Arbeiter:innenmacht

Britannien: Ein Fall von politischer Zensur und Polizeiwillkür

Anna Roberts, Infomail 1288, 23. Juli 2025

Die Polizei von West Yorkshire hat den pensionierten Schulleiter Jon Farley am Samstag bei einer Palästina-Demonstration in Leeds gewaltsam festgenommen, weil er ein Bild aus dem Satiremagazin „Private Eye (Privatdetektiv)“ gezeigt hatte. Das Bild war eine ironische Anspielung auf die Art der „Palästinaaktionen“, die die britische Regierung unterstützt – dass es inakzeptabel ist, Flugzeuge der britischen Luftwaffe mit Farbe zu besprühen, aber in Ordnung ist, Menschen aus Gaza zu erschießen, die um Hilfe bitten. Der Aktivist wurde gemäß Abschnitt 12 des Terrorism Act 2000 festgenommen.

Die Polizei hat inzwischen das Verfahren gegen Jon, einen Aktivisten der Gewerkschaft Unite Community und Unterstützer von Workers Power, eingestellt. Er kommentierte: „Die Art und Weise meiner Festnahme zeigt deutlich, dass die Polizei versucht, die freie Meinungsäußerung zu Palästina zu unterdrücken. Nicht zuletzt, weil sie keine Beweise gegen mich hatten – es war reine Einschüchterung. Ich werde wieder für Gaza demonstrieren, ich werde mich nicht zum Schweigen bringen lassen, und ich fordere alle auf, sich uns anzuschließen und für ein freies Palästina einzutreten.“

Die Polizei teilte einem Ordner der Demonstration mit, sie sei angewiesen worden, alle Personen festzunehmen, die die Worte „Palästina“ und „Aktion“ zeigen, unabhängig vom Kontext. Als der Ordner:in fragte, ob sie auch jemanden festnehmen würden, der einen aktuellen Artikel aus der Times zeigt, in dem das Verbot von Palestine Action kritisiert wird, weigerten sich die Beamt:innen zu antworten.

Der Ordner erklärte gegenüber Workers Power: „Ich habe sie gefragt, ob sie auch [den Herausgeber von Private Eye] Ian Hislop und die Hälfte aller Zeitungshändler:innen im Land verhaften würden, weil sie das Bild gedruckt und verteilt haben. Sie sagten, es sei keine Straftat, die Worte ,Palestine Action’ zu drucken, aber jede/r, der/die sie bei einer Demonstration zeige, werde festgenommen.“

Festnahmen im ganzen Land

Andere wurden gestern in Städten in ganz Großbritannien festgenommen, weil sie Schilder hochhielten, die eindeutig gegen das Verbot von Palestine Action verstießen: 55 in London, 17 in Bristol, 16 in Manchester und 8 in Truro (Cornwall). Damit sind seit dem Verbot von Palestine Action insgesamt über 200 Personen festgenommen worden. Die Schilder dieser Demonstrant:innen sind eine offene Herausforderung des Verbots als Angriff auf unser Recht, die Unterstützung der britischen Regierung für den Völkermord Israels zu kritisieren und abzulehnen.

Der Vorfall von gestern in Leeds war nicht Teil des koordinierten Verstoßes gegen das Verbot und stellte selbst keinen Verstoß dar. Zweifellos haben die Anwält:innen von Private Eye das Bild vor der Veröffentlichung geprüft. Die Festnahme in Leeds zeigt daher die größere Gefahr, dass die Regierung das Terrorism Act nutzt, um ihre Kritiker:innen zum Schweigen zu bringen – es ist ein Freibrief für die Polizei, weit über den Wortlaut des Gesetzes hinauszugehen, um diese Kritiker:innen einzuschüchtern und festzunehmen.

Letzte Woche in Kent forderte die Polizei eine Frau auf, ihre Kufiya und ein Schild mit Kritik am Völkermord Israels zu entfernen, weil beide Gegenstände „begründeten Verdacht“ auf die Unterstützung einer verbotenen Organisation erweckten.

