Arbeiter:innenmacht

Solidarität mit Ramsis Kilani: Die Linke knickt (mal wieder) ein

Jaqueline Katherina Singh, Infomail 1298, 24. November 2025


Am Eingang des Karl-Liebknecht-Hauses weht eine große Palästinafahne. Festgeklebt mit Klebestreifen an der Fassade. Wahrscheinlich ist sie die erste ihrer Art an den Außenmauern der ehemaligen KPD-Zentrale, seitdem die Linkspartei in ihr haust. Schon von außen kann man Sprechchöre hören: „Viva, viva Palästina!“, „Bodo raus, Ramsis rein – alles kann so einfach sein!“

Im Foyer drängt sich dann eine Gruppe Menschen zusammen – der Zugang zum Innenhof des Hauses wurde vorsorglich von der Security abgesperrt. Die Stimmung ist angespannt, aufgeladen – aber nicht mutlos. Eine Atmosphäre, die deutlich macht: Es geht um weit mehr als einen Ausschluss. Und irgendwie fühlt es sich so an wie die Fahne, die am Eingang des Hauses festgeklebt ist. Man will es der Partei aufdrücken – denn angesichts des politischen Geschehens, des Genozids der letzten 2 Jahre, kann man nicht weiter die Augen verschließen.

Was ist passiert?

Am 22. November wurde Ramsis Kilani aus der Partei ausgeschlossen. Grundlage dafür war ein Antrag von Schirdewan und Schubert – doch ausgerechnet die beiden blieben der Sitzung fern. Während über Ramsis entschieden wurde, ließen sie sich nicht blicken. Besonders bitter: Ihm selbst wurde eine abschließende Stellungnahme verweigert, obwohl Schirdewan und Schubert angeblich „neue Beweise“ für ein parteischädigendes Verhalten vorgebracht hätten. Dabei ging es unter anderem darum, dass Ramsis einen Instagram-Post mit der Jüdischen Stimme veröffentlicht hat – eine Organisation, die den Antragstellenden zufolge antisemitisch (!!!) sei. Allein das verdeutlicht, wessen Geistes Kind Schirdewan und Schubert sind, die sich in die rassistische und reaktionäre Hetze deutscher regierungstreuer Medien einreihen, die seit Jahren antizionistische jüdische Aktivist:innen und Vereine verleumden.

Doch schon bevor die Sitzung begann, war deutlich, woher der Wind im Liebknecht-Haus weht. Zwar war die Beratung offiziell „parteiöffentlich“ angekündigt worden, doch am Eingang hieß es plötzlich: Nur mit Mitgliedsausweis dürfe man hinein, E-Mails oder andere Bestätigungen reichten nicht. Und selbst unter den anwesenden Genoss:innen wurde dann überraschend verkündet, dass lediglich elf Personen eingelassen würden – eine Beschränkung, die vorher nicht kommuniziert wurde.

Kurzum: Der ganze Prozess, der in den letzten Runden der Entscheidungen mit Hetzkampagnen von der Springerpresse begleitet wurde, ist kein Beispiel für innerparteiliche Demokratie und Solidarität, sondern ein abgekartetes Spiel. Schaut man sich auch die Äußerungen an, die führende Mandatsträger:innen der Partei in der Vergangenheit getätigt haben (Bodo Ramelow ist hier nach dem Abgang von Wagenknecht ganz vorne dabei), wird deutlich: Dieser Ausschluss betrifft weit mehr als Ramsis Kilani als Einzelperson. Er steht für eine politische Richtung, die aus der Partei gedrängt werden soll – denn sie stört vor allem jene, die mitregieren wollen.

Niemals allein, immer gemeinsam

Während der Spruch genutzt wurde, um die Haustürwahlkampfteams zu motivieren, gilt er auch hier. Ramsis Kilani steht inhaltlich für eine sozialistische Ein-Staaten-Lösung, für ein Land, in dem alle mit gleichen Rechten leben können. Es ist eine Position, die bewaffneten Widerstand gegen Besatzung und Genozid legitimiert – anders als der Großteil der Aussagen der Linkspartei, die damit sogar hinter das Völkerrecht zurückfällt, das bewaffneten Widerstand gegen Besatzung als berechtigt anerkennt. Und klar ist auch: Mit dieser Position steht er nicht alleine da. Genau aus diesem Grund besetzten solidarische Genoss:innen das Karl-Liebknecht-Haus und forderten:

1. Schutz palästinasolidarischer Stimmen innerhalb der Partei

„Wir fordern den Parteivorstand auf, sicherzustellen, dass palästinasolidarische Genoss:innen innerhalb wie außerhalb der Partei nicht durch Kampagnen, Gerüchte oder politische Manöver delegitimiert oder eingeschüchtert werden. Politische Differenzen müssen politisch geklärt werden – nicht durch Ausgrenzung. Auch jüdische Genoss:innen wie die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost müssen vor antisemitischen und fanatisch proisraelischen Kampagnen geschützt werden.“

