Britannien: Für eine Kampagne gegen den Tarifabschluss bei Royal Mail

Workers Power Postal Workers Bulletin, Infomail 1223, 27. Mai 2023

Royal Mail: Baut die Nein-Kampagne auf!

Gegenwehr gegen Angriffe auf unsere Löhne und Arbeitsbedingungen!

Organisiert eine klassenkämpferische Basisbewegung zur Zurückweisung des Abkommens!

Als die Vereinbarung mit Royal Mail (Britische Post) im April veröffentlicht wurde, löste sie eine Gegenreaktion der Gewerkschaftsmitglieder aus, als klar wurde, dass die Führung der CWU (Communication Workers Union) den meisten Forderungen von Royal Mail nachgegeben hatte.

Nach drei Abstimmungen, 18 Tage Lohnverlust an Streiktagen und über 400 suspendierten und entlassenen betrieblichen Gewerkschaftsertreter:innen und Mitgliedern, bedeutet die Vereinbarung einen Rückschlag in Bezug auf Löhne, Tarife und Arbeitsbedingungen.

Grundsätzlich ebnet sie den Weg für einen massiven Anstieg der Arbeitsbelastung, insbesondere für die Beschäftigten im Zustelldienst, und untergräbt die Kampfkraft der Gewerkschaften.

Aus diesem Grund haben einige CWU-Postangestellte und -Vertreter:innen eine Kampagne für die Belegschaft gestartet: Postangestellte sagen, stimmt mit Nein. Macht online mit, ladet das Bulletin herunter, um es an eure Kolleg:innen weiterzugeben, und beteiligt euch: www.tinyurl.com/PostiesSayNo.

Gewerkschaftsführer:innen kapitulieren

Auf den ersten beiden Seiten des Abkommens geht es um die katastrophale Lage von Royal Mail und darum, „das Schicksal des Unternehmens umzukehren“. Die Gier der Bosse hat das Unternehmen in den Ruin getrieben, aber die Vereinbarung stellt sicher, dass die Beschäftigten dafür zahlen, das Unternehmen wieder flottzumachen, und dass sie durch Erhöhungen der Arbeitsbelastung und Umstrukturierungen ihre Gewinne steigern können. Die CWU-Führerung wird die Kürzungen und Veränderungen in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit dem Management überwachen – und dann erwarten, dass die betrieblichen Gewerkschaftsvertreter:innen sie umsetzen.

Das Abkommen kann zu Recht als Niederlage bezeichnet werden. Die Führung hat den Streik für viermonatige Gespräche beendet, die zu nichts geführt haben. Für Arbeiter:innen enthält es kaum Positives. Viele begrüßen zwar die Zahlungen, aber bei steigenden Preisen bedeutet das Dreijahreslohnabkommen einen Reallohnverlust von über 10 Prozent. Der Rest akzeptiert, was die Bosse wollten oder hat ihre Forderungen (völlige Flexibilität, Fahrer:innen als Scheinselbstständige) nur dadurch „besiegt“, dass er ihnen auf halbem Wege mit Zugeständnissen bei der Arbeitsbelastung, 30 Minuten „formalisierter Flexibilität“ und saisonalen Arbeitszeiten entgegenkam.

Als eines der schlimmsten Zugeständnisse hat die Gewerkschaft die Zweistufigkeit der Belegschaft akzeptiert, d. h. neue Mitarbeiter:innen erhalten Verträge mit einer Arbeitszeit von mehr als 40 Stunden bei geringerer Bezahlung und Sonntagsarbeit. Persönliche digitale Assistent:innen und andere Daten werden als Anfang von der Geschäftsleitung für Leistungen und bestimmte Verhaltensweisen verwendet und missbraucht. Die Arbeiter:innen müssen die Worte über „unterstützende“ Ansätze für Anwesenheit und Leistung, „gesicherte Garantien“ oder noch schlimmer „gemeinsame Bestrebungen“ für die kürzere Arbeitswoche (wenn sie die Stunden für Neueinsteiger:innen erhöhen) in den Mülleimer werfen, wo sie hingehören, denn sie sind wertlos.

Die geopferten gewerkschaftlichen Vertreter:innen und Mitglieder sind nicht wieder eingestellt worden. Stattdessen wird ein „unabhängiger“ Richter, der selbst kein Freund militanter Gewerkschafter:innen ist, Lord Falconer, der 2016 für die gewerkschaftsfeindlichen Gesetze der Tories gestimmt hat, die Fälle überprüfen.

Das Abkommen trifft die Zusteller:innen besonders hart und wird die körperliche Arbeit im Freien ausweiten und viele aus dem Job drängen. Wie ein Zustellervertreter dies online fragte: „Im schlimmsten Fall kürzt eine Revision Hunderte Außendienststunden zur Erholung von den Gängen und macht sie länger plus 35 Minuten Streichung vom Innendienst und Anrechnung auf den Außendienst plus 2 Stunden länger im Winter plus 30 Minuten ,formalisierter Flexibilität’ an einigen Tagen. Man könnte also im Außendienst bis zu anderthalb Stunden länger als jetzt, um Weihnachten herum vielleicht sogar mehr, arbeiten.“

Einzuberechnen wären spätere Anfangszeiten bis zu 90 Minuten und Flexibilität, was bliebe dann noch übrig von „familienfreundlichen“ Schichten? Wenn man dann noch Anwesenheitszeiten, Verhaltensdaten, Kürzungen bei krankheitsbedingt vorzeitiger Verrentung zurechnet, kann Royal Mail schneller und billiger Arbeitskräfte loswerden, und mit dem zweistufigen Arbeitskräftesystem wird dem Unternehmen das gelingen.

Ein selektiver Ausverkauf

Die CWU-Führung sagt, sie wolle eine informierte Diskussion, damit Mitglieder eine informierte Entscheidung treffen können, aber während sie nicht bestimmte Fragen umgehen kann, sind andere (wie Zweiklassen-Arbeitskräfte, Verhaltensdaten, 20 – 35-minütige Kürzung für Innendienst bei Zustellungen), wenig bis gar nicht angesprochen worden. Die betrieblichen gewerkschaftlichen Vertreter:innen sollten darauf aber Antworten verlangen. Wenn diese nicht gegeben werden, könnte sich Royal Mail aus dem Abkommen herausstehlen, was bedeuten würde, seine Profitabilität auf unsere Kosten wiederherzustellen.

