Arbeiter:innenmacht

Umgruppierungsprozesse: Möglichkeiten und Gefahren

Martin Suchanek, Neue Internationale 181, Juli/August 2013

Gerade angesichts des Scheiterns vieler Versuche der „Umgruppierung“ sollten sich RevolutionärInnen der beiden Hauptfehler beim Eingreifen in solche Prozesse bewusst sein.

a) Sektierertum und Ultimatismus

Als RevolutionärInnen kämpfen wir dafür, solche Neuformierungen, d.h. letztlich auch eine zukünftige NAO, für ein revolutionäres Programm zu gewinnen. Aber wir machen die Annahme eines solchen Programms, die Annahme unserer Vorschläge nicht zur Vorbedingung dafür.

Das wäre ultimatistisch, weil es einfach bedeuten würde, den lebendigen Prozess der Überzeugung anders Denkender abzukürzen, zu unterstellen, dass die Überwindung der politischen Differenzen in der „radikalen Linken“ die Voraussetzung wäre, überhaupt erst in einen Neuformierungsprozess einzutreten, dass also das gewünschte Resultat die Vorbedingung des Prozesses selbst wäre.

b) Opportunismus und strategische Ausrichtung auf eine zentristische Organisation

Der andere Fehler besteht darin, aus der Not eine Tugend zu machen. Vielen Umgruppierungsprozessen in Europa, z.B. der NPA in Frankreich, dem Linksblock in Portugal oder selbst der linkeren Anatarsya in Griechenland, lag immer der Verzicht zugrunde, ein konsistentes revolutionäres Aktionsprogramm, ein Programm von Übergangsforderungen zu entwickeln. Stattdessen behalf man sich mit Formelkompromissen und einer zentristischen Ausrichtung (eine Politik, die Versatzstücke einer revolutionären wie einer reformistischen Strategie und Programmatik beinhaltet). Eine solche Politik ist schon für eine Kleingruppe fatal, ihre praktische Auswirkung für die Klasse oder auch nur für die Avantgarde wäre aber vernachlässigbar. Anders, wenn wir es mit der Formierung einer Partei, also einer Organisation mit  Verankerung in wichtigen Teilen der Arbeiterklasse zu tun haben. Dann stoßen die „Kompromissformeln“ gerade in Krisenperioden schnell an ihre praktischen, realen Grenzen, weil eine Partei – anders als eine Propagandagruppe oder ein Zirkel – einen Teil der Klasse führen kann und muss.

Die Lösung diese Dilemmas besteht darin, taktische Flexibilität, Offenheit gegenüber Neuformierungsprozessen – also im Grunde nichts anderes als Offenheit gegenüber anderen Teilen der Arbeiterbewegung – mit Prinzipienfestigkeit, mit dem Kampf für das eigene, revolutionäre Programm zu verbinden.

Sektierer und Opportunisten lehnen das gleichermaßen ab, nicht zuletzt, weil sie eine Grundposition teilen: beide halten Einheit auf revolutionärer Basis letztlich für unmöglich.

Der Sektierer hat es „schon immer gewusst“, erklärt die Diskussion für erledigt, bevor sei begonnen hat. Für ihn ist daher jeder Teilschritt nur ein weiterer „Beweis“ dafür, dass nur seine Sekte das Programm behüten kann (und sei es um den Preis, den heiligen Gral vor der Welt zu verbergen).

Der Opportunist „weiß“ auch, dass nur ein Kompromiss möglich ist, dass nie ein revolutionäres Programm erarbeitet werden könne. Aber er zieht den umgekehrten Schluss. Ihm ist die Zahl heilig (oder jedenfalls die Hoffnung darauf). Für ihn ist jede Sekte „Beweis“ der Nutzlosigkeit – nicht nur des Sektierertums, sondern des Programms und der Prinzipien, die in den Händen des Sektierers allerdings zum Fetisch werden.

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