Martin Suchanek, Neue Internationale 293, Juli / August 2025
Am 24. Juni verkündete Donald Trump die Waffenruhe im Krieg zwischen dem Iran einerseits und den USA und Israel andererseits. Seither schweigen die Waffen. Hört man die Verlautbarungen der drei Kriegsparteien, so gingen alle als Siegerinnen hervor.
US-Präsident Trump verkündet nicht weniger als einen „vollständigen Sieg“, für den sich der „Daddy“ von der versammelten Mannschaft der NATO-Schleimer um Marc Rutte und Friedrich Merz gebührend feiern lässt. Dabei reklamiert Trump nicht weniger als die „vollständige“ Zerstörung der Fähigkeiten des Iran, Atomwaffen zu entwickeln, für sich und inszeniert sich gleichzeitig als erfolgreicher Kriegsherr und Friedenstifter.
Israels Premier Netanjahu spricht gar von einem „historischen Sieg“. Man habe die iranische Luftabwehr zerstört, „das Atomprogramm zunichtegemacht“ und man könne außerdem auch „jeden Versuch, es wieder aufzubauen, unterbinden“. Daher habe man der Waffenruhe auch zugestimmt – und er droht auch gleich mit dem nächsten Krieg.
Irans oberster Führer, Ajatollah Ali Chamenei, erklärt sein Land zum Sieger. Man habe, so die offizielle Sicht Teherans, Israel durch eigene Raketen- und Drohnenangriffe zur „Waffenruhe“ gezwungen und auch den USA hätte man sich durch einen, wenn auch rein symbolischen, im Voraus dem Gegner angekündigten Gegenschlag gegen die US-Basis in Katar nicht gebeugt.
Das iranische Regime kann zwar für sich reklamieren, dass es den israelisch-amerikanischen Angriff überstanden hat. Darin erschöpft sich aber auch schon der „Sieg“. Die rasche, effektive Entwaffnung der letzten bedeutenden militärischen Kraft in der Region, die sich offen als Feindin Israels deklariert, stellt in Wirklichkeit einen Sieg Israels und der USA dar.
Schon vor dem Krieg hatte der zionistische Staat die (ehemaligen) Verbündeten Syrien und die Hisbollah massiv geschwächt, stetig bombardiert und Gebiete annektiert. Der Iran erwies sich als unfähig und zu schwach, seinen Verbündeten zu Hilfe zu kommen. Auch seine Unterstützung der Hamas und des gesamten palästinensischen Volkes beschränkte sich seit Beginn des Genozids im Wesentlichen auf martialische Rhetorik, während man gleichzeitig eine militärische Konfrontation mit Israel vermeiden wollte. Das gelang nicht immer, denn die Bombardierung des Iran und anderer Staaten gehört mit zur expansionistischen Politik des zionistischen Staates und bildet einen Teil des Genozids gegen die Palästinenser:innen.
Tritt Israel in einen Krieg gegen militärisch unterlegene Länder oder politische Kräfte, so bekräftigen sämtliche westlichen Staaten ihre „bedingungslose“ Solidarität. Die vorsichtige und folgenlose Kritik am Genozid, die bei einigen westlichen Regierungen ansatzweise hochkam und nie über halbherzige diplomatische Drohungen von einigen EU-Ländern hinausging, verstummt angesichts der „Bedrohung“ gänzlich. Schließlich wäre ja das „Existenzrecht“ Israels durch den Iran bedroht, als sich dieser erdreistete, von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch zu machen.
Überhaupt diente die angeblich unmittelbar bevorstehende Nuklearwaffenfähigkeit nur als Vorwand für den Angriff. In Wirklichkeit weisen zahlreiche Quellen, einschließlich der US-Geheimdienste, übereinstimmend darauf hin, dass der Iran derzeit keine Waffen entwickelt und noch Jahre davon entfernt ist, solche zur Verfügung haben zu können. Die groß angelegte Luftoffensive Israels, die sich gegen alle möglichen staatlichen Ziele, darunter den nationalen Rundfunk, sowie gegen Krankenhäuser und Wohnhäuser richtete, und die Aufforderung an die Einwohner:innen von Teheran und anderen Städten, das Land zu „evakuieren“, verdeutlichen auch, dass es nicht um die Zerstörung der Atomwaffen ging. Vielmehr wird mit der Schwächung des Iran und einem möglichen prowestlichen Regime-Change ein Hindernis für den zionistischen Völkermord und die Kolonisierung Palästinas sowie die westliche Vorherrschaft im Nahen Osten zerstört oder wenigstens geschwächt.
Zu diesem Zweck führte Israel einen weiteren reaktionären und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Daher schlossen sich die USA den Bombardements an. Doch das kümmert niemanden in der westlichen demokratischen Staatengemeinschaft. Schließlich erledigt Israel „unsere“ Drecksarbeit und fungiert als der Vorposten des US-amerikanischen Imperialismus und seiner westlichen Verbündeten im Nahen Osten. Es vertritt somit auch deren geostrategische und ökonomische Interessen, selbst wenn die unmittelbaren nicht immer deckungsgleich sein mögen. Darin besteht der Kern der zur Staatsräson verklärten „Solidarität“ mit Israel.