Das Abkommen läuft bis April 2025, doch seine Verpflichtungen zu keinen zwangsweisen Entlassungen sind kaum abzuschätzen angesichts der großen Anzahl von unbesetzten Stellen in Büros und billigen Berufseinsteiger:innen. Royal Mail sagt nur, dass sie „nicht plane“, Briefzentren auszulagern, zu verpachten und rationalisieren oder getrennte Paketgesellschaften zu gründen.

Das sind keine Garantien und neue, einschneidende Änderungen, ein einheitliches Großpaketnetz zu schaffen, wird mehr direkte Konkurrenz mit Anbieter:innen wie Amazon hervorrufen, wenn die Bosse noch sagen, wir seien 40 % überbezahlt und unausgelastet, und das wird  uns immer weiter in einen Dumpingwettbewerb treiben.

Die Gewerkschaftsführer Ward und Furey versuchen uns eine Vision zu verkaufen, wonach wir zum normalen Alltag mit einem stabilen sicheren Arbeitsplatz und ruhigem Leben zurückkehren können. Doch in Wirklichkeit wird es dauerhaft Veränderungen geben, die in der gemeinsamen Arbeitsgruppe vereinbart worden sind. Wenn das Abkommen nicht den Profiterwartungen entspricht, könnte Royal Mail sich sogar Stück um Stück aus der Vereinbarungen herausziehen, wie sie es letztes Jahr getan hat. Günstigstenfalls tickt die Uhr bis 2025 herunter zu einem neuen Kampf, mit untergrabener Kraft unserer Stärke an der Basis.

Die Alternative

Wenn es keine Zustimmung gibt, könnte die Gewerkschaft Royal Mail ein paar Zugeständnisse abringen. Aber die wirkliche Alternative zu diesem faulen Abkommen bedeutet, dass die Streiks wieder aufgenommen werden. Dieses Mal mit einem wirkungsvollen Plan, sie umfassend zu steigern, und Solidaritätskomitees aufzubauen, so wie es Workers Power von Beginn der Auseinandersetzungen an vertreten hat. Jetzt ist es an der Zeit, die Kampagne zur Wiederverstaatlichung von Royal Mail als CWU-Politik zu führen, den Bossen nicht zu gestatten, uns mit der Bankrottdrohung zu erpressen. Wenn wir dieses Abkommen jetzt annehmen, was würden wir tun können, wenn sie uns 2025 oder schon vorher wieder angreifen?

Ein Ablehnungskampagne könnte die Kräfte entfalten, die die CWU seit langem gebraucht hat: eine Basisbewegung, die die Gewerkschaften unter Kontrolle der Beschäftigten bringt, mit Abrufbarkeit und Facharbeiter:innengehältern für alle Funktionär:innen. Streikkomitees sollen an der Basis gebildet werden, um den Gewerkschaften von unten neues Leben einzuhauchen. Das würde uns nicht nur für Kampf und Sieg ausrüsten, sondern auch eine neue Führung aus den militanten Elementen fördern helfen, eine, die die Gewerkschaften am Arbeitsplatz verankert.

Teilt Eure Antworten und Erfahrungen mit oder kontaktiert uns für mehr Information über Workers Power: https://workerspower.uk/contact/. Artikel zur CWU in Workers Power: www.tinyurl.com/WPCWU.




Britannien: Postbeschäftigte dürfen erpresserischer Drohung nicht nachgeben!

Andy Young, Workers Power (Britannien), Infomail 1222, 3. Mai 2023

Bevor die Einigung zustande kam, behaupteten die Chef:innen von Royal Mail, der britischen Post, das Unternehmen stehe kurz vor dem Bankrott, und drohten mit einer Insolvenz, falls die Kommunikationsarbeiter:innen-Gewerkschaft CWU keine Einigung erzielen würde.

Nicht zu glauben, hat die CWU-Führung dieser Erpressung nachgegeben und der aktuellen Vereinbarung zugestimmt, die die Bedingungen der Beschäftigten verschlechtert, um die Rentabilität wiederherzustellen. Auf den ersten Seiten des Abkommens werden die Bestimmungen ausdrücklich mit der Rückkehr der Gewinne verknüpft.

Der Vorsitzende der Londoner CWU, Martin Walsh, der die Einigung verteidigt, hat sich dieser Meinung angeschlossen. Er argumentiert, dass weitere Streiks die Situation von Royal Mail verschlimmert und das Unternehmen gezwungen hätten, noch stärkere Kürzungen als die in der Vereinbarung vorgeschlagenen vorzunehmen oder in die Verwaltung zu gehen, was bedeuten würde, dass „Tausende von Arbeitsplätzen verlorengingen, die nicht direkt mit der USO (Universal Service Obligations; Umfassende Pflichtdienste) verbunden sind“.

In einem anderen Beitrag (auf den Hunderte von verärgerten Antworten von Postangestellten eingingen) sagte er: „Diejenigen, die behaupten, dass die Regierung uns aus der Patsche helfen wird, haben nur teilweise Recht. Sie hätten die USO weitergeführt, aber alles andere, einschließlich Paketen, LAT (Briefverteilung), CSPs (Fracht, Schwerpakete) usw., wäre wahrscheinlich eingestellt worden, was zu Tausenden von sofortigen Arbeitsplatzverlusten geführt hätte, wobei nur die gesetzlichen Abfindungen zur Verfügung gestanden hätten.“

Das ist nicht unbedingt richtig und auch nicht realistisch.

Wenn wir mit Nein stimmen, geht das Unternehmen dann bankrott?

Zunächst einmal kennen wir die tatsächliche finanzielle Lage von Royal Mail nicht und werden sie auch nicht erfahren, bevor der Streik beendet ist und eine Einigung mit den Beschäftigten erzielt wurde.

