Arbeiter:innenmacht

Pakistan: Nein zur Militäraktion in Bajaur

Shezhad Arshad, Neue Internationale 294, September 2025

Am 29. Juli hat die pakistanische Armee eine neue Militäraktion in Bajaur, einem Bezirk in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, gestartet. Seitdem sind etwa 100.000 Menschen aus dem Bezirk vertrieben worden. Nach einer kurzen Unterbrechung wegen der schweren Überschwemmungen in der Region wurde sie in den letzten Tagen wieder aufgenommen.  Die Militäraktion wurde nach dem Scheitern einer Friedensdschirga, einem Treffen zwischen lokalen Stammesältesten und den Taliban, gestartet. Offiziellen Angaben zufolge hatte die Dschirga (Gerga; Versammlung) die Taliban aufgefordert, das Gebiet zu verlassen, was diese aber abgelehnt hatten. Danach kam es zur Militäroperation. Während die Operation läuft, ist die Lage in anderen Stammesgebieten auch ziemlich schlimm, mit immer mehr Fällen von Verschleppungen und Morden.

Die Regierung behauptet, dass es in Bajaur nur ein paar hundert Taliban gibt, von denen mehr als 80 % aus Afghanistan kommen. Premierminister Shehbaz Sharif hat die militärischen Einsätze als Erfolg bezeichnet und gesagt, dass die wachsende Bedrohung eine „Einmischung von außen“ durch hauptsächlich afghanische Bürger:innen sei.

Die Realität sieht aber ganz anders aus. Trotz unzähliger Militäroperationen in den paschtunischen Regionen in den letzten zwei Jahrzehnten wurden die Taliban nicht vernichtet. Im Gegenteil, dieses Vorgehen hat Millionen Menschen vertrieben und Tausende Paschtun:innen getötet. Jedes Mal, trotz Ankündigungen von Frieden und der Vernichtung der Taliban, sind ihre Zahl und ihre Stärke nur noch gewachsen. Das ist eine direkte Folge der Politik des Staates.

Die öffentliche Wut über die Operation ist groß und führt zu zahlreichen Protesten. Allein die jüngsten Militäreinsätze haben bereits etwa 100.000 Menschen erneut aus ihren Häusern vertrieben. Unschuldige Kinder, Frauen und alte Männer sind die ersten Opfer. Wenn Paschtun:innen gegen diese Gewalt protestieren, werden sie als „Terroristenhelfer:innen“ bezeichnet.

Wirtschaftliche Ressourcen

Diese Stigmatisierung spiegelt nicht nur die Unterdrückung des gesamten paschtunischen Volkes wider, sondern muss auch im Zusammenhang mit wichtigen wirtschaftlichen Interessen an den Ressourcen der Region gesehen werden.

Khyber Pakhtunkhwa, insbesondere die eingegliederten Stammesgebiete, verfügt über Bodenschätze im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar, darunter Lithium und andere für die moderne Technologie wichtige Mineralien. Die Trump-Regierung hat bereits Interesse an diesen Ressourcen bekundet.

Neue Gesetze, wie der Entwurf des Khyber Pakhtunkhwa Mines and Minerals Act 2025, und Gespräche über die Abtrennung der Stammesgebiete von der Provinz sind im Gange. All dies sind Bemühungen, den Weg für internationales Kapital zu ebnen und Unternehmensgewinne über die Interessen der lokalen Bevölkerung zu stellen. Es handelt sich um einen kapitalistischen Ansatz, der das Eigentum der Gemeinschaft zugunsten der Kontrolle durch Unternehmen abbaut, wobei der Staat diese Ausbeutung als „Entwicklung“ verkauft. Dieser Hintergrund macht deutlich, dass „der Kampf gegen die Taliban“ und „Terrorismus“ letztlich nur Vorwände sind für das Streben des Staates nach vollständiger Kontrolle über die Region, in der die Interessen des Kapitals ungehindert verfolgt werden können.

Die linksnationalistische Pashtun Tahafuz Movement (PTM; Paschtunische Schutzbewegung) und andere politische Parteien sind gegen die Militäroperation. Es wurden große öffentliche Proteste dagegen organisiert. Trotzdem macht das Militär weiter und will jeden Widerstand in den Stammesgebieten niederschlagen. Diejenigen, die sich der Operation widersetzen, werden als „Feind:innen des Landes“ und „Agent:innen Indiens“ bezeichnet.

Vor allem die PTM ist Ziel dieser Anschuldigungen, ihre wichtigsten Anführer:innen sind entweder im Gefängnis oder müssen untertauchen. Damit soll jede Diskussion über Verschleppungen, Massaker und Kontrollpunkte unterbunden werden, um die Paschtun:innen zu zwingen, diese Realität ohne Widerstand zu akzeptieren. Revolutionäre Sozialist:innen sind gegen dieses Vorgehen, weil es darauf abzielt, den Massenwiderstand der Paschtun:innen und ihre Bewegungen wie die PTM im Interesse des nationalen und globalen Kapitals zu unterdrücken.

Das paschtunische Volk will einfach nur in Frieden und Freiheit leben. Die Beendigung dieser Operation ist der einzige Weg, um weitere Kriege und Vertreibungen zu verhindern. Die Linke, die Arbeiter:innenklasse und alle fortschrittlichen und demokratischen Kräfte sollten sich gegen die militärische Gewalt der Regierung, ihre Mineralpolitik und ihre Angriffe auf demokratische Rechte stellen. Das erklärte Ziel ist zwar die Bekämpfung der Taliban, aber der eigentliche Zweck ist die Festigung der staatlichen Kontrolle über die paschtunischen Gebiete. Dies wird nur zu Tausenden weiteren Toten, vermehrten Vertreibungen und verstärktem Rassismus führen.

Wir leugnen nicht die Bedrohung durch die Taliban, aber ihre Präsenz in den Stammesgebieten ist eine direkte Folge der Politik der Regierung, die das Leben der einfachen Paschtun:innen gefährdet. Frühere Operationen haben gezeigt, dass sie keine Lösung sind, sondern die Probleme nur verschlimmern.

Wir befürworten die Organisation von Arbeiter:innen, Bäuer:innen und Frauen zu ihrer Selbstverteidigung gegen die Angriffe der Taliban. Die pakistanische Linke, die Gewerkschaften und alle fortschrittlichen und demokratischen Kräfte müssen den öffentlichen Kampf unterstützen und sich gegen die Operation stellen.

Die Machtdemonstration des Staates wird die Taliban nur weiter verbreiten und das paschtunische Volk ruinieren. Nur das paschtunische Volk selbst kann die Taliban wirklich bekämpfen, wie die Bewegung der PTM und ihr Einsatz für den Frieden gezeigt haben. Der Kampf gegen die Taliban ist Teil eines viel größeren Kampfes gegen Imperialismus, Krieg und kapitalistische Ausbeutung und kann nur innerhalb dessen gewonnen werden.

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