Arbeiter:innenmacht

Höcke verurteilt – AfD macht weiter

Susanne Kühn, Infomail 1254, 17. Mai 2024

Höcke muss zahlen. 13.000 Euro plus Gerichtskosten für das Verwenden einer verbotenen NS-Parole. Dass der Geschichtslehrer nichts davon gewusst haben wollte, dass die SA-Losung „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland“ eine solche war und verboten ist, kaufte ihm das Gericht nicht ab.

Das Urteil des Landgerichts Halle (Saale) bedeutet zwar eine juristische Niederlage für Höcke und seine Partei. Aber viel mehr auch nicht. Dass Höcke bei einer seiner bewussten Anspielungen auf den Nationalsozialismus die Grenze des legal Sagbaren so weit übertreten hat, dass es zu einer Verurteilung reichte, schmerzt die AfD und Höcke erst recht nicht. Die 13.000 Euro kann die Partei aus der Portokasse zahlen. Ob sie in Berufung geht, wird so oder so nichts Wesentliches ändern.

Empfindlicher trifft die AfD sicherlich die nun auch vom Gericht bestätigte Einschätzung der Partei als „rechtsextremer“ Verdachtsfall. Natürlich wird auch hier nur im Verfassungsschutzjargon nachvollzogen, was ohnedies alle einigermaßen nüchternen politischen Beobachter:innen wissen – und was der immer stärkere werdende rechte Flügel der AfD anstrebt. Auch wenn die AfD keine faschistische Organisation ist, so beheimatet die rassistische, rechtspopulistische Partei eine ganze Reihe solcher Figuren und unterhält – siehe die Zusammenarbeit mit den Identitären – mehr oder minder offen gezielt Verbindungen zu diesen Kräften.

Aber beim Gerichtsurteil fürchtet die AfD nicht nur stärkere eigene Überwachung als „Verdachtsfall“, sondern auch Verluste bei den Umfragen und der EU-Wahl. Doch das sind auch schon alle Sorgen, die ein solches Urteil oder der EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah der Partei wirklich machen. Politisch wird all das die AfD nicht entzaubern und auch nicht weiter schwächen.

Hilflosigkeit der bürgerlichen Demokratie

Gerade darin, in der naiven Freude über solche Urteile, über mehr Überwachung durch einen Verfassungsschutz, der noch vor gar nicht allzu langer Zeit vom AfD-Freund Maaßen angeführt wurde, offenbart sich die Hilflosigkeit der bürgerlichen Demokratie, der „anständigen“ Mitte von CDU/CSU und Ampelparteien samt dem Mainstream der Medien und Macher:innen der bürgerlichen Öffentlichkeit.

Die „anständigen“ Menschen, die in den letzten Jahren zur AfD gingen, zählten schließlich gestern noch zur Mitte. Und als staatstreue und -tragende Bürger:innen müssten sie, wenn schon nicht Merz und Scholz, so doch Verfassungsschutz und Gerichte zum Umdenken bringen. Dass selbst diejenigen, die diese Mär verbreiten, nicht daran glauben, zeigt sich darin, dass die „demokratische“ Mitte nebst solch lahmen Hoffnungen, die von der AfD „Verführten“ per Gerichtsbeschluss zum Gesinnungswandel zu bringen, die AfD auch mit ihren eigenen Waffen zu schlagen versucht.

Schließlich, so CDU, CSU, FDP und BSW, treiben die Wähler:innen wirkliche, ernste Sorgen zur AfD, echte Ängste – und daher müsse man diese natürlich auch aufgreifen mit der Abschottung der EU-Außengrenzen gegen ungewünschte Migrant:innen, Aushebelung des Asylrechts, stillschweigenden Entsorgung der ökologischen Transformation, angeblichem Kosmopolitismus und Kampf gegen „Genderwahn“. Die Grünen würden bei dem ganzen Zeug wohl gern mitmachen, wenn sie nicht fürchten müssten, bei ihren Mittelschichtswähler:innen mehr zu verlieren, als sie am rechten Rand gewinnen könnten. Sie inszenieren sich daher als die demokratischsten Vertreter:innen des demokratischen Imperialismus, der aufrüstet, Kriege führt, Palästinakongresse verbietet – aber natürlich nur für den guten Zweck. Die SPD schließlich steht wieder einmal zwischen allen Stühlen. Sie will das härteste Vorgehen gegen die AfD, zugleich aber die verlorenen Schafe aus deren Wähler:innenschaft mit „echtem“, demokratischen Sozialchauvinismus zurückgewinnen. Sie steht oder verliert, personifiziert durch Olaf Scholz, einmal zwischen allen Stühlen platziert.