Zweitens bedeutet die Annahme der Vereinbarung, dass die Bosse dafür belohnt werden, dass sie im letzten Jahr eine halbe Milliarde Gewinn eingestrichen und uns dann in der Vorweihnachtszeit zum Streik gezwungen, sie Konkurrent:innen für die Übernahme profitabler Paketzustellungen bezahlt haben und für Leiharbeitskräfte tief in die Tasche greifen mussten, um einen von ihnen provozierten Streik zu brechen.

Drittens: Ist es wirklich glaubhaft, dass ein Unternehmen, das vor der Pandemie profitabel war (in Höhe von 100 Millionen Pfund) und mehr Pakete denn je zustellt, unter normalen Bedingungen rote Zahlen schreibt?

Letztendlich bedeutet dies, dass man der Politik des Vorstands von Royal Mail nachgeben muss. Die internationale Holdinggesellschaft der Royal Mail, IDS, ist profitabel und schottet ihren Betrieb im Vereinigten Königreich absichtlich ab, um die im Ausland erwirtschafteten Profite den Aktionär:innen zukommen zu lassen und die Belegschaft unter Druck zu setzen. Das ist eine bewusste Politik, vor der wir nicht in die Knie gehen sollten. Die Profite der Royal Mail wurden verwendet, um die internationalen Vermögenswerte zu erwerben, und man war froh, die Aktivitäten damals miteinander zu verbinden!

Öffnung der Geschäftsunterlagen

Wir haben keinen Grund, die Behauptungen der Geschäftsführung für bare Münze zu nehmen. Öffnet die Geschäftsbücher und lasst uns sehen, wie es wirklich um das Unternehmen steht! Wenn es als gewinnorientierte Firma nicht lebensfähig ist, dann muss es verstaatlicht werden.

Die Wahrheit ist, dass das Unternehmen ohnehin wieder verstaatlicht werden sollte. Die Versprechungen, dass die Privatisierung dringend benötigte Investitionen in das Unternehmen bringen würde, waren immer ein Schwindel: Sie haben in den letzten 10 Jahren fast 2 Milliarden Pfund an Gewinnen entnommen.

Die 670 Millionen Pfund Gewinn, die im letzten Jahr gemacht worden sind, hätte man nutzen können, um das Unternehmen von Grund auf zu modernisieren. Wir könnten jeden Lieferwagen durch einen umweltfreundlichen Elektrotransporter ersetzen, die Büros gut isolieren, um die Heizkosten zu senken, und uns neue Arbeitsschuhe zulegen, ohne monatelang warten zu müssen!

Unabhängig davon, wie es um die Finanzen des Unternehmens bestellt ist, ist es eine harte Wahrheit, dass die Royal Mail nicht gleichzeitig ein gut geführter Betrieb sein kann, der eine wichtige öffentliche Dienstleistung erbringt und seinen Mitarbeiter:innen anständige Arbeitsbedingungen bietet, und zugleich eine Goldgrube für milliardenschwere Aktionär:innen.

Wie bei allen anderen öffentlichen Diensten, die privatisiert wurden – von der Wasser- bis zur Energieversorgung – haben die Dividenden die Investitionen bei weitem übertroffen, und das Ergebnis ist ein schlechterer Dienst, der die Nutzer:innen mehr kostet und von Arbeiter:innen erbracht wird, deren Löhne, Arbeitsbedingungen und Renten bis auf die Knochen gekürzt wurden.

Royal Mail sollte wieder verstaatlicht werden, ohne einen Penny Entschädigung für die Profiteur:innen.

„Aber die Tories wären schlimmer!“

Das Argument, dass eine von einer konservativen Tory-Regierung geführte Royal Mail in öffentlichem Besitz schlimmer wäre als die derzeitige private Verwaltung, wird von den Befürworter:innen des Deals gewöhnlich vorgetragen. Aber es ist schwer zu erkennen, wie es noch schlimmer kommen könnte.

Sie mussten die Zähne zusammenbeißen und Liberty Steel vor zwei Jahren verstaatlichen, als das Unternehmen in Konkurs ging. Die East Coast Mainline (elektrifizierte Eisenbahnlinie zwischen London King’s Cross und Edinburgh Waverley) wird von einem öffentlichen Unternehmen betrieben, nachdem sich private Betreiber:innen zurückgezogen hatten.

Ein wichtiger Grund für die Privatisierung war, dass es für eine Regierung politisch viel schwieriger ist, einen öffentlichen Dienst so zu zerstören, wie es private Eigentümer:innen mit der Notwendigkeit einer Profitsteigerung rechtfertigen können. Die von einem verstaatlichten Unternehmen erwirtschafteten Gewinne werden in den Dienst reinvestiert oder tragen zur Finanzierung anderer staatlicher Ausgaben bei – bei einem privaten Unternehmen werden sie in Jachten oder Steuerparadiesen investiert.

Eine Wiederverstaatlichung der Royal Mail und eine anschließende Kürzung der allgemeinen Dienstleistungen wäre also selbst für die Tories politisch schwierig, ebenso wie eine Abspaltung des Paketdienstes, wie Martin Walsh sagt. Die neuen Paketzentren wurden über Jahre hinweg mit den Gewinnen der Royal Mail bezahlt, und man kann nicht davon ausgehen, dass die Regierung sie absichtlich inoperabel und unrentabel macht – wenn es eine öffentlichkeitswirksame, mit Streiks verbundene Kampagne zur Wiederverstaatlichung der Post gibt.

Derzeit kann sich Premierminister Rishi Sunak noch zurücklehnen, während der Milliardär Kretinsky und seine Marionette Simon Thompson (Hauptgeschäftsführer von Royal Mail) unsere Arbeits- und Tarifbedingungen auseinandernehmen – „mit mir hat das nichts zu tun, Regierungschef“.

Aber das ändert sich, sobald Sunak dafür am Haken hängt. Wenn wir kämpfen, wird es für die Tories zu einem politischen Problem, wenn sie dabei beobachtet werden, wie sie die USO kürzen oder eine Gewerkschaft zerschlagen.

