Arbeiter:innenmacht

Rechte Jugendliche auf dem Vormarsch

Oda Lux, Neue Internationale 284, September 2025

Menschen werden von Nazis gejagt, auf dem Weg zu Demos bedroht und sogar vor ihrer Haustür wird ihnen aufgelauert. Brandanschläge auf Restaurants, systematische Bedrohungen von linken Räumen: Verfolgt man die Nachrichten der letzten Monate, so häufen sich die Meldungen von Angriffen. Doch kommt all das aus dem Nichts? Nein. Seit Jahren steigen die Zahlen, gerade in Ostdeutschland, an. Nur, was alle Welt erstaunt: Es sind meist Jugendliche, die dahinterstecken. Ältere Semester fühlen sich an die Baseballschlägerjahre erinnert. Jetzt gilt es, zu handeln und vor allem aus den Verfehlungen der 1990er Jahre zu lernen.

Warum gerade jetzt?

Wer sich das jetzt ernsthaft noch fragt, hat die letzten 10 Jahre mit Scheuklappen gelebt. In Zeiten des internationalen Rechtsrucks jagt eine Krisensituation die nächste. Die Neuaufteilung der Welt befeuert Nationalismus, Autoritarismus und Aufrüstung. Das sehen wir in Deutschland, wenn die Produktion auf Krieg umgestellt wird, während in den USA die Rechte von Frauen und Queers ausradiert werden oder in der Ukraine und Palästina, wo jeweils ein Eroberungskrieg geführt wird. Dass davon Jugendliche aus der Arbeiter:innenklasse nichts haben, drückt sich in ihrer so oft von den Medien zitierten „Unzufriedenheit“ aus. Wie soll man denn zufrieden sein: keine Jobs, Döner kosten 7 Euro, keine Infrastruktur, Kriegsgefahr, keine Bude in Aussicht und die Klimakrise vor der Tür? Besonders fatal sieht die Lage in den Regionen und Städten aus, die vorher schon sozial am Abgrund standen.

Die bürgerliche Demokratie bröckelt, sobald der Kapitalismus in eine Krise schlittert, und sie kann nicht halten, was sie, zumindest im Osten, ganz offen versprochen hat: blühende Landschaften und ein entspanntes Leben. Die AfD gibt vor, Menschen in ihrer Sehnsucht nach Stabilität zu verstehen, und setzt dabei auf Rassismus. Das ist nichts Neues und dennoch zieht das immer noch Menschen an. Einziger Hoffnungsschimmer bleibt hier, dass die letzten Wahlergebnisse gezeigt haben, dass junge Frauen immer weiter nach links driften, während es ihre männlichen Altersgenossen genau in die gegenteilige Richtung zieht. Hintergrund hierfür sind die Existenzängste, ausgelöst durch massive Sozialkürzungen, Inflation oder Angriffe auf fundamentale Rechte wie die Arbeitszeitregelung. Soziale Verelendung und das Bewusstsein, von der Politik verarscht zu werden, bilden stets einen optimalen Nährboden für Faschismus. Etwas, was bürgerliche Kräfte und Reformist:innen gekonnt ignorieren, da es an ihrer eigenen Macht rütteln könnte. Es brauchte erst Angriffe von Politiker:innen auf offener Straße und im vermeintlichen Schutz von Stadtfesten, damit das Problem sich radikalisierender Nazijugendgruppen berichtenswert wurde. Jedoch ist diese Gefahrenlage für marginalisierte Gruppen, von Rassismus betroffene Menschen, Queers oder Linke nichts Neues.

Die Jugend von heute – „gesichert rechtsextrem“?

Junge Nationalisten, der Störtrupp, Letzte Verteidigungswelle, Unitas Germanica, Reconquista 21, Chemnitz-Revolte, Deutsche Jugend Voran, Jung und, und … . Sie sprießen aus dem Boden wie Pilze, organisieren Aufmärsche, sogar durch vermeintlich linke Hochburgen wie Berlin, und greifen Menschen an. Und auf einmal ist die NPD, heute Die Heimat, wieder hip. Um sie herum und die Jugendorganisation Junge Nationalisten (JN) entstanden in den letzten Jahren zahlreiche Jugendgruppen wie Elblandrevolte oder Jung und Stark. Und auch die AfD mit ihrer Jugendorganisation Junge Alternative für Deutschland beflügelt ein breites Netzwerk gewaltbereiter Strukturen. Allerdings finden sich hierunter auch gut betuchte Kreise der Neuen Rechten, zu denen u. a. Thinktanks, Pseudonachrichtenplattformen oder Burschenschaften zählen.

