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Tarifverhandlungen öffentlicher Dienst: Nein zum Abschluss!

Jaqueline Katherina Singh / Martin Suchanek, Infomail 1221, 24. April 2023

„Das ist eine nachhaltige Steigerung der Einkommen, die beachtlich ist“, lobt der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke die Tarifeinigung zwischen Gewerkschaften und den sog. Arbeitergeber:innen bei Bund und Kommunen über den grünen Klee. Natürlich, so die Spitzen der Gewerkschaften, hätte der Abschluss auch „schmerzliche“ Seiten, doch das gehöre schließlich zu einem Kompromiss.

In den bürgerlichen Medien wird von „der größten Tariferhöhung seit Jahrzehnten im öffentlichen Dienst“ geschrieben und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht von einem „guten und fairen Tarifabschluss“. Doch wir wissen, dass das nicht stimmt. Denn das Ergebnis ist mehr als bescheiden.

Einigung: Was ist drin?

Die Gewerkschaften und die sog. Arbeitgeber:innenverbände haben somit einen Abschluss erzielt, der faktisch dem Ergebnis der Schlichtung gleichkommt:

  • Inflationsausgleich von insgesamt 3.000 Euro in Teilzahlungen.

  • 1.240 Euro davon sollen bereits in diesem Juni fließen, weitere 220 Euro dann jeweils in den Monaten von Juli bis Februar 2024.

  • Zum 1. März 2024 sollen die Entgelte in einem ersten Schritt um einen Betrag von 200 Euro angehoben werden.

  • In einem zweiten Schritt soll der dann erhöhte Betrag noch einmal linear um 5,5 Prozent steigen. Die Erhöhung soll allerdings in jedem Fall 340 Euro betragen.

  • Die Laufzeit soll sich auf 24 Monate erstrecken.

Konkret bedeutet das: 2023 gibt es einer Nullrunde und es wird versucht, das mit einer Einmalzahlung schönzureden, die über Monate verteilt ankommt, Aber das ist nur einer der Kritikpunkte. Das wohl größte Problem stellt die Laufzeit von zwei Jahren dar. Wird die tabellenwirksame Entgelterhöhung darauf berechnet, so entpuppt sich die „beachtliche“ Einkommenssteigerung als Reallohnverlust.

Kurzum: Politisch stellt das Ergebnis einen Ausverkauf dar und eine Niederlage der Gewerkschaften. Das betrifft einerseits das materielle Ergebnis, d. h. vor allem die lange Laufzeit. Vor allem aber wurde eine weitere Chance vertan, mit einer kämpferischen Tarifrunde und einem unbefristeten Streik eine reale Trendwende durchzusetzen. Außerdem hätte die Auseinandersetzung mit der bei der Bahn und anderen Lohnkämpfen verbunden werden können (z. B. an den Flughäfen).

Ironischer Weise hat Frank Werneke durchaus recht, dass selbst dieser Abschluss nur zustande kam, weil Hunderttausende aktiv die Warnstreiks getragen haben,  Zehntausende ver.di und anderen Gewerkschaften beigetreten sind. Aber sowohl in den Diskussionen wie bei den Arbeitsstreiks wurde deutlich: Nach Jahren des Reallohnverlustes und angesichts von Preissteigerungen, die für Grundbedürfnisse wie Wohnen, Lebensmitteln, Energie weit über der Inflationsrate liegen, wollen die Mitglieder nicht nur einen Ausgleich auf dem Konto, sondern sind dafür auch bereit, in einen zähen, langwierigen Kampf zu treten.

Das betrifft vor allem die kämpferischen Sektoren im öffentlichen Dienst – und zwar nicht nur die traditionellen „schweren Bataillone“ wie Stadtreinigung und Nahverkehr, sondern vor allem auch neue Avantgardeschichten wie in den Krankenhäusern, die sich in den letzten Jahren in gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen formiert haben.

Bremsklotz Bürokratie

Diese Entwicklung wird mit dem Abschluss faktisch von der Bürokratie ausgebremst. Eine Streikbewegung hätte nämlich eine weitere Zuspitzung des Klassenkampfes erfordert. Sie hätte zumindest das Potential gehabt, das sozialpartnerschaftliche Tarifritual zu durchbrechen.

Genau das will der sozialdemokratisch dominierte Gewerkschaftsapparat aber nicht. Er zieht einen faulen Kompromiss einer solchen Konfrontation vor. Das ist eine für Revolutionär:innen sicher nicht neue Lehre, die sich aber die kämpferischen Schichten selbst zu eigen machen müssen.

Es reicht daher nicht, den Abschluss zu verdammen. Und es wäre falsch, aus Frust aus den Gewerkschaften auszutreten. Aber es ist unbedingt notwendig, sich klarzumachen, warum die Führung, warum deren Apparat, warum die von ihr kontrollierte Tarifkommission so handeln.

Die reformistische Gewerkschaftsführung und ihre Bürokratie sind nicht einfach bessere oder schlechtere Vertreter:innen der Klasse. Sie hegen ein Eigeninteresse als Vermittler:innen zwischen Belegschaften und Dienstgeber:innen bzw. Unternehmer:innen im ökonomischen Kampf. Sie müssen zwar bis zu einem gewissen Grad auch mobilisieren, um den „Verhandlungspartner:innen“ ihre Stärke zu zeigen – aber sie wollen um fast jeden Preis am sozialpartnerschaftlich regulierten Tarifritual festhalten. Sozialpartnerschaft ist aber nicht nur ein Verhalten, sondern hat einen Inhalt: Die Interessen des deutschen Kapitals und seines Staates im Lande und auch globalen Konflkikten gegen die internationale Konkurrenz zu schützen.

Zur Zeit wollen auch (noch) die Regierung und auch (noch) Spitzen der „Arbeitgeber:innenverbände“ an dieser Partnerschaft festhalten.

Gleichzeitig ist dies jedoch nicht unveränderlich. Denn die Tarifrunde zeigt, dass diese Form der Regulierung des Klassengegensatzes bröckelt, beispielsweise der Unmut bei den Vertreter:innen der Kommunen, die letztlich für eine härtere Gangart des Kapitals insgesamt stehen. Die Absetzbewegung gibt es aber auch bei uns. In den Warn-, Arbeitsstreiks und auch bei den Versammlungen zur Schlichtung wurde eine breite Ablehnung des Ergebnisses durch politisch bewusstere und kämpferischere Schichten sichtbar.