Würde die Bevölkerung uns dennoch unterstützen?

Es wird gesagt, dass die Royal Mail und ein Zustellsystem in der Öffentlichkeit nicht mehr beliebt genug sind oder nicht mehr gebraucht werden. Aber das ist nicht wahr. Der Rest der Gewerkschaftsbewegung würde uns sicherlich unterstützen, wenn wir kämpfen.

Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Survation vom August 2022 ergab, dass 68 Prozent der Öffentlichkeit der Meinung sind, dass die Royal Mail verstaatlicht werden sollte. Eine Kampagne für die Wiederverstaatlichung, die ohnehin die Politik der CWU zum Ziel hat, würde breite Unterstützung finden, weil ein ehemals öffentlicher Dienst dem Profit geopfert wurde, und ein Bankrott würde dies deutlich machen.

Wenn wir gewinnen würden, dann wären die Wiederverstaatlichung der Eisenbahn, der Rauswurf der Profitgeier aus dem Nationalen Gesundheitswesen, die Kontrolle über die Profiteur:innen, die die Energierechnungen in die Höhe treiben und die Abwässer in unsere Flüsse leiten, echte Möglichkeiten und die logischen nächsten Schritte.

Die Vorstellung, dass eine Wiederverstaatlichung unter einer Labour-Regierung wahrscheinlicher ist oder Parteichef Keir Starmer netter wäre als die Tories, ist nur ein Trugbild. Ohne massiven Druck würde er das nicht tun. Die Tatsache, dass Royal Mail sagt, es sei fast bankrott und nicht mehr tragfähig, erzeugt jetzt den stärksten Druck für seine Wiederverstaatlichung.

Und das Argument, dass eine Renationalisierung durch die Torys automatisch schlechter wäre als das Ergebnis der aktuellen Vereinbarung, ist zwar verständlich, aber nicht wahr. Anstatt einer rücksichtslosen Unternehmensleitung nachzugeben, die nur noch mehr fordern wird, kann sich die CWU gegen alle Versuche der Tories wehren, die USO oder unsere Arbeitsbedingungen in einem wiederverstaatlichten Unternehmen zu beschneiden, und eine Solidaritätsbewegung um uns herum aufbauen.

Das setzt jedoch voraus, dass die CWU-Führer:innen ihre Strategie der Absprachen mit der Unternehmensleitung, der Zusammenarbeit bei Umstrukturierungen und der Kürzung unserer Löhne und Arbeitsbedingungen aufgeben und stattdessen für die Gewerkschaftspolitik kämpfen – die lautet: Wiederverstaatlichung.

Und das wiederum setzt voraus, dass sich die Basis der Gewerkschaft organisiert, um einen solchen Richtungswechsel voranzutreiben und unsere Macht wiederherzustellen, damit wir ihn von der Basis aus durchsetzen können.

Als Sozialist:innen würden wir noch weiter gehen. Das Unternehmen sollte verstaatlicht werden, ohne dass die Bonzen, die das Vermögen und die Gewinne abgeschöpft und den öffentlichen Dienst in die Knie gezwungen haben, auch nur einen Cent erhalten. Es sollte nur eine Entschädigung für die Kleinaktionär:innen geben, und der Postdienst sollte unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiter:innen und Kund:innen geführt werden.




Post: Guter Streik statt schlechter Verhandlungen! Das „Ergebnis“ muss abgelehnt werden!

Mattis Molde, Infomail 1216, 14. März 2023

In letzter Minute vor Beginn des Streiks hat sich die Verhandlungskommission nochmal auf eine Verhandlung eingelassen, zu welcher der Postvorstand eingeladen hatte – eine falsche, wenn auch nicht unvorhersehbare Entscheidung mit einem üblen Ergebnis.

Das Ergebnis

Ab April 2024 werden die Tabellenentgelte für alle Vollzeitbeschäftigten um monatlich 340 Euro erhöht. Das entspricht in den unteren drei Entgeltgruppen, in denen fast 90 Prozent der Tarifbeschäftigten eingruppiert sind, Entgeltsteigerungen von 11,0 bis 16,1 Prozent. Die Laufzeit beträgt allerdings 24 Monate (siehe: https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++3272f710-c01c-11ed-a2f8-001a4a160129).

Das heißt, dass von der Forderung 15 % für 12 Monate gerade etwa die Hälfte übrig geblieben ist. Dazu kommen Sonderzahlungen von insgesamt 3000 Euro, die – verteilt über 11 Monate – nochmal unter den 340 Euro pro Monat liegen, die die Postler:innen in einem Jahr bekommen sollen.

Die 3000 Euro sind steuerfrei. Das ist ein Trick. Er bringt den Beschäftigten kurzfristig mehr Cash, aber keine Punkte bei der Rente. Auf die 3000 Euro Sonderzahlung gibt es auch kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Die Firma aber spart richtig. Der Staat zahlt mit Steuerverzicht und zwar gewaltig. Wen werden die Sparmaßnahmen treffen? Die Bundeswehr oder die Sozialausgaben?

Das „Ergebnis“ liegt nicht nur ganz weit von der Forderung, es liegt auch deutlich unter der Inflation. Die Reallöhne würden noch weiter fallen. Zur gleichen Zeit macht der Konzern  Rekordgewinne. Die Aktionär:innen gewinnen doppelt: eine fette Dividende und steigende Aktienkurse.

Dieses Ergebnis wäre ein heftiger Ausverkauf. Jede Kollegin, jeder Kollege muss dagegen mit NEIN stimmen!

Was tun?

Aber das NEIN reicht nicht. Wir müssen uns fragen: Wer hat uns in diese gefährliche Situation gebracht? Eine Verhandlungsführung unter Andrea Kocsis, die uns ein „Ergebnis“ präsentiert, das kaum besser als das letzte Angebot ist, das sie selbst zu Recht zurückgewiesen hatte, wegen dessen die Verhandlungen für gescheitert erklärt worden waren.

