Arbeiter:innenmacht

Nachbetrachtung zu Blockupy Frankfurt: Bullen, Banken und Blockaden

Susanne Kühn, Neue Internationale 181, Juli/August 2013

Am 1. Juni wurde in Frankfurt/M. das Demonstrationsrecht zur Farce. Unter fadenscheinigen Vorwänden wurden ein Demo-Block mit hunderten GenossInnen nach gerade einem Kilometer Marsch eingekesselt. Die Seitentransparente wären „zu lang“, Sonnenbrillen, ja sogar Regenschirme wären zur Vermummung (!) mitgeführt worden. Selbst die bürgerliche Presse fand das Agieren der Polizei „unverhältnismäßig“.

Doch bei Blockupy gehört dieses Vorgehen offenkundig zur Norm. Während 2012 die Blockaden untersagt, Hunderte festgehalten und kein Camp genehmigt wurden, nahm die Repression in diesem Jahr andere Formen an. So wurden Berliner Busse mit DemonstrantInnen 6 (!) Stunden lang bei der Anreise durchsucht und die Flüchtlinge, die an den Aktionen teilnehmen wollten, zur Rückfahrt gezwungen. Auch bei der Aktion gegen Abschiebungen am Frankfurter Flughafen war die Polizei überaus provokant.

Warum die Provokationen?

Unsere Gegner wollten die 15.000 DemonstrantInnen in „Friedliche“ und „Krawallmacher“ spalten. Doch ihr Versuch wurde von den DemonstratInnen entschlossen zurückgewiesen, als sie stundenlang ausharrten, Solidarität mit den Einkesselten zeigten und den „Rest“ der Demonstration gegen heftige Polizei-Angriffe mit Pfefferspray und Knüppeln verteidigten.

Sie wollten uns demoralisieren, indem die Demo nicht zum Endpunkt kommt und ungeordnet auseinander strömt. Es sollte eine Gefühl der Ohnmacht, der Vereinzelung und des Misserfolgs erzeugt werden. Auch das gelang nicht, weil die gemeinsame Weigerung, ohne die Einkesselten nicht weiter zu ziehen, ein Gefühl der Solidarität erzeugte, was über Blockupy hinaus bedeutsam sein könnte.

Sie wollten zeigen, dass wir uns nicht wehren können – und doch haben wir die Demonstration stundenlang verteidigt. So hatte die Polizei nach mehreren Stunden Verhandlung die Demonstration „aufgelöst“ und den nach dem Kessel folgenden Teil angegriffen. Aber die Ketten hielten – und damit die Manifestation.

Stärken und Schwächen

Dieser Ausgang führte dazu, dass Blockupy trotz unbestreitbarer Schwächen letztlich ein politischer Erfolg wurde. Wir haben Solidarität gezeigt, wir haben gezeigt, dass wir unser Demonstrationsrecht verteidigen wollen – und können.

Eine weitere Stärke von Blockupy 2013 war, dass neben der symbolischen Blockade der EZB am Morgen des 31. Mai auch publikumswirksame Aktionen in der Stadt durchgeführt wurden. Zudem fand eine Demonstration am Flughafen statt, um gegen das rassistische Abschieberegime der BRD und der EU zu protestieren. Wichtige Profiteure der Krise, z.B. die Banken, wurden „markiert“. In der „Zeil“, der zentralen Einkaufsstraße, wurde vor Läden gegen die Überausbeutung der ArbeiterInnen in den Sweatshops der „Dritten Welt“ protestiert und Solidarität mit Beschäftigten bekundet, die ihrerseits mit immer geringeren Löhnen und immer mieseren Arbeitsbedingungen konfrontiert sind. Auch Arbeitermacht und REVOLUTION beteiligten sich aktiv an diesen Aktionen, v.a. an der Blockade von Karstadt, um den dort Streikenden unsere Solidarität in der aktuellen Tarifrunde im Einzelhandel zu bekunden.

Aber auch die zentralen Schwächen von Blockupy sind evident. Es fehlt an einer gemeinsamen, über die Aktion hinaus gehenden Kampfperspektive. Es fehlt an konkreten Forderungen wie an politischer Strategie. So ist Blockupy – wie andere, ähnliche Manifestationen – zwar in der Lage, in Deutschland 10-20.000 Menschen zu mobilisieren. Aber es ist bislang nicht fähig, eine dauerhafte Bewegung aufzubauen, die mit den Kämpfen in Südeuropa verbunden ist und hier gegen die Angriffe von Kapital und Kabinett mobilisiert.