Von dieser Einheit der Demokrat:innen, bei der die bürokratischen und chauvinistischen Gewerkschaftsführer:innen, die Spitze der Linkspartei sowie alle möglichen christlichen und sozialdemokratischen Wohlfahrtsverbände- und Sozialverbünde nicht fehlen dürfen, hat die AfD leider nicht viel zu befürchten. Die „Brandmauer“ der Demokrat:innen, deren Demonstrationen im Frühjahr Hunderttausende auf die Straße brachten, entfachte zwar viel Rauch, aber kein Feuer.

Und das ist kein Wunder. Auf die wirklichen Probleme der Massen, die natürlich auch die AfD auf ihre reaktionäre Weise anspricht und darauf rassistische, nationalistische, antisoziale, sexistische und andere reaktionäre Scheinantworten gibt, vermag auch die „demokratische“ Mitte, die klassengreifende Brandmauer keine fortschrittlichen Antworten zu geben. Und sie gibt nicht nur keine, sie vermag auch keine zu artikulieren, weil das unvermeidlich den klassenübergreifenden Charakter der „Einheit der Demokrat:innen“ sprengen würde.

Nehmen wir nur das Beispiel Armut. Die AfD erklärt, dass daran Migration und auch „asoziale“ Faulpelze schuld seien. Beide würden mit dem Bürger:innengeld die „Leistungsträger:innen“ der Gesellschaft, die Deutschen, vorzugsweise den deutschen Mittelstand in den Ruin treiben, das Land kaputtmachen. Dieses „Narrativ“ könnte freilich genauso gut von der CDU/CSU oder der FDP kommen. Die Antwort der AfD: Rassismus, Deportation und Sozialdarwinismus ohne Wenn und Aber. Die Antwort von CDU/CSU, FDP und BSW: Rassismus, Deportation und Sozialdarwinismus, aber auf rechtsstaatlicher Grundlage. Und von SPD und Grünen: Rassismus, Deportation und „gezielte“ Einwanderung, Sozialausgleich und demokratisches Gedöns. Und DIE LINKE? Abschiebungen nur im „Notfall“, noch etwas mehr Sozialausgleich, demokratisches Gedöns bis zum Erbrechen. Und schließlich: Die bürgerlichen Demokrat:innen wollen für die „Einheit gegen die AfD“ von ihren reformistischen und gewerkschaftlichen Partner:innen auch die Absage an alle Sozialversprechen, die „die Wirtschaft“ zu teuer kommen – sie fordern faktisch, die Wähler:innen zur AfD zu treiben, die den Rassismus als Sozialprogramm für die Deutschen anpreist.

Da wird es auch nichts helfen, dass die „Demokratie“ seit einigen Wochen mit einer neuen „Wunderwaffe“ gegen die AfD antritt. Seit dem Bekanntwerden der Skandale um Gelder aus Russland und Vorwürfen der Spionage für China sollen die Rechten als antipatriotische Vaterlandsverräter:innen, also vom Ausland gesteuerte Totengräber:innen der Nation angeprangert werden, die bei Militarismus, EU und Westanbindung nicht richtig mitmachen wollen. Doch die Wunderwaffe verfehlt ihre Wirkung. Schließlich hat die AfD an ihrem Bekenntnis zu Nationalismus und Patriotismus, zu Militär, Aufrüstung und Militarismus nie Zweifel aufkommen lassen. Daher sehen ihr ihre Anhänger:innen die jüngsten Skandale nach, schließlich hat ja jede Partei schwarze Schafe in ihren Reihen und mache, wie z. B. im Fall Aiwanger von den Freien Wählern, sogar in Amt und Würden unter Söder in Bayern weiter. Angesichts dieser moralischen Standards der Demokratie fällt es der AfD nicht schwer, sich als Opfer von Doppelmoral zu präsentieren. Vor allem aber hat sie es über Jahre geschafft, Patriotismus mit offenem, unverhülltem Rassismus zu verknüpfen – und daran ändern auch Verbindungen zu Russland und China nichts.