Eine Verhandlungsführung, die mit neuen Verhandlungsgesprächen beginnt, nachdem die Entscheidung für Streik demokratisch und eindeutig gefallen war und die dieses demokratische Votum der Mitglieder kalt missachtet. Die jetzt mit diesem „Ergebnis“ eine erneute Urabstimmung veranlasst, die wieder über 75 % Ablehnung kommen muss, um mit einem Streik ein einigermaßen gutes Ergebnis zu erreichen.

Wenn Kocsis recht hat, dass das Votum für Streik den Bossen Sorge bereitet hat, dann kann sich jede:r an den Fingern abzählen, was ein Streik bewirken würde!

Kocsis hat mit diesem Manöver auch die Verhandlungsposition für jede/n Nachfolger:in geschwächt: Wenn die Bosse die ver.di-Chef:innen auch noch nach einer Urabstimmung an den Verhandlungstisch bringen können, dann werden sie zukünftig ihre Verhandlungs„angebote“ noch unverschämter gestalten. Zugleich hat Kocsis mit ihrem Manöver das Vertrauen in die Gewerkschaft tief erschüttert. Alle diejenigen, die an ihren Arbeitsplätzen für ver.di geworben, für den Tarifkampf mobilisiert haben und für ein Ja zum Streik können durch diese drohende Niederlage aus den eigenen Reihen enttäuscht und frustriert werden.

Schließlich bedeutet eine zweijährige Laufzeit auch, dass die Konzernzentrale der Post für die nächsten zwei Jahre die Friedenspflicht nutzen kann und wird (!), die nächsten Angriffe auf Beschäftigte und Kund:innen durchzuführen, also Umstrukturierungen, weitere Arbeitszeitverdichtungen, Ausdünnen von Filialen, aber auch Preiserhöhungen, um beispielsweise den Briefversand richtig profitabel zu machen. Für diese Auseinandersetzungen, die eigentlich mit dem Kampf für entschädigungslose Verstaatlichung der Post unter Arbeiter:innenkontrolle verbunden werden müssen, stehen die Belegschaften, aber auch die Masse der lohnabhängigen Kund:innen schlechter da. Ein bundesweiter unbefristeter Erzwingungsstreik könnte nicht nur ein weit besseres Ergebnis bringen, sondern auch Kampfstrukturen für die weiteren Auseinandersetzungen schaffen.

Deshalb muss eine breite Ablehnung des „Ergebnisses“ damit verbunden werden, die Basis zu stärken und die Gewerkschaft in die eigene Hand zu bekommen:

  • Organisiert Versammlungen, um das Ergebnis zu diskutieren! Falls der Streik doch kommt, müssen solche Versammlungen auch täglich einberufen werden, um den Erfolg im Streik zu sichern und die Manöver der Führung zu erkennen.

  • Wir brauchen Gewerkschaften, die Erfolge organisieren und keine Niederlagen! Wir brauchen überall Vertrauensleute und Betriebsgruppen, die nicht so sehr die Vorgaben „von oben“ umsetzen, sondern vor allem umgekehrt Rechenschaft von der Gewerkschaftsführung verlangen!

  • Dafür müssen wir uns in den Gewerkschaften als klassenkämpferische Opposition organisieren, um schnell und wirkungsvoll handeln zu können. So hätte diese letzte Verhandlung, die den Postbossen die große Chance liefert, vom Haken runterzukommen, an dem sie sich selbst aufgehängt hatten, nie zustandekommen dürfen. Massive Proteste hätten Kocsis und Co. in den Arm fallen müssen, mit dem sie den Bossen die Hand gereicht hat.

  • Für dieses Ziel müssen wir uns selbst organisieren! Wir, die Gruppe Arbeiter:innenmacht, kämpfen in der VKG mit vielen anderen dafür, dass sich alle, die kämpferische Gewerkschaften und dafür handeln wollen, zusammenschließen.



Poststreik – die einzige Sprache, die sie kennen!

Helga Müller, Infomail 1215, 4. März 2023

Die Deutsche Post AG verweigert den Kolleg:innen einen Inflationsausgleich – trotz Milliardengewinnen. Daraufhin hat sich die ver.di-Tarifkommision für die Urabstimmung über einen Vollstreik entschieden. Die Abstimmung läuft bis zum 8. März. Mit einem klaren Ja ist zu rechnen – und damit steht die Tür offen, die Konzernleitung in die Knie zu zwingen: durch einen unbefristeten Durchsetzungsstreik gegen die Bedrohung der Post AG mit Auslagerung und der „Arbeitgeberverbände“ mit Verschärfung des Streikrechts!

Die Forderungen …

Wie bekannt hat sich die ver.di-Tarifkommission bei der Deutschen Post AG nach einer Mitgliederbefragung dazu entschieden, eine lineare Erhöhung der Gehälter von 15 %, eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung für Azubis und Student:innen in der dualen Ausbildung von 200 Euro und eine Verlängerung der Postzulage für die noch 20.000 Kolleg:innen mit Beamtenstatus zu fordern.

Begründet wird das zum einen mit der schlechten Bezahlung der überwiegenden Mehrheit der Kolleg:innen. Von den 160.000 Tarifbeschäftigten bei der Deutschen Post AG sind 140.000 in den Entgeltgruppen 1 bis 3 eingruppiert, was einem Monatsbruttogrundgehalt zwischen 2.108 und 3.090 Euro entspricht (Angaben nach ver.di). Zum anderen mit den schlechter gewordenen Arbeitsbedingungen durch massiven Stellenabbau, ein drastisch ausgedünntes Filialnetz mit der Folge, dass die Kolleg:innen überbelastet sind durch die ständig wechselnden und größeren Zustellungsgebiete.

Die Inflation schlägt gerade bei diesen schlecht bezahlten Beschäftigten bei der Post – immerhin fast 90 % – besonders hart zu, denn diese müssen einen höheren Anteil ihres Gehalts für die höheren Preise bei Energie und Lebensmitteln ausgeben.