Nein bei der Befragung

Noch vor den Verhandlungen hatte sich die ver.di-Führung verpflichtet, die Mitglieder zum Ergebnis zu befragen. Es geht hier aber nicht um demokratische Entscheidungen. Selbst wenn 100 % mit Nein stimmen würden, wäre die Führung daran nicht gebunden.

Ver.di inszeniert vielmehr ein pseudodemokratisches Stimmungsbild, ein Plebiszit, um sich für den schlechten Abschluss die Legitimation der Mitglieder einzuholen.

Wir brauchen uns hier nichts vorzumachen. Angesichts des medialen Trommelns für den Abschluss und des innerorganisatorischen Informationsmonopols des Apparates ist eine Zustimmung bei der Befragung, die bis zum 14. Mai läuft, faktisch sicher.

Aber alle kritischen und kämpferischen Gewerkschafter:innen sollten die Abstimmung nutzen, um möglichst viele für ein Nein zu gewinnen, denn das Ergebnis wird auch einen Gradmesser für die innergewerkschaftliche Stimmung und bis zu einem gewissen Ausmaß für das Kräfteverhältnis abgeben.

Noch wichtiger als die Abstimmung ist, dass wir die Diskussionen und Versammlungen der nächsten Tage und Wochen nutzen, um das Nein möglichst stark und öffentlich sichtbar zu machen. Dazu braucht es Versammlungen von Streikaktivist:innen, von Betriebsgruppen in den Unternehmen und Abteilungen. Diese sollten nicht nur den Abschluss diskutieren und ihre Kritik artikulieren. Sie sollen auch Beschlüsse fassen, die zum Nein bei der Befragung aufrufen.

Sie sollen außerdem dazu aufrufen, dass Vorstand und Tarifkommission im, wenn auch unwahrscheinlichen, Fall einer Mehrheit gegen den Abschluss an dieses Ergebnis gebunden sein müssen. Sie müssen außerdem dazu aufgefordert werden, in diesem Fall die Urabstimmung einzuleiten und den Kampf für die ursprünglichen Forderungen – also 10,5 % und mindestens 500 Euro für alle bei einem Jahr Laufzeit – einzuleiten.

Solche Beschlüsse sollten öffentlich gemacht werden, um zu verdeutlichen, dass kritische Betriebsgruppen und Versammlungen keine Ausnahmefälle, sondern ganz schön viele sind. Gerade jetzt müssen sich Aktivist:innen dort, wo es noch keine Betriebsgruppen gibt, sich als solche zusammenfinden!

Viele von uns sind enttäuscht. Unsere Perspektive kann aber nicht sein, einfach auszutreten aus Protest. Nein, wir wollen uns praktisch in den Gewerkschaften organisieren und nicht dafür einstehen, dass unsere Kämpfe nicht weiter ausverkauft werden. Also lasst uns gemeinsam zusammenstehen und eine klassenkämpferische Opposition in den Gewerkschaften aufbauen!

Lasst und gemeinsam mit der VKG diesen Protest am Ersten Mai mit Flugblättern, Transparenten, Redebeiträgen und in klassenkämpferischen Blöcken zum Ausdruck bringen! Lasst uns gemeinsam in allen Städten Ortsgruppen der VKG aufbauen!




Erfahrungen mit Kritik am verdi-Apparat

Bericht einer Beschäftigten der Stuttgarter Stadtverwaltung, Neue Internationale 273, Mai 2023

10,5 %,  aber mindestens 500 Euro mehr in die Tabelle, Laufzeit 12 Monate. Das ist unsere Forderung für die Tarifrunde. Nachdem die erste Verhandlungsrunde ergebnislos und ohne Angebot vorbeiging, waren sich die Kolleg:innen und ver.di-Funktionär:innen im Bezirk noch einig und man sprach bereits über die Planung der Urabstimmung und des Erzwingungsstreiks, um unsere Forderung durchzusetzen. Auch nach dem „Angebot“ der zweiten Verhandlungsrunde hatte sich an dieser Einstellung kaum was geändert.

Doch mit Näherrücken der dritten Verhandlungsrunde, in welche keine großen Hoffnungen gelegt wurden, drohte auch die Schlichtung und der Unmut unter den Beschäftigten stieg, was sich auf Arbeitsstreiks deutlich machte. Die ver.di-Bürokratie verteidigte entgegen der Streikversammlung die Schlichtung, obwohl diese offensichtlich einen Nachteil für uns darstellt. Argumentiert wurde mit der „Sicherung des Wohlstands des Landes“. Damit ist natürlich nichts anderes gemeint als die Sicherung des deutschen Kapitals und der Klassenkollaboration. Doch dieses Verhalten des ver.di-Apparats war nicht überraschend.

Nach der dritten Verhandlungsrunde kristallisierten sich die Widersprüche und Unterschiede zwischen seinen Interessen des und denen der Beschäftigten bei den Arbeitsstreikversammlungen immer deutlicher heraus. Die ver.di-Funktionär:innen hatten unsere Forderung hinter sich gelassen – die Beschäftigten nicht. Eine Funktionärin der Bundestarifkommission stellte die Beschäftigten nach der dritten Verhandlungsrunde darauf ein, dass ein Jahr Laufzeit nicht zu machen sei und man über einen angepassten Mindestbetrag bereits nachdenke. Die Kolleg:innen waren darüber aufgebracht und taten dies auch kund. „Ich habe kein Problem mit einer Laufzeit von 2 Jahren aber unsere Forderung war 10,5 %, dann möchte ich für jedes Jahr 10,5 %!“, meinte ein Straßenbahnfahrer, der viel Beifall bekam. Viele Kolleg:innen waren verärgert über die Ansichten der Funktionärin, die uns in der Tarifkommission repräsentieren soll. Unsere Forderungen vertrat sie jedenfalls nicht, sondern das Interesse des ver.di-Apparates, der einen Schulterschluss möchte, was für Millionen Menschen Reallohnverlust bedeutet.

