Arbeiter:innenmacht

Vorwort: Revolutionärer Marxismus 39

Martin Suchanek, Revolutionärer Marxismus 39, Juli 2008

Seit Juli 2008 gibt es keinen Zweifel mehr: Wir erleben die größte Finanz- und Bankenkrise seit Jahrzehnten. Die drittgrößte US-Investmentbank, Merrill Lynch, musste gerade bekannt geben, dass sich die Verluste der letzten vier Quartale auf 19 Milliarden Dollar (= 12 Milliarden Euro) belaufen.

Die Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac stehen vor dem Zusammenbruch. Seit Jahresbeginn haben sie neue Kredite im Wert von 20 Milliarden US-Dollar aufnehmen müssen, um die steigenden Verluste der Immobilienkrise zu decken.

Zusammen haben allein Fannie Mae und Freddie Mac Anleihen und Hypothekenpapiere in Höhe von rund 5.000 Milliarden Dollar emittiert – eine Summe, die etwa einem Drittel des Bruttosozialprodukts der USA entspricht. Ein Kollaps der beiden Hypothekenfinanzierer könnte das internationale Bankensystem in eine Krise stürzen, der gegenüber die letzten Monate nur als ein harmloses Vorspiel erscheinen – dabei ist das nur eine der Tretminen der kapitalistischen Weltwirtschaft, die kurz vor der Explosion stehen.

I

So offensichtlich die Krise ist, so ergibt sich daraus keineswegs automatisch das Wissen über ihre tieferen Ursachen. Wäre dem so, würden Erscheinung und Wesen beide gleichermaßen offensichtlich zu tage treten, würde dagegen die Erscheinung einer Sache nicht oft genug Formen annehmen, die scheinbar den dahinter liegenden Gesetzmäßigkeiten und ihrem Wesen widersprechen – es bräuchte keine Wissenschaft, keine Analyse, kein Nachdenken überhaupt.

Daher haben wir uns in dieser Ausgabe des Revolutionären Marxismus die Aufgabe gestellt, einen Beitrag zum Verständnis der aktuellen Lage auf Grundlage des Marxismus zu leisten – als Teil der theoretischen Arbeit der „Liga für die Fünfte Internationale“ zum gegenwärtigen Imperialismus. Die hier veröffentlichten Artikel geben den aktuellen Diskussionsstand unserer Strömung wider, der in vielen Aspekten noch weiterentwickelt und ergänzt wird.

Die Beiträge halten den momentanen Stand der Diskussion und gemeinsame Positionen und Erkenntnisse fest, die das theoretische und analytische Fundament unserer Einschätzung der aktuellen Lage vertiefen.

Eine Schwierigkeit und Notwendigkeit bei dieser Aufgabe ergibt sich daraus, dass es „die“ unbestrittene revolutionäre Tradition der Krisen- und Imperialismustheorie seit Jahrzehnten nicht gibt. Vielmehr hat sich selbst in „marxistischen“ Debatten eine Reihe bürgerlicher und revisionistischer Theorie breit gemacht. Daher beinhalten die Artikel:

a) eine Darlegung und Verteidigung zentraler Grundlagen der Marxschen Krisen- und Zusammenbruchstheorie;

b) eine Verteidigung der Leninschen Imperialismustheorie und zentraler Kategorien wie jener des Finanzkapitals;

c) eine klare Zurückweisung revisionistischer Auffassungen wie der Theorie der „langen Wellen“, der monetären Werttheorie oder von Hilferdings falscher Geldtheorie (und ihrer Übernahme durch sozialdemokratische und stalinistische Traditionen);

d) die Darlegung der Bedeutung dieser Theorien und Kategorien für das Verständnis der aktuellen Entwicklung.

Dabei zeigt sich sehr deutlich, dass es die imperialistischen Bourgeoisien trotz ihrer politischen Siege zu Beginn der 1990er Jahre, trotz der Expansion der US-Ökonomie, trotz vorangeschrittener Integration Chinas in die Weltwirtschaft, nicht vermochten, den stagnativen Grundton der kapitalistischen Entwicklung seit den frühen 1970er Jahren zu überwinden.

