Nina Berger, Infomail 678, 28. April 2013
Wir Beschäftigten hatten Schlechtes befürchtet, dass es jedoch so schlecht kommt, haben selbst die PessimistInnen unter uns nicht erwartet.
Ohne reale Not und mit einer sehr gut organisierten kampfbereiten Postbelegschaft im Rücken unterwirft sich ver.di dem Strukturgejammere der Deutschen Post AG/DHL und verkauft das makabre Ergebnis noch als Erfolg.
6 Prozent und eine Laufzeit von 12 Monaten hatte ver.di für die 132.000 Tarifbeschäftigten gefordert. Rausgekommen ist eine zweistufige Gehaltserhöhung von 3,1 Prozent ab August 2013 und 2,6 Prozent ab Oktober 2014 – was gerade knapp über der Inflationsrate liegt. Da bleibt nur inständig zu hoffen, dass diese nicht steigt.
Vom versprochenen „kräftigen Zugriff“ auf die immensen Postgewinne ist genauso wenig zu spüren wie von der „Stärkung der Binnennachfrage“. Auch das von ver.di proklamierte und beabsichtigte „UmFairteilen“ fällt die nächsten 26 Monate – so lange ist nämlich die Laufzeit – für uns PostlerInnen aus.
Wie weit der Abschluss hinter dem Geforderten zurückbleibt, verdeutlicht eine der vorgeblichen „Errungenschaften“ des Vertrags, die „soziale Komponente“. Reuters zufolge sieht sie so aus: „Diese sieht ver.di zufolge vor, dass jede Tarifkraft über die Laufzeit des Tarifvertrages mindestens 2.200 Euro mehr Geld erhält. Wird diese Summe nicht über die beiden linearen Erhöhungen von insgesamt 5,7 Prozent erreicht, wird im August ein Einmalbetrag ausgeschüttet.”
Hört sich auf den ersten Blick nicht schlecht an. Doch erstens zeigt es deutlich, dass die prozentuale Tariferhöhung für die unteren Lohngruppen über 26 Monate weniger als 2.200 Euro ausmacht – also auch weit unter den ursprünglich geforderten 140 Euro/Monat bleibt, die sich bei 26 Monaten auf 3.640 Euro summieren würden. Zweitens geht die Einmalzahlung zur Aufstockung auf 2.200 Euro nicht in die Tarifstruktur ein. Die Kluft zwischen den Niedriglohngruppen und den anderen würde sich so eben nicht schließen; das wachsende Problem von Billiglöhnen bei der Post bleibt also grundsätzlich unberührt.
Nur die professionellen Sonntags- und SchönrednerInnen in der ver.di-Bürokratie können einem solchen Ausverkauf noch etwas Positives abgewinnen.
Dabei hatten sich die Beschäftigten bei der Post an den Warnstreiks mancherorts fast geschlossen beteiligt und ihren Unmut kundgetan. Mit einem Vollstreik wäre daher ein wirklich „vorzeigbares“ Ergebnis möglich gewesen – und hätte zugleich ein Signal gesetzt, endlich gegen die permanenten Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen anzugehen.
„Und es hätte ein Auftakt sein können und müssen, den Kampf auch gegen die massive Arbeitsverdichtung bei der Post zu beginnen, die von ver.di kaum thematisiert wird.„Die Aktionsbereitschaft war auch durch das Verhalten der Post AG geschürt worden. Diese hatte in den ersten beiden Verhandlungsrunden erst gar kein Angebot vorgelegt. Eine solche Provokation hätte doch eigentlich ein Signal dafür müssen, dass die Gewerkschaft nicht ständig von Verhandlungen spricht und der Post AG einigungsfähige Angebote abfordert, sondern dass sie den Streik vorbereitet und die Urabstimmung möglichst rasch herbeiführt.
