Michael Pröbsting, Revolutionärer Marxismus 39, August 2009
Das Modell der kapitalistischen Zyklen von Marx ist nach wie vor ausreichend, um die heutige Krise zu erklären. Worin liegt nun die Bedeutung der Leninschen Analyse des Imperialismus im Zeitalter der Globalisierung? Im Folgenden betrachten wir die heutige Gültigkeit der Imperialismus-Theorie und zeigen, dass diese ebenfalls unabdingbar ist zum Verständnis der vergangenen Entwicklung des Kapitalismus und seine Zukunft.
Rund 50 Jahre nach dem Erscheinen der Erstausgabe des ersten Bandes des “Kapitals” war Lenin in der Lage, den Kapitalismus auf der Grundlage des vielfach wiederholten Ablaufs des kapitalistischen Zyklus zu studieren. Seine wichtigste Schlussfolgerung war, dass die angehäuften Auswirkungen dieser Wiederholungen zu einem qualitativen Wandel des Kapitalismus geführt haben.
Ursprünglich war der Kapitalismus eine Produktionsweise, in der die Konkurrenz zwischen den Kapitalisten trotz der damit verbundenen Barbarei und Ausbeutung eine vorantreibende Kraft war, die im Großen und Ganzen ein Wachstum der Produktivkräfte wie auch des Gesamtprodukts der Gesellschaft bewirkte. Doch Lenin stellte fest, dass der Kapitalismus zu einem System geworden war, in dem Monopole vorherrschen und diese eine Tendenz der Einschränkung weiteren Wachstums bewirkten. Wie wir sehen werden, meinte Lenin damit nicht, dass es überhaupt keine Weiterentwicklung gäbe, sondern dass der Kapitalismus im Vergleich zum Zeitalter der „freien Konkurrenz“ in das Stadium seines Niedergangs eingetreten sei.
Es gibt keinen Grund zu bezweifeln, dass Lenin angesichts der Umstände, unter denen er während des Ersten Weltkrieges und seiner revolutionären Folgen schrieb, ein baldiges Ende dieses „Zeitalters des Niedergangs“ durch die internationale proletarische Revolution erwartete bzw. diesen für möglich hielt.
Heute, fast hundert Jahre später, ist die Frage, ob sich aufgrund der weiteren Entwicklung des Kapitalismus seine Analyse und seine Schlussfolgerungen nicht als falsch herausgestellt haben, ganz legitim. Unsere Schlussfolgerung lautet, dass zwar die Niederlagen der revolutionären Bewegung in den 1920er Jahren dem Imperialismus das Überleben und die Kapitalvernichtung im Zweiten Weltkrieg ihm einen weiteren Lebensabschnitt ermöglichten. Nichtsdestotrotz beweisen die jüngeren Entwicklungen, dass er nicht in der Lage war, seine historischen Schranken zu überwinden.
Weiter beinhaltet der „Niedergang“ einer ganzen Produktionsweise die fortgesetzte Entwicklung und Reifung jener Kräfte, welche die Grundlage der darauf folgenden Produktionsweise darstellen. Daher hat die längere Lebensspanne des Imperialismus nicht nur die fortgesetzte Entwicklung von Ungleichheit, Armut und Umweltzerstörung bewirkt, sondern auch die Herausbildung einer höher integrierten Weltwirtschaft und eines noch größeren Gegensatzes zwischen einem im Höchstmaß vergesellschafteten System der Produktion und einer noch nie da gewesenen Konzentration des Privateigentums an diesen Produktionsmitteln.
Auch wenn das offensichtlichste Merkmal des Imperialismus die Unterordnung der Mehrheit aller Länder unter eine Handvoll mächtiger Staaten ist, so war dies für Lenin nicht das wichtigste Merkmal. Er argumentierte vielmehr, dass dies die Entwicklung der kapitalistischen Monopole bis zu dem Punkt, da diese die Produktion beherrschen, sei. „Die Ablösung der freien Konkurrenz durch das Monopol ist der ökonomische Grundzug, das Wesen des Imperialismus.“ (1)
Die Monopole selbst erwuchsen aus dem „Freihandel“ in der vorangegangenen Epoche des Kapitalismus. „Ganz besonders ist dabei zu beachten, daß dieser Wechsel durch nichts anderes herbeigeführt ist, als durch unmittelbare Entwicklung, Erweiterung, Fortsetzung der am tiefsten verwurzelten Tendenzen des Kapitalismus und der Warenproduktion überhaupt.“ (2)
Marx schrieb, auf die Herausbildung von Aktiengesellschaften verweisend: „Es ist dies die Aufhebung der kapitalistischen Produktionsweise innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise selbst und daher ein sich selbst aufhebender Widerspruch, der prima facie als bloßer Übergangspunkt zu einer neuen Produktionsform sich darstellt. Als solcher Widerspruch stellt er sich dann auch in der Erscheinung dar. Er stellt in gewissen Sphären das Monopol her und fordert daher die Staatseinmischung heraus. Er reproduziert eine neue Finanzaristokratie, eine neue Sorte Parasiten in Gestalt von Projektenmachem, Gründem und bloß nominellen Direktoren; ein ganzes System des Schwindels und Betrugs mit Bezug auf Gründungen, Aktienausgabe und Aktienhandel. Es ist Privatproduktion ohne die Kontrolle des Privateigentums.“ (3)
Ebenso beschrieb Marx, wie Aktiengesellschaften und Kredit als Übergangsphase vom Kapitalismus zu einem System basierend auf gesellschaftlichem Eigentum agieren: „Es ist andrerseits Durchgangspunkt zur Verwandlung aller mit dem Kapitaleigentum bisher noch verknüpften Funktionen im ReproduktionsProzess in bloße Funktionen der assoziierten Produzenten, in gesellschaftliche Funktionen.“ (4)
Die Monopole stellten die fortgeschrittenste Form der kapitalistischen Organisation dar und konnten nur in den hoch entwickelten kapitalistischen Ökonomien entstehen, wo die Stärke der Monopole am heimischen Markt ihnen auch erlaubte, die Kontrolle über die wichtigsten Rohstoffe zu übernehmen. Ebenso war die Entwicklung der Monopole eine Vorbedingung für die Fusion des Banken- und Industriekapitals und der daraus folgenden Herausbildung des Finanzkapitals, welches die materielle Basis der Bankenoligarchie darstellte, welche die entwickelten kapitalistischen Ökonomien beherrscht. Diese Aspekte der „Monopolisierung“ ermöglichten den Übergang der alten „Kolonialpolitik“, der „’freibeuterischen‘ Besetzung des Landes“, wie Lenin es nannte, hin zur monopolistischen Einverleibung der Länder und den daraus resultierenden Kämpfen um die Aufteilung der Welt.
Wenn, wie Lenin sagte, das Monopol die „ökonomische Essenz“ des Imperialismus darstellt, dann ist ein Verständnis seiner Analyse des Monopols genauso unabdingbar wie das Verständnis seiner Analyse der Epoche.
Während er die enorme Macht der Monopole erkannte, betonte er auch, dass diese „… unvermeidlich die Tendenz zur Stagnation und Fäulnis (erzeugen). In dem Maße, wie Monopolpreise, sei es auch nur vorübergehend, eingeführt werden, verschwindet bis zu einem gewissen Grade der Antrieb zum technischen und folglich auch zu jedem anderen Fortschritt, zur Vorwärtsbewegung; und insofern entsteht die ökonomische Möglichkeit, den technischen Fortschritt künstlich aufzuhalten.“ (5)
So wie daher der Freihandel seine eigene Aufhebung hervorbringt, so stellt das Monopol nicht nur das fortgeschrittenste Element innerhalb des Kapitalismus dar, sondern tendiert auch zur Aufhebung der treibenden Kraft des kapitalistischen wirtschaftlichen Fortschritts, der Konkurrenz zwischen den Kapitalen. Sobald ein mächtiger Konzern den Markt für Rohstoffe kontrolliert und seine Profite durch Monopolpreise absichert, ist er nicht mehr unter dem gleichen Druck, effizientere Produktionsmethoden zu entwickeln.
Gleichzeitig sehen wir aber, dass Lenin hier über eine Tendenz und nicht über eine absolute Barriere für weiteren Fortschritt spricht. Vor allem in Bezug auf den gesamten Globus darf der Begriff „Monopol“ nicht wortwörtlich verstanden werden im Sinne eines einzigen Produzenten in einem bestimmten Wirtschaftssektor. Lenin meinte mit Monopol vielmehr eine Handvoll großer Konzerne in den entwickeltsten kapitalistischen Ländern, die in der Lage waren, Preisabsprachen zu treffen, und dies auch taten. Er meinte damit jedoch nicht, dass diese Vereinbarungen die Konkurrenz untereinander vollkommen beseitigen könnten, insbesondere nicht am Weltmarkt.
Zum Verhältnis von Monopol und ökonomischem Fortschritt schreibt Lenin: „Gewiß kann das Monopol unter dem Kapitalismus die Konkurrenz auf dem Weltmarkt niemals restlos und auf sehr lange Zeit ausschalten (das ist übrigens einer der Gründe, warum die Theorie des Ultraimperialismus unsinnig ist). Die Möglichkeit, durch technische Verbesserungen die Produktionskosten herabzumindern und die Profite zu erhöhen, begünstigt natürlich Neuerungen. Aber die Tendenz zur Stagnation und Fäulnis, die dem Monopol eigen ist, wirkt nach wie vor und gewinnt in einzelnen Industriezweigen, in einzelnen Ländern für gewisse Zeitspannen die Oberhand.“ (6)
In Lenins Verständnis des Kapitalismus in der Epoche des Imperialismus gibt es eine Art permanenten Konflikt zwischen der Dynamik des Wirtschaftswachstums, der Entwicklung der Produktivkräfte und der Tendenz zum Niedergang. Aber dies darf nicht als ein stabiles Gleichgewicht verstanden werden, in der ein Faktor die anderen ausbalanciert. Im Gegenteil, verpflichten uns nach Lenin die charakteristischen Merkmale des Imperialismus dazu, „ihn als parasitären oder in Fäulnis begriffenen Kapitalismus zu kennzeichnen.“ (7) Nichtsdestotrotz „wäre (es) ein Fehler, zu glauben, daß diese Fäulnistendenz ein rasches Wachstum des Kapitalismus ausschließt; durchaus nicht, einzelne Industriezweige, einzelne Schichten der Bourgeoisie und einzelne Länder offenbaren in der Epoche des Imperialismus mehr oder minder stark bald die eine, bald die andere dieser Tendenzen. Im großen und ganzen wächst der Kapitalismus bedeutend schneller als früher, aber dieses Wachstum wird nicht nur im allgemeinen immer ungleichmäßiger, sondern die Ungleichmäßigkeit äußert sich auch im besonderen in der Fäulnis der kapitalkräftigsten Länder.“ (8) Als Lenin diese Zeilen schrieb verwies er ausdrücklich auf Großbritannien und, wie wir sehen werden, kann heute das gleiche über die USA gesagt werden.
