Arbeiter:innenmacht

Warnstreiks im öffentlichen Dienst

Martin Suchanek, Infomail 1276, 21. Februar 1276

Bundesweit legten heute, am 21. Februar, Zehntausende Beschäftigte bei Bund und Kommunen die Arbeit nieder. In Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bremen streikten vor allem die Arbeiter:innen bei den kommunalen Bus- und Bahnunternehmen. In Berlin legten die Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), die in einer gesonderten Tarifrunde zeitgleich verhandeln, schon am Donnerstag die Arbeit nieder. Am Freitag zogen mehr als 10.000 Streikende von BVG, Stromnetz Berlin, BEW Berliner Energie und Wärme, der Berliner Stadtreinigung und den Berliner Wasserbetrieben vor das Rote Rathaus.

Die Mobilisierung läuft. Nach Jahren des Reallohnverlusts oder „bestenfalls“ stagnierender Einkommen, der Unterbesetzung, Überlastung und Kürzungen haben die 2,5 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen die Schnauze längst voll. Die Streikbereitschaft ist gerade in den kampfstarken Sektoren wie Verkehr oder Stadtreinigung hoch. Und diese können im Unterschied zu anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes erwiesenermaßen rasch und flächendeckend ökonomischen Druck aufbauen und ganze Städte und Regionen lahmlegen.

Eigentlich sehr gute Voraussetzungen für einen harten, langen Arbeitskampf, bei dem mit unbefristeten Streiks die Durchsetzung keineswegs allzu radikaler Forderungen – 8 % mehr Lohn, aber mindestens 350 Euro, für Azubis 200 Euro – erzwungen werden könnte. Bei der Berliner BVG werden 750 Euro mehr gefordert – klingt viel, ist aber keineswegs so dramatisch, wenn man bedenkt, dass der letzte Tarifabschluss im Jahr 2020 während der Pandemie abgeschlossen wurde und seither kein Inflationsausgleich erfolgt ist!

Während bei der BVG ein allerdings völlig unzureichendes Angebot vorliegt, haben die Verhandlungsführungen von Bund und Kommunen in den bisherigen zwei Verhandlungsrunden erst gar keins präsentiert. Bis zum 14. März, der nächsten Runde, mag zwar etwas vorliegen. Doch wie immer ein solches Angebot aussehen wird, es wird völlig hinter den Forderungen der Gewerkschaften und Beschäftigten zurückbleiben.

Daher bräuchte es den Kurs auf einen flächendeckenden, koordinierten Streik im gesamten öffentlichen Dienst und engerer Abstimmung mit anderen Tarifrunden wie z. B. bei der BVG.
Doch auch wenn sich der Gewerkschaftsapparat bei den Kundgebungen kämpferisch gibt, so versucht ver.di im Grunde, einen harten Arbeitskampf zu vermeiden. Die Mobilisierungen sollen nicht die volle Kampfkraft entfalten, um einen längeren Erzwingungsstreik für die Forderungen als solche vorzubereiten, sondern in erster Linie die „Sozialpartner:innen“ bei Bund und Kommunen an den Verhandlungstisch zwingen.

Politik des Apparates

So lässt der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke auf der Webseite der Gewerkschaft verlauten: „Die Arbeitgeber verweigern ein Angebot. Weder zum Thema Entgelterhöhung noch zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder zu Entlastungen gibt es irgendwelche Zugeständnisse. Damit verspielen Bund und Kommunen die Chance auf eine schnelle Einigung. Das ist ein fatales Signal an die Beschäftigten und an die Bürger*innen, die in einer Zeit wachsender Verunsicherung auf einen funktionierenden öffentlichen Dienst angewiesen sind.“

Dies, so beklagt er weiter, wäre ein „Ausdruck mangelnden Respekts der öffentlichen Arbeitgeber gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen“.

Wenn die Chef:innen „respektvoller“ wären, könnten wir uns, so die Logik des Apparates, auch „gütig“, auf einen „akzeptablen“ Kompromiss einigen. So zwingen uns die „Arbeitgeber:innen“ in eine langen Tarifrunde, während die Gewerkschaftsspitze doch gern eine „schnelle Einigung“ hätte.

Mit dieser Politik, die auf sozialpartnerschaftlichen „Respekt“ statt respektloser, klassenkämpferischer Mobilisierung setzt, wird kein Blumentopf, allenfalls ein weiterer fauler Kompromiss zu holen sein.

Daher braucht es einen Kurswechsel im Tarifkampf, nicht nur markige Worte bei Warnstreiks, sondern den Kurs einer echten, flächendeckenden Konfrontation. Nach den Provokationen der sog. Arbeitgeber:innen, die erst gar kein Angebot vorgelegt haben, sollten die Gewerkschaften nicht die nächste Runde am 14. März beschwören, sondern schlichtweg die Verhandlungen für gescheitert erklären und die Urabstimmung einleiten. Vom Apparat, von der Bürokratie ist das nicht zu erwarten.

Daher braucht es Versammlungen in den Betrieben, Diskussionen und Beschlüsse über die Ausrichtung des Arbeitskampfes. Dazu braucht es die Wahl von Streikleitungen und die Kontrolle über die Verhandlungen – und dazu braucht es das koordinierte Vorgehen aller oppositioneller und klassenkämpferischer Kolleg:innen, um jetzt für einen Erzwingungsstreik einzutreten.

Related Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Aktuelle Veranstaltungen

Aug.
12
Di.
14:00 Internationalismus. Revolutionär... @ Berlin/Brandenburg
Internationalismus. Revolutionär... @ Berlin/Brandenburg
Aug. 12 um 14:00 – Aug. 17 um 14:00
Internationalismus. Revolutionäres Sommercamp @ Berlin/Brandenburg
Internationalismus Revolutionäres Sommercamp Krieg, Krise, Kapitalismus – es reicht! Ob Ukrainekrieg, der Genozid in Gaza oder die neuen Handelskriege – eine Krise jagt die nächste. Gleichzeitig treibt die Wirtschaftskrise die Inflation in die Höhe, während[...]

Vom Widerstand zur Befreiung

Für ein freies, demokratisches, sozialistisches Palästina!

Broschüre, A4, 48 Seiten, 3,- Euro

Lage der Klasse – Podcast der Gruppe Arbeiter:innenmacht