 … und Rekordgewinne

Auf der anderen Seite kann sich die Deutsche Post AG diese Erhöhung leicht leisten, da diese in zwei Jahren in Folge Rekordgewinne eingefahren hat: 2021 von 5,1 Milliarden und 2022 sogar 8,4 Milliarden Euro! Die Beschäftigten haben dies mit mieser Bezahlung – so betrug der Reallohnverlust laut ver.di allein im vergangenen Jahr 5,9 % (zit. nach nd-aktuell, 15.2.23: „Gewerkschaft Verdi im Superkampfjahr“) – und schlechter gewordenen Arbeitsbedingungen bezahlen dürfen!

Nach 3 Verhandlungsrunden und Warnstreiks, an denen sich über 100.000 Beschäftigte in den Brief- und Paketzustellzentren punktuell beteiligten, hatte der Postvorstand die Forderungen zunächst als realitätsfern und nicht umsetzbar bezeichnet und dann in der dritten Runde ein Angebot vorgelegt, das nach Angaben von ver.di sehr komplex ist, da steuer- und abgabenfreie Zahlungen mit tabellenwirksamen Festbeträgen kombiniert werden und daher individuell sehr unterschiedliche Auswirkungen zeitigen (Details s. hier: https://psl.verdi.de/tarifrunde2023/angebot). Diese liegen weit entfernt von den ver.di-Forderungen nach einem Inflationsausgleich. Nach ver.di-Berechnungen würde das Angebot lediglich eine durchschnittliche Tariferhöhung von 9,9 Prozent betragen und das auf eine Laufzeit von 2 Jahren gerechnet (Zit. nach nd-aktuell, 15.2.23: „Gewerkschaft Verdi im Superkampfjahr“)!

Urabstimmung

Vollkommen zu Recht hat die Tarifkommission dieses Tarifergebnis als völlig unzureichend bezeichnet und ihre Mitglieder zur Urabstimmung über einen unbefristeten Streik aufgerufen. 75 % müssen sich nun bis zum 8. März für den unbefristeten Streik entscheiden, damit es zu Durchsetzungsstreiks kommt.

Die Bedingungen dafür sind gut: Zum einen ist die Wut über die arrogante Haltung des Postvorstandes angesichts der Rekordgewinne in den letzten beiden Jahren und der immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen groß. Zum anderen ist die Notwendigkeit, einen realen Inflationsausgleich durchzusetzen, aufgrund der schlechten Bezahlung, die durch die galoppierende Inflation schnell aufgefressen wird, bei den Postbeschäftigten besonders dringlich! Obendrauf kommt dann auch noch die Androhung des Postvorstandes inmitten des Urabstimmungsverfahrens, noch mehr Betriebe und Bereiche zu noch schlechteren Arbeitsbedingungen auszugliedern und damit die Tarifbindung zu unterlaufen. Gerade damit haben die Kolleg:innen in den letzten Jahren genügend Erfahrung gemacht. Das führt sicherlich zu noch mehr Wut und Ärger unter ihnen.

Gut organisiert

Zudem sind sie gut organisiert: Der Organisationsgrad liegt insgesamt im Durchschnitt bei 70 % bundesweit, wobei es hier auch starke regionale Unterschiede gibt. Es gibt Bereiche, die bis zu 90 % organisiert sind, aber es gibt auch solche, wo der Organisationsgrad unter 50 % liegt – vor allem bei Dienststellen mit vielen Teilzeit- oder befristeten Beschäftigten. Alles in allem sind das aber gute Voraussetzungen, um auch einen Durchsetzungsstreik durchzuhalten.

Die Kampfkraft der 160.000 Beschäftigten bei der Post könnte zusätzlich verstärkt werden, da auch die 2,3 Millionen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen gerade in Tarifverhandlungen stehen. Die dritte und vorerst letzte Verhandlung findet dort vom 27. – 29. März statt. Auch wenn sich die Kolleg:innen im öffentlichen Dienst noch in der Warnstreikphase befinden, könnten gemeinsame Streiks und Protestkundgebungen erfolgen. Solche haben bereits vor der dritten Tarifrunde bei der Post in mehreren Städten stattgefunden, die auch von den Kolleg:innen aus den beiden Bereichen sehr positiv aufgenommen wurden, zudem sich auch die öffentlichen Arbeit„geber“:innen stur stellen!

Diese Zusammenführung ist dringend nötig, denn zum einen werden voraussichtlich auch die Verhandlungsführer:innen aus Kommunen und Bund sich bis zur dritten und vorerst letzten Tarifverhandlung weigern, ein Angebot, das einen Inflationsausgleich beinhaltet, zu unterbreiten mit dem Hinweis auf angeblich leere Kassen – auch wenn mit einem Handstreich 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung lockergemacht wurden und es genügend Spielraum gäbe, die Gewinne von Unternehmen, die auch während der Pandemie und Energiekrise Profite eingefahren haben, abzuschöpfen. Dies wird den ver.di-Vorstand mit großer Wahrscheinlichkeit auch dazu nötigen, eine Urabstimmung abzuhalten – mit der Einschränkung, dass es hier vorher noch zu einem Schlichtungsverfahren zu kommen droht.

Streikrecht

Zum anderen droht nicht nur der Postvorstand mit neuen Angriffen. Die CDU-Mittelstandsvereinigung – also Unternehmerzusammenschlüsse – fordern bereits aufgrund der zweitägigen Warnstreiks bei mehreren Flughäfen eine Einschränkung des Streikrechts. „Das Streikrecht dürfe nicht missbraucht werden, um im ‚frühen Stadium von Tarifverhandlungen unverhältnismäßig Druck auszuüben und durch die Einbeziehung kritischer Infrastrukturen schweren Schaden auszurichten’, heißt es in einem Papier der Mittelstandsunion.“ (Zit. nach nd-aktuell, 20.2.23: „Das Kapital zeigt bei der Post & Co. seine Zähne gegen Streiks“)

Gegen diesen Angriff braucht es auch eine offensive Antwort von Seiten der Gewerkschaften! Die nach wie vor betriebene Sozialpartnerschaft mit Appellen an die Vernunft der Verhandlungsführer:innen durch die Gewerkschaftsführungen, die auch immer wieder bei den Verlautbarungen von ver.di sowohl bei der Tarifrunde Post als auch öffentlicher Dienst anklingen, wird die „Arbeitgeber:innen“ nicht weiter beeindrucken! Im Gegenteil, wenn wir uns nicht mit allen Mitteln gemeinsam wehren, droht das zu einer großen Niederlage der Gewerkschaftsbewegung zu führen. Nicht nur, dass dann viele enttäuschte Kolleg:innen, die für ihre Ziele gestreikt haben, die Gewerkschaftsbücher hinwerfen könnten, es würde auch das gesellschaftliche Kräfteverhältnis noch weiter zugunsten des Kapitals verschieben!