Dieses grundlegende Verhältnis zwischen dem Potential des Kapitalismus zur Ausweitung der Produktion und Weiterentwicklung der Produktivkräfte und der notwendigen Bildung von Monopolen, die dieses Potential einengen, schafft den theoretischen Rahmen für die bekannte zusammenfassende Definition des Imperialismus:
„1. Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, daß sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen; 2. Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis dieses ‘Finanzkapitals’; 3. der Kapitalexport, zum Unterschied vom Warenexport, gewinnt besonders wichtige Bedeutung; 4. es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen, und 5. die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet. Der Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, wo die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet, der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen, die Aufteilung der Welt durch die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen ist.“ (9)
Aus dieser Analyse ergeben sich für Lenin auch klare Schlussfolgerungen für die historische Einordnung des Imperialismus, dass er nämlich in diesem das höchste und letzte Stadium des Kapitalismus sieht:
„Es ist begreiflich, warum der Imperialismus sterbender Kapitalismus ist, den Übergang zum Sozialismus bildet: das aus dem Kapitalismus hervorwachsende Monopol ist bereits das Sterben des Kapitalismus, der Beginn seines Übergangs in den Sozialismus. Die gewaltige Vergesellschaftung der Arbeit durch den Imperialismus (das, was seine Apologeten, die bürgerlichen Ökonomen, ‘Verflechtung’ nennen) hat dieselbe Bedeutung.“ (10)
Dieser letzte Punkt ist von größter Bedeutung, denn der Kapitalismus in seinem höchsten und entwickeltsten Stadium schränkt nicht nur die weitere Entwicklung der Produktivkräfte ein, sondern steigert auch die Vergesellschaftung der Produktion in einem nicht dagewesenen Ausmaß. Dies treibt den Konflikt zwischen der gesellschaftlichen Macht der Monopolbourgeoisie, die wirtschaftliche Entwicklung zum Zwecke der Absicherung der eigenen Profite zu behindern, auf der einen Seite und der Notwendigkeit der weltweit vernetzten Arbeiterklasse, die Kontrolle über die Produktion zwecks Absicherung des eigenen physischen Überlebens auf der anderen Seite bis zum Äußersten. Lenin schreibt in einem anderen Artikel unmißverständlich: „Die Epoche des kapitalistischen Imperialismus ist die des reifen und überreifen Kapitalismus, der vor dem Zusammenbruch steht, der reif ist, dem Sozialismus Platz zu machen.“ (11)
Auf die Erkenntnis, dass der Imperialismus das Stadium des Kapitalismus ist, in welchem dieser nicht nur beginnt, ein Hemmnis für den wirtschaftlichen Fortschritt zu werden, sondern gleichzeitig auch die Kräfte für seine eigene Überwindung hervorbringt, wies schon Bucharin hin, mit dem Lenin im Exil zusammenarbeitete:
„Die moderne Gesellschaft, die die Produktivkräfte gewaltig entwickelt, die immer neue Gebiete erobert, die die gesamte Natur in ungeahntem Maße der Herrschaft des Menschen unterwirft, beginnt, in den Fesseln des Kapitalismus zu ersticken. Die Widersprüche, die im Wesen des Kapitalismus begründet sind, die zu Beginn seiner Entwicklung erst im Keimzustande vorhanden waren, haben mit jedem weiteren Schritt des Kapitalismus zugenommen und sich zugespitzt. In der imperialistischen Epoche wachsen sie bis ins Ungeheuerliche. Die Produktivkräfte erfordern in ihrem heutigen Umfang kategorisch andere Produktionsverhältnisse. Die kapitalistische Hülle muß unvermeidlich gesprengt werden.“ (12)
Ein anderer marxistischer Theoretiker, Eugen Preobraschenski – einer der wichtigsten bolschewistischen Ökonomen der 1920er und führenden Köpfe in Trotzkis Linksopposition – betonte bei seiner Behandlung der Beiträge von Marx und Engels zur Überwindung des Kapitalismus ebenso die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Niedergangscharakters der imperialistischen Epoche. „Lenin muß die kapitalistische Wirtschaft nicht nur in der Zeit ihres beginnenden Falls und Zerfalls analysieren, sondern er muß die kapitalistische Gesellschaft als Ganzes in der Epoche ihres Unterganges untersuchen. (…)Lenin machte die Analyse des Staates und damit die Analyse des kapitalistischen Staates in der Periode des anfänglichen Zerfalls des ganzen kapitalistischen Systems. (…)Umgekehrt, lebt Lenin in der Periode des Zerfalls des Kapitalismus, in der Epoche der beginnenden proletarischen Revolution …“ (13)
In der Imperialismus-Analyse der Kommunistischen Internationale bereits angedeutet und besonders von Trotzki und Bucharin betont, ist die Bedeutung des Weltmarkts ein weiteres Charakteristikum der marxistischen Imperialismus-Theorie.
Die politischen und ökonomischen Verhältnisse in jedem Nationalstaat können vom marxistischen Standpunkt aus betrachtet nicht nur und nicht einmal in erster Linie aus den inneren Faktoren abgeleitet werden, sondern nur als ein politisches und ökonomisches Weltsystem. Der imperialistische Kapitalismus existiert nicht als eine Aneinanderreihung zahlreicher Nationalstaaten und -ökonomien (14). Vielmehr sind die Weltwirtschaft und die Weltpolitik – die sich wiederum als Schmelztiegel aller nationalen Faktoren zu einer eigenständigen Totalität über diese erheben – die ausschlaggebenden Triebkräfte. Die ungleichzeitige und kombinierte Entwicklung des Weltkapitalismus trifft mit den jeweils lokalen Besonderheiten eines Landes zusammen und verschmilzt dann zu der jeweils spezifischen nationalen Dynamik der politischen und ökonomischen Verhältnisse eines bestimmten Staates.
„Der Marxismus geht von der Weltwirtschaft aus nicht als einer Summe nationaler Teile, sondern als einer gewaltigen, selbständigen Realität, die durch internationale Arbeitsteilung und den Weltmarkt geschaffen wurde und in der gegenwärtigen Epoche über die nationalen Märkte herrscht.“ (15)
Die kapitalistische Produktionsweise – der Produktions- und Reproduktionsprozess des Kapitals auf erweiterter Stufenleiter – verkörpert ein dynamisches und zugleich krisenhaftes, fragiles, von explosiven Gegensätzen geprägtes Gleichgewicht. Ein Gleichgewicht, das daher an bestimmten Punkten aufgrund seiner inneren Widersprüche immer wieder zerbricht und zerbrechen muss. Mit anderen Worten: Es ist ein Gleichgewicht im dialektischen Sinne als vorübergehender Einheit von Gegensätzen, die zur Sprengung ihrer Klammer und Aufhebung auf höherer Ebene drängt. Schon Friedrich Engels betonte: „Alles Gleichgewicht (ist) nur relativ und temporär.“ (16)
Auf ökonomischer Ebene drückt sich dies in wiederkehrenden Rezessionen bis hin zu Wirtschaftsdepressionen aus. Das gilt auch für den Kapitalismus in seiner Totalität, als Gesamtheit von ökonomischer Basis und politischem und ideologischem Überbau sowie auch im gesellschaftlich konstruierten Verhältnis von Mensch und Natur. Innere Widersprüche führen zu politischen und gesellschaftlichen Explosionen (Kriege, Umweltkatastrophen, spontane Aufstände wie zuletzt in Frankreich, revolutionäre Krisen usw.). Bucharin verallgemeinerte das folgendermaßen: „Von diesem Standpunkt aus ist also der Prozess der kapitalistischen Reproduktion nicht allein ein Prozess der erweiterten Reproduktion der kapitalistischen Produktionsverhältnisse: Er ist zugleich ein Prozess der erweiterten Reproduktion der kapitalistischen Widersprüche.“ (17)
Fassen wir zusammen: Wenn wir also vom Imperialismus als der Epoche des Niedergangs des Kapitalismus sprechen, so meinen wir damit keineswegs seine Unfähigkeit, die Technik, die Maschinerie, kurz die Produktivität der Arbeit steigern zu können. Vielmehr meinen wir damit die weitgehende Unfähigkeit des Kapitalismus, technologische Neuerungen und wirtschaftliches Wachstum in gesellschaftlichen Fortschritt der Menschheit umzuwandeln. Die Monopolisierung bewirkt, dass wir trotz Wachstum und Innovation in bestimmten Sektoren für bestimmte Perioden insgesamt eine sinkende Wachstumsdynamik vorfinden. Aufgrund dieser Tendenzen sehen wir eine zunehmende Instabilität und Krisenhaftigkeit des Weltkapitalismus auf ökonomischer und politischer Ebene.
Der Imperialismus ist eine Epoche des scharfen Aufeinanderprallens grundlegender Widersprüche des Kapitalismus. Dieses Aufeinanderprallen führt zu einem bestimmten Zeitpunkt notwendigerweise zu offenen Explosionen wie Kriegen und Revolutionen. Offensichtlich wurde die Theorie des Imperialismus in einer Periode entwickelt und ausgearbeitet, in der die Merkmale der imperialistischen Epoche unmittelbar sichtbar waren. Doch spätere Generationen von MarxistInnen mussten die tatsächlichen Entwicklungen verarbeiten, die eine Überwindung der unmittelbar explosiven Konjunktur nicht durch eine proletarische Revolution, sondern durch eine kapitalistische Konterrevolution sahen, eine zeitlich begrenzte Abschwächung der Widersprüche des Imperialismus zum Vorteil der Kapitalisten.
Eine solche Überwindung, die dem Imperialismus einen neuen Lebensabschnitt ermöglicht, setzt voraus:
Es bedurfte zweier Jahrzehnte und eines weiteren Weltkrieges, um solche Voraussetzungen nach den revolutionären Aufbrüchen zu schaffen, der Nachkriegsboom 1948-1973 war eine solche Periode. In ihr stagnierten die Produktivkräfte keineswegs, es kam vielmehr zu einem rasanten Aufschwung. Technologische Erneuerungen führten zu allgemeinen, gesellschaftlichen Fortschritten und der Lebensstandard der Mehrheit der Arbeiterklasse stieg.
Nichtsdestotrotz bestätigte das Ende dieser Periode und die Art wie dieses zustande kam – die tumulthaften Ereignisse in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren – die Theorie Lenins. Jedoch erreichte die Krise zu dieser Zeit nicht die Ausmaße der Periode nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und konnten daher durch eine qualitativ weniger intensive Konterrevolution gelöst werden. Dies führte aber nicht zu jenem Schub für den Kapitalismus, der zur Auslösung eines weiteren „langen Booms“ notwendig gewesen wäre.
Kann es in der Zukunft wieder zu einem langen Boom kommen, ähnlich wie in den 1950er und 1960er Jahren?
Vom marxistischen Standpunkt aus gesehen wäre es falsch, eine solche Möglichkeit auszuschließen. Aber ebenso falsch wäre es, sich diese Möglichkeit als bloße Wiederholung der Ereignisse, die zur langen Aufschwungperiode geführt haben, vorzustellen. Der Monopolkapitalismus des 21. Jahrhunderts ist nicht der Gleiche wie jener vor 50-60 Jahren. Die Produktivkräfte haben sich seitdem enorm entwickelt und damit auch die Destruktivkräfte. Ein Weltkrieg heute hätte unbeschreiblich schrecklichere Folgen für die Menschheit als der Zweite Weltkrieg (inklusive der Gefahr der Auslöschung von Teilen der Menschheit und der Zerstörung der Zivilisation). Die enge globale Vernetzung der Weltwirtschaft bringt mit sich, dass jede schwere regionale Erschütterung – sei es wirtschaftlicher, politischer oder militärischer Natur – sich weltweit auswirkt. Die Möglichkeiten einer auch nur temporären Milderung der imperialistischen Widersprüche und eines neuerlichen langen Aufschwungs sind also heute deutlich geringer als Mitte des 20. Jahrhunderts. Die Alternative „Sozialismus oder Barbarei“ tritt im 21. Jahrhundert klarer und schärfer denn je hervor.
Bei der Auseinandersetzung, ob die „Globalisierung“ die Imperialismus-Theorie Lenins bestätigt oder widerlegt, spielt die Frage der Produktivkräfte eine zentrale Rolle. Daher brauchen wir Klarheit, was dieser Begriff bedeutet (18).
In der marxistischen Theorie umfassen Produktivkräfte sowohl Maschinen und Rohmaterialien, deren Produktion und Wachstum sich in Statistiken wie dem Brutto-Inlandsprodukt ausdrücken, als auch – und dies ist noch wichtiger – die Menschen, die die Produktionsmittel bedienen und zu diesem Zweck bestimmte Formen der gesellschaftlichen Arbeitsteilung eingehen: die Arbeiterklasse (19). Das „Wachstum der Produktivkräfte“ beinhaltet daher nicht nur die Größe der Arbeiterklasse, sondern auch ihren Lebensstandard und ihr kulturelles Niveau. Wenn wir dies berücksichtigen, fällt es nicht schwer, sich Bedingungen vorzustellen, unter denen ein fortgesetztes Wachstum des materiellen Outputs stattfindet und gleichzeitig der Lebensstandard oder die Anzahl der ArbeiterInnen oder beides sinkt. Wenn wir also die Entwicklung der Produktivkräfte im Zeitalter der Globalisierung betrachten, müssen wir sowohl ihre quantitativen und qualitativen Auswirkungen auf die Arbeiterklasse in Erwägung ziehen als auch die Statistiken für die Produktion.
Die Bedeutung dieses Verständnisses liegt darin, dass Marx den sich entwickelnden Widerspruch zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen als die Triebkraft der Revolution ansah. Das bedeutet, dass im Kapitalismus, wie auch in vorherigen Klassengesellschaften, die fortgesetzte Entwicklung der Produktivkräfte durch die Klassenstruktur und die daraus resultierende Kontrolle der Produktion und Distribution eingeschränkt ist. Dies wäre natürlich eine nichts aussagende Annahme, wenn die Produktivkräfte nur aus Maschinen, Rohmaterialien und Produkten bestehen würden. Doch sobald die Arbeiterklasse mitberücksichtigt wird, macht diese Annahme Sinn – in einer Welt, in der in manchen Ländern Millionen Menschen arbeitslos sind und in anderen Ländern Millionen Hunger leiden, weil Finanzkapitalisten ihre Spekulationsgelder vom Immobilienmarkt in Lebensmittel-Futures umleiten.
Im Folgenden wollen wir vor allem unsere Grundthese von der zunehmenden Krisenhaftigkeit und dem Niedergang des Kapitalismus in den verschiedenen Facetten untersuchen und belegen. Danach wenden wir uns den Folgewirkungen und ihren Widersprüchen zu. Besonderes Augenmerk legen wir auf die zyklen-übergreifenden Auswirkungen der von uns benannten Widersprüche, die im Imperialismus wirken. Daher betrachten wir v.a. die längerfristigen, sich über mehrere Zyklen erstreckenden Tendenzen. Zwar endet jeder Zyklus damit, dass „überschüssiges“ Kapital zerstört wird, doch wenn diese Zerstörung nicht umfassend genug ist, wird das Kapital im nächsten Zyklus eine höhere organische Zusammensetzung haben als zuvor. Wenn sich dieser Prozess über mehrere Zyklen hinweg wiederholt, kommt es zu einer strukturellen Überakkumulation von Kapital und die Kapitalisten sehen sich zunehmenden Verwertungsschwierigkeiten im Produktionsprozess gegenüber.