Nach der Schlichtung

Dass dies nicht dieselben wie die der Beschäftigten sind, zeigte sich auch nach Bekanntgabe des Schlichterspruchs. Zunächst entlud sich die Wut der Beschäftigten am Samstag, den 15. April, über die sozialen Medien. Reallohnverlust, ein Jahr Nullrunde und zwei Jahre Laufzeit. Der Bezirk berief direkt eine Sitzung ein und die Stimmung in den „sozialen“ Medien spiegelte sich bei den Kolleg:innen auf der Versammlung wider. Viele sehen die Empfehlung sehr problematisch und betonen den Reallohnverlust und erinnern auch an unsere Ursprungsforderung.

Doch die scheint gar nicht mehr „realistisch“ für die Funktionär:innen. Entgegen Aussagen zu Beginn der Tarifrunde werden Einmalzahlungen beschönigt und als „viel Geld“ verkauft. Beim Thema Erzwingungsstreik sei es nur realistisch, für das Ergebnis der Schlichtung zu streiken, wenn die Arbeit„geber“:innenseite dieses nicht annehmen werde. Und zur Laufzeit heißt es, unter 24 Monate geht nichts mehr, da es seit Jahren keine Abschlüsse mehr unter 24 Monaten gebe und dies auch ganz gut für die Planung bei ver.di sei.

Doch die Beschäftigten ließen sich davon nicht beeindrucken und äußerten laut ihre Stimmen für den Erzwingungsstreik und  eine 12-monatige Laufzeit. Denn die Begründung ver.dis, unsere Forderungen seien unrealistisch, ist nur ein Vorwand, um ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen und einen Deal mit den Arbeit„geber“:innen zu bekommen. Die wirklichen Interessen der Mitglieder, einen Reallohnverlust abzuwenden, spielen eine untergeordnete Rolle.

Daher ist es wichtig, dass sich aktive Beschäftigte, die Kritik am Apparat üben, verbünden und in verschiedenen Gremien Anträge für einen Erzwingungsstreik für unsere Ursprungsforderung einreichen. Denn unrealistisch ist es nicht, das hat auch die unerwartete Mobilisierungswelle der letzten Monate gezeigt.




Zwischen Hammer und Amboss – Gewerkschaftsbürokratie unter Druck

Jan Hektik, Infomail 1220, 20. April 2023

Die Schlichtungsempfehlung ist öffentlich und die Verhandlungen werden am 22. April geführt werden, um das Angebot zu besprechen. In einem scheinbar neuen Trend gibt es bundesweit diverse Treffen der ver.di-Mitgliedschaft, welche diskutieren, wie die Stimmung ist und welche Punkte sie der Bundestarifkommission (BTK) mitgeben wollen. Dabei hat es die Bürokratie auch nicht einfach …

Nach eisenharten Verhandlungen mit den sog. Arbeitgeber:innen, in denen man wenig gefordert und noch weniger bekommen hat, muss man sich nun der eigenen Mitgliedschaft stellen. Und diese teilt hart aus. Sowohl in Berlin als auch in Bonn wird weniger debattiert, wie man aus der Empfehlung ein Angebot rausholen kann, sondern ob man auf Grundlage der Schlichtungsempfehlung überhaupt eine Verhandlungsbasis hat oder nicht gleich die Verhandlungen für gescheitert erklären soll.

Treffen in Berlin und Bonn

Auf dem Treffen in Berlin, wo sich am 17. April etwa 100 Beschäftigte, größtenteils Teamdelegierte, u. a. aus den Vivantes-Kliniken, dem jüdischen Krankenhaus, der Charité, den Wasserwerken, der BSR und den Studierendenwerken versammelt hatten, wurden gleich mehrere Resolutionen vorgestellt, welche mehr oder weniger stark dafür eintreten, die Verhandlungen direkt als gescheitert zu erklären und eine Urabstimmung einzuleiten.

Insbesondere kritisiert wurde die lange Laufzeit, die mangelnde Einzahlung in die Sozialsysteme durch die Einmalzahlung und das Außer-Acht-lassen der hohen Inflation. Insbesondere die Tatsache, dass die versprochene Inflationsausgleichsprämie für 2022 nun für 2023 gelten und dafür eine Nullrunde in 2023 gefahren werden soll, stieß auf große Empörung. Auf der Veranstaltung in Bonn am 18. April mit knapp 40 Teilnehmer:innen unter anderem aus Stadtreinigung und Verwaltung sah es nicht großartig anders aus.

In beiden Fällen versuchten die Vortragenden immer wieder, darauf abzustellen, dass dies ja noch nicht das Angebot sei, die Dienstherr:innen schon zu diesem kaum bereit gewesen seien. In Berlin verwiesen sie auf eine mögliche Verschlechterung durch Arbeitskampf wie 1992. Doch es fruchtete wenig. Zwar gab es auf beiden Veranstaltungen Stimmen, die befürchten, man könne noch schlechter dastehen und nicht genügend Streikstärke aufbringen, bzw. argumentierten, man habe mit der Ausgleichsprämie wegen der Steuerfreiheit 2023 mehr in der Tasche. Doch die überwiegende Mehrheit auf den Versammlungen möchte in den Streik treten, wenn nicht ein wesentlich besseres Angebot am Samstag präsentiert wird.

Ein Teil am liebsten direkt. Insbesondere die Pflege, die Tochtergesellschaften von Vivantes und die Studierendenwerke erklärten, dass sie ein Angebot auf Grundlage dieser Empfehlung ihren Kolleg:innen gar nicht präsentieren könnten.

Um solchen Veranstaltungen auszuweichen, soll in München erst gar keine Mitgliederversammlung stattfinden. Alles in allem entwickelt sich nach dem Verrat bei der Post ein kritischer Trend unter den Mitgliedern. Am 20. April wird es für Berlin noch ein Treffen geben, auf welchem Resolutionen eingebracht werden können. Dort gilt es, den Druck auf die Bürokratie weiter aufrechtzuerhalten und auch Beschlüsse durchzusetzen. Es ist wichtig, so öffentlich wie möglich klarzumachen, dass die Mehrheit der Beschäftigten streikbereit ist und sich nicht so einfach abspeisen lässt. Nur so können wir die Bürokratie zwingen, von ihrer Hinhaltetaktik abzurücken oder sich als die Kollaborateurin mit dem Kapital zu entlarven, die sie in Wahrheit ist. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses, hat die Verhandlung noch nicht stattgefunden und es bleibt abzuwarten, ob es die Bürokratie schafft, ein Angebot mit dem „Arbeitgeber:innenamboss“ auszuhandeln, welches den Schlag des Hammers der Mitgliedschaft dämpft. So oder so bleibt uns keine Wahl, als den Kampf weiterzuführen – sei es bei einem Streik, falls es keinen Abschluss gibt, sei es beim Aufbau einer organisierten Basisopposition gegen den Apparat.




