Arbeiter:innenmacht

Was macht die KI-Blase aus?

George Banks, Infomail 1297, 17. November 2025

Die Welt ist in eine Phase tiefer geopolitischer und wirtschaftlicher Turbulenzen eingetreten. Die zunehmenden imperialistischen Spannungen, die sich in Trumps Handelskriegen, der Invasion Russlands in der Ukraine und dem israelischen Völkermord in Palästina zeigen, haben zusammen mit der allgemeinen Schwäche der großen Volkswirtschaften zu einer zunehmend instabilen wirtschaftlichen Lage geführt.

Der US-Aktienmarkt und damit auch die globalen Börsen werden von den sogenannten „Magnificent Seven“ Tech-Unternehmen – NVIDIA, Microsoft, Alphabet (Muttergesellschaft von Google), Meta, Apple, Amazon und Tesla – gestützt. Von diesen sind NVIDIA, Microsoft, Alphabet und Meta für ihr zukünftiges Wachstum stark vom Potenzial der KI abhängig. In letzter Zeit haben sich auch Apple und Amazon dem KI-Boom angeschlossen.

Die Magnificent Seven machen zum 21. Oktober 2025 37 % des S&P 500 (Aktienindex) aus. Das ist fast dreimal so viel wie 2015, als sie 12 % des S&P 500 einnahmen – eine beispiellose Wachstumsrate unter einer Handvoll Aktien. Trotz der Flut von Investitionen kommen die glaubwürdigsten Warnungen vor einer Blase von den Architekt:innen des KI-Booms selbst. Sam Altman, CEO (Geschäftsführung) von OpenAI, räumt die Spekulationswelle ein und sagt gegenüber Reporter:innen: „Wenn Blasen entstehen, begeistern sich kluge Leute übermäßig für einen Kern der Wahrheit … Befinden wir uns in einer Phase, in der Investor:innen insgesamt übermäßig von KI begeistert sind? Meiner Meinung nach ja.“

Ähnlich hat Mark Zuckerberg von Meta (Mutterkonzern von Facebook) zugegeben, dass der Investitionsboom „eine Blase bilden könnte“, und aufgrund früherer Infrastrukturausbauten glaubt er, „dass so etwas auch hier passieren würde“.

Trotzdem ist ihre Strategie, einfach weiterzumachen. Zuckerberg meint, das Risiko eines Crashs sei besser, als zu spät zu einer „epochalen technologischen Transformation“ zu kommen, und hofft, dass KI ein „Ausreißer“ sein wird, bei dem endloses Wachstum einen Zusammenbruch verhindert. Was für eine Hoffnung!

Viele Ökonomen schätzen, dass der KI-Boom mehr als die Hälfte des amerikanischen Wirtschaftswachstums von 1,6 % in den ersten sechs Monaten des Jahres 2025 ausmachte. Sie gehen davon aus, dass sich dieser Trend mindestens bis ins dritte Quartal fortsetzen wird. Die Daten für diesen Zeitraum wären diese Woche veröffentlicht worden, wenn die zuständigen Behörden nicht wegen der Haushaltsblockade in Washington geschlossen worden wären.

KI-Investitionen sind nicht auf die USA beschränkt, und Unternehmen haben große Pläne, in ausländische Märkte zu expandieren. In Großbritannien haben Microsoft, NVIDIA, Google und OpenAI zusammen 31 Milliarden Pfund für den Ausbau der KI-Infrastruktur zugesagt. OpenAI hat mit der britischen Regierung einen Vertrag über die Prüfung von Investitionen in die KI-Infrastruktur unterzeichnet. Das Unternehmen wird sein Londoner Büro vergrößern und mit dem Justizministerium zusammenarbeiten, um KI-Tools wie „Justice Transcribe“ für Bewährungshelfer innen einzusetzen.

NVIDIA, Microsoft, OpenAI und Nscale, der britische Hersteller von Rechenzentren und Chips, setzen 120.000 fortschrittliche GPUs (Prozessoren, die für KI-Rechenkapazitäten unerlässlich sind) in neuen Rechenzentren in Großbritannien ein. Nach einer neuen Vereinbarung zwischen Nscale, NVIDIA und OpenAI ist diese Zahl nun auf 200.000 gestiegen.

Die großen Kapitalist:innen hoffen, dass all diese Investitionen zu einem technologischen Sprung nach vorn führen werden, hin zu einer KI, die die menschliche Intelligenz übertreffen kann, ein Konzept, das in der Branche als „künstliche allgemeine Intelligenz“ bezeichnet wird. Theoretisch würde eine solche Technologie große Teile der menschlichen Arbeit überflüssig machen. Der/Die Kapitalist:in, der/die diese Technologie als Erste/r entwickelt, hätte einen enormen Vorteil gegenüber ihren/seinen Konkurrent:innen. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass ein solcher Sprung nach vorne überhaupt möglich ist.