Der Kapitalismus ist in seiner imperialistischen Epoche durch die Tendenz zum Niedergang, Fäulnis, Stagnation und Parasitismus geprägt. In diesem Zusammenhang bilden Entwicklungen wie der „lange Boom“ nach dem Zweiten Weltkrieg Ausnahmen, die nur aufgrund historischer Niederlagen der Arbeiterklasse (Krieg, Tod von Millionen und Abermillionen, Sieg der Konterrevolution in revolutionären Situationen nach dem Krieg, Einbindung des Stalinismus in das globale Weltsystem nach 1945 trotz Ausdehnung seines Herrschaftsbereichs), dramatischer Kapitalvernichtung, Festigung einer unumstrittenen imperialistischen Hegemonial-macht auf allen Ebenen möglich sind.

Diese außergewöhnlichen geschichtlichen Bedingungen haben sich überlebt, sind nicht wieder in Sicht und ihre Wiederherstellung ist ohne historische Katastrophen vom Ausmaß des Zweiten Weltkrieges auch nicht möglich.

In mehreren Beiträgen zeigen wir, dass die „Globalisierungsperiode“ nach 1990 die stagnative Tendenz nicht überwinden konnte, dass die „Aufschwungphasen“ im wesentlichen spekulativen und fiktiven Charakter hatten und vor allen die grundlegenden Widersprüche der Kapitalakkumulation, die strukturelle Überakkumulation von Kapital nicht „überwunden“, sondern letztlich verschärft haben.

Die „Globalisierung“ steht somit nicht im Gegensatz zur Leninschen Imperialismustheorie, sondern bestätigt ihre Wesensmerkmale, insbesondere die Tendenz zum Niedergang. Dies ist sicher im Zeichen der globalen Krise augenfällig. Nach 1990  schien das freilich nicht so zu sein. Es soll daher nicht weiter verwundern, dass diese Leninschen Erkenntnisse und Charakterisierungen vielen „Leninisten“ oder „Marxisten“ seit Jahren nichts gelten. Vielmehr zollten sie der bürgerlichen Ideologie Tribut, indem sie deren Behauptung akzeptierten, dass die „Globalisierung“ eine neue dynamische Phase der kapitalistischen Entwicklung eingeläutet hätte.

Ihre Kritik beschränkte sich darauf, der „Globalisierung“ die zunehmend ungleiche Verteilung des Reichtums vorzuhalten, dass die Kapitalisten von ihren „guten Geschäften“ nichts „abgeben“. Dass die dem Geschäft zugrunde liegende Akkumulation selbst keineswegs so reibungslos vonstatten ging, blieb dieser „Kritik,“ die sich selbst ganz auf der Oberfläche der Warenproduktion bewegte, verborgen.

Hinter solchen Phrasen liegt Anpassung an den Klassengegner, die sich theoretisch in einer empiristischen und eklektischen Revision der Marxschen und Leninschen Theorie ausdrückt. Wir haben diesen Fragen so viel Aufmerksamkeit gewidmet, da wir selbst in unserer internationalen Strömung mit solchen Tendenzen zu kämpfen hatten. Die ehemaligen GenossInnen des heutigen „Permanent Revolution Netzwerks“ charakterisierten 2006 – als sie mit uns brachen – den Beginn der Globalisierung als Beginn einer 25 Jahre dauernden „langen Welle“ der Expansion des Kapitalismus und der Entwicklung der Produktivkräfte; einer langen Welle, von der heute auf dem stürmischen Meer der Weltwirtschaft nichts mehr zu sehen ist.

II

Die ersten drei Artikel (Die Marxsche Krisentheorie; Imperialismus, Globalisierung und der Niedergang des Kapitalismus; Globalisierung und der Mythos einer neuen langen Welle) dieser Ausgabe wurden auf Englisch in „The Credit Crunch“, einer Sondernummer unseres englischsprachigen, internationalen Journals „Fifth International“ veröffentlicht. Der Artikel „Finanzkapital, Imperialismus und die Tendenzen der Kapitalakkumulation“ ist für diese Ausgabe verfasst worden. Die beiden Beiträge „Von Mao zum Markt“ und „Zur Bewertung des China-Booms“ wurden aus Fifth International Vol.2, Nummer  4 (2007) bzw. Vol.2, Nummer 5 (Frühjahr 2008) übersetzt.

Auch wenn die Artikel um dieselbe Thematik kreisen, so stellen sie in sich abgeschlossene Beiträge dar, die getrennt voneinander gelesen werden können. Das schließt an einigen Stellen Wiederholungen ein. Dieser Nachteil ist an vielen Stellen jedoch unvermeidlich, um die jeweiligen Argumentationsstränge zu entwickeln.