Schlichterspruch im öffentlichen Dienst – Nein zu einem „Kompromissvorschlag“ mit Haken! Einleitung der Urabstimmung!

Susanne Kühn, Infomail 1220, 17. April 2023

Am 15. April veröffentlichte die Schlichtungskommission ihre Empfehlung für einen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst für Bund und Kommunen. Diese sieht folgende Schritte vor:

  • Einkommensteuerfreie Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 3.000 Euro (Juni 2023: 1.240 Euro, Juli 2023 bis Februar 2024: 220 Euro pro Monat)

  • Ansonsten bis März 2024: Nullrunde

  • Tabellenwirksame Erhöhung erst ab März 2024: 200 Euro 5,5 %, insgesamt mindestens 340 Euro

  • Einmalzahlungen für die Azubis von 620 Euro (Juni 2023) und dann monatlich 110 Euro. Ausbildungsentgelte erhöhen sich um 150 Euro ab März 2024

  • Laufzeit: 24 Monate ab Januar 2023 statt geforderten 12 Monate

Auch wenn der Spruch der Schlichtung nur eine Vorlage für die Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeit„geber“:innenverbänden am 22. April darstellt, so stehen die Zeichen auf Annahme. Der Vorsitzende der Kommission, der Bremer Verwaltungsrechtler Hans-Henning Lühr (SPD), der von den Gewerkschaften vorgeschlagen worden war, ist natürlich voll des Lobes für seine Empfehlung, die er als „fairen Interessenausgleich, für den natürlich auch viel Geld in die Hand genommen werden muss“, anpreist. Auch der von Bund und Kommunen benannte Stellvertreter der Kommission, der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), hält die Annahme für „verkraftbar“.

Klar ist, dass die Vorsitzenden der Schlichtung und eine nicht näher definierte Mehrheit für die Empfehlung waren. Wer aber wirklich dafür (oder dagegen war), wissen wir nicht sicher. Schließlich gilt die Geheimhaltungspflicht – und an die halten sich die Vertreter:innen der Schlichtung mehr oder minder eisern.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Verhandlungsführerin für den Bund begrüßte jedenfalls die Einigung, was nahelegt, dass zumindest die Vertreter:innen des Bundes dafür sind. Unklar ist, wie es die kommunalen Arbeit„geber“:innen“ sehen, wo weit mehr Hardliner:innen sitzen. Lt. NEUES DEUTSCHLAND vom 17.4.2023, das sich hier auf die Süddeutsche Zeitung beruft, stimmten 24 der 26 Kommissionsmitglieder mit Ausnahme zweier Stimmen aus dem Arbeit„geber“:innenlager für den Vorschlag.

Offen kommuniziert wurde aber nichts. Unklar ist daher, wie die 12 gewerkschaftlichen Vertreter:innen und insbesondere jene von ver.di und GEW abgestimmt haben. Angesichts der neutral bis wohlwollend gehaltenen gewerkschaftlichen Außendarstellung liegt es wohl nicht fern, dass sie dafür stimmten. Aber sicher wissen wir das nicht. Denn die Vertreter:innen der Gewerkschaften verstecken sich hinter einer Verschwiegenheitspflicht, die vor allem eine gegenüber den eigenen Mitgliedern ist. Warum die „eigenen“ Vertreter:innen welches Votum abgaben, was in der Schlichtungskommission besprochen wurde und warum sie der Empfehlung zustimmten oder nicht – darüber wird die Mitgliedschaft erst gar nicht informiert, dazu sind sie den Mitgliedern nicht einmal rechenschaftspflichtig. Mit Demokratie hat diese Mauschelei, die vom Apparat weitgehend auch für die Tarifverhandlungen akzeptiert wird, nichts zu tun!

Diese Verschwiegenheitspflicht ist freilich nicht nur für die sog. Arbeitgeber:innen praktisch, sie nützt auch der Bürokratie und erschwert eine offene Diskussion und Aussprache über den angebotenen Schlichtungsspruch.

Einschätzung des Vorschlags

Und dies ist dringend nötig, weil der Spruch besser erscheint, als viele erwartet hatten – aber auch, weil er eben nur besser erscheint. Gefordert waren 10,5 %, aber mindestens 500 Euro. Ein solches Ergebnis hätte bedeutet, dass bis zu einem Einkommen von 4.762 Euro alle 500 Euro erhalten hätten, für alle darüber hinaus eine starke prozentuale Steigerung eingetreten wäre.

Die Kombination von Sockel (200 Euro) und Prozenten (5,5 %) aus dem Schlichtungsvorschlag ergibt eine kontinuierliche Steigerung über fast alle Gehälter, die dafür nicht so heftig ausfällt. Die Mindesterhöhung 340 Euro kommt nur in der Entgeltgruppe 1 und dem Einstiegsgehalt bei EG 2 und EG 20 zum Tragen. Insgesamt steigen jedoch die mit den geringsten Einkommen vergleichsweise schlecht aus.

Gegenüber der Forderung ist also die Mindesterhöhung niedriger, die hohen Gehälter erhalten eine deutlich geringere Steigerung. Für einen sehr großen Teil der Beschäftigten, alle die derzeit in Vollzeit bis 4.220 Euro erhalten, bedeutet die Schlichtungsempfehlung eine Erhöhung von mindestens 10,5 %. Und auf dessen Zustimmung dürften die Gewerkschaftsvorstände spekulieren.

Zwei Jahre Laufzeit sind ein Jahr zuviel

Der große Haken bei der Empfehlung ist nicht die Kombination von Sockel und prozentualer Steigerung, sondern – einmal mehr – die Laufzeit.

