Susanne Kühn, Neue Internationale 294, September 2025
Die Scharfmacher:innen aller Parteien melden sich zu Wort. 500 Milliarden für die Bundeswehr, eine deutsche Brigade in Litauen im Rahmen der NATO-Aufrüstung – all das reicht ihnen nicht. Auch in der Ukraine soll der deutsche Imperialismus nach einem „Friedensschluss“ das von ihm reklamierte Einflussgebiet führend sichern helfen.
Dabei herrscht keineswegs Einigkeit unter den Parteien der Regierung und der Opposition. Bei CDU/CSU wie bei der SPD gibt es entschiedene Befürworter:innen von Bundeswehrtruppen in der Ukraine, aber ebensolche Gegner:innen. Das trifft auch auf Grüne und FDP zu.
Die Gegner:innen von etwaigen Truppenstationierungen aus den Reihen der „Mitte“ führen zwei Gründe für ihre Ablehnung an. Erstens historische und politische Einwände. Die deutsche Bundeswehr in der Ukraine ließe – sicher zu Recht – Erinnerungen an die Wehrmacht und den faschistischen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion wieder aufleben. Unwillkürlich würde sie den Blick auf die geostrategische und politische Kontinuität des deutschen Imperialismus lenken. Vor allem aber würde es den neuen Kalten Krieg gegen Russland (und indirekt auch China) vertiefen und die Gefahr eines offenen Krieges zwischen den imperialistischen Mächten vergrößern. All das ist zweifellos richtig, auch wenn diese Einwände – ganz so wie die von AfD und BSW – keinesfalls mit Antiimperialismus oder Antimilitarismus verwechselt werden dürfen. Gegen eine „angemessene“ militärische Verteidigung hat das BSW nichts einzuwenden, die AfD fordert ohnedies mehr Militarismus. Zurzeit soll dieser allerdings nicht gegen Russland gerichtet sein, sondern einer „flexiblen“, rein am deutschen Interesse orientierten Bündnispolitik dienen.
Darüber hinaus verweisen die Gegner:innen von Truppenstationierungen auf mangelnde Ressourcen. Weder Deutschland noch Frankreich oder Britannien würden über zusätzliche Truppen in Stärke ganzer Brigaden (jeweils rund 5.000 Soldat:innen) verfügen. Deutschland hätte schon Probleme, die Litauen-Truppe aufzustellen. Statt also leere Versprechen in die Welt zu setzen, solle man lieber realistisch bleiben und der verbündeten Ukraine keine falschen Hoffnungen machen.
Zweifellos spielt ein Teil der Scharfmacher:innen mit der Ukraine ein zynisches Spiel. Wohl wissend, dass die Mittel für die „robusten“ Sicherheitsgarantien in kurzer Frist gar nicht bereitstehen, verspricht man sie dennoch. Denn man geht, durchaus realistisch, davon aus, dass ein von den USA und Russland ausgehandeltes und der Ukraine aufgezwungenes Abkommen die Stationierung von NATO-Truppen oder führender NATO-Länder ohnedies ausschließen würde. Somit müsste man die versprochenen Mittel ohnehin nicht bereitstellen und könnte sich zugleich gegenüber der Ukraine als „bester Verbündeter“ inszenieren, dem leider die Hände gebunden wären.
Ob dieses zynische Spiel aufgeht, kann getrost bezweifelt werden. Doch eindeutig kommt darin der Wille zum Ausdruck, eine bedeutende Rolle im imperialistischen Tauziehen einzunehmen.
Der aggressivste Teil der Befürworter:innen deutscher Truppen in der Ukraine will aber nicht nur bluffen. Wer bei der Neuaufteilung der Welt wirklich mitspielen will, wer in Europa und in der NATO Führung beansprucht, darf nicht weiter nur so tun, als ob er es militärisch ernst meine. Er muss auch Ernst machen. Hat nicht, so diese Fraktion des deutschen Imperialismus, Kanzler Merz die Herstellung voller Kriegstüchtigkeit versprochen? Wer „whatever it takes“ sagt, dürfe auch beim Aufstellen einer oder mehrerer Brigaden keine kalten Füße kriegen. Ansonsten würden die anderen imperialistischen Mächte Deutschland und die EU niemals als gleichwertige Konkurrenz betrachten.
Aus diesem Grund entbrennt auch die Debatte, wie die Vergrößerung der Bundeswehr auf eine Landstreitmacht mit mindestens 260.000 Soldat:innen (zur Zeit 180.000) und fast einer halben Million Reservist:innen rasch bewerkstelligt werden kann. Daher auch die Forderung nach Einführung der Wehrpflicht.
Auch wenn keineswegs klar ist, wie und ob eine Stationierung von Truppen in der Ukraine erfolgen wird, so soll in jedem Fall die Etablierung von weiteren Truppenverbänden zur territorialen Verteidigung wie für Auslandsinterventionen forciert werden. Klar ist zudem, wer dafür zahlen soll: die Arbeiter:innenklasse – durch Lohnverzicht, Prekarisierung und Intensivierung der Ausbeutung einerseits und durch massiven Sozialraub andererseits.
Daher müssen wir uns jeder Stationierung von Truppen der Bundeswehr in der Ukraine – und nicht nur in der Ukraine – ohne Wenn und Aber widersetzen. Truppen der NATO, der Bundeswehr, aber auch solche der UNO wären nichts anderes als Truppen zur Überwachung eines imperialistischen Deals zwischen Russland und den USA. Sie wären nichts anderes als ein Mittel zur Verfolgung imperialistischer Interessen in „Friedenszeiten“. Daher lehnen wir auch eine von dem Vorsitzenden der Linkspartei, van Aken, und auch Teilen der SPD als Alternative zu deutschen Truppen vorgeschlagene UNO-„Friedensmission“ in der Ukraine kategorisch ab.
Wir müssen uns vielmehr jeder imperialistischen Einflussnahme in der Ukraine wie in jedem anderen Land widersetzen. Daher: keine Truppen in die Ukraine, keinen Cent für die Stationierung von NATO und anderen Truppen in Osteuropa! Rückzug der Litauen-Brigade! Keinen Cent, keine Person für den deutschen Militarismus! Enteignung und Konversion der Rüstungsindustrie unter Arbeiter:innenkontrolle!