Ein erster guter Ansatz, der mittlerweile in verschiedenen Bezirken – aber noch lange nicht in allen – existiert, sind gemeinsame Bezirkskampfleitungen, in denen die aktiven Kolleg:innen aus den verschiedenen Bereichen, die sich gerade in Tarifverhandlungen befinden, zusammenkommen und über gemeinsame Aktionen diskutieren. Diese müssen auch das Recht bekommen zu bestimmen, gemeinsame Streiks durchzuführen.

Konsequenzen aus den letzten Tarifrunden

Darüber hinaus müssen aber auch die Konsequenzen aus den letzten Tarifrunden gezogen werden, bei denen die Gewerkschaftsführungen auf unterschiedliche Art und Weise immer wieder faule Kompromisse mit den „Arbeitgebern:innen“ gefunden haben, weil sie nicht mit der Politik der Klassenzusammenarbeit brechen wollen und damit letztendlich den Wirtschaftsstandort Deutschland gegen die internationale Konkurrenz zu verteidigen versuchen.

Die streikenden Kolleg:innen, die ein wirkliches Interesse an der vollen Durchsetzung der Forderungen hegen, müssen die Entscheidung über den Fortgang der Kampfmaßnahmen erhalten. Dafür brauchen sie auch Einblick in den Stand der Verhandlungen und das Entscheidungsrecht darüber, wie der Streik fortgeführt wird. Einzelne Elemente der Streikdemokratie gab es in den beiden Krankenhausbewegungen in Berlin und NRW: Z. B. wurden die Tarifdelegierten oder -botschafter:innen über die Ergebnisse der Verhandlungen zeitnah informiert und konnten über den Fortgang mitentscheiden. Auch die streikenden Kolleg:innen wurden z. B. in der NRW-Krankenhausbewegung in Streikversammlungen über das letzte Tarifergebnis informiert, konnten es diskutieren und darüber entscheiden. Es hatte sich zwar eine Mehrheit dafür ausgesprochen, aber z. B. die Kolleg:innen in Düsseldorf stimmten nach einer längeren Diskussion gegen das Ergebnis!

Aber all dies beruhte auf einer „freiwilligen“ Entscheidung der Tarifkommission, über das Verhandlungsergebnis nicht ohne Befragung und Abstimmung unter den streikenden Kolleg:innen zu entscheiden. Letztendlich hatten aber immer noch die Gewerkschaftsfunktionär:innen das letzte Wort, was sich z. B. im „verfrühten“ Abschluss bei der Charité und Vivantes niederschlug und dazu führte, dass die Kolleg:innen der ausgelagerten Tochtergesellschaften am Schluss allein für die Anerkennung des TVöD in den Töchtern kämpfen mussten. (S. a.: https://arbeiterinnenmacht.de/2021/10/04/vorlaeufige-bilanz-des-berliner-klinikstreiks-vor-der-entscheidung/ und https://arbeiterinnenmacht.de/2022/06/18/nrw-unikliniken-in-der-8-streikwoche-licht-und-schatten/; https://arbeiterinnenmacht.de/2022/07/21/streik-der-unikliniken-nrw-beendet/)

D. h. freiwillige Zusagen der Tarifkommissionen über eine engere Zusammenarbeit und Abstimmung unter den streikenden Kolleg:innen sind zwar positiv zu bewerten, reichen aber nicht aus. Was es braucht, sind Streikkomitees – wie sie an der Uniklinik Essen aufgebaut und praktiziert wurden –, bestehend aus Delegierten verschiedener Bereiche, die jederzeit abwählbar sein müssen und die Aufgabe haben, die Diskussion und Abstimmung über die Fortführung der Tarifrunde auf Streikversammlungen mit den streikenden Kolleg:innen zu organisieren. Solche Streikkomitees, mit Hilfe derer die streikenden Kolleg:innen selbst demokratisch entscheiden können, sind überall in allen Betrieben, Dienststellen oder Büros, aber auch auf lokaler, regionaler und letztendlich auch auf Bundesebene nötig, damit sie selbst ihren Kampf unter ihre eigene Kontrolle bekommen und damit der Sozialpartnerschaftspolitik der Führung funktionierende Strukturen entgegensetzen können.




Bericht über die Videokonferenz von Genug ist Genug: Morgen geht die Post ab!

Helga Müller, Infomail 1211, 19. Januar 2023

Die Kampagne Genug ist Genug (GiG) lud für Donnerstag, 12. Januar zu einer Video-Konferenz zur Untersützung der Tarifrunde Post unter dem Motto “Morgen geht die Post ab!“ auf. Ca. 45 Kolleg:innen aus dem gesamten Bundesgebiet – größtenteils aus den verschiedenen Ortsgruppen von GiG, aber auch Gewerkschafter:innen und Vertreter:innen von verschiedenen Initiativen wie gegen Unions Busting oder der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften waren dabei.

Forderung

Eine Kollegin aus der Tarifkommission – bei der Post handelt es sich um einen Konzerntarifvertrag des Deutschen Postkonzerns – stellte dar, wie die Forderung von 15 % zustande kam. Bei einer Mitgliederbefragung hatten sich die gewerkschaftlich organisierten Kolleg:innen für eine deutlich höhere Entgeltforderung als die von der Tarifkommission (TK) vorgeschlagenen 10 % ausgesprochen und 90 % derjenigen, die sich an der Befragung beteiligten waren, erklärten sich auch bereit, dafür in Arbeitskampfmaßnahmen zu gehen. Daraufhin hatte sich die TK zu der Tarifforderung von 15 % durchgerungen und eine Erhöhung für die Azubis von 200,– Euro, für eine Verlängerung der Postzulage für die noch 20.000 Kolleg:innen, die einen Beamtenstatus bei der Post haben, beschlossen.

