Arbeiter:innenmacht

Gewerkschaftliche Friedenskonferenz in Stuttgart: Knackpunkt Palästinasolidarität

Quelle: https://workersforafreepalestine.com/

Christian Gebhardt, Neue Internationale 283, Juni 2024

Zwei größere Kriege spielen derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland eine Rolle. Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur die Militarisierung in der deutschen Gesellschaft vorangetrieben und viele politische Parteien hinter die Losung: „Frieden braucht Verteidigung!“ vereinigt. Auch die Notwendigkeit des jährlichen 2-prozentigen BIP-Anteils für Militärausgaben hat sich in der deutschen politischen Landschaft durchgesetzt. Gleichzeitig hat sich auch die Friedensbewegung in Deutschland an der Frage des Umgangs mit dem Ukrainekrieg zerlegt und ist noch mehr Schatten ihrer selbst, als sie schon davor war.

Zum Ukrainekrieg kam nun der Israels gegen Gaza hinzu, der in der deutschen Politiklandschaft wie gewohnt zur „Selbstverteidigung“ des Aggressors umgedeutet wird. Kritik am Zionismus wird in den letzten Monaten rassistisch diffamiert und kriminalisiert. Hierbei spielt vor allem die Politik der Gewerkschaften eine wichtige Rolle und welche Kritik hier bezüglich der fehlenden Solidarität mit dem gerechtfertigten palästinensischen Befreiungskampf geübt werden muss.

Die „Friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz“, die am 14./15. Juni in Stuttgart stattfindet, könnte dabei ein Ansatzpunkt für eine Alternative zur Politik der Führungen der DGB-Gewerkschaften sein und so eine Vernetzung fortschrittlicher, antimilitaristischer und palästinasolidarischer Gewerkschaftsstrukturen in Deutschland voranbringen. Ein klares „Nein zu Waffen für den Völkermord in Palästina!“ muss also von der Konferenz ausgehen.

Deutsche Gewerkschaften und Palästina

Mit einer starken gewerkschaftlichen Palästinasolidarität wäre es möglich, über den symbolischen Protest auf der Straße hinaus die israelische Kriegsmaschine zu behindern – durch Blockade von militärischen Gütern, die auf dem See- oder Luftweg transportiert werden, Lahmlegung von Produktionsketten, die für Israel produzieren, aber auch Druck auf Universitäten oder Unternehmen, die über Kooperationen mit ihm indirekt an der Unterdrückung der Palästinenser:innen beteiligt sind. Doch in Deutschland scheinen wir davon weit entfernt.

Entgegen manchen Aktionen internationaler Gewerkschaften veröffentlichte der DGB am 10. Oktober eine Solidaritätsbekundung und offenen Brief an Arnon Bar-David, den Vorsitzenden der Histadrut, unter dem Titel „Solidarität mit Israel“. Dort heißt es unter anderem: „Jede Form von Terrorismus, willkürlichen Tötungen und Verschwindenlassen ist inakzeptabel und wird auf unseren entschlossenen Widerstand stoßen. Die letzten Tage haben uns gezeigt, wie tief Antisemitismus in den Gesellschaften der Welt verwurzelt ist. Wir sind schockiert und besorgt, wie brutal der Antisemitismus auch hier in Deutschland zu Werke ging. ‚Nie wieder’ ist für uns kein leeres Bekenntnis – im Gegenteil. Es ist unsere feste Überzeugung. Wir bekämpfen Antisemitismus hier in Deutschland, aber auch in unseren weltweiten Gewerkschaftsorganisationen. Seien Sie versichert, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um Sie in Ihrem Kampf zu unterstützen, wir stehen eng an Ihrer Seite.“

Dieses Schreiben wirkt noch gemäßigt im Vergleich mit dem der DGB-Jugend, welches am 18.10. verabschiedet wurde. Der Titel „Solidarität mit unseren Freund*innen in Israel“ sagt alles. Dabei erweist sich diese Linie der Solidarität mit dem israelischen Staat seither als das, was sie immer schon war: die Unterstützung eines Kriegs gegen die Bevölkerung von Gaza unter dem Vorwand der „Terrorismusbekämpfung“. Damit nicht genug. Als Gewerkschafter:innen offen die Demonstration „Gaza: Die Waffen müssen schweigen!“ im Januar in Köln unterstützten, war der Apparat bedacht, sehr schnell eine Pressemitteilung herauszugeben und klarzumachen: Der DGB ruft nicht dazu auf. Stattdessen beteilige man sich an der Aktion „Aufstehen gegen Terror, Hass und Antisemitismus – in Solidarität und Mitgefühl mit Israel“. Zusätzlich wurden in manchen Städten am 1. Mai – wie z. B. in Berlin oder Leipzig –  palästinasolidarische Blöcke versucht, aus den DGB-Demonstrationen zu verdrängen. Hier zeigt sich die arbeiter:innenfeindliche Politik der DBG-Bürokratie, indem sie sich offen und direkt gegen die Interessen der palästinensische Arbeiter:innen stellt. Zwar wird in diversen Stellungnahmen immer mal wieder erwähnt, dass man auch für die Zweistaatenlösung eintrete. Aber in dieser ohnmächtigen Formel erschöpft sich schon die „Kritik“ an der israelischen Regierung. Wenige Worte sind für die Situation der Palästinenser:innen reserviert, noch weniger für praktische Initiativen, um wenigstens deren Leid zu lindern.

