Arbeiter:innenmacht

Britannien: Widerstand gegen den Abschiebungsplan nach Ruanda!

Dave Stockton, Infomail 1254, 14. Mai 2024

Der Plan der Tories, Flüchtlingen das Recht zu verweigern, in Großbritannien Asyl zu beantragen und sie stattdessen nach Ruanda abzuschieben, hat mit der Verabschiedung des Ruanda-Sicherheitsgesetzes eine weitere Hürde genommen.

Das Gesetz dient dazu, das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom November letzten Jahres aufzuheben. Dieses besagt, dass die Regelung gegen britisches und internationales Recht verstößt, weil es keine ausreichenden Beweise dafür gibt, dass Ruanda ein sicheres Land ist.

Die Regierung behauptet, die Regelung werde Flüchtlinge davon abhalten, auf „irregulärem“ Weg nach Großbritannien zu reisen. Innenminister James Cleverly rühmte sich, das Gesetz sei ein „Meilenstein in unserem Plan, die Boote zu stoppen“.

Barbarisierung

Nur wenige Stunden nach Verabschiedung des Gesetzes starben fünf Menschen, darunter ein achtjähriges Kind, bei dem Versuch, den Ärmelkanal zu überqueren. Die Politik, Asylbewerber:innen jahrelang in Lager oder Gefängnisklötze zu sperren, ihnen das Arbeiten zu verbieten oder mit der Abschiebung nach Ruanda zu drohen, hat die Menschen nicht davon abgehalten, nach Großbritannien zu kommen.

Die Anprangerung von „Schleuserbanden“ fokussiert die Debatte auf ein Symptom, nicht die Ursache. Die Zunahme der lebensgefährlichen Kanalüberquerungen und der Schleuser:innennetze, die sie organisieren, ist eine Folge des allgemeinen Anstiegs der Flüchtlingszahlen, des beinahe Verschwindens der legalen Einreisewege und des harten Vorgehens gegen frühere Formen der Einreise über Flug- und Seehäfen oder den Kanaltunnel.

Die Fakten sind eindeutig: Die große Mehrheit der „irregulären Ankömmlinge“ sind asylberechtigte Flüchtlinge oder Lohnabhängige, die Arbeit und einen besseren Lebensstandard suchen. Staatsangehörige aus fünf Ländern – Iran, Irak, Syrien, Afghanistan und Albanien – machen 71 % derjenigen aus, die zwischen 2018 und 2023 in kleinen Booten übersetzten. 92 % von ihnen beantragten Asyl. Von den wenigen Anträgen, die bearbeitet wurden, erhielten 86 % eine Schutzgewährung.

Das Problem für die Regierung ist, dass Flüchtlinge nach britischem Recht und internationalen Verträgen das Recht haben, in jedem Land ihrer Wahl Asyl zu beantragen. Es gibt kein Gesetz, das sie dazu verpflichtet, im ersten „sicheren Land“ Asyl zu beantragen. Der größere Zusammenhang besteht darin, dass trotz der reaktionären Propaganda der Brexitbefürworter:innen, „die Kontrolle über unsere Grenzen wiederzuerlangen“, um die Einwanderung zu verringern, Großbritanniens krisengeschüttelte Wirtschaft mit niedrigen Löhnen von Arbeitsmigrant:innen abhängig ist, um das Gesundheitssystem mit Personal zu versorgen, die Ernte einbringen und ältere Menschen zu pflegen.

Solange das Vereinigte Königreich nicht seine internationalen Vertragsverpflichtungen völlig aufgibt, die es zur Prüfung von Asylanträgen verpflichten, sind die Regierungen daher gezwungen, immer höhere, phantastische Summen für die Befestigung der Grenzen und die Verfolgung von Flüchtlingen auszugeben, um andere „abzuschrecken“.

Auch das Ruanda-Gesetz wird die Ankommenden nicht abhalten. Dies bestätigte Matthew Rycroft, der für diese Politik zuständige Beamte als Permanenter Staatsunterminister im Innenressort, der den Abgeordneten erklärte, seine Behörde habe keine Beweise für die abschreckende Wirkung der Regelung.

Zweck

Der eigentliche strategische Zweck des Gesetzentwurfs besteht darin, die imaginäre „Invasion unserer Südküste“ (so die ehemalige Innenministerin Suella Braverman) in den Schlagzeilen zu halten und es der Regierung zu ermöglichen, sich als Verteidigerin der „Souveränität“ des Vereinigten Königreichs gegenüber den sich einmischenden „europäischen“ Gerichten zu präsentieren, die „unkontrollierte Einwanderung, unzureichende Integration und ein fehlgeleitetes Dogma des Multikulturalismus haben sich in den letzten Jahrzehnten als eine giftige Kombination für Europa erwiesen“ (wieder Zitat Braverman).

Das Gesetz über die Sicherheit in Ruanda hat in der Praxis drei Auswirkungen. Erstens bringt es Großbritannien in Konflikt mit seinen internationalen Vertragsverpflichtungen, da es der Regierung das Recht einräumt, sich über Gerichtsurteile von Gerichten hinwegzusetzen, die befugt sind, verschiedene Verträge der UNO und der Europäischen Menschenrechtskonvention zu wahren. Zweitens wird damit ein Präzedenzfall für Massenabschiebungen geschaffen, da eine Regierung ein Land per Erlass zu einem „sicheren“ Ort erklären kann. Drittens werden dadurch Tausende von Arbeitsmigrant:innen in die Schattenwirtschaft getrieben, wo sie sich vor Denunziant:innen und Razzien der Grenzschutzbehörde verstecken – ein Bonus für skrupellose Arbeit„geber“:innen und kriminelle Ausbeutung.

Das Ruanda-Programm stößt seit seinem ersten Entwurf durch den ehemaligen Premierminister Boris Johnson im Jahr 2022 auf großen Widerstand. In der Folge geriet es zum Kernstück der Regierung von Rishi Sunak, der versucht, die Tory-Partei angesichts einer möglichen Wahlniederlage bei den kommenden Parlamentswahlen zusammenzuhalten.

Obwohl die Labour-Partei gegen Sunaks Gesetzentwurf gestimmt und versprochen hat, ihn im Falle eines Wahlsiegs wieder aufzuheben, hat ihr Vorsitzender Keir Starmer erklärt, Schmugglerbanden wie Terrorist:innen zu behandeln und mit der Europäischen Union ein Abkommen zu schließen, das die Rückführung von Menschen vorsieht, die den Ärmelkanal überqueren, um im Gegenzug eine Quote für diejenigen zu erhalten, die an den Grenzen der EU ankommen. Die Labour-Führung stimmt mit den Tories völlig darin überein, dass Flüchtlinge ein Problem seien, das ferngehalten werden müsse – sie will nur das Geld lieber für mehr Grenzschutz, Polizei und eine schnellere Bearbeitung der Anträge ausgeben.

In Großbritannien wird eine Kampagne erforderlich sein, um alles zu tun, was möglich ist, um die Flüge zu stoppen, einschließlich der Aktionen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und an den Flughäfen, die sich weigern sollten, mit dem Abschiebungsprogramm zu kooperieren. In unseren Gemeinden brauchen wir eine organisierte Selbstverteidigung gegen die Razzien der Grenzbehörden, wie sie 2021 in Glasgow und in den letzten Wochen in Margate (Kent) und Peckham (Südostlondon) stattfanden.

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