III

Wie schon oben festgestellt, handelt es sich um Beiträge, die einen bestimmten Stand der Analyse und theoretischen Arbeit der Liga entsprechen. In den nächsten Monaten und Jahren harren noch verschiedene Aufgaben auf uns. Es gilt, die in den hier veröffentlichen Artikeln entwickelten Thesen und Erkenntnisse mit den unten angeführten Themen bzw. Fragestellungen zu verbinden.

Das Ziel ist dabei eine „Systematisierung“, Zusammenfassung der Arbeit in Form von Thesen und im Rahmen einer Darstellung des aktuellen Imperialismus, seiner historischen Entstehung, der Hauptmerkmale der aktuellen Periode, der politischen und programmatischen Aufgaben der Arbeiterbewegung.

a) In diesem Rahmen wollen und werden wir bestimmte Fragestellungen und Probleme noch genauer untersuchen und programmatisch weiter entwickeln:

So die nähere Untersuchung der Entwicklung der verschiedenen Gesellschaftsklassen in der letzten Periode – sowohl der verschiedenen Kapitalfraktionen, der Arbeiterklasse, wie auch des Kleinbürgertums und der Mittelschichten.

In diesem Kontext müssen auch die Fragen der sozialen Unterdrückung – Rassismus (z.B. Migrationspolitik, rassistische Ideologien etc), Frauenunterdrückung, Jugend, Alte, nationale Unterdrückung – und ihrer Bedeutung im Rahmen kapitalistischer Krise und imperialistischer Politik dargestellt werden.

Weiter gilt es, den engen Zusammenhang mit der verschärften innerimperialistischen Konkurrenz, neuer globaler Militärstrategien, sich verschärfender Widersprüche zwischen den USA, den europäischen Imperialisten (und der EU), Japan, Russland, China darzustellen.

Schließlich muss die Untersuchung der „ökologischen Frage“ einbezogen werden.

Schon heute ist klar, dass unsere Arbeiten, unsere Analyse wie auch die reale Entwicklung die Charakterisierung der aktuellen Periode (und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen der beiden letzten Kongresse der Liga) als vor-revolutionäre Periode bestätigen:

“Wir befinden uns am Beginn einer ganzen Periode heftiger Klassenkämpfe, einer vorrevolutionären Periode, an deren Ende entweder der Ausbruch einer offen revolutionären Periode oder eine konterrevolutionäre Stabilisierung des Weltkapitalismus auf der Basis einer Reihe schlimmer Niederlage der Unterdrückten und einer gewaltigen Vernichtung überflüssigen Kapitals stehen wird.

Die Dauer dieser Übergangsperiode hängt wesentlich vom Klassenkampf selbst und diesbezüglich von zwei miteinander verknüpften  Faktoren ab: erstens davon, inwieweit es möglich ist, die Offensive der imperialistischen Bourgeoisien, v.a. der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zu unterbrechen bzw. aufzuhalten; zweitens vom Grad, bis zu welchem die Arbeiterbewegung fähig ist, einen Vorteil aus der Neuzusammensetzung der Klasse, der Radikalisierung der Jugend und der Destabilisierung des althergebrachten Reformismus zu ziehen, um eine international zusammenwirkende politische Organisation zu gründen – eine Weltpartei der sozialistischen Revolution.“ (Die Offensive des Imperialismus und die Führungskrise der Arbeiterbewegung, Resolution des 7. Kongress der L5I, August 2006, in: Revolutionärer Marxismus 36, S. 40)

b) Eine solche Arbeit muss daher notwendigerweise die realen Entwicklungen des Widerstands in den verschiedenen Ländern beständig analysieren. Allein 2008 gab es in fast einem Viertel der Länder der Erde Proteste, Streiks, Demonstrationen und Aufstände gegen die Auswirkungen der globalen Krise, sprich gegen Preissteigerungen und die Verknappung der Lebensmittel in vielen halb-kolonialen Ländern: die „Hungerrevolten“.

In zahlreichen Ländern leisten die Arbeiterklasse und die Unterdrückten heroischen, oft bewaffneten Widerstand gegen die imperialistische Offensive, gegen Krieg und Besatzung.