Die Tatsache, dass Polizeibeamt:innen in Leeds einen friedlichen Demonstranten in einem öffentlichen Akt gewaltsamer Einschüchterung zu Boden geworfen haben, zeigt, dass die Festnahme eine Botschaft an den Rest der Bewegung war, dass jede/r, der/die gegen den Völkermord protestiert, nun Freiwild ist. Die selektive Anwendung der Gesetzesauslegung durch die Polizei von West Yorkshire – die Festnahme eines Mannes wegen des Zeigens eines Zeitungsausschnitts und das Schleifen zu einem neben einem Zeitungskiosk geparkten Transporter, an dem dieselbe Publikation frei verkauft wurde – ist ein weiterer Beweis dafür, dass ihr Ziel darin bestand, eine Atmosphäre der Angst unter den Unterstützer:innen Palästinas zu schaffen, und nicht, wie sie lächerlicherweise behaupten, lediglich das Gesetz anzuwenden.

Die Polizei in Leeds hatte jedoch offensichtlich nicht mit der wütenden Reaktion der versammelten Demonstrant:innen gerechnet. Die Demonstration war ein stiller Zug, bei dem Hunderte unter dem langsamen Trommelschlag feierlich marschierten und Leichentücher und Kisten trugen, die die lebensrettende Hilfe symbolisierten, die den Menschen in Gaza verweigert wird. Diejenigen, die Flugblätter an die Zuschauer:innen verteilten, berichteten von sehr emotionalen Reaktionen, wobei einige beim Anblick der Leichentücher, die die vielen Tausend in Gaza getöteten Kinder symbolisierten, in Tränen ausbrachen.

Als die Eingreiftruppe der Polizei den Demonstranten zu Boden riss, versammelten sich andere dicht um ihn herum und forderten seine Freilassung. Die Demonstration kam zunächst zum Stillstand und konzentrierte sich dann auf die Festnahme. Als der Mann über die Straße zum Polizeiwagen getragen wurde, umringten Hunderte den Wagen und skandierten „Lasst ihn frei!“. Polizeiverbindungsbeamt:innen stießen Demonstrant:innen zu Boden, als der Wagen sich seinen Weg durch die Menge bahnte.

Aktivist:innen versammelten sich vor der Polizeistation in der Elland Road und suchten Schutz vor dem Regen in einem mit palästinensischen Flaggen und Transparenten geschmückten Pavillon. Trommler:innen aus dem Demonstrationszug und hupende Autofahrer:innen sorgten dafür, dass unsere Anwesenheit nicht ignoriert werden konnte, und ein Plakat mit der Forderung nach Freilassung des „Private Eye One“ wurde schnell aufgestellt.

Der Genosse wurde kurz nach 20 Uhr gegen Kaution freigelassen und zwei Tage später darüber informiert, dass das Verfahren eingestellt worden war. Die nationalen Medien haben begonnen, über die Geschichte zu berichten, und die Berichterstattung über diesen Vorfall könnte eine Gegenreaktion auf die Einschüchterungstaktiken der Polizei auslösen und den Druck auf den Staat erhöhen, das Verbot von Palestine Action aufzuheben. Die Berufung gegen das Verbot begann am Montag, dem 21. Juli, mit dem Antrag der Gründerin Huda Ammori auf Zulassung der Entscheidung vor dem Oberlandesgericht. Der Fall von Jon und der Aktivistin in Kent wurden bei der Anhörung als Beweis für die negativen Auswirkungen des Verbots auf die Gesellschaft insgesamt angeführt. Als das Terrorismusgesetz im Jahr 2000 eingeführt wurde, warnten viele Aktivist:innengruppen, darunter Workers Power, dass es gegen friedliche Demonstrant:innen und die Arbeiter:innenbewegung eingesetzt werden würde.

Wir haben Recht behalten. Jetzt ist es an der Zeit für massiven Widerstand, um diese repressive Gesetzgebung loszuwerden und mit den Worten des berühmten Slogans zu zeigen: „Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen!“

Dabei sind wir uns jedoch bewusst, dass Jon, Palestine Action und die millionenstarke Bewegung auf der ganzen Welt nicht die ganze Geschichte sind. Gaza ist die Geschichte. Stoppt die Bombardierungen! Freiheit für Palästina!

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