Darüber hinaus sind Gruppen wie Der III. Weg und ihr Ableger, die Nationalrevolutionärer Jugend, oder die Sächsischen Separatisten keine neuen Phänomene. Zusammen mit der damals sehr aktiven Identitären Bewegung gab es sie auch schon vor über 10 Jahren. Manche blicken auf eine Kontinuität seit den 1990er Jahren zurück. Durch den Rechtsruck sind sie nur in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Gemeinsam haben sie, dass sie eins sind: Sie wollen eine Gegenkultur schaffen gegen alles, was sie als nicht „deutsch“ oder als „woke“ ansehen. Derzeit besonders im Visier stehen Klimaschutzthemen und CSDs (Paraden am Christopher Street Day der queeren Bewegung). Schaut man genauer hin, locken diese Strukturen aber auch mit Angeboten, von Sport über Musik bis hin zu Fahrten und Wehrsport. Von letzterem abgesehen sind das mehr Angebote. Gemeinschaft wird geschaffen an Orten, an denen Jugendliche in der Minderheit sind und zum Teil keine Perspektive sehen.

Der Algorithmus steht auf Faschismus

Die 1990er Jahre waren geprägt von Kameradschaften, vor allem von jungen Männern mit kurzen Haaren und Springerstiefeln. Sie haben Angst verbreitet, sodass selbst der Staat in Initiativen wie „Aktion Notausgang“ investiert hat, und es gab eine offensive Raumnahmestrategie, die darauf abzielte, dass ganze Kieze zu No-go-Areas wurden. Und auch das sehen wir heute wieder. Zum Teil sind es ganze Landstriche, in denen sich Nazistrukturen angesiedelt haben.

Nur ist die Rekrutierungsstrategie heute eine andere. Messengerdienste erleichtern ungemein die Vernetzung. Zudem sind es nicht mehr CDs, die auf dem Schulhof vertickt werden, sondern TikTok und Co., die Jugendliche in ihren Bann ziehen. Algorithmen ziehen einen online bekanntermaßen in Loops (Wiederholungsschleifen zum gleichen Thema). Nicht nur Maulheld:innen bekommen so die Aufmerksamkeit, die sie immer wollten. Dass „Social“ Media auf Radikalität und Angeberei beruhen, um Clicks zu generieren, hilft den Nazis von heute ungemein: Radikalisierung im Schlaf.

Es ist eine gezielte Strategie von AfD und rechten Influencer:innen, die den Kulturkampf propagieren oder von Geschlechterbildern aus den 1930er Jahren träumen. So könnte man vermeintlich die Krise abwenden. Nützen tut diese Rhetorik allein den Rechten und das Kleinbürger:innentum fällt darauf herein. Fakt ist, dass die Strategie nicht aufgeht, weil die Propagandaabteilung der AfD so gut funktioniert, sodass die junge Generation leicht zu kriegen ist, sondern dass die derzeitige Situation, ähnlich wie in den 1990er Jahren, eine neue Generation von Abgehängten und Menschen mit Zukunftsängsten geschaffen hat, die weder die Reformist:innen noch die Imperialist:innen auf die Dauer befriedigen oder im Zaum halten können.

Unsere Antwort darf daher nicht sein, wie in den 1990er Jahren Antifakleinstgruppen zu entwickeln, die vom Aufbau her ähnlich funktionieren wie die Nazistrukturen. Und es reicht auch nicht, einfach nur mehr linke Influencer:innen zu pushen. Denn selbst mit manipulierten, sprich bezahlten Beiträgen ist es doch sehr unwahrscheinlich, Jugendliche mit einer Instagram-Story zurückzuholen, die schon so tief im rechten Morast stecken, dass sie angreifen.

Kämpfen, was sonst?

Bedenkt man das Alter der Angreifer:innen, so steht fest: Das sind unsere Klassenkamerad:innen in der Schule, unsere Azubi-Kolleg:innen im Betrieb oder unsere Kommiliton:innen, die wir auf Erstsemesterpartys kennenlernen. Wir müssen daher genau hier ansetzen: wo wir tagtäglich sind. Schularbeit ist daher wichtiger denn je. Was braucht es dafür? Nein, wir brauchen nicht noch eine Lichterkette oder eine linke „Social“-Media-Kampagne gegen Nazis.

Nein, ein AfD-Verbot würde auch nicht die rechten Jugendbanden eindämmen. Ganz im Gegenteil. Denn Nazis waren schon immer gut darin, sich neu zu formieren. Die diversen Kleinstgruppen sind gewollt, damit man großflächig agieren kann. Wird eine verboten, kann man ausweichen. Das ist Teil ihrer Strategie.

Nein, wir brauchen keine Wiederbelebung klandestiner Antifagruppen mit Mackerproblem.

Was wir brauchen, ist eine Organisierung der Klasse. Konkret heißt das, dass wir alle Antifaschist:innen und vor allem Organisationen der Arbeiter:innenklasse, allen voran die Gewerkschaften, aufrufen, eine Einheitsfront zu bilden. Wir können dem Aufstieg des Faschismus nur Herr:in werden, wenn wir die Wurzel, die soziale und Krise des Kapitalismus, sprich den Kapitalismus selbst, bekämpfen. Gemeinsam müssen wir Selbstverteidigungsstrukturen aufbauen, die in der Schule, der Uni, dem Betrieb und im Kiez eingreifen können und letztlich eine Gegenmacht aufbauen. Die brauchen wir nicht nur gegen Nazis, sondern auch gegen Kündigungen, Abschiebungen und Krieg.

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