2. Aufarbeitung der gegen Ramsis Kilani gerichteten Kampagne

„Wir fordern den Parteivorstand auf, die gegen Ramsis Kilani ausgelöste öffentliche Kampagne kritisch aufzuarbeiten, Verantwortung zu übernehmen und ein offizielles Gespräch über den Umgang mit palästinasolidarischen Genoss:innen zu führen. Es braucht eine Entschuldigung bei Ramsis für all den Hass und die Hetze, die er durch das öffentlich ausgetragene Ausschlussverfahren erfahren musste.“

3. Klärung der Vorgänge rund um die Raumabsage

„Wir fordern eine transparente Untersuchung der Vorgänge rund um die kurzfristige Absage der Räumlichkeiten für unsere französische Schwesterpartei am 18. November und ein Gespräch mit einem Mitglied des Parteivorstands sowie Vertreter:innen der Vulkan GmbH.“

4. Eine offene innerparteiliche Debatte über Zionismus

„Wir fordern die Partei auf, sich ernsthaft und wissenschaftlich mit der politischen Ideologie des Zionismus, ihrer Geschichte und ihren Auswirkungen auf die palästinensische Bevölkerung auseinanderzusetzen und eine internationalistische Position zu formulieren.“

5. Schutz der innerparteilichen Demokratie

„Wir fordern, dass die Partei sich verpflichtet, plurale Positionen zu schützen und politische Debatten nicht durch administrative Maßnahmen, Ausschlussverfahren oder informellen Druck zu ersetzen.“

6. Anerkennung der palästinensischen Perspektive

„Wir fordern, dass palästinensische Stimmen innerhalb der Partei als legitimer und unverzichtbarer Teil unserer Debatte um einen gerechten Frieden in Nahost anerkannt werden.“

Was bedeutet das?

Wenn Mitglieder ihre eigene Parteizentrale blockieren, dann zeigt das vor allem eines: Die bestehenden Kommunikationswege sind erschöpft, und es braucht drastische Formen, um überhaupt noch Gehör zu finden. Dass den Besetzer:innen zeitweise nicht einmal der Zugang zu den Toiletten gewährt wurde, zeigt dabei deutlich, wie beliebt man in der eigenen Parteizentrale ist – schlagkräftiger, als es jede theoretische Analyse könnte.

„Zugeständnisse“ gab es dann in der Form, dass der Parteivorstand, der parallel im ND-Gebäude tagte, einen Janis Ehling als Vertreter schickte. Hier könnte man guten Willen unterstellen. Doch wer diesen Eindruck gehabt haben sollte, wurde schnell eines Besseren belehrt. Die politischen Forderungen der Besetzer:innen und Protestierenden – eine transparente Diskussion zur Palästinafrage, die Zurückweisung pauschaler Antisemitismusvorwürfe, ein Ende der administrativen Ausgrenzung – prallten wie Wassertropfen an einem Regenschirm ab. Schließlich wähnt sich der Parteivorstand selbst als einzig vernünftiges Zentrum in der Debatte, während Vertreter:innen von Shalom oder Palästinenser:innenseite nur die jeweiligen Extreme einer Position gelten. Von den großen Worten und dem Versprechen einer nachhaltigen Solidarität, wie auf der „Zusammen für Gaza“-Demo verkündet worden war, ist somit wenig zu spüren.

Es geht um mehr

Taten wie der Ausschluss von Ramsis. Er machte vielmehr deutlich: Es handelt sich nicht um ein Missverständnis, sondern um eine bewusste strategische Entscheidung des Apparats. Ramsis rauszuschmeißen ist das kleinere Übel – und viel einfacher, als Konsequenzen gegenüber Ramelow und Leuten seines Schlages zu erwirken. Es geht um die Frage, ob Die Linke eine Partei werden soll, die konsequent internationale Solidarität vertritt und auf Basis dessen nicht nur organisierende Klassenpartei in Worten, sondern Taten wird – oder ob sie sich weiter anpasst, um politischen Spielraum innerhalb staatlicher Institutionen zu sichern und für Regierungsverantwortung zumindest auf Länderebene parat zu stehen.

Dabei zeigt sich: Es sind viele Neumitglieder eingetreten. Vor allem wegen der Frage des Rechtsrucks, aber viele von ihnen sind offen für mehr. Ihnen steht jedoch ein Apparat gegenüber, in dem erfahrene Regierungssozialist:innen weiter stark verankert sind und der auf Stabilität, Koalitionsfähigkeit und kontrollierbare Kommunikationslinien setzt. Während die Parteirechte agiert, geht die sog. Bewegungslinke auf politische Tauchstation, wenn sie nicht gar selbst die Regierungssozialist:innen offen unterstützt. Für die einen ist Palästina ein Prüfstein politischer Glaubwürdigkeit, für die anderen ein Risiko, das entschärft werden soll – eben weil es den eigenen Regierungsplänen im Weg steht. Es zeigt sich auch: Wer klassenkämpferische, internationalistische Politik machen will innerhalb der Linkspartei, muss sich gegen den Apparat zusammenschließen.

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