Internationale Sozialistische Liga, Infomail 1300, 30. Dezember 2025
In Anbetracht des Aufstiegs der extremen Rechten und der Ablehnung, die sie in weiten Teilen der Bevölkerung hervorruft, sowie der sich verschärfenden Krise des „Progressivismus“ und der derzeitigen Schwäche revolutionärer Alternativen sind dies Faktoren, die die Wiederbelebung oder Entstehung breiter antikapitalistischer Strömungen in verschiedenen Ländern begünstigen.
Diese Situation stellt eine Herausforderung für revolutionäre Organisationen dar, die richtig auf diese Phänomene reagieren müssen. In diesem Zusammenhang gibt es eine Wiederbelebung der Debatten darüber, welche Taktiken und Orientierungen am besten geeignet sind, um unsere zentrale Strategie zu stärken: den Aufbau solider revolutionärer Parteien in jedem Land und der Internationale.
Obwohl es je nach Land, in dem sie entstehen, Unterschiede in der Entstehung und Entwicklung dieser „breiten antikapitalistischen Parteien“ gibt, haben sie doch bestimmte gemeinsame Merkmale:
a) Sie entstehen links von der Sozialdemokratie, der traditionellen Mitte-Links-Partei, oder in einigen Fällen den stalinistischen kommunistischen Parteien.
b) Sie bilden sich in der Regel in Zeiten von Krisen und sozialen Umbrüchen.
c) Sie vertreten ein radikal reformistisches Programm, das das kapitalistische System infrage stellt, ohne es zerstören, sondern vielmehr reformieren zu wollen.
d) Es gelingt ihnen während eines Teils ihrer Entwicklung, Teile der Massen zu beeinflussen und bedeutende Sektoren der Avantgarde anzuziehen.
Aus früheren Erfahrungen – wie Syriza in Griechenland, Podemos in Spanien, dem Linksblock in Portugal oder der NPA in Frankreich – lassen sich Schlussfolgerungen über ihre Merkmale und Grenzen ziehen, die einen gemeinsamen Zyklus offenbaren: Phasen des Wachstums und der Expansion, gefolgt von Krisen und Zerfall.
Wir erleben gerade den Niedergang der brasilianischen PSOL – die wir als Reaktion auf den Schwenk der PT ins bürgerliche Lager mitgegründet haben –, weil sie sich schnell an die Regierung von Lula angepasst hat. Wir können aber auch das Wiederaufleben von Organisationen beobachten, die im Niedergang begriffen zu sein schienen, wie Die Linke in Deutschland, die in einem Kontext der Polarisierung gegen rechtsextreme Kräfte wieder große Teile der Jugend anzieht. Ähnlich sieht es in den USA aus, wo es nach der Wahl von Mamdani zum Bürgermeister von New York und den Mobilisierungen gegen Trump eine Chance für eine Wiederbelebung der DSA (Democratic Socialists of America) gibt. Im Vereinigten Königreich eröffnet sich nach Spaltungen und Aufrufen von führenden Labour-Politiker:innen wie Corbyn und Zultana die Aussicht auf eine neue Partei. In Argentinien sticht die Frente de Izquierda Unida (FITU) aufgrund ihres Programms und ihrer Zusammensetzung als etwas Besonderes hervor und hat sich einen bedeutenden Platz unter den Arbeiter:innen und Jugendlichen erobert und behauptet. Da sie sich jedoch nicht zu einer einheitlichen Partei mit Tendenzen entfaltet hat, bleibt sie auf der Stufe einer Wahlfront und beschränkt ihre Entwicklung auf den Kampf um die parlamentarische Macht.
Diese Situation erfordert eine tiefere Debatte darüber, wie wir auf diese Phänomene reagieren sollen, die wir mit den Texten in Ausgabe 9 unserer Zeitschrift „Permanent Revolution“ begonnen haben.
Der dritte Kongress der ISL beschließt:
1. Wir bekräftigen, dass unsere Strategie darin besteht, revolutionäre Parteien aufzubauen und die Organisation und Mobilisierung der Arbeiter:innenklasse voranzutreiben, bis die Bourgeoisie gestürzt und eine Arbeiter:innenregierung etabliert ist.
2. Festzustellen, dass wir auf der Grundlage dieser Strategie offen bleiben müssen für alle Initiativen und Taktiken, die es uns ermöglichen, in dieser Richtung voranzukommen.
3. Darauf hinzuweisen, dass es kein Patentrezept für die Festlegung von Taktiken und Orientierungen gibt. Jeder Fall muss konkret beurteilt werden, ausgehend von der jeweiligen Situation des Klassenkampfs, der Art und Weise, wie sich diese Phänomene entwickeln, und der Stärke unserer eigenen Kräfte, um einzugreifen.
4. Sowohl opportunistische Orientierungen – wie die des ISFI (Internationales Sekretariat der 4. Internationale), vormals Vereinigtes Sekretariat der 4. Internationale – abzulehnen, die breite antikapitalistische Parteien zu einer dauerhaften Strategie machen und den Aufbau der revolutionären Partei aufgeben. Ebenso wie sektiererische Orientierungen, die eine Intervention in diese Erfahrungen aus Prinzip absolut ablehnen.
5. Zu bekräftigen, dass die Beteiligung an diesen Parteien eine Taktik ist und daher als vorübergehend betrachtet werden sollte. Aufgrund des Klassencharakters der Führung und ihrer reformistischen Programme haben diese Organisationen ein „Verfallsdatum“: Nach einer Phase des Wachstums passen sie sich unweigerlich der bürgerlichen Ordnung an. Dieser Prozess beschleunigt sich, je größer die Chance wird, an die Regierung zu kommen.
6. Zu bedenken, dass es vor allem darauf ankommt, eine Politik umzusetzen, die auf diese Phänomene reagiert. Die Taktik sollte an die spezifischen Umstände jedes Ortes angepasst werden, sei es durch vorübergehenden Beitritt zu diesen Organisationen – ganz oder teilweise – oder durch Intervention von außen. Es kann auch vorkommen, dass diese Taktik angepasst werden muss, um innerhalb dieser Organisationen eher im Untergrund zu agieren, wie es vor Jahren bei Marea Socialista in Venezuela der Fall war, als die PSUV (Vereinigte Sozialistische Partei von Venezuela) gegründet wurde, oder wie es derzeit bei Your Party in Britannien der Fall sein könnte, wo sich noch vor der formellen Gründung der Partei eine bürokratische Methode mit Mitgliedschaftshindernissen oder dem Ausschluss bestimmter Sektoren entwickelt.
7. Festzulegen, dass, wenn der Beitritt zu diesen Organisationen taktisch beschlossen wird, die politische und organisatorische Unabhängigkeit strikt gewahrt bleiben muss. Unsere Strategie besteht darin, politische Aktivist:innen um unsere Strömung zu versammeln, alle notwendigen Kämpfe gegen den reformistischen Kurs ihrer Führungen zu führen und uns darauf vorzubereiten, die Organisation zu verlassen, wenn es die Situation erfordert. Diese Taktik zielt darauf ab, den Aufbau unserer Parteien und der ISL zu stärken.