Ein verbreiteter Unfug vieler Apologeten und Propagandisten des Kapitalismus besteht darin, einzelne Länder oder kurze Zeitabschnitte heranzuziehen und anhand dieser zu „beweisen,“ dass die kapitalistische Globalisierung ein Segen für die Menschheit sei. Oft wird dabei auf China oder auf einzelne Konjunkturabschnitte der US-Ökonomie verwiesen. Eine marxistische Analyse der Lage des internationalen Kapitalismus darf jedoch nicht nur und nicht in erster Linie auf ein bestimmtes, kurzfristiges, nationales Phänomen zu achten, sondern muss – wie schon Lenin betonte – das Augenmerk auf alle wesentlichen weltweiten Erscheinungen und Tendenzen legen. Es gilt, die Totalität der weltweiten Entwicklung zu verstehen.
„Um diese objektive Lage darstellen zu können, darf man nicht Beispiele und einzelne Daten herausgreifen (bei der ungeheuren Kompliziertheit der Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens kann man immer eine beliebige Zahl von Beispielen oder Einzeldaten ausfindig machen, um jede beliebige These zu erhärten), sondern man muß unbedingt die Gesamtheit der Daten über die Grundlagen des Wirtschaftslebens aller kriegführenden Mächte und der ganzen Welt nehmen.“ (20)
Wir versuchen daher, möglichst umfassende, globale, längerfristige Entwicklungslinien herauszuarbeiten bzw. stellen kurzfristige Phänomene in einen größeren Kontext.
Zunächst noch eine kurze Vorbemerkung zu den bürgerlichen Statistiken. Uns ist bewusst, dass die Verwendung bürgerlicher Wirtschafts- und Sozialstatistiken nicht unproblematisch ist. Einige der einflussreichsten statistischen Serien werden von großen Institutionen wie dem Internationalen Währungsfond (IWF), der Weltbank oder von Zentralbanken der verschiedenen Länder herausgegeben. Gerade weil deren Prognosen für nationale und internationale wirtschaftliche Entwicklungen großen Einfluss haben können, haben diese Institutionen ein Interesse daran, zumindest keinen Beitrag zu einem „Vertrauensverlust“ zu leisten und tendieren daher dazu, negative Entwicklungen in ihren Statistiken herunterzuspielen.
Darüber hinaus beinhalten die bürgerlichen ökonomischen Kategorien und Konzepte die ideologischen Schwächen der bürgerlichen Wirtschaftswissenschaften. So können z.B. Profite auf verschiedene Weisen berechnet werden: Profite vor Steuern, nach Steuern, nach Abschreibungen, inklusive Kapitalverschleiß, einbehaltene Profite usw. All diese Kategorien verschleiern, dass die Profite aus unbezahlter Arbeit herrühren. Darüber hinaus können wichtige Änderungen in der Berichterstattung der Profite Resultat von technischen, rechtlichen oder Berechnungsänderungen bzgl. Steuern, Bewertungen oder der Berechnung des Verschleißes sein.
Schließlich zeigt sich im am meisten verwendeten Wertmaßstab für nationale Wirtschaften und deren Wachstum der fetischisierte Charakter der bürgerlichen Wirtschaftskategorien – dem Brutto-Inlandsprodukt (BIP). Während der Marxismus die Wirtschaft als System betrachtet, in dem Güter und Dienstleistungen, deren Wert letztlich durch die in ihnen steckende und zu ihrer Herstellung notwendige Arbeitszeit gemessen wird, sehen bürgerliche Ökonomen die Wirtschaft als ein durch Preise reguliertes System des Austausches von Gütern und Dienstleistungen. Das Ergebnis ist, dass das „BIP“ entweder auf der Grundlage der gesamten Kaufpreise für alle Güter und Dienstleistungen berechnet wird oder, als Alternative, auf der Basis des durch alle Güter und Dienstleistungen generierten Einkommens. Darüber hinaus wird die Gesamtheit aller Güter und Dienstleistungen mit Methoden berechnet, die den verschiedenen Sektoren der Ökonomie unterschiedliche Gewichte geben.
Das bedeutet, dass die BIP-Zahlen keine direkte Entsprechung in den marxistischen Kategorien finden. Sie können z.B. nicht anzeigen, ob der gesamte geschaffene Wert realisiert wurde oder ob Veränderungen bei der Wertzusammensetzung der Ware als Resultat von Veränderungen bei den Produktionstechniken stattfinden.
Nichtsdestotrotz können angesichts der Tatsache, dass in etwa die gleiche Methode bei der Erstellung von statistischen Reihen über einen längeren Zeitraum verwendet wird, Veränderungen beim BIP u.ä. Statistiken als Indikatoren für tatsächliche Veränderungen wirtschaftlicher Aktivitäten verwendet werden. Dadurch können wir, gemeinsam mit der Verwendung anderer Statistiken, einen Überblick über das relative Wachstum und die Dynamik einer Ökonomie gewinnen.
Zur Untersuchung der Weltwirtschaft. Beginnen wir mit dem empirischen Nachweis der niedergehenden Dynamik des imperialistischen Kapitalismus heute anhand des sinkenden Produktionszuwachses. Zuerst nehmen wir die Wachstumsdynamik des weltweiten Brutto-Inlandsproduktes, welches den jährlichen Output der Industrie, des Dienstleistungssektors sowie der Landwirtschaft widerspiegelt. Die Zahlen der Tabelle 1 sind in Zehnjahres-Schritten angeführt, während die zum Vergleich herangezogene Tabelle 2 in Zwanzigjahres-Schritten gegliedert ist. Das Gesamtbild der Periode von 1970 bis 2006 ist aus Grafik 1 ersichtlich.
Tabelle 1: Wachstumsraten des Welt-Brutto-Inlandsproduktes (in % pro Jahr) (21)
1971-1980 +3.8%
1981-1990 +3.2%
1991-2000 +2.6%
2000-2005 +2.7%
Tabelle 2: Wachstumsraten des Welt-Brutto-Inlandsprodukts – Vergleich 1960-1980 und 1980-2000 (in % pro Jahr) (22)
1960-1980 +4.7%
1980-2000 +3.0%
Grafik 1: Wachstumsraten des Welt-BIP 1970 – 2006 (23)
Noch deutlicher wird das Bild des kapitalistischen Niedergangs, wenn wir das Brutto-Inlandsprodukt ins Verhältnis zur Bevölkerungsentwicklung setzen. Die ILO (International Labour Organisation) hat berechnet, dass in den 1960ern das Welt-Brutto-Inlandsprodukt pro Kopf um 3,7% gewachsen, die Wachstumsrate seitdem aber stetig gefallen ist. In den 1970ern schrumpfte diese auf 2,1%, im darauf folgenden Jahrzehnt weiter auf 1,3%. Letztlich erreichte die Wachstumsrate einen neuen Tiefpunkt in den 1990er Jahren, dem ersten Jahrzehnt der Globalisierung, mit nur 1,1%. Dieser Trend setzte sich fort. So zeigten die ersten drei Jahre des neuen Jahrhunderts ein durchschnittliches Wachstum von knapp 1% (24).
Wenn wir nun das Bild des Welt-Kapitalismus differenzieren und in seine beiden wesentlichen Teile zerlegen – die imperialistischen Metropolen und die halbkoloniale Welt – sehen wir, dass bei allen Unterschieden die allgemeine, langfristige Tendenz die gleiche ist. Basierend auf gewichteten Durchschnittswerten errechnet das UNO “World Economic and Social Survey” von 2006, dass das jährliche Pro-Kopf-Wachstum des BIP am Ende der 1960er mit 3,5% am höchsten war, in den 1970ern auf 2,7%, in den 1980ern auf 2,0% und schließlich in den 1990ern auf 1,7% sank. Für die „Entwicklungsländer“ betragen die entsprechenden Zahlen 3,7% in den späten 1960ern, 1,8% in den 1970ern, 2,0% in den 1980ern und in den 1990ern 1,7% (25).
Die gleiche Tendenz findet sich auch im Herzen der Mehrwerterwirtschaftung – der Industrieproduktion. Laut Angaben der Weltbank sehen wir einen ähnlich stetigen Rückgang der weltweiten Wachstumsraten der Industrieproduktion von 3,0% in den 1980ern auf 2,4% in den 1990ern und einem Durchschnitt von 1,4% bis 2004 (26).
Betrachten wir nun die imperialistischen Staaten, wo die große Masse des Weltkapitals beheimatet ist, etwas genauer. Tabelle 3a zeigt die Wachstumsraten des Brutto-Inlandsprodukts in den großen imperialistischen Staaten, während Tabelle 3b die Wachstumsraten der Industrieproduktion darstellt.
Tabelle 3a: Wachstumsraten des Brutto-Inlandsprodukts in den imperialistischen Staaten (in % pro Jahr) (27)
Wachstumsrate des BIP (in Prozent pro Jahr)
imperialistische
Staaten USA Japan EU-15
BIP BIP/Kopf BIP BIP p.K. BIP BIP p.K. BIP BIP p.K.
1960-1969 +5.1% +3.8% +4.6% +3.3% +10.2% +9.0% +5.3% +3.5%
1970-1980 +3.4% +2.5% +3.2% +2.1% +4.4% +3.3% +3.0% +2.6%
1980-1990 +3.0% +2.3% +3.2% +2.2 % +4.1% +3.5% +2.4% +2.1%
1990-2000 +2.5% +1.8% +3.2% +2.2% +1.3% +1.1% +2.0% +1.7%
2000-2005 +2.2% — +2.8% — +1.3% — +2.0% —
Tabelle 3b: Wachstumsraten der Industrieproduktion in den imperialistischen Zentren (in % pro Jahr) (28)
Wachstumsraten der Industrieproduktion (in % pro Jahr)
USA Japan EU-15
1961-1970 +4.9% +13.5% +5.2%
1971-1980 +3.0% +4.1% +2.3%
1981-1990 +2.2% +4.0% +1.7%
1991-2000 +4.1% +0.1% +1.5%
2001-2005 +1.4% -0.1% +0.1%
Tabelle 4: Wachstumsraten der weltweiten Kapitalakkumulation (in % pro Jahr) (29)
1980-1990 +3.9%
1990-2000 +3.2%
2000-2004 +1.2%
Wir sehen also insgesamt eine niedergehende Wachstumsdynamik in den imperialistischen Ökonomien, auch wenn diese in den USA, v.a. seit 1990, weniger dramatisch verläuft als in anderen imperialistischen Staaten (zu den Gründen hierfür weiter unten). Die längerfristige Auswirkung dieser Niedergangstendenz kann man in Tabelle 4 beobachten, die eine Verlangsamung der Wachstumsrate der Kapitalakkumulation erkennen läßt. Dies ist die unausweichliche Konsequenz dessen, dass die wiederholten Wirtschaftskrisen nicht ausreichend viel Kapital zerstört haben, um neuen Schwung in das kapitalistische Wirtschaftssystem als Ganzes zu bringen. Diese Entwicklung zeigt auch, wie die Maßnahmen der Bourgeoisie zur Stabilisierung des Kapitalismus, wenn dieser von den politischen und sozialen Konsequenzen des Zyklus bedroht wird, die grundlegenden Probleme des Kapitalismus längerfristig verschärfen.
Dieser Trend kann ebenso klar in der in Grafik 2 abgebildeten Entwicklung der Investitions- und Sparraten gesehen werden.
Grafik 2: Globale Spar- und Investitionsquote als Anteil am BIP, 1970-2004 (30)
Tabelle 5: Anteil der gesamten Brutto-Anlageinvestitionen sowie der Ausüstungsinvestionen am BIP, 1970 – 2004 (31)
Betrachten wir abschließend die Kapitalakkumulation in einzelnen ausgewählten Ländern und berücksichtigen wir dabei insbesondere die Entwicklung jenes Bereichs in der bürgerlichen Wirtschaftsstatistik, die der Marxschen Kategorie des fixen konstanten Kapitals am nächsten kommt: den Ausrüstungsinvestitionen.
Das gleiche Bild ergibt sich, wenn wir uns die sinkende Dynamik der Erweiterungsinvestitionen – die Netto-Investitionen – anschauen. Unter Netto-Investitionen versteht man die Gesamtinvestitionen minus jenen Teil, der nur zur Ersetzung von bereits eingesetztem Kapital dient. Mit anderen Worten: Die Netto-Investitionen zeigen an, in welchem Ausmaß die Kapitalbasis erweitert wird. Die Aussagekraft der Wachstumsdynamik der Netto-Investitionen liegt darin, dass diese deutlicher die tatsächliche Geschwindigkeit der erweiterten Reproduktion des Kapitals widerspiegelt. In diesem Zusammenhang zeigt Grafik 3 besonders deutlich, wie schwer Japan von den Maßnahmen getroffen wurde, die angesichts der Rezession in den frühen 1990ern – dem Beginn der Periode der Globalisierung – ergriffen wurden.