Zwei Jahre bedeuten zwei Jahre Stillhalten, zwei Jahre Friedenspflicht und damit zwei Jahre „Planungssicherheit“ für die sog. Arbeitgeber:innen, die in kritischen Bereichen wie bei den Krankenhäusern die nächsten „Reformen“ über die Bühne bringen wollen.

Zwei Jahre Laufzeit bedeuten zudem auch, dass wir über diesen Zeitraum nicht auf weitere Preissteigerungen und damit verbundene Reallohneinbußen reagieren können.

Zwei Jahre Laufzeit bedeuten, dass die tabellenwirksame Lohnerhöhung unter der Preissteigerung bleiben würde, wenn sie auf ein Jahr umgerechnet wird.

Bezüglich der Inflation sollen die Beschäftigten statt einer vollen Lohnerhöhung mit einer einkommensteuerfreien Prämie von insgesamt 3.000 Euro geködert werden. Das bringt den Beschäftigten kurzfristig mehr Cash, aber keine Punkte bei der Rente. Die Summe hört sich schön an, geht aber nicht in die Tariftabelle ein – und entlastet damit Bund und Kommunen bei der nächsten Tarifrunde.

Nein!

Daher müssen wir die Tarifkommission bei den Versammlungen in den nächsten Tagen deutlich unter Druck setzen und auffordern, den Spruch der Schlichtung abzulehnen und den Kampf für die vollen 10,5 % und 500 Euro Mindesterhöhung bei einer Laufzeit von einem Jahr aufzunehmen. Am Verhandlungstisch wird das auch am 22. April nicht erreichbar sein. Daher sollte die Urabstimmung eingeleitet werden, um möglichst rasch zum Erzwingungsstreik überzugehen.

Die Mobilisierung bei den Warnstreiks mit rund einer halben Million Beteiligten hat gezeigt, dass wir kampffähig sind. Auch einige Zugeständnisse der Schlichtung verdeutlichen, dass die sog. Arbeitgeber:innen unsere Macht fürchten, wenn wir sie denn einsetzen. Daher:

  • Nein zum Schlichtungsergebnis!

  • Wir brauchen einen Erzwingungsstreik! Vorbereitung und Einleitung einer bindenden Urabstimmung!

  • Nein zu allen Gesprächen hinter verschlossenen Türen! Verhandlungen sollen öffentlich über das Internet übertragen werden! Keine Abschlüsse ohne vorherige Abstimmung unter den Mitgliedern! Rechenschaftspflicht und Wahl der Tarifkommission durch die Basis!

  • Regelmäßige Streikversammlungen in allen Betrieben und Abteilungen! Wahl und Abwählbarkeit der Streikleitungen durch die Mitglieder!

  • Wahl und Entsendung von Delegierten zu einer bundesweiten Streikdelegiertenkonferenz, um hier gemeinsam über die nächsten Schritte im Arbeitskampf zu beraten!



Wir brauchen keine Schlichtung – wir brauchen 500 Euro oder 10,5 %!

Christian Gebhardt, Infomail 1218, 31. März 2023

Donnerstagnacht gingen die Meldungen durch die Medien: Es kommt zu keiner Einigung im Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst (TVöD). Unüberbrückbar seien die Unterschiede zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und den Gewerkschaften. Die VKA habe sich nicht dazu entscheiden können, ein sozial gerechtes Angebot vorzulegen. Ver.di erklärte die Verhandlungen für gescheitert und die Gegenseite rief die Schlichtung an.

Das letzte Angebot, das von der VKA auf dem Tisch lag, waren 8 % mehr Lohn, ein Mindestbetrag von 300 Euro sowie eine Einmalzahlung von 3.000 Euro. Bei der Laufzeit stehen sich 12 Monate von den Gewerkschaften und 27 Monate vom VKA entgegen. Hier gab es laut Medienberichten die größte Kompromissbereitschaft von Seiten der Gewerkschaften.

Noch zeigt die Verhandlungsführung Standhaftigkeit. Das bisherige „Angebot“ wird für die Mitgliedschaft nicht beschönigt und sie stellt sich auch weiterhin noch gegen die Einmalzahlungen als Kompromissbestandteil. Wie lange die Standfestigkeit der Bürokratie in einem zugespitzten Arbeitskampf anhalten kann, haben wir jedoch beim Abschluss der Postkolleg:innen erfahren dürfen. Dort wurde ein bis dahin abgelehntes Angebotspaket nach erfolgreicher Urabstimmung und kurz vor Streikbeginn mit unwesentlichen Abänderungen in einem Nacht-und Nebel-Abschluss angenommen und zur Abstimmung den Kolleg:innen vorgeschlagen. Das gleiche Einknicken kann in der nun anstehenden Schlichtung bei den TVöD-Verhandlungen ebenfalls passieren. Die ver.di-Führungsleute sind aus dem gleichen Stall wie bei der Post.

Schlichtung führt ins Abseits!

Die jetzt angerufene Schlichtung ist keine Überraschung. Die Arbeit„geber“:innen wollen die Beschäftigten aus dem Verfahren ausgrenzen. Die ver.di-Führung offensichtlich auch, sonst hätte sie diese Verpflichtungsvereinbarung zur obligatorischen Schlichtung nicht unterschrieben oder gekündigt. (Diese war und ist natürlich beiden Konfliktparteien bekannt und wird einen Platz in ihrer Strategiefindung eingenommen haben.)

In dieser Zeit gilt Friedenspflicht, was übersetzt bedeutet, dass die große Aktivität und Streikbereitschaft, die sich in den letzten Wochen und Monaten gezeigt hat, gebremst und der Streik insgesamt somit erst mal demobilisiert wird. Das hat nicht nur einen positiven Aspekt für die VKA, sondern auch für die Gewerkschaftsbürokratie, die zu Recht anmerkt, dass der Druck groß ist und die Kolleg:innen auf ihren Forderungen mit Hinblick auf Inflation und Energiekrise bestehen.

Zum Dritten bringt die Schlichtung eine andere Perspektive in den Prozess. Ihre „Unabhängigkeit“ bedeutet die Nichtberücksichtigung unserer Forderungen und Bedürfnisse. Ihr Maßstab ist die „Gesellschaft“.  Hinter der Frage „Was können ‚wir’ verkraften?“ werden in Wirklichkeit die Interessen des Staates, seiner Regierung und der herrschenden Klasse als die der „Allgemeinheit“ ausgegeben und versteckt.

