Peter Solenberger, International Socialist League, Infomail 1287, 15. Juli 2025
Am 24. Juni gewann der Sozialdemokrat Zohran Mamdani die Vorwahlen der Demokratischen Partei für das Amt des Bürgermeisters von New York City – informell, da die Vorwahlen nach dem Ranglistenwahlsystem durchgeführt wurden und die endgültigen Ergebnisse erst am 1. Juli veröffentlicht werden.
Mamdani erhielt 43,5 % der Erststimmen, sein etablierter Gegner Andrew Cuomo 36,4 % und Brad Lander 11,3 %. Da Mamdani und Lander sich gegenseitig unterstützt hatten, gingen Landers Zweitstimmen vermutlich an Mamdani und verschafften ihm damit die Mehrheit. Anstatt die Demütigung weiter hinauszuzögern, räumte Cuomo seine Niederlage ein.
Mamdani trat mit einem Programm für kommunale Reformen an, darunter das Einfrieren der Mieten für 1 Million mietpreisgebundene Wohnungen, kostenlose Busfahrten, kostenlose (oder subventionierte) Kinderbetreuung, städtische Lebensmittelgeschäfte in „Lebensmittelwüsten“ und die Anhebung des Mindestlohns in New York City auf 30 US-Dollar pro Stunde. Seine Wahl zeigte eine breite Unterstützung für solche Maßnahmen.
Mamdani ist 33 Jahre alt, Muslim indischer Abstammung und stammt aus einer wohlhabenden Familie. Er engagiert sich seit langem in der Studenten- und Gemeindearbeit, unter anderem in der Solidaritätsbewegung mit Palästina und ist Mitglied der Democratic Socialists of America (DSA). In seiner Kampagne spielten weder sein Engagement noch seine DSA-Mitgliedschaft eine Rolle; er distanzierte sich jedoch auch nicht davon.
Mamdanis Wahlkampfteam nutzte soziale Medien geschickt und setzte Tausende junger Freiwilliger ein. Mamdani schnitt bei weißen, lateinamerikanischen, asiatischen und jungen Wähler:innen gut ab, bei schwarzen, jüdischen und älteren hingegen weniger gut.
Mamdani hat gute Chancen, die Bürgermeisterwahl im November zu gewinnen, aber sein Sieg ist nicht sicher. Die „New York Times“ und die „Washington Post“ sind die führenden liberalen Nachrichtenmedien der herrschenden Klasse der USA. Die „Post“ gehört Jeff Bezos, der auch Amazon besitzt und bis zu seiner Ablösung durch Elon Musk der reichste Mann der Welt war. Bezos könnte seinen Titel zurückerobern, da Musks politische Eskapaden Tesla nach unten ziehen und seine Starship-Raketen immer wieder explodieren. Hier ist die liberalkapitalistische Sicht der „Post“ auf Mamdanis Wahl, die ich ausführlich zitiere, weil sie aufschlussreich ist:
„Nun steht ein Mann, der den Kapitalismus für ‚Diebstahl‘ hält, kurz davor, die größte Stadt des Landes und die Finanzhauptstadt der Welt zu führen. Seine Markenzeichen sind ,städtische Lebensmittelgeschäfte‘, kostenlose Busfahrten, ein Einfrieren der Mieten für 1 Million regulierte Wohnungen und eine Erhöhung des Mindestlohns auf 30 US-Dollar.
Zweifellos mögen diese Ideen einigen Wähler:innen verlockend erscheinen. Aber wie so viele Vorschläge der extremen Linken in den USA würden die Kompromisse genau den Menschen schaden, denen sie eigentlich helfen sollen. Ein massiver Mindestlohn würde Arbeitsplätze für Geringqualifizierte vernichten. Sein Mietstopp würde das Angebot an Wohnraum verringern und dessen Qualität verschlechtern. Die Senkung der Busfahrpreise würde eine Finanzierungslücke im Nahverkehr hinterlassen, die, sofern sie nicht irgendwie geschlossen wird, zu einer Verschlechterung des Angebots führen würde.
Unterdessen arbeitet der Lebensmitteleinzelhandel mit geringen Margen, und sein Plan für städtische Geschäfte würde wahrscheinlich zu weniger Auswahl, schlechterem Service und Versorgungsengpässen führen, da privat geführte Geschäfte schließen würden, anstatt mit staatlich subventionierten Läden zu konkurrieren.
Mamdani forderte zuvor die Streichung der Mittel für die Polizei und deren Abschaffung, und obwohl er diese Forderung inzwischen abgeschwächt hat, lehnt er die Einstellung weiterer Polizeibeamt:innen weiterhin ab.