Grafik 3: Netto-Investitionen als Anteil am Netto-Inlandsprodukt in den imperialistischen Ökonomien, 1980 – 2006 (32)
Trotz einer Verlangsamung des Wachstums des Kapitalstocks steigt in den imperialistischen Metropolen der Kapitaleinsatz pro Arbeitskraft. Mit anderen Worten: Es steigt die organische Zusammensetzung des Kapitals. Die folgende Grafik zeigt dies unmissverständlich, auch wenn die Angaben nicht eins zu eins der organischen Zusammensetzung des Kapitals gleichzusetzen sind.
Grafik 4: Verhältnis zwischen konstantem Kapital und Arbeit (in Dollar pro Arbeitsstunde), 1946-2001 (33)
Die sinkenden Wachstumsraten der Produktion und der Investitionen sind Konsequenzen der steigenden organischen Zusammensetzung des Kapitals, die wiederum letztlich zu einem langfristigen Fall der Profitrate führt. Wir betonen, dass es sich hier um eine langfristige Tendenz handelt und nicht um einen linearen, Jahr für Jahr voranschreitenden Fall. Teilweise gelang es den Kapitalisten auch, dem Fall entgegenzusteuern (zu den entgegenwirkenden Maßnahmen siehe unten). Nichtsdestotrotz ist die Tendenz eindeutig.
Betrachten wir zuerst die Entwicklung der Netto-Profitraten in den imperialistischen Kernländern seit dem Beginn des Nachkriegs-Booms Ende der 1940er Jahre (34).
Tabelle 6: Netto-Profitraten im nicht-finanziellen Unternehmenssektor in den USA, Japan und Deutschland, 1948-2000 (35)
USA Japan Deutschland
1948-1959 14.3% 17.3% 23.4%
1959-1969 15% 25.4% 17.5%
1969-1979 10.3% 20.5% 12.8%
1979-1990 9.0% 16.7% 11.8%
1990-2000 10.1% 10.8% 10.4%
Betrachten wir nun die Entwicklung der Profitrate in den USA, der größten imperialistischen Macht, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Beginn der Boom-Periode. Seit den späten 1980ern gibt es eine Debatte zwischen marxistischen ÖkonomInnen über den Niedergang der US-Ökonomie im Allgemeinen und die Frage der Profirate im Besonderen. Auch wenn Teilnehmer dieser Debatte wie Robert Brenner, Fred Moseley, Tom Weisskopf, Doug Henwood, Levy und Dumenil u.a. unterschiedliche Herangehensweisen und Methoden verwenden, so existiert zwischen ihnen doch ein Konsens darüber, dass sich die Profitraten in den 1950ern und 1960ern in einem Allzeithoch befanden und danach mit der Rezession 1973-75 einen scharfen Einbruch erlebten. Der nächste Höhepunkt fand zwischen 1993-1996 statt, auch wenn er nicht an das Niveau der 1950er und 1960er Jahre heranreichte. Tabelle 7 und Grafik 5 zeigen Berechnungen von Fred Moseley und Doug Henwood, die den Gesamttrend demonstrieren.
Tabelle 7: Die Entwicklung der Profitrate in der US-amerikanischen Wirtschaft 1947-2004 (36)
1947 22%
1952 21%
1957 18%
1962 20%
1967 19%
1972 16%
1977 12%
1982 11%
1987 14%
1992 15%
1997 18%
2001 14%
2004 19%
Grafik 5: Entwicklung der Profitrate im nicht-finanziellen Unternehmenssektor, USA 1952-2002 (37)
Wir sehen, dass das imperialistische Kapital in der Nachkriegsperiode vom tendenziellen Fall der Profitrate geprägt ist. Dem US-Kapital gelang es, dieser Tendenz etwas entgegen zu wirken, allerdings zu einem Preis und mit Methoden, die weder verallgemeinert werden können noch von dauerhafter Natur sind (siehe unten).
Anfang der 1980er startete die imperialistische Bourgeoisie ein Roll-Back gegen die in den Jahren des „langen Booms“ erkämpften sozialen und politischen Errungenschaften der ArbeiterInnen und unterdrückten Völker. Ihr Ziel war die Steigerung der Ausbeutung, um so die Profite steigern zu können. Ihre Politik, der „Neoliberalismus“, beinhaltete folgende Aspekte:
Dies waren Maßnahmen, die den Weg zur “Globalisierung” eröffneten. Einer der augenscheinlichsten Erfolge des Imperialismus war die Zerschlagung der Sowjetunion und die Zerstörung der nach-kapitalistischen Eigentumsverhältnisse in den ehemaligen Ostblock-Staaten, in China und Vietnam. Dort existierten seit Beginn der 1950er planwirtschaftliche Wirtschaftssysteme, die trotz aller Entartung durch die Herrschaft einer stalinistischen Bürokratie enorme soziale Fortschritte für die Bevölkerung brachten. Darüber hinaus wurde auch der globale Wirkungsbereich des Kapitals enorm eingeschränkt. Mit der Wiedereinführung des Kapitalismus gelang der Bourgeoisie eine enorme geographische Ausbreitung, nachdem ihr diese Regionen jahrzehntelang verschlossen waren. Ebenso gelang der Bourgeoisie eine enorme Stärkung sowohl gegenüber der Arbeiterklasse als auch gegenüber den unterdrückten Völkern in den Halbkolonien.
Das Kapital versucht mit allen Mitteln, die Lohnkosten (inklusive dem Soziallohn) zu drücken und so den Anteil der Mehrarbeit und damit den Mehrwert zu erhöhen. Dieser Prozess findet in allen Ländern statt. Dies ergibt sich eindeutig aus den beiden folgenden Grafiken, die eine sinkende Lohnquote am Volkseinkommen sowohl in den USA als auch in der EU aufzeigen und aus der sich im Umkehrschluss die steigende Gewinnquote ergibt.
Grafik 6: Entwicklung der Lohnquote in der EU und in den USA, 1991 – 2005 (38)
In den USA kann man die Umverteilung von den Löhnen zu den Profiten besonders deutlich sehen. Während von 1947-79 die Familieneinkommen in allen Bevölkerungsgruppen relativ gleich anstiegen (zwischen +94 und +120%), verringerte sich in der Periode 1977-94 (und in den späten 1990er noch mehr) für die Mehrheit der Bevölkerung das Familieneinkommen. Der US-Ökonom Doug Henwood schätzt, dass der Reallohn des durchschnittlichen Arbeiters in den USA zwischen 1973 und 96 um 14.1% fiel! Gleichzeitig konnte das reichste 1% der Bevölkerung einen dramatischen Zuwachs verbuchen (+72%!). Heute besitzt diese Geldaristokratie – das reichste ein Prozent der Bevölkerung – 40% des gesamten gesellschaftlichen Reichtums; das entspricht einem Anteil, der seit dem Ersten Weltkrieg nur in einem einzigen Jahr erreicht wurde: 1929, dem Jahr des Börsenkrachs (39). Gleichzeitig müssen die amerikanischen ArbeiterInnen immer länger arbeiten, um ein durchschnittliches Familieneinkommen zu sichern.
Die Offensive der Bourgeoisie gegen die Arbeiterklasse und die Unterdrückten war natürlich nicht nur auf die USA beschränkt, sondern fand weltweit statt. Das Ergebnis war eine massive Umverteilung des Reichtums zugunsten der Bourgeoisie und ein Anstieg der Ungleichheit. Die folgende Grafik veranschaulicht, dass in den vergangenen Jahrzehnten nur in einer kleinen Minderheit der Länder – in denen nur 5% der Weltbevölkerung leben – die Einkommensungleichheit zurückging, während sie für die große Mehrheit anstieg.
Grafik 7: Zu leistende Arbeitsstunden, um das durchschnittliche Familieneinkommen zu verdienen, USA 1947-2001 (40)
Grafik 8: Anzahl der Menschen, deren Einkommen zwischen 1980 und 2000 gesunken ist sowie der Länder mit einem sinkenden Brutto-Inlandsprodukt pro Kopf (41)
Die wachsende Ungleichheit kann man auch anhand des „Gini-Koeffizienten“ sehen, der die Ungleichheit auf einer Skala von 0 bis 1 misst: je höher die Zahl, desto ausgeprägter die Ungleichheit. Phillip O Hara hat in seinem Buch Growth and Development of Global Political Economy die Entwicklung des „Gini-Koeffizienten“ berechnet.
Tabelle 9: Die Entwicklung der Einkommensungleichheit (Gini-Koeffizient) in den USA, UK, Brasilien und China (42)
USA UK Brasilien China
1970er Jahre 0.39 0.26 0.55 —
1980er Jahre 0.40 0.29 0.56 0.20
1990er Jahre 0.46 0.32 0.61 0.28
Anfang 2000er Jahre 0.44 0.36 0.63 0.45
Diese Zahlen zeigen klar, dass der Neoliberalismus sowohl in den imperialistischen Kernländern als auch in den Entwicklungsländern – China und Brasilien gelten als wirtschaftliche Vorreiterländer – zu einer größeren sozialen Ungleichheit geführt hat und sich der Reichtum in immer weniger Händen konzentriert. Im vergangenen Jahrzehnt hat die Globalisierung den Massen keine Vorteile gebracht, sondern nur größere Ausbeutung und Verarmung.
Eine weitere Konsequenz der Überakkumulation von Kapital und dem Versuch der Unternehmer, die Arbeitsproduktivität durch Rationalisierungen zu steigern, ist das weltweite Anwachsen der Arbeitslosigkeit. Obwohl die globale Beschäftigung zunimmt, steigt gleichzeitig auch die Arbeitslosigkeit. Die Beschäftigungsrate blieb in der gegenwärtigen Periode konstant bei ca. 62%. Das hat dazu geführt, dass Ökonomen von einem „Boom ohne Arbeitsplätze“ oder einer „geringen Auswirkung des Wachstums auf die Schaffung von Arbeitsplätzen“ sprechen, da der Boom bis zum vergangenen Jahr zu keiner Ausweitung der Beschäftigung im weltweiten Maßstab geführt hat (43). Es wird geschätzt, dass selbst nach dem Konjunkturaufschwung von 2004-05 ca. 43,5% der Beschäftigten unter der Armutsgrenze von zwei US-Dollar pro Tag leben müssen. (2002 waren es sogar 50%). Die „Internationale Organisation für Arbeit“ der UNO (ILO) stellt fest: „Es gibt noch immer 486,7 Millionen ArbeiterInnen weltweit, die nicht genug verdienen, um sich und ihre Familien über die Armutsgrenze von 1 US-Dollar pro Tag zu bringen und 1,3 Milliarden ArbeiterInnen, die nicht genug verdienen, um sich und ihre Familien über die Armutsgrenze von 2 US-Dollar pro Tag zu bringen. In anderen Worten, 4 von 10 ArbeiterInnen sind arm.“ (44)
Dabei berücksichtigen diese Zahlen noch nicht einmal die hunderte Millionen Menschen, die arbeitslos sind oder im informellen Sektor arbeiten. Die ILO fährt in ihrem Bericht fort, dass “es sehr wichtig ist, wenn die Periode hohen Wachstums besser genutzt werden würden, um nachhaltigere und produktivere Arbeitsplätze zu schaffen.“ Doch wie wir gezeigt haben, wandern im Kapitalismus die Profite und die Früchte des Wachstums in die Taschen der Spekulanten und Reichen. Der Kapitalismus kann daher nicht den Lebensstandard der Massen heben, er ist nicht in der Lage, den Fortschritt der wichtigsten aller Produktivkräfte zu gewährleisten: der Arbeiterklasse.
Wie wir gesehen haben, sah Lenin das Wachstum der Monopole als das grundlegende Merkmal des Imperialismus an. Gerade der Prozess der Monopolisierung wurde im Zeitalter der kapitalistischen Globalisierung massiv vorangetrieben. So fand in den letzten 25 Jahren eine massive Fusionstätigkeit im Banken- und Industriesektor statt.
Noch bemerkenswerter ist jedoch die gewachsene Bedeutung der multi-nationalen Konzerne, also global agierender Monopole. Heute kontrollieren diese Konzerne (und ihre Tochterunternehmen) 2/3 des Welthandels. Die dreihundert größten Konzerne besitzen _ der produktiven Unternehmensanlagen weltweit und mehr als die Hälfte des Weltmarktes bei dauerhaften Konsumgütern, Stahl, Luftfahrt, Elektronik, Erdöl, Computer, Medien, Raumfahrt und Autoindustrie.
