Arbeiter:innenmacht

Eine neue Phase der revolutionären Umgruppierung

Liga für die Fünfte Internationale, Infomail 1299, 19. Dezember 2025

Anfang Dezember nahmen Delegierte und Beobachter:innen der Liga für die Fünfte Internationale (L5I) beim Dritten Weltkongress der Internationalen Sozialistischen Liga (LIS) in Istanbul teil. Vor 36 Jahren machten sich die Vorgänger:innen der L5I daran, das revolutionäre Programm des Marxismus neu zu überarbeiten, den Kampf gegen Reformismus und Zentrismus zu erneuern und für den Wiederaufbau einer revolutionären kommunistischen Internationale zu kämpfen. Mit unserer Entscheidung, der LIS auf der Grundlage eines neu beschlossenen gemeinsamen Programms beizutreten, schließt sich ein Kapitel dieses Kampfes – und ein neues beginnt.

Diese Entscheidung kam nicht plötzlich und auch nicht aus organisatorischer Ungeduld. Sie ist das Ergebnis einer langen Zeit der Diskussion, Debatte und Klärung, die auf der trotzkistischen Methode der prinzipiellen Neuformierung basiert. Wie wir schon in „Für eine Umgruppierung von revolutionären Kräften“ gesagt haben, stellt die historische Krise des Kapitalismus, die durch imperialistische Kriege, ökologischen Zusammenbruch und Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse und Unterdrückten noch verschärft wird, die Frage der revolutionären Führung mit neuer Dringlichkeit.

Fragmentierung, Isolation und die Verbreitung selbst ernannter Internationalen können dieser Herausforderung nicht gerecht werden. Nur ein ernsthafter Prozess der programmatischen Annäherung kann das. Der Kongress in Istanbul brachte Genoss:innen aus mehr als vierzig Ländern aller Kontinente zusammen. Wir haben gemeinsam die sich verschärfenden wirtschaftlichen, militärischen und ökologischen Krisen analysiert, die das Weltwirtschaftssystem erschüttern, und über die strategischen Aufgaben diskutiert, denen Revolutionär:innen jetzt gegenüberstehen.

Diese Diskussionen waren keine diplomatischen Gespräche, sondern befassten sich mit den entscheidenden Fragen unserer Epoche: imperialistische Rivalität und Krieg, Revolution und Konterrevolution sowie der Wiederaufbau revolutionärer Parteien, die in der Arbeiter:innenklasse verwurzelt sind.

Im Mittelpunkt unserer Vereinbarung steht eine gemeinsame Analyse der gegenwärtigen Weltunordnung. Wir haben bekräftigt, dass der Kapitalismus in eine Phase verschärfter interimperialistischen Konkurrenz eingetreten ist, in der die Vereinigten Staaten, die europäischen Mächte, Russland und China um Märkte, Ressourcen und strategische Vorherrschaft gegeneinander streiten.

Gegen alle Formen des Lagerdenkens (Campismus) bekräftigen wir, dass Russland und China voll und ganz kapitalistische und imperialistische Mächte sind und dass Sozialist:innen alle imperialistischen Blöcke aus einer unabhängigen Position der Arbeiter:innenklasse heraus ablehnen müssen. Auf dieser Grundlage stimmen wir überein, dass der Krieg in der Ukraine einen doppelten Charakter hat. Die Ukraine führt einen gerechten Krieg zur nationalen Verteidigung gegen den russischen Imperialismus. Gleichzeitig ist er mit dem Kampf um die Neuaufteilung der Welt verbunden.

Deshalb geht unsere Unterstützung für das Recht der Ukraine, sich gegen die Invasion zu wehren, Hand in Hand mit unserer Ablehnung der NATO, des westlichen Imperialismus und aller Versuche, die ukrainische Arbeiter:innenklasse kapitalistischen Interessen unterzuordnen. Der gleiche prinzipielle Internationalismus untermauert unsere Ablehnung des Völkermordkrieges Israels in Palästina, unsere Solidarität mit dem sahrauischen Volk der Westsahara und unsere Ablehnung aller imperialistischen Besetzungen und Aggressionen.

Eine besonders dringende Diskussion betraf die wachsende Gefahr einer imperialistischen Aggression der USA gegen Venezuela. Wir bekräftigen unsere volle Solidarität mit dem venezolanischen Volk und mit der venezolanischen Sektion der LIS gegen Sanktionen, militärische Drohungen und alle Versuche eines Regimewechsels. Die Verteidigung unterdrückter Nationen gegen den Imperialismus bleibt eine grundlegende Pflicht der Revolutionär:innen.

Der Kongress verabschiedete auch Resolutionen, die sich mit der kapitalistischen Zerstörung der Umwelt, Angriffen auf Frauen, rassistisch unterdrückten Menschen, LGBTIA+-Gemeinschaften und Migrant:innen sowie der zunehmenden Ausbeutung der globalen Arbeiter:innenklasse befassen. Diese wurden nicht als separate Themen behandelt, sondern als integraler Bestandteil einer Strategie für die sozialistische Revolution, die Macht der Arbeiter:innen und den Sturz des kapitalistischen Systems als Ganzes.

Im Mittelpunkt unserer Neuformierung steht die Verabschiedung eines neuen Programms und Manifests für die sozialistische Revolution mit dem Titel „Angesichts der kapitalistischen Krise und einer neuen Weltunordnung“. Dieses Programm legt unsere gemeinsamen strategischen Grundlagen fest: die Notwendigkeit revolutionärer Parteien auf der Grundlage des demokratischen Zentralismus, die Übergangsmethode, die die gegenwärtigen Kämpfe mit dem Kampf um die Macht verbindet, das Ziel von Arbeiter:innenregierungen, die auf Organen des Massenkampfes beruhen, und den Aufbau einer neuen, revolutionären Masseninternationale. Es wird die gemeinsame Arbeit aller LIS-Sektionen in der kommenden Zeit leiten.

Unsere Entscheidung, der LIS beizutreten, bedeutet nicht das Ende von Diskussionen, Klarstellungen oder Debatten. Im Gegenteil, sie schafft einen stärkeren und kohärenteren Rahmen, in dem diese fortgesetzt werden können. Der revolutionäre Marxismus hat Programme nie als tote Texte oder Einheit als Unterdrückung von Unterschieden betrachtet. Wir gehen zuversichtlich in diese neue Phase, dass weitere Debatten – sowohl intern als auch mit anderen revolutionären Strömungen – nicht nur unvermeidlich, sondern notwendig sind. Was sich geändert hat, ist, dass diese Diskussion jetzt auf einer soliden programmatischen Grundlage und dem gemeinsamen Engagement beruht, zusammen eine internationale revolutionäre Organisation aufzubauen, die in der Lage ist, in den Klassenkampf auf weltweiter Ebene einzugreifen.

Wir kommen aus Istanbul zurück und sind bereit für diese neue Phase unserer Entwicklung. Angesichts der sich verschärfenden Krise und des wachsenden Widerstands stellt sich die Aufgabe der revolutionären Neuformierung konkret für alle ernsthaften Revolutionär:innen. Mit diesem Schritt wollen wir dazu beitragen, eine neue revolutionäre Internationale zu schmieden – eine Internationale, die in den kommenden Kämpfen in der Lage ist, der Arbeiter:innenklasse dabei zu helfen, die Menschheit über den Kapitalismus hinaus und hin zum Sozialismus zu führen.

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