Arbeiter:inneneinheitsfront statt „Einheit der Demokrat:innen“

Die Einheit der selbsternannten „Demokrat:innen“ und erst recht die Hoffnung auf Gerichte haben sich längst als politische Sackgasse im Kampf gegen die AfD erwiesen. Denn sie werden wir nur schlagen können, wenn wir jene Zustände bekämpfen, die die Ursache ihres eigentlichen Erfolgs, ihres Wachstums bilden, die krisenhaften Zuspitzung des aktuellen Kapitalismus, die sich in Angst, sozialem Abstieg, Armut, Unsicherheit für die Arbeiter:innenklasse, aber auch für die Mittelschichten und das Kleinbürger:innentum manifestiert.

Der Kampf gegen die AfD, gegen rechts darf daher nicht losgetrennt vom Klassenkampf der Arbeiter:innen gegen Entlassungen, Lohnverlust, Kürzungen, Rassismus und Krieg verstanden werden. Um die Kräfte überhaupt zu sammeln, die solche Kämpfe erfolgreich führen können, also nicht nur die „linke Szene“ umfassen, ist es nötig, reformistische und gewerkschaftliche Massenorganisationen in Bewegung zu bringen. Innerhalb dieser Auseinandersetzungen muss die radikale Linke für Forderungen eintreten, die auf die Selbstorganisation der Arbeiter:innenklasse zielen, AfD, Nazis und staatlichen Rassismus bekämpfen! Zugleich muss sie in der Bewegung dafür argumentieren, dass dieser Kampf mit dem zur Überwindung des Kapitalismus und für die Errichtung der revolutionären Rätemacht des Proletariats verbunden werden muss.

Statt leerer Hoffnung auf bürgerliche Gerichte, Verbote und Polizei sollte die Linke innerhalb dieser Bewegung für den Aufbau von Selbstverteidigungskomitees eintreten, die von Migrant:innen, Flüchtlingen, Linken und Gewerkschaften getragen werden. Diese Selbstverteidigungsorgane sind mögliche Keimformen von zukünftigen Milizen der Arbeiter:innenklasse, Kampforgane nicht nur gegen die Rechten, sondern auch gegen jede Form der Repression. Ihre Propagierung und Errichtung stellt eine Brücke zum Kampf um die Rätemacht dar, wenn wir den Faschismus nicht nur bekämpfen, sondern im globalen Maßstab tatsächlich besiegen wollen. Dies kann die Linke nur, wenn sie mit dem imperialistischen Weltsystem zugleich die gesellschaftlichen Bedingungen für die autoritär-reaktionären Formierungen bekämpft, die derzeit in vielen Teilen der Welt auf dem Vormarsch sind. Kein bürgerlicher Staat der Welt kann uns diese Aufgabe abnehmen.

  • Nein zu allen rassistischen Gesetzen! Stopp aller Abschiebungen! Offene Grenzen und volle Staatsbürger:innenrechte für alle, die hier leben!
  • Nein zu allen Überwachungsmaßnahmen und zur Kriminalisierung von Migrant:innen und politischen Flüchtlingen!
  • AfD und Nazis organisiert entgegentreten! Gegen rechte Übergriffe und Angriffe: Selbstschutz von Migrant:innen und Gewerkschaften aufbauen!
  • Gemeinsamer Kampf gegen die gesellschaftlichen Wurzeln von Faschismus und Rassismus! Gemeinsamer Kampf gegen Inflation, Niedriglohn, Armut und Wohnungsnot!
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