Eine der wichtigsten Besonderheiten der gegenwärtigen Periode ist der weltweit rasant voranschreitende Monopolisierungsprozess. Die dem Kapitalismus innewohnenden Prozesse der Konzentration und Zentralisation des Kapitals und der Herausbildung von Monopolen finden nicht mehr nur auf nationaler Ebene statt, sondern auch und insbesondere am Weltmarkt. Vor diesem Hintergrund sahen wir in den vergangenen Jahrzehnten einen Anstieg des Welthandels und noch mehr des Kapitalexports, der weit über dem Wachstum der Produktion liegt. Wenn man 1975 als Ausgangsjahr für das Welt-BIP, das Volumen des Welthandels und den Kapitalexport heranzieht, dann zeigen Berechnungen der Deutschen Bundesbank und des IWF, dass um die Jahrhundertwende das BIP um 230%, der Welthandel um 400% und der Kapitalexport um mehr als 3.000% gestiegen sind (45).
Tabelle 10: Globalisierung und Kapitalexport. Die wachsende Bedeutung ausländischer Direkinvestitionen (ADI) (46)
Die Monopole werden durch sinkende Profitraten in ihren Heimatmärkten und ein solch hohes Maß an Kapitalakkumulation, welche den nationalen Markt allein zu klein werden lässt, zu größerer Internationalisierung getrieben. Die für den Konkurrenzkampf notwendigen gewaltigen Investitionen erfordern zur profitablen Verwertung immer größere Absatzmärkte. Daher drängt das Monopolkapital zur Internationalisierung, daher auch die Auslagerung von Teilen der Produktion in die Exportmärkte und an die billigsten Arbeitsstätten. Moderne Technologien und billige Transportkosten helfen dabei. Hand in Hand damit geht die Erzwingung der weltweiten Öffnung der Märkte. Das Resultat dieser Entwicklung ist, dass ausländisches Kapital in den vergangenen 25 Jahren sowohl in den imperialistischen Staaten als auch in der halb-kolonialen Welt massiv an Bedeutung gewonnen hat. Tabelle 10 zeigt die gewachsene Bedeutung von ausländischem Kapital und ausländischen Direktinvestitionen sowohl auf weltweiter Ebene als auch innerhalb der „entwickelten Länder“, also den imperialistischen Staaten, und den „Entwicklungsländern“, also den halb-kolonialen Ländern bzw. den Staaten der ehemaligen UdSSR.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass wir hier nur von jenem Teil der Kapitalexporte sprechen, der in der einen oder anderen Form mit dem Produktions- und ZirkulationsProzess des Kapitals in Verbindung steht (eben den ausländischen Direktinvestitionen). Wie wir jedoch später sehen werden, besteht der Großteil des weltweiten Kapitalexports aus Kredit- und Spekulationsgeschäften.
Kapitalexport findet sowohl von imperialistischen Staaten in Halbkolonien statt als auch – und sogar stärker – zwischen imperialistischen Staaten. Der verstärkte Kapitalexport in die Halbkolonien ist ein Resultat niedergehender Profitraten in den imperialistischen Zentren und dem Versuch des Kapitals, durch Investitionen und Handel mit kapitalistisch weniger entwickelten Ökonomien, diesem Trend gegenzusteuern. Daher die vielen Investitionen in den „Emerging Economies“ wie Südostasien in den 1990ern oder in China und Indien.
Der Kapitalexport zwischen den imperialistischen Staaten wiederum dient vor allem der Vorantreibung der Monopolisierung, teils in Form der beschleunigten Zentralisation des Kapitals – durch verstärkte Zusammenarbeit zwischen den bzw. Übernahme von Monopolen durch andere Monopole. Daher sind ein bedeutender Teil der ausländischen Direktinvestitionen zwischen den imperialistischen Staaten keine Neu- oder Erweiterungsinvestitionen, sondern dienen der Finanzierung der Übernahme anderer Unternehmen.
Betrachten wir daher die Entwicklung der Verteilung der Kapitalexporte zwischen den imperialistischen und den halbkolonialen Staaten in den letzten 25 Jahren.
Tabelle 11: Verteilung der weltweiten ausländischen Direktinvestitionen nach Staatengruppen (47)
Aus der Tabelle können wir v.a. zwei Schlussfolgerungen ziehen: Erstens, dass der Großteil der ausländischen Direktinvestitionen zwischen den imperialistischen Metropolen fließt, wenn auch tw. als Zahlungsmittel für die Übernahme von Monopolkapital durch konkurrierendes Monopolkapital. Zweitens, dass der Kapitalexport vor allem seit 1990 – dem Beginn der Hochphase der Globalisierung – zu einem wachsenden Teil von den imperialistischen Zentren in die halbkolonialen Länder fließt (z.B. China). Das Kapital versucht also, durch verstärkten Kapitalexport und Monopolisierung, dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegenzuwirken.
Doch die Erfolge der Bourgeoisie bei der Steigerung der Ausbeutung brachten dem Kapitalismus keine neue Wachstumsdynamik oder ein Wachstum der Profitraten im produktiven Sektor der Ökonomie. Im Gegenteil: die Tendenz der Spekulation und der Flucht in unproduktive Geldanlagen verstärkt sich in der Globalisierung. Dieser Prozess wird durch die weltweite Öffnung der Märkte, inklusive der Finanzmärkte für das imperialistische Kapital gefördert. Allein am globalen Devisenmarkt werden täglich Werte von 1.900 Milliarden gehandelt – eine Verdreifachung gegenüber 1989! In vielen Ländern verdreifachte sich der Bestand ausländischen Vermögens zwischen 1980 und 2000 von durchschnittlich 36% des BIP auf 100%.
Die Flucht in die Spekulation hat inzwischen solche astronomischen Werte erreicht, dass die Bezeichnung „Casino-Kapitalismus“ zum geflügelten Wort wurde. Der marxistische Ökonom Doug Henwood stellte Berechnungen an, nach denen in den USA das Verhältnis des gesamten Geldvermögens im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt zwischen 1952 und 2003 von ca. 400% auf knapp 850% anschwoll – nachdem es am Höhepunkt im Jahr 2000 gar über 925% lag (48)! Während das Brutto-Inlandsprodukt der USA 12 Billionen US-Dollar beträgt, umfasst der Markt für Derivate 128 Billionen US-Dollar – ist also mehr als zehnmal so groß! Dies zeigt nicht nur die weitgehende Entkoppelung des spekulativen Marktes von der Produktion, sondern auch das enorm instabile Potential des Casino-Kapitalismus. Wie 1929 könnte ein Zusammenbruch der Finanzmärkte die gesamte Weltwirtschaft in den Abgrund stürzen!
Entsprechend nimmt die Bedeutung des spekulativen Geldkapitals innerhalb des Gesamtkapitals zu. Zwischen 1994 und 2000 war in den USA der spekulative Finanzsektor für _ des gesamten Profitzuwachses verantwortlich. Insgesamt stieg jener Teil der Profite, der nicht in der realen Produktion, sondern im großteils spekulativen Finanzsektor erwirtschaftet wurde, dramatisch an (Grafik 9).
Grafik 9: Entwicklung des Anteils der folgenden drei Komponenten am Gesamtprofit von Unternehmen in den USA, 1948-2001 (%): Industrie, Finanzsektor, Auslandsinvestitionen (49)
Die wachsende Rolle der Spekulation zeigt sich auch in den internationalen Kapitalbewegungen. Auch hier emanzipiert sich das Geldkapital scheinbar immer mehr vom unmittelbaren Produktionsprozess. Die folgende Grafik zeigt, dass heute nur ca. 1/7 aller internationalen Kapitalflüsse Direktinvestitionen sind. Die restlichen 5/6 beziehen sich auf Banken- oder Spekulationsgeschäfte.
Grafik 10: Zusammensetzung der internationalen Kapitalflüsse, 1980-2005 (50)
Ebenso wuchs in den vergangenen Jahrzehnten die Verschuldung massiv an. Das Kapital versucht, den Akkumulationsprozess durch vermehrtes Vorschießen von Geldkapital und Verringerung der Zirkulationskosten durch Kreditaufnahme in Gang zu halten. Dabei ist die objektive Rolle des Kredits zweischneidig. Einerseits beschleunigt der Kredit den Kapitalkreislauf, andererseits beschleunigt er in Zeiten der Krise den Bankrott. Marx schreibt hierzu: „Das Kreditwesen beschleunigt daher die materielle Entwicklung der Produktivkräfte und die Herstellung des Weltmarkts, die als materielle Grundlagen der neuen Produktionsform bis auf einen gewissen Höhegrad herzustellen, die historische Aufgabe der kapitalistischen Produktionsweise ist. Gleichzeitig beschleunigt der Kredit die gewaltsamen Ausbrüche dieses Widerspruchs, die Krisen, und damit die Elemente der Auflösung der alten Produktionsweise.“ (51)
Die wachsende Verschuldung findet auf allen Ebenen statt – Unternehmen, Staat, Privathaushalte – wie man anhand der folgenden Tabelle sehen kann.
Tabelle 12: Hypothekenschulden der Haushalte in Prozent des verfügbaren Einkommens, 1992-2003 (52)
1992 2000 2003
USA 58.7% 65.0% 77.8%
Japan 41.6% 54.8% 58.4%
Deutschland 59.3% 84.4% 83.0%
Frankreich 28.5% 35.0% 39.5%
Italien 8.4% 15.1% 19.8%
Kanada 61.9% 68.0% 77.1%
Großbritannien 79.4% 83.1% 104.6%
Spanien 22.8% 47.8% 67.4%
Niederlande 77.5% 156.9% 207.7%
Australien 52.8% 83.2% 119.5%
Die folgende Grafik zeigt die langfristige Zunahme der Verschuldung der privaten Haushalte am Beispiel der USA.
Doch nicht nur die privaten Haushalte sind zunehmend verschuldet, sondern auch die Unternehmen.
Grafik 11: Verschuldung der privaten Haushalte in den USA (Hypothekenschulden und Konsumkredite in Prozent des Brutto-Inlandsprodukts), 1952-2006 (53)
Grafik 12: Verschuldung der privaten Haushalte und Unternehmen in den USA (in Prozent des Brutto-Inlandsprodukts), 1952-2006 (54)
Die nächste Übersicht zeigt das Anwachsen der Unternehmensschulden im Verhältnis zum Gewinn.
Grafik 13: Unternehmensschulden im Verhältnis zum Gewinn in den USA, 1952-2000 (55)
Zusammengefasst können wir sagen, dass die Verschuldung bis zur Kreditkrise 2007 einen historischen Höchststand erreicht hat und der Kapitalismus immer mehr auf Pump lebt. Das immer größer werdende Kreditvolumen war wiederum ein Resultat der Unfähigkeit des Kapitals, den langfristigen Niedergang der produktiven Arbeit zu überwinden.
Ebenso unterwarf die imperialistische Bourgeoisie in den letzten Jahrzehnten erfolgreich die „Dritte Welt“ – oder wie MarxistInnen sagen, die Halbkolonien. Unter Halbkolonien verstehen MarxistInnen jene Staaten, die zwar formell staatlich unabhängig sind, wirtschaftlich und letztlich auch politisch jedoch vom Imperialismus abhängig sind.
Mit der Globalisierung fand eine massive Durchdringung der halbkolonialen Länder durch die Monopole – die multinationalen Konzerne – und damit ein Prozess forcierter imperialistischer Ausplünderung statt. Dies erfolgte oft durch „strukturelle Anpassungsprogramme,“ mit denen die Weltbank und der IWF die Entwicklungsländer zu neoliberalen Reformen wie Sozialabbau, Privatisierung des Gesundheits- und Bildungswesens oder der Öffnung der heimischen Märkte für die multinationalen Konzerne zwang. Durch massiven Kapitalexport in Form von Krediten, Direktinvestitionen, spekulativen Anlagen usw. schuf die Bourgeoisie die Voraussetzungen, um Riesengewinne über Unternehmensprofite, Zinseinnahmen und Fondsgewinne einzustreichen.
Das Ergebnis ist ein enormer Netto-Transfer von Kapital aus den Halbkolonien in die Taschen der imperialistischen Bourgeoisie (Tabelle 13).
Tabelle 13: Netto-Transfer von finanziellen Ressourcen in Entwicklungsländer und ehemalige stalinistische Staaten 1995-2006 (in Milliarden US-Dollar) (56)
Zusammengerechnet ergibt dies allein für den Zeitraum 1995-2006 einen Netto-Abfluss von 2.877,7 Mrd. US-Dollar, die von halbkolonialen Ländern in Richtung imperialistische Zentren flossen! Um sich ein Bild vom Ausmaß dieser finanziellen Aussaugung durch das Finanzkapital zu machen, wollen wir folgende Berechnung vornehmen: 2005 betrug das kombinierte Brutto-Inlandsprodukt dieser Regionen 10.952,9 Mrd. US-Dollar (57). Der Abfluss von 782,8 Mrd. US-Dollar in diesem Jahr entsprach knapp 7,2% des Brutto-Inlandsprodukts der halbkolonialen Welt. Wohlgemerkt, bei dieser Zahl handelt es sich nicht um die Profite des imperialistischen Kapitals – von denen ja ein Gutteil im Land selbst entweder konsumiert wird oder zwecks neuer Profitgewinnung in die Kapitalakkumulation fließt – sondern ausschließlich um jenen Teil, der direkt aus der halbkolonialen Welt heraus geplündert wird.