Demokratie?

Frankfurt hat erneut gezeigt, dass die bürgerliche Demokratie eine Schönwetterveranstaltung ist. Auch wenn die Gegenwehr hier – nicht zuletzt mit partnerschaftlicher Hilfe der Spitzen des DGB – bisher weit hinter Südeuropa zurückblieb, so verstärken sich auch hier die Anzeichen einer weiteren Verschlechterung der sozialen Lage nach der Bundestagswahl.

Diese kommende Verschärfung des Klassengegensatzes und die sozialen Zuspitzungen, die unvermeidlich auch Abwehrkämpfe hervorbringen werden, sind der herrschenden Klasse und deren politischen und polizeilichen Funktionsträgern nur allzu bewusst.

Wenn es jetzt im gegnerischen Lager auch Kritik an der Polizei gibt, so geht es ihnen v.a. darum, dass der Polizeieinsatz ein „unerwünschtes“ Ergebnis hatte – die Solidarisierung auf Seiten der DemonstrantInnen. Das ist, was bürgerliche PolitikerInnen und Presse stört, wenn sie von einem „unverhältnismäßigen“ Einsatz sprechen. Allerdings: die DemonstrantInnen gewähren lassen, können und wollen sie erst recht nicht. Welches „Signal“ wäre es auch, wenn die EZB einfach blockiert werden könnte?, fragt entsprechend auch ein Leitartikler der FAZ.

Der Abbau demokratischer Rechte ist zur Durchsetzung des Krisenmanagements des Großkapitals und zur Lösung der EU-Krise unvermeidlich. Wer dazu bereit ist, bei Bedarf „Expertenregierungen“ in jedem beliebigen Land Südeuropas einzusetzen, um die Politik von Troika, EU und EZB durchzudrücken, macht natürlich auch im eigenen Land nicht Halt vor weiterer Entdemokratisierung.

Es ist daher enorm wichtig, dass wir in den nächsten Mobilisierungen den Kampf um die Verteidigung demokratischer Rechte mit dem Kampf um unsere politischen und sozialen Forderungen verbinden. Einschränkungen des Demonstrationsrechts, willkürliche Durchsuchungen, Schikanen aller Art, Ausweitung von Polizeibefugnissen und Überwachungsmöglichkeiten sind letztlich präventive Akte gegen das Entstehen organisierter Gegenwehr.

In der imperialistischen Epoche und zumal in einer Periode der historischen Krise des Kapitalismus wird selbst in den reichsten Ländern die bürgerliche Demokratie mehr und mehr zu einer leeren Hülle. Die Verteidigung demokratischer wie sozialer Rechte muss aber zugleich im Rahmen einer Perspektive, die über das bestehende kapitalistische System hinaus weist, geführt werden – im Rahmen des Kampfes für den Sturz des Kapitalismus.

Nach Blockupy ist vor Blockupy

Diese Fragen müssen nun in der Bewegung offen diskutiert werden. Im Februar 2014 wird die  „neue“ EZB in Frankfurt eröffnet. Dann werden hoffentlich wieder Zehntausende demonstrieren und blockieren.

Doch wir müssen uns diesmal anders vorbereiten. Die Frage der politischen Ausrichtung der Bewegung, ihrer internationalen, v.a. europäischen Koordinierung, wie von lokalen Handlungsstrukturen und Aktionskomitees ist jetzt akut!

Im Herbst 2013 – möglichst rasch nach der Bundestagswahl – sollte daher eine bundesweite Aktionskonferenz aller linken Organisationen und Parteien, von Gewerkschaften, Blockupy-Bündnissen, Anti-Krisenbündnissen, Solidaritätskomitees mit Südeuropa usw. organisiert werden! Zugleich muss Blockupy 2014 auch zu einer internationalen Massenaktion werden. Es muss einen wichtigen Schritt zum Aufbau einer Bewegung in Deutschland und einer internationalen Koordinierung über Blockupy hinaus leisten.

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