Die Blase

Im Zentrum dieses Rausches steht ein geschlossener Kreislauf spekulativer Investitionen, der an die schlimmsten Auswüchse der Dotcom-Blase erinnert. Das KI-Ökosystem wird von einigen wenigen großen Akteur:innen dominiert, darunter vor allem NVIDIA, das Unternehmen, das die GPUs herstellt. Der astronomische Anstieg von NVIDIA von 10,9 Milliarden US-Dollar Umsatz im Jahr 2020 auf prognostizierte 130,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2025 zeigt, wie viel Kapital in Hardware gesteckt wird. Zur Info: Eine einzige NVIDIA-H200-GPU, die Spitzentechnologie, die in Rechenzentren verwendet wird, kostet etwa 32.000 US-Dollar. Ein einzelnes Rechenzentrum braucht Tausende davon. Allerdings gibt es ein deutliches Warnsignal in Form des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV, ein Maß dafür, wie überhöht der Börsenkurs im Vergleich zu den tatsächlichen Gewinnen ist) von etwa 58. Das ist mehr als das Dreifache des traditionell als gesund geltenden Verhältnisses von 15 bis 20 und zeigt, dass der Aktienkurs eher von Spekulationen als von der tatsächlichen Rentabilität angetrieben wird. NVIDIA hat quasi ein Monopol auf die fortschrittlichen Prozessoren, die für KI-Rechenzentren gebraucht werden, und ist damit der einzige realistische Anbieter für diesen globalen Ausbau. Zu den großen Unternehmen, die diese Infrastruktur unterstützen, gehören Oracle, das 15. größte Unternehmen weltweit, und AMD. Diese Monopolstellung ermöglicht beispiellose Investitionen: Google, Meta, Microsoft und Amazon wollen allein in diesem Jahr fast 400 Milliarden Dollar für Rechenzentren ausgeben. Der Bau dieser Anlagen ist ein globales Phänomen mit schwerwiegenden materiellen und ökologischen Folgen. Sie verbrauchen riesige Landflächen, immense menschliche Arbeitskraft und endliche Ressourcen. Darüber hinaus sind sie eine bedeutende Quelle für Elektronikschrott, verbrauchen kolossale Mengen an immer knapper werdendem Wasser für die Kühlung und sind auf kritische Mineralien und seltene Elemente angewiesen, die durch oft zerstörerische Bergbaupraktiken gewonnen werden. Am alarmierendsten ist jedoch, dass ihr enormer Strombedarf direkt zu einem Anstieg der Emissionen von Treibhausgasen führt, die die Erderwärmung beschleunigen. Die Tatsache, dass die Chips in diesen Rechenzentren aufgrund der rasanten Innovationsgeschwindigkeit in diesem Bereich extrem schnell an Wert verlieren, trägt zusätzlich zum Produktionsbedarf bei.    Die KI-Branche wird durch ein zirkuläres und unsicheres System der Herstellerfinanzierung gestützt. Ein Paradebeispiel dafür ist NVIDIA, das weltweit mächtigste Unternehmen, das 100 Milliarden Dollar in OpenAI investiert, das dann Geld an Partner wie AMD und Oracle weiterleitet, um Rechenzentren zu bauen, die letztendlich ihre wichtigen Chips von NVIDIA kaufen, wodurch ein gefährlicher selbstreferenzieller Investitionskreislauf entsteht.

Das anfälligste Element des gesamten KI-Ökosystems ist die Anwendungsschicht selbst, die durch ihren größten Akteur OpenAI verkörpert wird. Trotz der Entwicklung bekannter Produkte wie ChatGPT und Sora (Spezialist für Videoherstellung aus Textangaben) ist das Unternehmen grundsätzlich unrentabel. OpenAI hat im letzten Jahr 5 Milliarden Dollar verloren und wird voraussichtlich in diesem Jahr weitere 14 bis 15 Milliarden Dollar verlieren, was den zentralen Widerspruch verdeutlicht: Bislang hat noch kein Unternehmen ein tragfähiges Modell gefunden, um mit KI-Technologie Gewinne zu erzielen.