Diese Zahlen sind erschütternd genug, aber sie zeigen bei weitem nicht die ganze Wahrheit. Die verschiedenen strukturellen Anpassungsprogramme, WTO-Runden u.a. Vereinbarungen haben den sozialen Zusammenhalt vieler Länder zerstört, haben zu Bürgerkriegen, Hunger, Aufständen und Revolutionen geführt. Seit 2000 haben wir viele Krisen erlebt. 2001 die schwere Krise in Argentinien, als der IWF die Wirtschaft mit seinen Diktaten zerstörte. Wir haben Rebellionen gegen den Neoliberalismus in Paraguay, Bolivien, Nigeria, Thailand, Venezuela u.a. Ländern gesehen. Auch die jüngste Krise in Kenia kann der Verschlechterung der Einkommenslage vieler Menschen in der Periode des neoliberalen Booms zugeschrieben werden.
Diese dem Imperialismus eigene Entwicklungstendenz der Ausplünderung der Halbkolonien führt zu wachsender Instabilität und Zerrüttung großer Teile der halbkolonialen Welt. Afrika ist hierbei im negativen Sinne des Wortes Vorreiter dieser verheerenden Entwicklung.
Für den Imperialismus – und allen voran für die USA – bedeutet das, verstärkt in der halbkolonialen Welt zu intervenieren. Wenn die lokalen herrschenden Klassen nicht mehr in der Lage sind, die dortigen Ausbeutungsverhältnisse zugunsten des Imperialismus zu sichern, muss der Imperialismus die Sache selbst in die Hand nehmen. Das Resultat ist eine verstärkte Anbindung der halbkolonialen Staaten an die reichen Metropolen – sei es durch die direkte Koppelung der Währung (Dollarisierung in Lateinamerika, Currency Board …), sei es durch die weltweit zunehmende Stationierung imperialistischer Truppen in halbkolonialen Ländern (Balkan, Zentralasien, Philippinen, Kolumbien, Tschad …), durch Stellvertreter-Kriege (Somalia) oder durch die Errichtung offener Protektorate (z.B. Balkan, Afghanistan, Irak).
Diese Maßnahmen mögen die Profite steigern, aber gleichzeitig verschärfen sie die sozialen Konflikte und Klassenkämpfe. Die fortgesetzten Attacken auf Löhne und Sozialleistungen, jetzt auch noch verstärkt mit globaler Inflation gekoppelt, senken die Konsumtionskraft der Arbeiterklasse und von Teilen der Mittelschichten und provozieren den Klassenkampf von unten. Die zunehmende Auspressung der halbkolonialen Welt birgt unzweifelhaft große materielle Vorteile für das imperialistische Kapital. Aber ebenso unausweichlich führt dies auch zum Widerstand der unterdrückten Völker.
Wir wenden uns nun den Perspektiven der kapitalistischen Weltordnung zu und betrachten die Wechselwirkung der ökonomischen und politischen Faktoren und wie sie zu Konflikten zwischen den großen imperialistischen Mächten führen. Friedrich Engels beschrieb das Verhältnis zwischen ökonomischer Basis und politischem Überbau folgendermaßen: „Wir sehen die ökonomischen Bedingungen als das in letzter Instanz die geschichtliche Entwicklungen Bedingende an. (…) Nur sind hier zwei Punkt nicht zu übersehen. a) Die politische, rechtliche, philosophische, literarische, künstlerische etc. Entwicklung beruht auf der ökonomischen. Aber sie alle reagieren auch aufeinander und auf die ökonomische Basis. Es ist nicht, daß die ökonomische Lage Ursache, allein aktiv ist und alles andere nur passive Wirkung. Sondern es ist die Wechselwirkung auf Grundlage der in letzter Instanz stets sich durchsetzenden ökonomischen Notwendigkeit.“ (58)
Daher kann Kapital nur existieren, wenn der Austausch der Waren und der Verwertungsprozess des Kapitals gesellschaftlich geregelt und organisiert wird – daher die Bedeutung von Staat, Rechtsverhältnissen usw. Das Kapital kann nur existieren, wenn die Wert schaffende Ware Arbeitskraft ständig reproduziert und produziert wird und neue Arbeitskräfte geschaffen werden. Dies findet außerhalb des Arbeitsplatzes statt: durch das Gebären und Aufziehen von Kindern sowie die unbezahlte Arbeit von Frauen.
Kapitalismus setzt also nicht nur die Herstellung und Wiederherstellung von Waren und Kapital voraus, sondern auch – und damit naturnotwendig verbunden – die Herstellung und Wiederherstellung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die erstere erst ermöglichen.
„Der Prozess der Reproduktion ist nicht nur ein Prozess der Reproduktion der materiellen Elemente der Produktion, sondern ein Prozess der Reproduktion der Produktionsverhältnisse selbst.“ (59)
Die Aufrechterhaltung des widersprüchlichen Gleichgewichts einer von Klassengegensätzen zerfressenen Gesellschaft wäre undenkbar, ohne ein feinmaschiges, ideologisches Gewebe, das die unterdrückten Klassen und Schichten an die herrschende Bourgeoisie bindet und dafür sorgt, dass sich diese mit Ausbeutung und Unterdrückung in einem gewissen Maß abfinden. Sowohl die Dynamik als auch die Fragilität des kapitalistischen Produktions- und Reproduktionsprozesses haben in der imperialistischen Epoche allgemein und in der gegenwärtigen Periode der Globalisierung im Besonderen an Schärfe gewonnen. Das bedeutet, dass sich die Gegensätze zwischen verschiedenen Tendenzen der imperialistischen Ökonomie, der imperialistischen Politik und der imperialistischen Ideologie(n) verstärken und explosiver werden – wie auch die Gegensätze zwischen verschiedenen Sektoren des kapitalistischen Weltmarktes.
Nun gehört der Widerspruch zwischen den Produktivkräften und den Nationalstaaten zu einem der grundlegendsten im Kapitalismus – in der Epoche des Monopolkapitalismus (Imperialismus) gilt das umso mehr. Trotzki schrieb dazu: „Als klassische Arena schuf sich der Kapitalismus im Kampf mit dem mittelalterlichen Partikularismus den Nationalstaat. Doch kaum richtig zusammengefügt; begann er sich schon in eine Bremse für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung zu verwandeln. Aus dem Widerspruch zwischen den Produktivkräften und dem Rahmen des Nationalstaats, in Verbindung mit dem Grundwiderspruch – zwischen den Produktivkräften und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln -, erwuchs eben die Krise des Kapitalismus als der Weltgesellschaftsordnung.“ (60)
Aus diesem Widerspruch ergibt sich für den imperialistischen Kapitalismus die überlebensnotwendige Dringlichkeit eines Hegemons – einer imperialistischen Großmacht und der damit verbundenen Monopolkapitalgruppe, die die zentrifugalen Kräfte des niedergehenden Weltkapitalismus zusammenhält und für einen halbwegs geordneten Ablauf des internationalen Produktions-, Reproduktions- und Zirkulationsprozesses sorgt.
In der Periode zwischen den beiden Weltkriegen 1914-1945 fehlte ein solcher Hegemon. Das war ein wesentlicher Grund – neben dem historisch hohen Niveau der Organisierung revolutionärer ArbeiterInnen – für die schweren Erschütterungen des Kapitalismus in dieser Zeit. Seit dem Zweiten Weltkrieg spielte der US-Imperialismus die Rolle des Weltpolizisten. Doch in den letzten beiden Jahrzehnten erlebten wir zwei miteinander zusammenhängende und einander verstärkende Prozesse: Einerseits befindet sich der Kapitalismus in einer immer tiefgreifenderen Krisenperiode. Andererseits sinkt die globale wirtschaftliche Vormachtstellung der USA. Vor diesem Hintergrund ist der amerikanische Hegemon immer weniger in der Lage, seine Aufgabe als Weltpolizist zu erfüllen. Doch hinter der scheinbaren Dominanz der USA wirken wichtige Prozesse, die sie weltweit und im Verhältnis zu den anderen imperialistischen Mächten schwächen.
Betrachten wir zuerst einige wirtschaftliche Kerndaten der USA. Wie Tabelle 14 zeigt, sind die USA nach wie vor eindeutig die stärkste Wirtschaftsmacht.
Auch wenn der US-Kapitalismus von der allgemeinen Tendenz der Stagnation der Produktivkräfte betroffen ist, gelang es den USA in den 1990ern besser als den imperialistischen Konkurrenten, seinen wirtschaftlichen Niedergang zu bremsen und den Fall der Profitrate in gewissen Maßen umzukehren. Aus diesem Grund konnte der US-Kapitalismus in den vergangenen 10-15 Jahren, den ökonomischen Aufholprozess seiner wichtigsten Konkurrenten, Japan und die EU, aufhalten.
Tabelle 14: Vergleich zwischen den Staaten: Brutto-Inlandsprodukt, Brutto-Inlandsprodukt pro Kopf und Bevölkerung (2005) (61)
Land Einwohner BIP in BIP pro Kopf
Millionen US-Dollar, Mrd in US-Dollar
Welt 6,438 44,385 6,987
USA 297 12,455 42,007
EU-25 459 13,300 28,951
EU-15 385 12,615 32,741
Japan 128 4,506 35,215
Rußland 143 764 5,337
China 1,305 2,229 1,709
Indien 1,095 785 717
Tabelle 15: Die Entwicklung der wirtschaftlichen Stärke der EU und Japans im Vergleich zu den USA, 1980-2005 (62)
BIP BIP pro Arbeitsstunde
(in % der USA) (in % der USA)
1980 1990 2000 2005 1980 1990 2000 2005
USA 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100% 100%
EU-15 111% 104.9% 94.5% 101.3% 84.9% 88.9% 93.7% 91%
Japan 37.4% 40.3% 33.8% 36.2% 61.4% 71.3% 74.9% 74%
Dem US-Kapital gelang es besser als seinen europäischen Konkurrenten, seine Arbeiterklasse zu zwingen, mehr Stunden pro Jahr und mehr Jahre im Leben für weniger Lohn zu arbeiten sowie einen größeren Teil seiner Bevölkerung in den Arbeitsprozess hineinzupressen.
„In marxistischer Terminologie können wir den Vorteil des US-Kapitals (gegenüber dem EU-Kapital, d. A.) dahingehend zusammenfassen, daß es in der Schwächung der Arbeiterklasse und vice versa in der Steigerung der Ausbeutungsrate in der Periode des globalen Kapitalismus mehr Erfolg gehabt hat, als das in Europa der Fall war.“ (63)
Nichtsdestotrotz geriet die hegemoniale Rolle des US-Kapitals in vielen Bereichen unter Beschuss. Betrachten wir zunächst die Stellung der USA beim weltweiten Kapitalexport in Hinblick auf die Direktinvestitionen, wo wir eine eindeutige Stärkung der EU auf Kosten der USA feststellen können.
Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Welthandel, genauer gesagt beim weltweiten Export. Während die USA nach wie vor ein wichtiger Importeur von Waren sind, ist ihr Anteil an den weltweiten Exporten mit 8.9% so niedrig wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg (trotz eines für das Exportgeschäft günstigen Wechselkurses).
Tabelle 16: Verteilung der ausländischen Direktinvestitionen nach Staaten und Regionen (64)
Tabelle 17: Anteile der Staaten und Regionen am Welthandel 1948-2003 (65)
Gleichzeitig geraten die USA als hegemoniale imperialistische Macht in eine wachsende Abhängigkeit von der Weltwirtschaft und Weltpolitik. Denn das erfolgreiche Vorantreiben der kapitalistischen Globalisierung vergrößert auch die Abhängigkeit des US-Kapitals vom Weltmarkt. Um die Zufuhr der eigenen Ökonomie mit billigen Rohstoffen und Halbprodukten, um profitable Anlagemöglichkeiten für das eigene Kapital im Ausland sowie die Bedienung der Zinsen zu sichern, müssen die USA und die anderen imperialistischen Mächte ihren Zugriff auf die halbkoloniale Welt festigen. Aus dem gleichen Grund müssen sie die Halbkolonien zwingen, ihre Industrie und Banken an das imperialistische Kapital zu verscherbeln oder sie zur noch weiteren Öffnung der Märkte anzuhalten.
Folgende Zahlen sollen die wachsende Abhängigkeit des US-Imperialismus von der Weltwirtschaft – und damit auch Weltpolitik – veranschaulichen. So mehrt sich z.B. mit jeden Tag die Abhängigkeit der US-Wirtschaft vom regelmäßigen Zufluß ausländischen Geldkapitals. Das Ergebnis ist ein seit Jahren wachsendes Zahlungsbilanzdefizit (das Verhältnis aller Waren-, Dienstleitungs- und Geldkapitalexporte aus den USA in die Welt minus alle Waren-, Dienstleitungs- und Geldkapitalimporte aus der Welt in die USA). Ende 2006 erreichte das US-Zahlungsbilanzdefizit eine Rekordhöhe von 800 Mrd. US-Dollar. Dies entspricht einem Wert von 6.8% des Brutto-Inlandsprodukts und somit in etwa so viel wie der Gesamtwert der Netto-Investitionen in den USA im gleichen Jahr. Mit anderen Worten, die USA müssen täglich über 2 Mrd. US-Dollar ausländisches Kapital importieren, um ihren Konsum und ihre Investitionen zu sichern.