Die Schlichter:innen werden sich auch an den Abschlüssen in anderen Branchen orientieren. Und die lagen alle nicht weit vom letzten Angebot der Gegenseite entfernt.

Es darf keine Annahme eines Schiedsspruchs unterhalb der Forderungen durch die ver.di-Vertreter:innen in der Schlichtungskommission geben! Und das heißt faktisch, die Schlichtung für gescheitert zu erklären und so rasch wie möglich die Urabstimmung über das Ergebnis der Schlichtung und einen möglichen Erzwingungsstreik einzuleiten.

Mobilisierung während der Schlichtung aufrechterhalten!

Wir dürfen uns in den nächsten Wochen von der sog. Friedenspflicht nicht lähmen lassen. Wir müssen die Zeit nutzen zur Einleitung der Urabstimmung. Zentral hierbei ist, dass die Befragung über das Schlichtungsergebnis sowie die Urabstimmung über den Erzwingungsstreiks bindend für die Bundestarifkommission sind. Dies muss verbunden werden mit regelmäßigen Mitglieder- und Personalversammlungen, bei denen der Verlauf der Schlichtung öffentlich gemacht wird. Außerdem sollten auch in den nächsten Wochen regelmäßig Demonstrationen organisiert werden, um die Mobilisierung aufrechtzuerhalten und die Beschäftigten in anderen Branchen auf der Straße zu informieren.

Der Megastreiktag am 27. März hat uns gezeigt, was möglich ist. Wenn wir mit unseren Kolleg:innen branchenübergreifend und zusammen streiken, dann steht das Land still. Eine Überraschung ist das nicht, denn wir alle wissen, dass wir gemeinsam stärker sind. So stark, dass wir uns auch gemeinsam gegen die mediale Stimmungsmache, die es im Vorfeld zum Streiktag gab und bei einem Erzwingungsstreik droht, wehren können.

  • Keine Illusionen in die Schlichtung: Lasst sie uns als gescheitert erklären! Je länger die Schlichtung dauert, desto unwahrscheinlicher wird ein unbefristeter Streik!

  • Wir brauchen einen Erzwingungsstreik! Vorbereitung und Einleitung einer bindenden Urabstimmung anstatt monatelanger Verhandlungsrituale oder gar Schlichtung!

  • Nein zu allen Gesprächen hinter verschlossenen Türen! Verhandlungen sollen öffentlich über das Internet übertragen werden! Keine Abschlüsse ohne vorherige Abstimmung unter den Mitgliedern! Rechenschaftspflicht und Wahl der Tarifkommission durch die Basis!

  • Regelmäßige Streikversammlungen in allen Betrieben und Abteilungen! Wahl und Abwählbarkeit der Streikleitungen durch die Mitglieder!

  • Wahl und Entsendung von Delegierten zu einer bundesweiten Streikdelegiertenkonferenz, um hier gemeinsam über die nächsten Schritte im Arbeitskampf zu beraten!

Perspektive

Die Tarifabschlüsse in der Metallindustrie und bei der Post senden eine Warnung: Trotz hoher Mobilisierung und Streikbereitschaft wurde heftiger Reallohnverlust vereinbart, garniert mit 3000 Euro steuer- und abgabenfrei, was im Sommer in der Konzertierten Aktion zwischen Regierung, Kapital und Gewerkschaftsspitzen ausgemacht worden war. Für den öffentlichen Dienst droht ein ähnliches Ergebnis, das Reallohnverlust auf dem Konto und ein Niederlage im Klassenkampf bedeutet.

Es ist strategisch nötig, eine kämpferische Basisopposition aufzubauen, gegen die sozialpartner:innenschaftliche Bürokratie in den Gewerkschaften, die stets die Interessen der Arbeitenden denen des Kapitals und seines Staates unterordnet.

Für die noch laufenden Tarifrunden heißt dies:

  • Aufbau von unabhängigen Aktionsgruppen mit allen Kolleg:innen, die sich nicht verkaufen lassen wollen!

  • Volle Transparenz bei Aktionen, Verhandlungen und den Schlichtungsgesprächen einfordern!

  • Mit den im Tarifkampf aktiven Kolleg:innen Betriebsgruppen oder Vertrauensleutestrukturen aufbauen!

  • Das Schlichtungsabkommen zeigt deutlich, dass es eine konstant arbeitende Basisopposition benötigt, die für seine Kündigung eine Kampagne innerhalb von ver.di anschiebt, damit es uns nicht bei den nächsten Verhandlungen wieder auf die Füße fällt.

  • Die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) hat sich in dieser Tarifrunde als Hebel erwiesen, an einigen Orten zum Sammelpunkt gegen die Gewerkschaftsbürokratie zu werden.

Das ist ein notwendiger Anknüpfungspunkt! Sollte auch in dieser Tarifrunde die Bürokratie einen miesen Abschluss zu verantworten haben, dann muss die Konsequenz sein, dass sich an der Basis eine dauerhafte Opposition aufbaut!




Tarifrunde öffentlicher Dienst: Konsequenter Kampf oder fauler Verhandlungspoker?

Helga Müller, Neue Internationale, April 2023

So nahe an branchen- und gewerkschaftsübergreifenden gemeinsamen Streiks – nicht nur Warnstreiks – wie jetzt waren wir seit Gründung der sogenannten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di noch nie!

Gemeinsamer Warnstreik

Selbst sog. Tarifexpert:innen aus dem bürgerlichen Lager schreiben, dass dies eine neue Situation darstelle – und hetzen gegen angebliche „Erpressung“. Am Montag, den 27. März organisierten EVG (Verkehrsgewerkschaft im DGB) und ver.di einen gemeinsamen Warnstreik im gesamten öffentlichen Verkehr. In 7 Bundesländern wurde der kommunale Nahverkehr aufgerufen (in anderen blieb dies aus, da die Tarifverträge für den Nahverkehr in den Bundesländern unterschiedlich sind). Damit wäre der öffentliche Verkehr in mehreren Bundesländern lahmgelegt. In mehreren Städten, u. a. auch in München, gab es Solidaritätsaktionen zwischen den streikenden Post- und ver.di-Kolleg:innen. Die EVG rief die Beschäftigten zu einem eintägigen, zeitgleichen Warnstreik auf, was die Bahn AG dazu brachte, den Fernverkehr gleich einzustellen.