Die zentrale Rechtfertigung für solche immensen Investitionen ist, dass KI eine Welle der Produktivität auslösen und jede Branche revolutionieren wird, aber das muss sich erst noch zeigen. Bei diesen Projekten sind die praktischen Ergebnisse in Bezug auf die Steigerung der Produktivität im Produktionsbereich noch nicht messbar. Wenn dies dazu führt, dass lebendige Arbeitskraft ersetzt und gleichzeitig der Anteil des konstanten Kapitals erhöht wird, wird dies letztendlich zu einem Rückgang der Profitraten führen, der eigentlichen Ursache von Krisen.

Die Realität ist, dass diese Unternehmungen derzeit finanzielle Misserfolge sind. Aufgrund der hohen Betriebskosten machen sogar kostenpflichtige Dienste wie ChatGPT Verluste. Microsoft, Google und Meta haben zusammen 227 Milliarden Dollar ausgegeben, um nur 13 bis 14 Milliarden Dollar einzunehmen. Um diese Ausgaben zu rechtfertigen, müsste die Branche bis 2030 unglaubliche 1,5 Billionen Dollar an Einnahmen erzielen, was eine große Lücke zwischen spekulativen Investitionen und konkreten wirtschaftlichen Erträgen offenbart.

Diese Hektik erinnert an die Dotcom- und Kryptowährungsblasen, bei denen die Aktienkurse nicht von Fundamentaldaten, sondern von Spekulationen, Aufregung und der weit verbreiteten Angst, etwas zu verpassen, angetrieben wurden. Weit davon entfernt, ein Warnsignal zu sein, löst jede neue Finanzierungsvereinbarung mit Anbieter:innen wie die Investition von NVIDIA in OpenAI einen massiven branchenweiten Anstieg der Vermögenswerte aus, angeheizt von Investor:innen, die wenig über die Grenzen der Technologie wissen, aber von der Illusion eines nur steigenden Kurses fasziniert sind.

Für einen sozialistischen Produktionsplan

Der aktuelle KI-Boom hat weniger mit der Schaffung von echtem Wert zu tun als vielmehr mit Spekulation. Karl Marx‘ Analyse des „fiktiven Kapitals“ ist aktueller denn je. Er beschrieb, wie Finanzmärkte eine Welt von Werten schaffen, die von dem durch menschliche Arbeitskraft produzierten Mehrwert losgelöst ist. Spekulation verkörpert den kapitalistischen Wunsch, „mit Geld Geld zu verdienen“, also den Kauf und Verkauf von Vermögenswerten auf der Grundlage überhöhter Erwartungen.

In einem spekulativen Markt wie der KI-Branche werden die Vermögenspreise eher von Erwartungen zukünftiger Preissteigerungen als vom tatsächlichen Wert, der sich aus Arbeit und Produktion ergibt, bestimmt, was zu einer Diskrepanz zwischen Preis und zugrunde liegendem Wert führt.

Dies wird durch die Funktionsweise von Krediten noch verstärkt, die es Einzelpersonen ermöglichen, enorme Wetten abzuschließen, die ihr eigenes Kapital bei weitem übersteigen. Dadurch können einige wenige Personen enorme Transaktionen tätigen, die in keinem Zusammenhang mit der produktiven Wirtschaft stehen. Dies ist einer der Haupttreiber kapitalistischer Krisen.

Die KI-Blase ist keine Anomalie, sondern der logische Endpunkt eines krisengeschüttelten Kapitalismus. Sie zeigt ein System, das in der Lage ist, Billionen von US-Dollar, die klügsten Köpfe der Welt und riesige materielle Ressourcen zu mobilisieren, nicht um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um einem Phantom namens Profit nachzujagen. Wenn die Blase platzt, wird es die Arbeiter:innenklasse sein, die den Preis dafür zahlt – durch den Verlust von Arbeitsplätzen, gekürzte Renten und eine weitere Runde von Sparmaßnahmen, um das System zu retten.

Die Technologie selbst hat Potenzial, aber unter diesem chaotischen und ausbeuterischen System kann es nicht voll ausgeschöpft werden. Die Arbeiter:innen der Welt müssen ein Ende dieses spekulativen Wahnsinns fordern. Wir müssen diese mächtigen Technologien aus den Händen der Milliardär:innen entreißen und sie in eine rational geplante sozialistische Wirtschaft integrieren, in der KI demokratisch entwickelt und eingesetzt wird, um den Arbeitstag zu verkürzen, gefährliche und körperlich und geistig anstrengende Arbeit abzuschaffen, drängende soziale Probleme zu lösen und die Menschheit für kreative Unternehmungen zu befreien, anstatt die Aktienportfolios der Kapitalist:innenklasse aufzublähen.

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