Woher kommt das Kapital, mit dem die USA ihr Defizit finanzieren? Wie die folgende Statistik zeig, kommt es vor allem von den OPEC-Staaten (also dem Nahen Osten) sowie Ostasien (Japan, China, Südostasien) (66). So wird auch ein wichtiger ökonomischer Beweggrund der US-Außenpolitik ersichtlich. Die USA müssen alles daran setzen, ihre Vorherrschaft im Nahen Osten und in Ostasien zu wahren, um auch weiterhin die dortigen Regierungen zur Finanzierung ihrer Schulden anzuhalten.
Damit einher geht die Tendenz, dass nicht nur der Besitz US-amerikanischer Kapitalisten an ausländischen Kapitalen zunimmt, sondern der Besitz ausländischer Kapitalisten an US-amerikanischen Kapitalen noch rascher wächst. Dies wurde besonders im Zuge der Kreditkrise 2007, als Staatsfonds aus Saudi-Arabien, Dubai, China u.a. Schlüsselexporteuren große Kapitalvolumen aufbrachten, um siechende US-Finanzriesen vor dem Bankrott zu retten.
Grafik 14: US-Auslandsdirektinvestitionen und Auslandsdirektinvestitionen in den USA im Verhältnis im Verhältnis zum Netto-Inlandsprodukt der USA, 1952-2003 (in Prozent) (67)
Die dramatische Veränderung der weltweiten Position des US-Imperialismus wird noch deutlicher, wenn man die Entwicklung seiner Rolle als Gläubiger bzw. als Schuldner gegenüber dem Rest der Welt betrachtet. Waren die USA bis 1985 ein Netto-Gläubiger gegenüber dem Rest der Welt, hat sich das seitdem radikal gewandelt. Heute sind die USA der weltgrößte Schuldner. Wiegt man Schulden und Guthaben der US-Wirtschaft gegeneinander auf, so ergibt sich eine Netto-Verschuldung von 25% des BIP (68)! Die größer werdende Abhängigkeit der USA vom Weltmarkt zeigt sich auch darin, dass das US-Kapital einen wachsenden Anteil des Gesamtprofits aus seinen Investitionen im Ausland bezieht. Während das US-Kapital 1978 noch 10% seiner gesamten Profite im Ausland machte, wuchs dieser Anteil bis 2001 auf 25,7% (69).
Aus diesen kurzen Ausführungen wird klar, dass das US-Kapital zunehmend abhängig von seinen weltweiten Investitionen sowie von der Kapitalzufuhr zur Finanzierung seiner Investitionen im eigenen Land ist. So wird deutlich, dass die relativen ökonomischen Erfolge der USA in den letzten 15 Jahren nicht nur auf eine Steigerung der Ausbeutung der heimischen Arbeiterklasse zurückgehen, sondern mindestens ebenso auf die zunehmende Plünderung der Welt. Es liegt auf der Hand, dass diese Methoden keineswegs ein Erfolgsmodell für alle anderen kapitalistischen Staaten sind – wenn alle so „erfolgreich“ plündern, bleibt nicht genug für alle Diebe übrig. Darüber hinaus sind dies Methoden, die nicht unbegrenzt fortgesetzt und gesteigert werden können. Ab einem bestimmten Zeitpunkt werden die wirtschaftlichen Verluste für die anderen kapitalistischen Staaten zu groß und sie werden die Finanzierung der USA einschränken.
Schon jetzt macht sich der wachsende Druck auf viele Länder bemerkbar, ihre Waren nicht mehr nur in US-Dollar zu handeln, sondern auf den Euro umzusteigen. Kein Wunder, dass in den vergangenen vier Jahren der Wert des Euro gegenüber dem US-Dollar von 0,87 auf 1,34 um mehr als die Hälfte gestiegen ist. Ab dem Moment, wenn die anderen Länder ihre Dollar-Währungsreserven auflösen bzw. nicht mehr so viel Kapital in die USA exportieren, könnte die US-Wirtschaft einen schweren Schlag erleiden.
Die wachsende Abhängigkeit von Weltmarkt und -politik bedeutet auch, dass der US-Kapitalismus mehr und mehr durch weltweite Erschütterungen, Instabilitäten und Widerstände verwundbar wird. Genau deswegen greifen die USA zu einer immer aggressiveren, militaristischeren Außenpolitik, um ihre Konkurrenten und Gegner niederzuhalten. In den Worten des früheren US-Sicherheitsberaters Zbigniew Brzezinski ist das Leitmotiv für die Außenpolitik der USA treffend zusammengefasst: „Bedient man sich einer Terminologie, die an das brutalere Zeitalter der alten Weltreiche gemahnt, so lauten die drei großen Imperative imperialer Geostrategie: Absprachen zwischen den Vasallen zu verhindern und ihre Abhängigkeit in Fragen der Sicherheit zu bewahren, die tributpflichtigen Staaten fügsam zu halten und zu schützen und dafür zu sorgen, daß die Barbaren-Völker sich nicht zusammenschließen.“ (70)
Es stellt sich somit die Frage, welche imperialistische Macht die USA als Hegemon ablösen könnte? Die einzige Macht, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke dafür überhaupt in Frage kommt, ist die Europäische Union. Alle anderen imperialistischen Staaten sind zu schwach, um der Welt ihren Stempel aufzudrücken.
Allerdings ist es unrealistisch, dass die EU in absehbarer Zeit die eindeutige Führungsmacht werden könnte. Zuerst einmal muss man hierbei anmerken, dass die EU – im Gegensatz zu den USA – kein einheitlicher Staat ist, sondern ein Staatenbund, in dem es permanent Konflikte und Machtkämpfe zwischen verschiedenen Staaten wie Deutschland, Frankreich, Großbritannien gibt. Es gibt in der EU selbst keine eindeutige Führungsmacht. Zwischen den nationalen herrschenden Klassen gibt es Konflikte darüber, ob bzw. wie die EU mittels einer Art Verfassung zu einem einheitlicheren und schlagkräftigeren Block geformt werden soll. Darüber hinaus ist die EU weit davon entfernt, auf wirtschaftlicher Ebene den Weltmarkt zu dominieren. Auf politischer oder militärischer Ebene gilt dies noch viel mehr. Natürlich versuchen die herrschenden Klassen des deutsch-französischen Blocks, ihren Rückstand auf die USA aufzuholen. Aber dieser Prozess braucht Zeit und – was noch wichtiger ist – je mehr die EU gegenüber den USA aufholt, desto schärfer werden der Konkurrenzkampf und damit die wirtschaftlichen und politischen (und ab einem bestimmten Zeitpunkt wohl auch militärischen) Konflikte zwischen beiden.
In den letzten hundert Jahren haben wir eine langfristige Tendenz zur Stagnation gesehen, deren Grundlage die steigende organische Zusammensetzung des Kapitals und die zunehmende Monopolisierung ist. Die Widersprüche innerhalb und zwischen den imperialistischen Mächten nehmen ebenso zu wie die Vorherrschaft der USA untergraben wird und die weltweite wirtschaftliche und politische Instabilität zunimmt.
Diese Entwicklungen bestätigen Lenins Konzept des Imperialismus. Die monopolistische Bourgeoisie beherrscht die Sektoren der Produktion mit der modernsten Technologie, der höchsten organischen Zusammensetzung des Kapitals und daher der stärksten Tendenz der fallenden Profitrate. Die Überakkumulation des Kapitals führt zum Kapitalexport, zum Parasitismus und der Spekulation in Aktien, Immobilien und Finanzderivaten. Währungsturbulenzen verschärfen die inner-imperialistischen Rivalitäten und den Konkurrenzkampf zwischen den imperialistischen Bourgeoisien um die Aufteilung und Neuaufteilung der Welt; gleichzeitig versuchen Nationalstaaten die Kosten der Abwertung abzuschieben und auf ihre Rivalen und Untergebenen abzuwälzen.
Die gegenwärtige Periode der Globalisierung hat die Leninsche Konzeption des Imperialismus mehr denn je bestätigt. Der mächtigste aller imperialistischen Staaten war in der Lage, die Früchte seiner Erfolge gegen die eigene Arbeiterklasse sowie des Zusammenbruchs des Ostblocks zu ernten. Er war in der Lage, alle erdenklichen „entgegenwirkenden Ursachen“ zum Einsatz zu bringen, um die Profitraten zu steigern und der dem Imperialismus eigenen Tendenz zur Stagnation entgegenzuwirken.
Doch wie die Kreditkrise 2007 und die darauf folgenden Ereignisse gezeigt haben, konnten diese Maßnahmen nur vorübergehend eine Dynamik wiederherstellen. Heute kommt die Weltordnung Lenins Modell näher, als dies in den letzten 50 Jahren der Fall war. Vor uns liegen mit Gewissheit eine Zunahme der Instabilität und eine Fortsetzung der „Epoche von Kriegen und Revolution“ – gerade deswegen sollte Lenins Schlussfolgerung nicht vergessen werden: „Der Imperialismus ist der Vorabend der sozialen Revolution des Proletariats.“ (71)
(1) W. I. Lenin: Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus (1916); in: LW 23, S. 102. An einer anderen Stelle gibt er eine ähnliche Definition des Imperialismus. (Siehe: W. I. Lenin: Plan zum Artikel „Der Imperialismus und unsere Stellung zu ihm;“ in: LW 39, S. 793f.)
(2) W. I. Lenin: Vorwort zu N. Bucharin: Imperialismus und Weltwirtschaft, in: LW 22, S. 102f.
(3) Karl Marx: Das Kapital, Band III; in: MEW 25 S. 454
(4) Karl Marx: Das Kapital, Band III; in: MEW 25 S. 453
(5) W. I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Gemeinverständlicher Abriß, in: LW 22, S. 281
(6) W. I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Gemeinverständlicher Abriß, in: LW 22, S. 281
(7) W. I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Gemeinverständlicher Abriß, in: LW 22, S. 305
(8) W. I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Gemeinverständlicher Abriß, in: LW 22, S. 305f.
(9) W. I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Gemeinverständlicher Abriß (1917), in: LW 22, S. 270f.
(10) W. I. Lenin: Der Imperialismus und die Spaltung des Sozialismus (1916); in: LW 23, S. 104
(11) W. I. Lenin: Der Opportunismus und der Zusammenbruch der II. Internationale; in: LW 22, S. 108
(12)12 Nikolai Bucharin: Imperialismus und Weltwirtschaft (1915), Berlin 1929, S. 190f.
(13) Eugen Preobrazenskij: Marx und Lenin (1924); in: Eugen Preobrazenskij: Die sozialistische Alternative. Marx, Lenin und die Anarchisten über die Abschaffung des Kapitalismus, Berlin 1974, S. 134f.
(14) Dieses falsche Verständnis zeichnete den Sozialdemokratismus und später den Stalinismus aus, der auf dieser Basis 1924 die Theorie des „Sozialismus in einem Land“ entwickelte.
(15) Leo Trotzki: Die permanente Revolution; in: Leo Trotzki: Ergebnisse und Perspektiven. Die permanente Revolution, Frankfurt a. M. (1971), S.7
(16) Friedrich Engels: Dialektik der Natur; in: MEW 20, S. 511f, .
(17) Nikolai Bucharin: Ökonomik der Transformationsperiode (1920), S. 148.,
(18) Eine ausführlichere Diskussion der Frage der Produktivkräfte hat der Autor dieser Zeilen in folgenden Artikel unternommen: Die widersprüchliche Entwicklung der Produktivkräfte im Kapitalismus; in: Revolutionärer Marxismus Nr. 37 (2007)
(19) „Von allen Produktionsinstrumenten ist die größte Produktivkraft die revolutionäre Klasse selbst.“ (Karl Marx: Das Elend der Philosophie, MEW 4, S. 181.
(20) Wladimir Iljitsch Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Gemeinverständlicher Abriß (1917), in: LW 22, S. 194
(21) Für 1971-2000 siehe World Bank: Global Economic Prospect 2002, S. 234; für 2000-2005 siehe United Nations: World Economic Situation and Prospects 2007, S. 2. Die Zahlenreihe zwischen 1971-2000 beruht auf Weltbank-Berechnungen des GDP zu konstanten Preisen und Wechselkursen von 1995. Die Zahlenreihe zwischen 2000-2005 beruht auf UN-Berechnungen des GDP zu konstanten Preisen und Wechselkursen von 2000. Die 2.7% ergeben sich aus dem arithmetischen Mittel der Angaben für die Jahre 2001-2005 (1.6%, 1.9%, 2.7%, 4.0% sowie 3.5%).