Wie im öffentlichen Dienst sind auch hier bisher 3 Verhandlungen ausgemacht, am 8./9. Februar soll die 3. und vorerst letzte Verhandlung stattfinden. Nach Aussage der TK-Kollegin soll es voraussichtlich bei einem schlechten Angebot in dieser 3. Verhandlungsrunde zu einer erneuten Mitgliederbefragung kommen, ob dieses angenommen wird oder nicht. Unklar blieb jedoch, was als schlecht definiert wird, womit sich der Apparat auch ein Hintertürchen offen lässt.

Je nach Ergebnis soll dann die Urabstimmung zu unbefristeten Streiks – Erzwingungsstreiks – durchgeführt werden. Die Kollegin verwies in diesem Zusammenhang auch auf die beiden erfolgreichen Krankenhausbewegungen in Berlin und NRW hin, bei denen nur durch mehrwöchige Arbeitsniederlegungen ein Tarifvertrag Entlastung durchgesetzt werden konnte.

Gemeinsame Streiks, um die Durchschlagskraft zu erhöhen, mit den Kolleg:innen aus dem öffentlichen Dienst waren am Anfang der Tarifrunde geplant, aber nach Aussage der Kollegin nicht mehr realistisch umzusetzen, da die Verhandlungstermine sehr stark auseinandergehen (am 24. Januar findet im öffentlichen Dienst die erste Verhandlung statt und die dritte am 27./29. März). Ein überzeugendes Argument ist das jedoch nicht, da wenigstens Ende Januar und Anfang Februar eine Überschneidung vorliegt. Sollte eine Urabstimmung und ein Erzwingungsstreik bei der Post kommen, wäre eine gemeinsame Mobilisierung ein starkes Zeichen. Der eigentlichen Ursachen dafür, dass es keine koordinierte Tarifbewegung gibt, liegen in Wirklichkeit ganz woanders. Erstens würde so noch viel mehr die naheliegende Frage zum Thema werden, warum eigentlich die Forderung für den TVÖD (10,5 %) so deutlich hinter jener der Post zurückbleibt? Zweitens lassen sich getrennt geführte Tarifrunden vom Apparat einfach leichter kontrollieren.

Kampfkraft

Die TK verhandelt für ca. 200.000 Beschäftigte (155.000 bei der Deutschen Post und 37.000 bei DHL). Der Organisationsgrad liegt insgesamt bei 70 % bundesweit, wobei es hier auch starke regionale Unterschiede gibt. Vor allem bei Dienststellen mit vielen Teilzeit- oder befristeten Beschäftigten liegt der Organisationsgrad unter 50 %.

Das sind alles in allem gute Voraussetzungen, einen Erzwingungsstreik durchzuhalten. Die Beschäftigten brauchen einen Lohnzuwachs dringend, da sie trotz anstrengender Arbeit schlecht bezahlt werden – sie verdienen im Bundesdurchschnitt 1.000 Euro weniger als andere Beschäftigte im Monat – und dazu noch einen Reallohnverlust von 7 % im Jahr 2022 erlitten. Darüber hinaus werden die Arbeitsbedingungen von Jahr zu Jahr schlechter z. B. über ständig wechselnde und größere Zustellungsgebiete, Viele Kolleg:innen suchen sich daher eine andere Arbeit. Allein 2021 haben 10.000 Kolleg:innen den Konzern verlassen. Der daraus resultierende Personalmangel verschärft wiederum die Arbeitsbedingungen für die verbliebenen Beschäftigten.

Gleichzeitig hat der Konzern 2021 8,4 Milliarden Euro Gewinn eingefahren – das beste Ergebnis aller Zeiten! Und das natürlich auf dem Rücken der Belegschaft.

Unterstützung

Alle Kolleg:innen aus der Post betonten auch die Notwendigkeit der öffentlichen Unterstützung, sei es einfach, dass man zu Kundgebungen und Streiks kommt und seine Solidarität bekundet oder einfach ein paar unterstützende Worte hat bis hin dazu auch das berechtigte Anliegen der Kolleg:innen in der Öffentlichkeit klar zu machen. Denn schon bei den ersten Verhandlungen sprechen die Vertreter:innen des Konzerns von vollkommen überzogenen Forderungen, die der Realität nicht standhalten. Es ist jetzt schon klar, dass es während des Arbeitskampfes zu weiteren Verunglimpfungen der Kolleg:innen kommen wird. Um dem entgegenzuwirken, könnten z.B. Flyer an die Menschen im Stadtviertel verteilt werden, in denen die Forderungen begründet werden und darauf hingewiesen wird, unter welch miserablen Bedingungen die Kolleg:innen jetzt arbeiten müssen.

Am Schluss wurde von einem GiG-Aktivisten darauf hingewisen, dass es im März eine bundesweite Aktionskonferenz geben soll, zu der alle Ortsgruppen oder andere Aktivist:innen eingeladen sind, um sich auf die anstehenden Kämpfe – Tarifrunde Öffentlicher Dienst, Nahverkehr, Ländertarifrunde im Herbst etc. – vorzubereiten.

Diese Initiative von GiG ist zu unterstützen, da die Forderungen, die bei der Post, im öffentlichen Dienst, im Nahverkehr aufgestellt wurden tatsächlich voll durchgesetzt werden müssen, um der galoppierenden Inflation, die jetzt schon tausende Menschen in Bedrängnis bringt, etwas entgegenzusetzen. Dies kann nur gelingen, wenn zum einen möglichst alle Kolleg:innen aus den verschiedenen Bereichenm, die jetzt ihre Forderungen aufgestellt haben gemeinsam streiken und diese durch alle Kolleg:innen in anderen Bereichen und Betrieben und in den Stadtvierteln unterstützt werden.