Auch in den westlichen Metropolen regten und regen sich z.T. beachtliche Massenbewegungen gegen die Angriffe des Kapitals und der Regierungen.

Damit aber oben gesetzte Aufgabe – die Schaffung neuer revolutionärer Parteien und einer revolutionären, Fünften Internationale – gelöst werden kann, sind Taktiken wie jene der Einheitsfront und ein Programm von Übergangsforderungen notwendig, das eine Brücke weist von den aktuellen sozialen und demokratischen Forderungen der Massen zum Kampf für die sozialistische Revolution, das es der Klasse ermöglicht, im Verteidigungskampf die Notwendigkeit der Offensive gegen das gesamte System zu erkennen, und die dafür notwendigen Kampfmittel zu entwickeln.

Wir haben hier nicht den Raum, eine solches Programm von Übergangsforderungen zu entfalten und verwiesen hier auf das Programm der „Liga für die Fünfte Internationale“ „Vom Widerstand zur Revolution“ sowie auf aktuelle Analysen und Einschätzungen, wie sie in unseren Publikationen zu finden sind. Es ist aber unbestreitbar, dass unser Programm am nächsten Kongress einer Konkretisierung und Aktualisierung bedarf, die u.a. obige Fragen, aber z.B. auch die konkreten Erfahrungen unserer neuen Sektionen in Pakistan und Sri-Lanka aufnimmt.

c) Wer die Revolution will, muss auch die Mittel zu ihrem Sieg wollen. Das heißt notwendigerweise den Aufbau einer revolutionären Partei und Internationale.

Die weltpolitische Lage ist seit Jahrzehnten u.a. von der Kluft zwischen der Reife der objektiven Bedingungen für die sozialistische Revolution und der Unreife der revolutionären Klasse und ihrer Vorhut geprägt. Diese Unreife ist selbst Ausdruck und Resultat des Fehlens einer revolutionären Führung der Arbeiterbewegung seit der zentristischen Degeneration und dem Zusammenbruch der Vierten Internationale 1948 – 1953.

Es ist daher die zentrale Aufgabe jedes Kommunisten, jeder Kommunistin, sich am Aufbau solcher neuen Parteien und einer neuen Internationale zu beteiligen – d.h. heute in der Regel im Stadium einer kämpfenden Propagandagruppe – und diesen mit dem gesamten Arsenal kommunistischer Taktiken und mit einer allseitigen Betätigung auf allen Ebenen des Klassenkampfes – des theoretischen/ideologischen, des politischen und ökonomischen – voranzutreiben.

Diese Gruppen müssen von Beginn an immer auch Schritte entwickeln, propagieren und, wo möglich, dafür agitieren und organisatorisch wirken, um die Führungskrise der Arbeiterklasse zu überwinden: um eine möglichst große Kampfeinheit gegen die herrschende Klasse herzustellen; um durch die Anwendung von Taktiken wie der Arbeiterparteitaktik, dem Aufbau revolutionärer Jugendorganisationen, von oppositionellen Basisbewegungen in Gewerkschaften und Betrieben Übergangsformen und Organisationsstrukturen zu schaffen, um den Aufbau der revolutionären Partei voranzutreiben.

d) Ein Programm von Übergangsforderungen basiert darauf, dass die imperialistische Epoche ermöglicht und erfordert, den Kampf um „Tagesaufgaben“ – also um ökonomische und soziale Forderungen, Verteidigung demokratischer Aufgaben usw. – mit dem Kampf um die Machtergreifung der Arbeiterklasse, um die sozialistische Revolution, die Errichtung der Räteherrschaft, der Diktatur des Proletariats systematisch zu verknüpfen.

Die Hungerrevolten verdeutlichen das. Bei ihnen macht sich nicht nur die aktuelle Krise bemerkbar. Die gesamte imperialistische Epoche ist im Grunde dadurch gekennzeichnet, dass sich gerade im Agrarsektor – und hier v.a. in den Halbkolonien – der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privaten Aneignung des Mehrprodukts zeigt.

Ein Großteil der Agrarproduzenten der Welt vegetiert dahin – im Grunde genommen seit über einem Jahrhundert. Noch heute findet sich Subsistenzproduktion in den Halbkolonien, totale Verarmung usw.

Daneben existiert eine hochproduktive Agrarwirtschaft in den imperialistischen Ländern und Plantagenwirtschaft in den Halbkolonien, die auf den Export ausgerichtet ist.