Und natürlich rennen die Unternehmer:innenverbände Amok dagegen. Die CDU-Mittelstandsvereinigung – also der „christliche“ Unternehmer:innenzusammenschluss – forderte bereits aufgrund der zweitägigen Warnstreiks an mehreren Flughäfen im Februar eine Einschränkung des Streikrechts. „Das Streikrecht dürfe nicht missbraucht werden, um im ‚frühen Stadium von Tarifverhandlungen unverhältnismäßig Druck auszuüben und durch die Einbeziehung kritischer Infrastrukturen schweren Schaden auszurichten‘, heißt es in einem Papier der Mittelstandsunion.“ (nd-aktuell, 20.2.23).

Während ver.di und EVG in den Warnstreik treten, geht unsere Zeitung in Druck. Eine Bilanz können wir an dieser Stelle daher noch nicht ziehen, aber eine solche werden wir auf unserer Homepage veröffentlichen. Eines wird aber schon jetzt deutlich: Der gemeinsame Warnstreik ist nicht nur ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Er verdeutlicht auch, dass alle Gewerkschafter:innen vor einer entscheidenden Frage stehen.

Entweder antworten wir auf massive Einkommensverluste mit einem gemeinsamen, branchenübergreifenden Abwehrkampf. Dann müssen die Warnstreiks als Auftakt für Urabstimmungen und befristete Erzwingungsstreiks für alle unsere Forderungen genutzt werden; dann müssen wir sie als Auftakt für eine über Lohnfragen hinausgehende politische Konfrontation mit Kabinett und Kapital führen, die auch den Kampf um Neueinstellungen von Hunderttausenden, für die Rekommunalisierung privatisierter Unternehmen und für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich umfassen muss.

Oder die gemeinsamen Warnstreiks bleiben nur ein einmaliges Signal, eine Drohgebärde an die sog. Arbeitgeber:innen, doch zum üblichen – und üblen! – Tarifrundenritual zurückzukehren. Dann werden Abschlüsse wie bei Metall, Chemie und Post folgen, die deutlich unter der Inflationsrate bleiben und uns mit zweijährigen Laufzeiten an die sog. Friedenspflicht fesseln.

Das steht an. Wir müssen jetzt die Chance ergreifen, alles zu tun, damit die volle Kampfkraft der Gewerkschaften entfaltet wird und die Tarifkommission und die Vorstände keine faulen Kompromisse am Verhandlungstisch aushandeln und uns nicht, wie jüngst bei der Post, ausverkaufen können.

Neue Lage

In einer Hinsicht haben die Kapitalist:innen nämlich recht. Wir befinden uns in einer neuen Situation: Die galoppierende Inflation, die zwar derzeit ein wenig abgeflacht ist, treibt viele Kolleg:innen aus dem öffentlichen Dienst, bei den Flughäfen, der Bahn, im öffentlichen Nahverkehr und vor allem auch bei der Post dazu, mit mehr Nachdruck für eine Lohnerhöhung, die auch tatsächlich die Inflation ausgleicht, zu kämpfen. Diese dringende Notwendigkeit nach einem realen Inflationsausgleich tendiert dazu, sich über die Branchen hinweg zu vereinen. Wir haben eine Inflation, die viele Kolleg:innen – nicht nur in den Niedriglohnsektoren – in Existenznöte bringt!

Diese Dringlichkeit eines existenzsichernden Einkommens und sicherlich auch die eindrucksvollen Massenstreiks und -demonstrationen in Frankreich gegen die Rentenreform von Macron und die vielen Streiks in Britannien gegen Personalnotstand und Unterfinanzierung der Gesundheitsversorgung tun ihr Übriges dazu, dass der Wille auch hier steigt, die aufgestellten hohen Forderungen durchzusetzen. Selbst der Apparat muss dem Rechnung tragen. Seit Jahrzehnten gab es keine so hohen Forderungen mehr: 15 % bei der Post, 10,5 %, mindestens aber 500 Euro im öffentlichen Dienst und 650 mehr bei der Bahn.

Landauf, landab wurden gemeinsame Warnstreiks des gesamten öffentlichen Dienstes – angefangen bei der Stadtverwaltung, über die Müllentsorgung, Arbeitsagenturen bis zu Kitas und Krankenhäusern – vor den vorerst letzten Verhandlungen am 27. bis 29. März inszeniert! Und die Beteiligung an den Arbeitskämpfen ist gut, besser als von manchem/r Gewerkschaftsverantwortlichen erwartet: So haben in München insgesamt über 6.000 Kolleg:innen aus dem gesamten öffentlichen Dienst am 21.3. bei einer Kundgebung ihrem Unmut gegen die öffentlichen Arbeit„geber“:innen von Bund und Kommunen Luft verschafft, in Köln waren es um die 12.000, in Gelsenkirchen um die 20.000 Beschäftigte, in Nürnberg 8.500 am 22. März!

In München z. B. – sicherlich auch in anderen Bezirken – wurde zum ersten Mal eine überbetriebliche und branchenübergreifende Arbeitskampfleitung gegründet, in der gewerkschaftliche Aktivist:innen und Gewerkschaftssekretär:innen aus dem öffentlichen Dienst, der Post, des öffentlichen Nahverkehrs gemeinsame Aktionen und Warnstreiks besprechen und vorbereiten.

Schulterschluss mit anderen Bewegungen und Kampfbereitschaft

Was noch zusätzlich als neues Element in dieser Tarifbewegung dazukommt ist der „Schulterschluss“ mit fortschrittlichen Bewegungen.

Im Bereich Nahverkehr – der großteils erst 2024 in Verhandlungen einsteigt – gibt es aus früheren Tarifrunden noch zahlreiche Verbindungen zur Klimabewegung. Am 3. März 2023 – dem weltweiten Klimastreiktag – kam es in vielen Städten zu gemeinsamen Aktionen und Kundgebungen, verbunden mit mehrtägigen Warnstreiks der Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr, von Gruppen der Klimabewegung wie FFF und streikenden Kolleg:innen.