Konkrete Beschlüsse erkämpfen, aktive Solidarität zeigen!

Um eine gewerkschaftliche Solidarität aufzubauen, sollten wir uns auch an positiven Beispielen orientieren. Gerade wenn man unter schwierigen Bedingungen kämpft, ist es motivierend zu sehen, was in anderen Ländern erreicht wurde: etwa das „National Labor Network for Ceasefire“, dem über 200 US-Gewerkschaften angehören, oder der Aufruf von 14 spanischen Gewerkschaften, den Waffenhandel mit Israel zu beenden.

Die internationalen Aktionen und Aufrufe können nicht nur als positive Beispiele genutzt werden. Es sollte auch in den Debatten aufgezeigt werden, dass der DGB internationale Beschlüsse hat, die er nicht umsetzt und konkret dagegen arbeitet. Wichtig ist dabei, dass es nicht nur darum geht, viele Forderungen oder möglichst lange Texte zu verabschieden, sondern dass man die Kolleg:innen dafür gewinnt, sich in der jeweiligen Gliederung öffentlich zu positionieren und auch aktiv werden zu können.

Das Kräfteverhältnis in den Gewerkschaften zu verändern, wird nicht einfach sein. Für Aktivist:innen ist es zentral zu verstehen, dass die Aktivitäten im Wechselspiel zueinander stehen. Einzelne Beschlüsse alleine werden das Kräfteverhältnis in den Gewerkschaften nicht kippen. Deswegen müssen die Aktivitäten Teil einer gesamtgesellschaftlichen, politischen Solidaritätskampagne sein. Ohne diese wird es schwer, etwas in Gang zu setzen. Auf der anderen Seite kann eine Solidaritätskampagne nur schlagkräftig werden können, wenn es uns gelingt, einen Teil der Gewerkschaftsaktivist:innen für eine internationalistische, fortschrittliche Politik zu gewinnen.

Konkrete Ansatzpunkte können ebenso die offene Solidarisierung mit propalästinensischen Protesten sein, wie es beispielsweise in Berlin die „Healthcare workers for Palestine“ getan haben und so auch einen Teil des zugehörigen Fachbereichs dazu bekamen, sich zu positionieren. Ebenso werfen die kommenden Hafenstreiks das Potenzial auf, die Debatte um die Blockade von Waffenlieferungen zu forcieren sowie der Komplizenschaft des deutschen Imperialismus mit Israel ein Zeichen entgegenzusetzen.

Friedenskonferenz in Stuttgart

Die Friedenskonferenz in Stuttgart stellt, wie oben schon geschrieben, eine Möglichkeit dar, Kräfte, die für eine aktive und basisorientierte Palästinasolidarität in den DGB-Gewerkschaften eintreten wollen, zusammenzubringen und gemeinsame Perspektiven und Aktivitäten zu beschließen. Aber selbst das wird die bewusste Intervention und Initiative von antiimperialistischen und internationalistischen Gewerkschafter:innen erfordern. So nimmt das Thema „Palästina“ keinen Raum im Programm der Konferenz ein. Auch wenn v. a. die Arbeitsgruppen am zweiten Tag Raum zu solchen Diskussionen bereitstellen könnten, wird nicht deutlich, ob die Konferenz eine aktive Auseinandersetzung mit diesem Thema haben – oder ob sie lieber zu Palästina schweigen möchte. Doch damit dies nicht dem Zufall überlassen wird, wollen wir nicht nur auf der Friedenskonferenz selbst intervenieren, sondern auch die Initiative Gewerkschafter:innen4Gaza vorstellen und ein Treffen organisieren, das besagte Punkte thematisiert und die bundesweite Vernetzung vorantreibt!

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