Das „Überleben“ der Subsistenzbauern (aber auch vieler Landarbeiter, Kleinbauern etc.) funktioniert im Grunde nur auf der Basis, dass sie ihr Leben unter ihren Reproduktionskosten fristen – bis hin zu einer Millionenmasse, die hungert oder am Hungertod stirbt.

Zugleich ist dieser Bevölkerungsgruppe, die hunderte Millionen, wenn nicht Milliarden ausmacht (also einen gewichten und wachsenden Teil der Weltbevölkerung stellt) die Absorption in die Arbeiterklasse im Großen und Ganzen verwehrt.

Millionen können sozusagen nicht „zurück,“ da die tradierten Produktionsformen längst vom Kapitalismus zerstört sind, noch können sie in die kapitalistische Wirtschaft als Lohnsklaven integriert werden.

Politisch bedeutet das, dass Forderungen zur unmittelbaren Linderung der Lage dieser Bevölkerungsgruppen mit der Frage einer grundlegenden Landreform, Enteignung der großen Agrarmonopole und schließlich einer Reorganisierung der Landwirtschaft unter einer Arbeiter- und Bauernregierung verbunden werden müssen.

Kurz, es geht um die Verknüpfung mit der Eigentums- und Machtfrage wie auch – angesichts der Integration der Weltwirtschaft – um die Ausweitung der Revolution, eine Transformation auf internationaler Ebene.

Sicherlich setzt die Umsetzung eines solches Programms eine mächtige, revolutionäre Erhebung voraus. Es ist jedoch eine der abgeschmackten Lebenslügen des Reformismus und aller bürgerlichen Weltverbesserer, dass ein solches Programm „unrealistisch“ wäre, während ihre Vorschläge zur „graduellen“ Reform unter den bestehenden kapitalistischen Eigentumsverhältnissen und im Rahmen der bestehenden imperialistischen Arbeitsteilung, den Menschen „reale Verbesserungen“ bringen würden.

Vielmehr zeigt sich gerade in diesem Bereich, dass der Kapitalismus selbst längst aufgehört hat, eine fortschrittliche Produktionsweise zu sein. Hier verdeutlicht sich der Charakter des Imperialismus unmittelbar als um sich greifender Niedergang, als tägliche Barbarei. Hier zeigt sich, dass der Kapitalismus längst eine Fessel für die Entwicklung der Produktivkräfte, für das Überleben selbst geworden ist.

So wird an diesem Beispiel auch deutlich, dass der Imperialismus eine Übergangsepoche zum Sozialismus ist, dass die sozialistische Revolution daher keineswegs bloß eine „erbauliche,“ wünschenswerte Option aus der Analyse des Imperialismus darstellt, sondern eine zwingende Notwendigkeit!

Doch auch von eine anderen Seite muss diese Notwendigkeit begründet werden. Die Produktionsverhältnisse sind nicht nur eine Fessel für die Entwicklung der Produktionskräfte im Sinne enormer Zermürbung bis hin zur Verelendung der ProduzentInnen: der arbeitenden Bevölkerung. In der Tat stagniert die gesellschaftliche Entwicklung auf allen Ebenen. Die reichen Potenziale für eine integrierte globale Produktion und Vernetzung zur Lösung der „globalen Probleme“ (Hunger, Arbeitslosigkeit, Armut, Umweltzerstörung, Klimakatastrophen) stoßen täglich auf die engen Schranken des bürgerlichen Eigentums, der inneren Widersprüche der Kapitalakkumulation und der Existenz des Nationalstaats – und machen damit den internationalen Charakter der sozialistischen Revolution, des Programms wie auch der kommunistischen Organisation zu einer zwingenden Notwendigkeit.

„Der internationale Charakter der sozialistischen Revolution, der den dritten Aspekt der Theorie der permanenten Revolution bildet, ergibt sich aus dem heutigen Zustand der Ökonomik und der sozialen Struktur der Menschheit. Der Internationalismus ist kein abstraktes Prinzip, sondern ein theoretisches und politisches Abbild des Charakters der Weltwirtschaft, der Weltentwicklung der Produktivkräfte und des Weltmaßstabs des Klassenkampfs.“ (Trotzki, Theorie der permanenten Revolution, Einleitung, EVA, Frankfurt/Main 1971, S. 28)

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