Nicht so die ver.di-Bürokratie. Die Verhandlungsführerin und stellvertretende ver.di-Vorsitzende Kocsis erklärt: „Wir haben die klare Erwartung, in dieser dritten Runde (am 25. April) zu einer Einigung zu kommen. Die Deutsche Post AG ist in der Verantwortung, am Donnerstag ein einigungsfähiges Angebot vorzulegen.“
Das ließ Schlimmes befürchten – und so ist es dann auch gekommen. Dass ein harter Kampf jedenfalls nicht gewollt war – darauf verweist schon die wankelmütige Haltung von ver.di im Vorfeld der Verhandlungen. Trotz hohem Organisationsgrad bei der Post wurden nur punktuelle Warnstreikaktionen aufgerufen, die v.a. den KundInnen und damit der Post AG nicht allzu weh tun sollten. Welch ein „Druckmittel“! Das sah die Verhandlungsführerin der Post dann auch so. Der Warnstreik der 10.000 KollegInnen hätte „zu keinen größeren Auswirkungen“ geführt.
In Wirklichkeit wären selbst die 6 Prozent noch an der Untergrenze dessen gelegen, was die Beschäftigen wirklich brauchen. Und es hätte ein Auftakt sein können und müssen, den Kampf auch gegen die massive Arbeitsverdichtung bei der Post zu beginnen, die von ver.di kaum thematisiert wird. Das sei schließlich überall so, bekommen wir da zu hören. Und so werden eben Arbeitsbedingungen hingenommen, die jeder Beschreibung spotten. Nicht nur Amazon schindet seine MitarbeiterInnen. Dass es außerhalb des gelben Riesen noch viel Schlechteres gibt, ist für die MitarbeiterInnen ein schwacher Trost.
Nehmen wir nur die Briefzustellung: Der Neuanschaffung der Sortiermaschine, welche die Sortierung von Großbriefen erleichtert, folgte das Plattmachen bzw. die weitere Vergrößerung der Briefbezirke auf dem Fuße. Zustellung von „Einkauf-Aktuell“ an jedem Samstag und damit weiterer Druck auf die Lenkung der Briefpost in die Wochenmitte, Streichung von Kurzpausen, Streichung von „Entlastern“, Montagszustellung von zwei Bezirken, während den anderen KollegInnen derweil ein Urlaubstag „verordnet“ wird. Von den Mengensteigerungen bei den Paketen im Zuge der ständig wachsenden Internetbestellungen ganz zu schweigen.
All das sind nur einige Aspekte, die zeigen, wer für die satten Gewinnsteigerungen sorgt. Es sind die KollegInnen, die sich meist weit über 8 Stunden hinaus jeden Tag die Füße platt laufen. Und es trifft jene besonders hart, für die ver.di noch in den letzten Tarifauseinandersetzungen eine neue untere Lohngruppe eingezogen hat.
So reiht sich der Abschluss bei der Post in die traurige Bilanz der DGB-Gewerkschaften in den letzten Tarifrunden ein. Es wird erst gar nicht versucht, die Verluste der letzten Jahre ernsthaft wieder aufzuholen, die niedrigen deutschen Lohnkosten werden weiterhin unten gehalten. Selbst für die ureigenen Aufgaben einer Gewerkschaft erweist sich die reformistische Bürokratie, der Apparat, der die Organisation fest im Griff hat und jeden Schritt der Verhandlungen kontrolliert, als untauglich. Das haben wir Beschäftigten nach diesem Ergebnis erneut schmerzlich spüren können. Die Basis fühlt sich über den Tisch gezogen und damit hat sie verdammt recht. Für ein solches Ergebnis zu kämpfen, sei nicht notwendig gewesen. Da hätte ein „Bitte, bitte“ auch gereicht.
Doch solch ein Ausverkauf der Interessen muss nicht hingenommen werden. Unsere Schlussfolgerung kann daher nur lauten: Versammlungen an der Basis, in den Betrieben. Kämpferische und kritische KollegInnen dürfen mit ihre Kritik am ober-faulen Kompromiss nicht zurückhalten. V.a. gilt es all jene, die unzufrieden sind, die wirklichen Klassenkampf wollen, statt sozialpartnerschaftlichem Gemauschel und Unterordnung unter die Profitinteressen des Postkonzerns, sich als Opposition zu organisieren und den Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung in Angriff zu nehmen. Erst dann sind wir in der Lage, auf die Post AG und die Gewerkschaftsbürokratie wirklich den notwendigen Druck zu erzeugen.