übergriffen und Angriffen schützen. Wir müssen es selbst in die Hand nehmen! Ohne die Machtverhältnisse zwischen Unileitung, Profs, Dozent:innen und Studis anzugehen, wird sich nichts ändern. Dabei wollen wir nicht einfach die Sitzverteilung im Uni-Senat reformieren, denn dieser ist eine Ständedemokratie und somit rückschrittlicher als jedes Parlament! Für uns ist klar: Die Unis müssen letztlich unter die Kontrolle von Studierenden, Dozent:innen und Vertreter:innen der Arbeiter:innenklasse gestellt werden! Weg mit jeder Befristung, aber auch der Unantastbarkeit, die die Professur oftmals gewährleistet.
Damit niemand aus Angst vor dem Entzug finanzieller Mittel oder Jobverlust still bleibt, muss die Uni kostenlos und für alle zugänglich sein. Das heißt auch, sich gegen alle Kürzungen zu stellen! Außerdem müssen Studierende ihren Schutz selber organisieren können. Dafür braucht es Selbstverteidigungsstrukturen von Frauen und Queers, die besonders in Studiheimen gegen sexualisierte Gewalt vorgehen können. Aber auch andere Studierende, Dozent:innen und weitere Angestellte an der Uni müssen sich überall zu Komitees formieren. Diese dienen nicht nur zum Schutz vor Angriffen, etwa auch vor Kürzungen, sondern sollen präventiv und unterstützend sein, sodass keine Betroffenen mehr allein sind. Gemeinsam kicken wir dann nicht nur die Burschis, sondern auch grapschende Profs und rassistische Securitys raus!
Wir fordern daher: