Tobi Hansen, Neue Internationale 180, Juni 2013
Nach den Parlaments-
wahlen wurde lange ge-
rätselt, wer die nächste Regierung in Italien bilden würde. Der Wahlerfolg der „5-Sterne-Bewegung“ von Beppe Grillo stellt das parlamentarische System auf den Kopf, weder die links-bürgerliche PD, noch Berlusconis PDL waren in der Lage, eine Koalition zu bilden. Die Wahlplattform von Ex-Premier Monti, das Zentrum, wurde von den WählerInnen abgestraft. Mit nur knapp 10% konnte Monti nicht den „Königsmacher“ spielen, auf den die etablierten Parteien gehofft hatten.
Im Abgeordnetenhaus bekam die PD für die stärkste Fraktion gleich die Mehrheit geschenkt, allerdings half auch dies nicht bei der Koalitionssuche, so dass die Verhandlungen schnell beendet waren. Staatspräsident Napolitano berief dann zunächst einen „Rat der Weisen“, bei dem alte Haudegen des Parlamentarismus die Möglichkeiten einer Regierungsbildung aushandeln sollten.
Die „Linke“ der „Zivilen Koalition“ der Liste Ingroia hat ebenfalls wenig Erfolg. Ihre Repräsentanz in den Kammern ist minimal, noch bescheidener sieht es bei der Mobilisierungs- und Kampffähigkeit der radikalen Linken gegen Monti, Berlusconi und Bersani aus – stattdessen wird sogar die Tolerierung bzw. die Kooperation mit der PD in Erwägung gezogen.
Nach dem Scheitern der ersten Verhandlungsrunden wurde die ganze Fäulnis des bürgerlichen Parlamentarismus offenbar. Damit die „Gräben“ zwischen PDL und PD zugeschüttet werden können, wurde einfach das Führungspersonal ausgewechselt. In der PD folgte auf den gescheiterten Ex-PCIler Bersani der ehemalige Christdemokrat Enrico Letta, in der PDL übernahm Angelino Alfano als Vorsitzender die Koalitionsverhandlungen. So schnell waren damit die „tiefen Gräben“ beseitigt, die im Wahlkampf einen Unterschied zwischen den beiden großen bürgerlichen Parteien suggerieren sollten.
Zuvor hatten beide Parteien Montis Technokratenregierung unterstützt. Beide vertraten die gleiche Politik. Im Wahlkampf galten dann Bersani und Berlusconi als Hauptwidersacher. Eine Koalition beider Parteien galt als ausgeschlossen. Daher war auch Enrico Letta besonders gut zur Vermittlung geeignet, nicht nur als Christdemokrat, sondern auch als Neffe des Beraters von Berlusconi, Gianni Letta, verfügte er über die nötigen Kontakte.
Die Perspektive möglicher Neuwahlen oder einer neuen Technokratenregierung war dann wohl abschreckend genug für die etablierten Parteien. Es fand sich eine neue Koalition der ehemaligen Gegner, die wohl auch auf die Unterstützung Montis zählen kann und passender Weise auch gleich einige Minister von Montis Regierung übernahm.
Die ganze Verlogenheit der bürgerlichen Demokratie wurde dem italienischen Volk erneut vorgeführt: die etablierte Kaste zimmert sich eine Koalition und sichert sich ihre Posten – ganz egal, wie viel Feindschaft im Wahlkampf zuvor noch bemüßigt wurde.
In der europäischen bürgerlichen Presse wurde dann die Anzahl der Frauen, die Beteiligung von MigrantInnen, die „Jugend“ dieser Koalition gerühmt – zu Inhalt und Programm dieser Regierung jedoch war Schweigen angesagt, die Gesichter der Regierung waren ja „neu und unverbraucht“. Das heißt meistens, sie können sich noch viele Schweinereien leisten. Immerhin gelten sie noch als glaubwürdiger und unbelasteter als Monti, Berlusconi und Bersani. Wohin die Reise aber gehen wird, verriet gleich der Antrittsbesuch des neuen Ministerpräsidenten Letta: er fuhr zum Rapport zur deutschen Kanzlerin nach Berlin.
In Berlin wurde auch Letta eingeschworen wie Krisenpolitik geht und es gab ein paar warme Worte zur Arbeitslosigkeit in Italien. Die offizielle Jugendarbeitslosigkeit liegt in Italien bei fast 40%, das Land ist seit fast 2 Jahren in der Rezession, Letta braucht etwas Spielraum für die Regierung und wenn es auch nur ein neues Abwerbungsprogramm für italienische Arbeitskräfte nach Deutschland ist, das hat jetzt auch Spanien bekommen. Die PD von Letta betreibt derzeit ein besonders doppelzüngiges Spiel, während die Sparangriffe und Steuererhöhungen der Monti Regierung nicht rückgängig gemacht werden, übernimmt gleichzeitig der ehemalige CGIL (it. Gewerkschaftsdachverband) Generalsekretär Epifani die Spitze der Partei. Mit diesem Manöver will die PD die Lähmung der italienischen Gewerkschaften verfestigen und deren Unterstützung für die große Koalition sicherstellen.
So demonstrierten am 18.Mai zehntausende GewerkschafterInnen, die „linke“ SEL von Vendola gegen die Sparpolitik der Regierung und forderten gleichzeitig die PD Spitze zur Teilnahme auf. Aufgerufen hatte die Metallgewerkschaft FIOM, allerdings reicht es nicht zu demonstrieren, sondern entscheidend wird es sein mit der PD zu brechen um wirklich die Arbeiterbewegung gegen die Regierung in Stellung zu bringen.
Diese neue Koalition ist nach den „Olivenbaum“ Bündnissen des Romano Prodi der nächste Beweis, dass die Gewerkschaften und die Linke mit bürgerlichen Parteien und Wahlbündnissen brechen müssen in Italien. Nur eine neue Arbeiterpartei, die einen klaren Klassenstandpunkt vertritt kann gegen die Sparpolitik und den verrotteten Parlamentarismus wirksam agieren. Dazu werden die etablierten Spitzen der Gewerkschaften und Linken nicht in der Lage sein, sie sind dabei das größte Hindernis für eine klassenkämpferische und revolutionäre Politik in Italien. Die Bewegung gegen die Sparpakete, die Basisgewerkschaften wie COBAS müssen eine Initiative für eine neue Arbeiterpartei starten, die italienische Arbeiterklasse braucht endlich eine Partei!
Bild: http://www.liberoquotidiano.it/news/politica/1232074/Berlusconi—Il-governo-si-fa–Letta-puo-giurare-gia-oggi–non-saro-ministro-.html