(22) World Bank: Global Economic Prospect 2007, S. 3
(23) PricewaterhouseCoopers UK Economic Outlook March 2007, S. 33
(24) ILO: A Fair Globalisation : Creating Opportunities For All (2004) S. 36
(25) United Nations: World Economic and Social Survey 2006. Diverging Growth and Development, S. 9
(26) World Bank Indicators 2005, sowie World Bank: World Development Indicators 2006, Table 4.1
(27) Für die Jahre 1970-2000: OECD – Understanding Economic Growth (2004), S. 18f.; Die Statistik bezieht sich auf die 24 Mitgliedsstaaten der OECD. Sie umfasst daher nicht nur imperialistische Länder, sondern auch Staaten – wie Ungarn, Tschechische Republik, die Slowakei, Mexiko oder Neuseeland – die einen halbkolonialen Charakter besitzen. Diese Länder hatten in den letzten Jahren eine Wachstumsrate, die über dem Durchschnitt der imperialistischen Ökonomien lag. Insofern verzerren sie diesen OECD-Durchschnitt etwas nach oben. Nichtsdestotrotz sind diese OECD-Zahlen nützliche Annäherungswerte, da die halbkolonialen Staaten innerhalb der OECD gegenüber den imperialistischen Ländern nicht allzu sehr ins Gewicht fallen. Die Angaben für 2000-2005 beziehen sich – mit Ausnahme jener für die EU – auf: World Bank: World Development Report 2007, S. 295. Für die Jahre 1960-1969 haben wir die OECD-Statistik zitiert aus: Robert Brenner, The Boom and the Bubble. The US in the World Economy, London 2002, S. 47. Bei diesen Angaben beziehen sich die Zahlen für die imperialistischen Staaten auf die G-7. Die Angaben für die EU-15 für die Jahre 1960-1969 beziehen sich nur auf Deutschland. Die Angaben für die EU-15 für die Jahre 1999-2005 beziehen sich auf die 11 zur Euro-Arena gehörenden EU-Staaten und entstammen folgender Quelle: European Commission: THE EU ECONOMY 2006 REVIEW, S.61
(28) European Commission: Statistical Annex of European Economy Autumn 2006, S. 52f. Da in der angeführten EU-Statistik keine Angaben für die EU-15 für die Jahresreihe 1961-70 und 1971-80 haben wir in diesen Fällen das arithmetische Mittel von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien verwendet. Da in der angeführten EU-Statistik die Angaben für die USA und Japan nur bis 2003 reichen haben wir in diesen Fällen folgende Quellen verwendet: Für die USA 2001-2005 wurde folgende Quelle herangezogen: Economic Report of the President 2007 (USA), S. 290. Für Japan wurde verwendet World Bank: World Development Indicators 2006, Table 4.1 http://devdata.worldbank.org/wdi2006/contents/Section4.htm wobei sich diese Daten auf den Zeitraum 2000-2004 beziehen.
(29) World Bank: World Development Indicators 2004, S. 220, World Bank: World Development Indicators 2006, Table 4.9 http://devdata.worldbank.org/wdi2006/contents/Section4.htm
(30) United Nations: World Economic Situation and Prospects 2006, S. 15
(31) United Nations: World Economic Situation and Prospects 2006, S. 158
(32) Barclays Capital (2006) “Global Outlook: Implications for Financial Markets”, Economic and Market Strategy, December 2006, S. 17
(33) Gérard Duménil/Dominique Lévy: Capital Resurgent. Roots of the Neoliberal Revolution (2004), abgebildet in: Chris Harman: Snapshots of capitalism today and tomorrow, International Socialism Journal (ISJ) 113
(34) Bei der Netto-Profitrate wird – im Unterschied zur Brutto-Profitrate – die Profitrate anhand des Netto-Kapitalwerts berechnet, also nach Abzug des jährlichen Verschleißes des fixen Kapitals.
(35) Robert Brenner : “After Boom, Bubble, and Bust: Where is the US Economy Going?” in Worlds of Capitalism: Institutions, Economic Performance, and Governance in the Era of Globalization (2005), S. 204. Die Zahlenreihe für Japan beginnt 1952, jene für Deutschland 1950. Die Angaben für die USA und Japan beziehen sich auf die nicht-finanziellen Unternehmenssektor, die für Deutschland auf den nicht-landwirtschaftlichen Unternehmenssektor.
(36) Fred Moseley: Marxian Crisis Theory and the Postwar U. S. Economy, in: A.Saad-Filho (ed.), Anti-Capitalism: A Marxist Introduction, (2003) S. 212 bzw. Fred Moseley: Is The U.S. Economy Headed For A Hard Landing? Moseleys Profitratenberechnungen beziehen sich auf die gesamte Wirtschaft und umfassen die Profite sowohl des nicht-finanziellen als auch des finanziellen Sektors.
(37) Doug Henwood: After the New Economy, New York 2003, S. 204; siehe auch http://www.leftbusinessobserver.com/NewEcon.html
(38) Labour market developments in the euro area, in: Quarterly Report on the Euro Area 3/2006, S. 28. Unter unbereinigter Lohnquote versteht man die Entwicklung des Anteils der Löhne am Volkseinkommen ohne Berücksichtigung der Veränderung der Anzahl der Lohnabhängigen. Da die Lohnquote hier unbereinigt ist, unterscheiden sich die Zahlen von der vorhergehenden Grafik. Die Tendenz ist jedoch die gleiche.
(39) Siehe Kevin Phillips: Die amerikanische Geldaristokratie (2003) S. 160 bzw. 174
(40) Doug Henwood: After the New Economy, New York 2003, S. 41; siehe auch http://www.leftbusinessobserver.com/NewEcon.html
(41) Alan Freeman: The Inequality of Nations; in: Alan Freeman/Boris Kargalitsky: The Politics of Empire. Globalisation in Crisis,London , 2004, S. 50
(42) Phillip Anthony O Hara, Growth and Development of Global Political Economy, Routledge 2006, p57
(43) See International Labour Organisation, Global Employment Trends, January 2008
(44) Ebenda
(45) Siehe: http://www.miprox.de/Wirtschaft_allgemain/Derivate.html
(46) Daten zusammengestellt aus: UNCTAD: World Investment Report 1995, S. 411ff. sowie 421ff., UNCTAD: World Investment Report 2000, S. 306ff. sowie 319ff., UNCTAD: World Investment Report 2006, S. 307ff. Die Angaben zu Südosteuropa und der Staaten der ehemaligen Sowjetunion (GUS) sind nur teilweise vollständig, da in früheren UNCTAD-Statistiken diese Ländern gemeinsam mit den osteuropäischen Staaten angeführt wurden, die 2004 der EU beitraten und somit die Statistik verzerrt hätten.
Unter Beständen an ausländischen Direktinvestitionen versteht man die – oft über einen längeren Zeitraum angehäufte – Gesamtheit des in einem Land bzw. von einem Land investierten Kapitals. Unter Ströme hingegen die jeweils in einem Jahr neu getätigten ausländischen Direktinvestitionen.
ADI im Inland bezieht sich auf den Anteil von importierten ADI an den Brutto-Anlageinvestitionen bzw. BIP des Empfängerlandes. ADI im Ausland bezieht sich auf den Anteil von exportierten ADI an den Brutto-Anlageinvestitionen bzw. BIP des Landes, von dem die ADI ausgehen.
Die UNCTAD-Kategorien „Entwickelte Länder“ und „Entwicklungsländer“ sind natürlich höchst problematisch und drücken die imperialistische Arroganz auf begrifflicher Ebene aus. Im Großen und Ganzen kann man unter der Kategorie „Entwickelte Länder“ die imperialistischen und unter „Entwicklungsländer“ die halbkolonialen Ländern einordnen. Allerdings gibt es hier eine nicht unwichtige Einschränkung: Die UNCTAD zählt die halbkolonialen Länder Osteuropas, die 2004 der EU beitraten und in denen die ADI eine große Rolle in der Kapitalakkumulation spielen, in ihrem jüngsten „World Investment Report“ zu den „Entwickelten Länder“.
Die Tabelle der UNCTAD weist darüber hinaus die Schwäche auf, dass sie die Staaten Südosteuropas und der ehemaligen Sowjetunion in eine gemeinsame Gruppe einordnen und diese von den anderen Kategorien trennen. Tatsächlich jedoch besitzen alle diese Länder mit Ausnahme Russlands einen halb-kolonialen Charakter. Russland ist hingegen ist ein imperialistischer Staat.
(47) UNCTAD: World Investment Report 2006, S. 7. Bezüglich der Spalten für das Jahr 2005 weisen wir noch einmal darauf hin, dass die UNCTAD die halbkolonialen Länder Osteuropas, die 2004 der EU beitraten, nun zu den „Entwickelten Länder“ zählt. Da in diesen Ländern das imperialistische Kapital eine große Rolle in der Kapitalakkumulation spielt, sind die Veränderungen zwischen 2000 und 2005 nicht zuletzt auch auf diesen Faktor zurückzuführen.
(48) Doug Henwood: After the New Economy, New York 2003, S. 191
(49) Gérard Duménil and Dominique Lévy : Neoliberal Dynamics: A New Phase? (2004) http://www.cepremap.ens.fr/~levy/biblioa.htm
(50) IMF: Global Financial Stability Report (April 2007), S.65
(51) Karl Marx: Das Kapital, Band III; in: MEW 25, S. 457
(52) Federal Reserve Bank of Cleveland: Economic Trends 1/2006, S. 9
(53) Roland Fressl (CPM): Market Facts. Immobilienmarkt (2007), S.8; http://www.securitykag.at/pdfs/marketfacts/Immobilienmarkt.pdf
(54) Roland Fressl (CPM): Market Facts. Immobilienmarkt (2007), S.8; http://www.securitykag.at/pdfs/marketfacts/Immobilienmarkt.pdf
(55) Wynne Godley/Alex Izurieta (The Levy Economics Institute of Bard College): Strategic Prospects and Policies for the U.S. Economy, S. 8
(56) United Nations: World Economic Situation and Prospects 2007, S. 58
(57) Wir berechnen hierfür anhand der aktuellen Weltbank-Statistik das Welt-Bruttonationaleinkommen minus dem Brutto-Nationaleinkommen der „high income“-Staaten (die wir für diesen Zweck grob mit den imperialistischen Ländern gleichsetzen). Siehe World Bank: World Development Report 2008, S. 335
(58) Friedrich Engels: Brief an Walther Borgius (25.1.1894); in: MEW 39, S. 205
(59) Nikolai Bucharin: Ökonomik der Transformationsperiode (1920), S. 69
(60) Leo Trotzki: Krieg und die Vierte Internationale (1934); in: Trotzki Schriften 3.3. S. 555
(61) Global Britain Briefing Note, No 45 (6th November 2006): European Union 2005 Prosperity Rankings; World Bank: World Development Report 2007, S. 289 bzw. 295. Bei den Angaben zu China ist Hong Kong nicht berücksichtigt.
(62) M. O’Mahoney/B. van Ark (Hrsg.): EU Productivity and Competitiveness: An Industry Perspective (2003), S. 20, Bart Van Ark: Europe’s Productivity Gap: Catching Up or Getting Stuck? (2006), S. 10 sowie World Bank: World Development Report 2007, S. 295.
(63) Michael Pröbsting: „Amerikanisierung oder Niedergang“. Widersprüche und Herausforderungen für das imperialistische Projekt der europäischen Vereinigung; in: Revolutionärer Marxismus Nr. 35, S. 33
(64) UNCTAD: World Investment Report 2006, S. 7
(65) WTO: International Trade Statistics 2006, S. 28f. Die Angaben für die EU beziehen sich auf die EWG (6) für 1963, die EG (9) für 1973, EG (10) für 1983, EU (12) für 1993 und EU (25) für 2005. Die Angaben für die Jahre 1948 und 1953 setzen sich aus dem addierten Anteil am Welthandel von Deutschland, Frankreich und Italien zusammen.
(66) Gilles Moëc/Laure Frey: Global Imbalances, Saving Glut and Investment Strike; Banque De France: Occasional Papers No. 1, February 2006, S. 5
(67) Siehe: Gérard Duménil and Dominique Lévy : The Economics of U.S. Imperialism at the Turn of the 21st Century (2004) http://www.cepremap.ens.fr/~levy/biblioa.htm
(68) Siehe: Gérard Duménil and Dominique Lévy : The Economics of U.S. Imperialism at the Turn of the 21st Century (2004) http://www.cepremap.ens.fr/~levy/biblioa.htm
(69) Siehe dazu Gérard Duménil and Dominique Lévy : Neoliberal Dynamics: A New Phase? (2004) http://www.cepremap.ens.fr/~levy/biblioa.htm.
(70) Zbigniew Brzezinski: The Grand Chessboard ? American Primacy And It’s Geostrategic Imperatives, New York, 1997, S. 40
(71) W. I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. Gemeinverständlicher Abriß (Vorwort von 1920), in: LW 22, 198