Der Kandidat räumt zumindest einen Kompromiss ein: noch höhere Steuern in einer Stadt, in der sie bereits jetzt sehr hoch sind. Er will eine jährliche Vermögensteuer von 2 Prozent für die reichsten 1 Prozent der New Yorker:innen einführen und den Körperschaftsteuersatz des Bundesstaates von 7,25 Prozent auf 11,5 Prozent erhöhen. Die Metropole leidet bereits unter Kapitalflucht. Hedgefonds und andere finanzkräftige Akteur:innen sind in wirtschaftsfreundlichere Regionen wie Florida abgewandert. Mamdanis Steuerpläne würden einen Exodus von Unternehmen beschleunigen und weitere wohlhabende Bürger:innen aus der Stadt vertreiben, was die Steuerbasis untergraben und die Aufrechterhaltung bestehender Dienstleistungen erschweren würde.“
Vermögende Spender:innen und die Unternehmensmedien werden Druck auf die Demokratische Partei ausüben, um Mamdanis Wahlkampf durch die Verweigerung von Unterstützung und Finanzmitteln zu sabotieren.
Cuomo und der derzeitige Bürgermeister Eric Adams, die beide als Unabhängige für die Wahl im November kandidieren, könnten eine Vereinbarung treffen, wonach einer zugunsten des anderen zurücktritt. Wenn Mamdani gewinnt, wird er mit großen Hindernissen konfrontiert sein. Er schlägt vor, seine Reformen mit einer Vermögensteuer und einer Erhöhung der Körperschaftsteuer zu finanzieren. Aber der Bürgermeister hat über beides keine Kontrolle, und die Gouverneurin des Bundesstaates New York, Kathy Hochul (Demokratin), hat jegliche Steuererhöhung ausgeschlossen.
Ohne Finanzierung würden seine Reformen von den Marktkräften zunichtegemacht werden, und er würde nicht lange im Amt bleiben.
Wenn sich die Massen der Arbeiter:innen und Unterdrückten mobilisieren würden, könnte Mamdani den Widerstand der Kapitalist:innen überwinden. Aber wir leben noch nicht in einer solchen Welt.
Ohne Massenmobilisierung wird Mamdani eher ein weiterer Brandon Johnson (Demokrat) werden, der derzeitige Bürgermeister von Chicago. Johnsons Referenzen in der Bewegung sind sogar noch besser als die von Mamdani, da er viele Jahre lang Lehrer an öffentlichen Schulen in Chicago war und sich in der Chicago Teachers Union (CTU) engagierte. Johnson akzeptierte die Grenzen seines Amtes, scheiterte mit seinen progressiven Reformen, enttäuschte seine Basis und wird es schwer haben, 2027 eine zweite Amtszeit zu gewinnen.
Mamdanis Sieg hat Aktivist:innen der Bewegung begeistert, die an die Möglichkeit glauben wollen, durch Wahlen Reformen durchzusetzen und die Demokratische Partei als Partei des Volkes zurückzugewinnen. Sie hatten nach den Enttäuschungen durch die Regierungen von Barack Obama und Joe Biden, den gescheiterten Kandidaturen von Hillary Clinton und Kamala Harris, dem Rückzug von Bernie Sanders und der Integration von Alexandria Ocasio-Cortez und der „Squad“ (linksbürgerlicher Flügel im Repräsentant:innenhaus) in die Kongressordnung fast aufgegeben.
Die Überschrift eines Artikels von Liza Featherstone vom 25. Juni auf der Website „Jacobin“ fasst den Wandel zusammen: In einer düsteren politischen Zeit gibt Zohran Mamdani Hoffnung.
Bruch mit der Demokratischen Partei notwendig
Mamdanis Sieg bestätigt, was wir bei den großen Kundgebungen gegen Donald Trump beobachten. Eine große Zahl von Arbeiterinnen und Arbeitern sowie Jugendlichen will Widerstand leisten. Revolutionäre Marxist:innen würdigen diesen Impuls. Gleichzeitig müssen wir geduldig erklären, dass die Demokrat:innen eine Partei des Neoliberalismus und des Krieges sind. Ihre Politiker:innen sind gezwungen, sich zwischen der Mitwirkung an etwas, das sie für falsch halten, und dem Verlust ihres Amtes zu entscheiden.
Revolutionäre Marxist:innen sollten nicht als Demokrat:innen kandidieren oder die Demokratische Partei unterstützen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die von uns unterstützten Kandidat:innen Wahlen über die Ebene des Stadtrats hinaus gewinnen werden. Aber für uns geht es bei Wahlen auf der gegenwärtigen Stufe des Klassenkampfs darum, Ideen zu verbreiten, nicht um den Gewinn von Ämtern.
Wenn sich die Arbeiter:innen und Unterdrückten mobilisieren, wird sich die Situation ändern.
Arbeiter:innen in Bewegung werden politische Vertretung und eine Massenpartei der Arbeiter:innenklasse fordern. Bei Wahlen wird es weiterhin hauptsächlich um Ideen gehen, aber wenn Arbeiter:innen und Revolutionär:innen in Ämter gewählt werden, können diese Ideen besser verbreitet werden.
Die entscheidenden Kämpfe werden sich an den Arbeitsplätzen, in den Gemeinden und beim Militär entwickeln, mit Demonstrationen, Streiks, Streikposten, Besetzungen und organisierter Selbstverteidigung. Um zu gewinnen, brauchen die Arbeiter:innen eine revolutionäre Massenpartei, nicht nur eine Wahlpartei. Das ist eine Diskussion, die wir beginnen müssen.