Der Sieg Israels und der USA stellt also einen Sieg des gesamten westlichen Imperialismus dar. Dass ein wirtschaftlich ohnedies über ein Sanktionsregime geschwächtes Land wie der Iran kein gleichwertiger Gegner für die vielfach überlegene Armee der Aggressoren war, überrascht niemanden wirklich. Darin drückt sich letztlich auch aus, dass der Krieg keiner zwischen Gleichen, sondern gegen eine Halbkolonie war, die zwar Ambitionen als Regionalmacht verfolgt, die aber keineswegs auf einer Stufe mit dem Imperialismus und seinem Vorposten steht.
So wie der Iran seine Verbündeten bei Angriffen Israels letztlich im Regen stehen ließ, um selbst Verhandlungen mit den USA und dem Westen zur Aufhebung von Sanktionen führen zu können, so erhielt das Mullah-Regime von seinen imperialistischen Verbündeten Russland und China keinerlei materielle, reale Unterstützung. Natürlich kritisierten diese die zionistischen und US-amerikanischen Angriffe und drängten auf einen Waffenstillstand sowie die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen. Aber beide Länder stellten, wenig verwunderlich, ihre Eigeninteressen über die Unterstützung ihres Verbündeten. Für Russland sind gute Beziehungen zu den USA und freie Hand im Krieg gegen die Ukraine wie auch die Aufrechterhaltung der Beziehungen zu Israel wichtiger, als all dies für den Iran zu riskieren. Und auch China wollte keinen weiteren Konflikt mit den USA riskieren. Beide Großmächte machten deutlich, dass sie ihren Verbündeten als Mittel zum Zweck betrachten und ihn ohne Zögern im Stich lassen, wenn es opportun erscheint.
All das bedeutet, dass der von der Trump-Administration diktierte Waffenstillstand vor allem die geostrategische und hegemoniale Rolle des US-Imperialismus im Nahen Osten gestärkt hat. Das zeigt sich übrigens auch gegenüber den reaktionären arabischen Regimen und der Türkei, die letztlich die USA gewähren ließen und ihn zu seinem „Frieden“ beglückwünschten. Die USA können zumindest für einige Zeit wieder „Ordnung“ schaffen. Darin unterscheiden sie sich nicht nur gegenüber einem im Nahen Osten massiv geschwächten Russland, sondern auch von den europäischen imperialistischen Ländern. Wie wenig diese in der Nahost-Diplomatie zu melden haben, wurde schlagend vor Augen geführt, als die USA selbst iranische Atomanlagen bombardierten, während die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Britanniens in der Schweiz mit dem Iran zu vermitteln versuchten. So blieb den europäischen imperialistischen Mächten nur, gute Miene zum Trump’schen Spiel zu machen und den US-Präsidenten beim NATO-Gipfel bis zur Selbsterniedrigung zu hofieren.
Als Sieger ging auch Israel und die ultrareaktionäre Regierung Netanjahu hervor, auch wenn diese den Krieg länger fortgeführt hätte mögen. Darüber hinaus hat das Regime wieder einmal gezeigt, dass die „Opposition“, einschließlich des rassistischen Gewerkschaftsdachverbands Histadrut, im Krieg jede Opposition sein lässt und den zionistischen Staat ohne Wenn und Aber verteidigt. Die israelische Regierung hat im Krieg nicht nur über 700 Iraner:innen getötet, davon viele Zivilist:innen, sie hat ihn „natürlich“ auch genutzt, um den Genozid am palästinensischen Volk weiter voranzutreiben, die Bevölkerung von Gaza zu terrorisieren und auszuhungern und auch in der Westbank im Verbund mit rassistischen und faschistischen Siedler-Verbänden die Vertreibung der Palästinenser:innen zu forcieren.
Zweifellos hat der Sieg Israels und der USA die Reaktion auf allen Ebenen gestärkt. Daher traten Revolutionär:innen auch für die Niederlage von Zionismus und Imperialismus und für die Verteidigung des Iran ein – ohne der islamistisch-kapitalistischen Diktatur auch nur irgendeine Unterstützung zu geben.
Im Iran hat der Krieg allem aberwitzigen Gerede vom „Sieg“ zum Trotz bei vielen den falschen Antiimperialismus des Regimes offenbart. Gerade weil das Regime die eigene Bevölkerung, die Lohnabhängigen, Studierenden, Frauen und unterdrückte nationale Minderheiten fürchtet, hat es die Repression verschärft. Diesen Zusammenhang müssen die Arbeiter:innenklasse und die revolutionären Kräfte in ihrem Kampf gegen das Regime aufdecken. Die einzige fortschrittliche Lösung für Iran besteht darin, den Kampf für demokratische Forderungen mit dem für eine sozialistische Umwälzung in der Strategie der permanenten Revolution zu verbinden. Wenn das Regime in eine Krise gerät, muss die iranische Arbeiter:innenklasse die heldenhaften Traditionen der Arbeiter:innen-Shoras (Räte) und der Streikkomitees wiederentdecken, die in den letzten Jahren militante Kämpfe geführt haben, aber sie muss auch die Unabhängigkeit des Landes gegen alle proamerikanischen oder proisraelischen Kräfte verteidigen.
Israel und die USA haben zwar im Krieg gegen den Iran gesiegt, aber ihr Sieg ist keineswegs endgültig. Sie können gestoppt werden:
Eine solche Bewegung könnte Israel und den westlichen Mächten eine politische Niederlage zufügen und den Weg für die Befreiung Palästinas und einen revolutionären Umsturz im Iran und im gesamten Nahen Osten ebnen – für ein vereintes, sozialistisches Palästina! Für eine sozialistische Föderation des Nahen und Mittleren Ostens!