Hier gibt es auch ein ganz klares gemeinsames Interesse: Ausbau des öffentlichen Nah- statt Individualverkehrs und Aufbau des entsprechenden Personals – eine der Forderungen der dort tätigen Beschäftigten. Dies durchzusetzen, geht nur gemeinsam mit Aktivist:innen aus der Klimabewegung und Kolleg:innen anderer Bereiche. Ein sinnvolles „Nebenprodukt“ dabei ist auch, dass diese gemeinsamen Aktionen von Klimabewegung und streikenden Kolleg:innen den Weg aufzeigen, wie die Klimabewegung aus ihrer Krise herauskommt und eine wichtige Verbindung mit der Arbeiter:innenbewegung eingeht!

Auch am 8. März, dem  Internationalen Frauenkampftag, kam es in vielen Städten zu gemeinsamen Kundgebungen und Demonstrationen von Frauenbewegung und streikenden Kolleg:innen aus dem Sozial- und Erziehungsdienst. Ein Manko dabei war, dass sich der ver.di-Bundesvorstand nicht dazu entscheiden konnte, alle Bereiche – nicht einmal jene, in denen vor allem überwiegend weiblich Beschäftigte arbeiten, also der ganze Bildungs- und Gesundheitsbereich –  zu Warnstreiks aufzurufen.

Aufgrund der großen Mobilisierungen – mehrere Hunderttausend Kolleg:innen waren und befinden sich in Warnstreiks – und der Notwendigkeit, einen Inflationsausgleich in diesen Tarifrunden durchzusetzen, sind über 45.000 neue Kolleg:innen in ver.di eingetreten.

Warnung Post

Bei der Post hat der Kampfeswillen dazu geführt, dass fast 86 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Kolleg:innen für einen unbefristeten Streik gestimmt hatten. Dazu hat sicherlich auch die Ignoranz der Konzernführung beigetragen, die Forderung nach 15 % mehr Lohn als unrealistisch zu bezeichnen, obwohl sie gleich zwei Jahre hintereinander ihre höchsten Gewinne eingestrichen hat bei gleichzeitiger Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Löhne für die Kolleg:innen. Interessanterweise lief die Urabstimmung bei der Post über unbefristete Streiks bis zum 8. März, dem Internationalen Frauenkampftag. Trotz dieser großen Zustimmung ging die Tarifkommission in Verhandlungen und vereinbarte ein unterirdisches Ergebnis – das nichts anderes als einen Reallohnverlust bedeutet (siehe dazu den Artikel in diese Ausgabe).

Worüber nun die Kolleg:innen zwar wieder in einer Urabstimmung bis zum 30. März abstimmen müssen, es aber nur ein Quorum von 25 % braucht, um angenommen zu werden. Ein absolut undemokratisches Vorgehen von Seiten der Verhandlungsführung, aber auch kein, Wunder sitzen doch viele ver.di Verantwortliche wie die Verhandlungsführerin Andrea Kocsis im Aufsichtsrat und streichen dort Gelder ein, auch wenn sie einen bestimmten Teil an ver.di abgeben müssen. Laut Satzung sind sie doch schon aufgrund dieser materiellen Besserstellung weit von den Interessen der Kolleg:innen entfernt und verstehen sich als Vermittler:innen zwischen den Kapitalinteressen und denen der Kolleg:innen, anstatt sich für diese ohne Wenn und Aber einzusetzen!

Darüber hinaus ist der Bund immer noch größter Anteilseigner der Post AG. Über die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau hält die Bundesregierung über 20 Prozent der Aktienanteile und dies garantiert ihm eine jährliche Dividendenauszahlung. Dieses Jahr erhält der Bund fast eine halbe Milliarde Euro, auf die die ver.di-Führung nicht verzichten will. Dafür opfert sie dann gerne einen konsequenten Kampf für die Durchsetzung der Forderungen! Gleichzeitig fürchtet sie natürlich in einer solchen Situation eine unkontrollierbare Mobilisierung der Kolleg:innen, die über ihren eigene Branche hinausgehen könnte und Beispielfunktion für die Beschäftigten in den anderen Bereichen, die sich gerade im Tarifkampf befinden, ausüben könnte. Damit würde sie ihre Rolle als Garantin für eine geregelte Tarifauseinandersetzung in Frage stellen und wäre für die Kapitalseite unbrauchbar!

Kein Vertrauen in den Bürokratie!

Auch wenn derzeit – kurz (zur Zeit des Redaktionsschlusses) vor den vorerst letzten Verhandlungen im öffentlichen Dienst – überall beeindruckende und gemeinsame Streiks stattfinden mit guter Beteiligung der aufgerufenen Bereiche, heißt das aufgrund dieser Erfahrungen nicht, dass die Verhandlungsführung rund um den ver.di-Vorsitzenden Werneke und die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Behle (zuständig im Bundesvorstand für den öffentlichen Dienst) auch tatsächlich einen besseren Abschluss als der bei der Post aushandelt!

In der Regel ist es immer so, dass, wenn kurz vor den entscheidenden Verhandlungen in einem anderen Bereich von ver.di ein Ergebnis zustande kommt, dieses die Grundlage für den nächsten Tarifbereich darstellt. Von daher ist zu befürchten, dass es zu einem schlechten Abschluss kommen könnte. Aber bisher scheinen die öffentlichen Arbeit„geber“:innen nicht gewillt, ver.di entgegenzukommen, es sei denn das Kalkül der ver.di-Führung geht auf und der gemeinsame Warnstreiktag von ver.di und EVG entwickelt soviel Druck, dass sie doch noch nachgibt, bevor es zu unvorhersehbaren Mobilisierungen kommt. Gleichzeitig ist und bleibt der Druck und damit auch die Erwartungshaltung der Gewerkschaftsmitglieder hoch, so dass durchaus zu erwarten ist, dass es zu einem Scheitern der bisher letzten Verhandlungen kommen könnte.

Doch bevor es im öffentlichen Dienst zu einer Urabstimmung über unbefristete Streiks kommen wird, die aller Wahrscheinlichkeit nach derzeit auch so eindeutig wie bei der Post ausgehen würde, wird es zu einem Schlichtungsverfahren kommen. Dieses hat ver.di trotz mehrerer Beschlüsse aus Gremien nicht gekündigt, solange noch Zeit war. Mit Sicherheit werden die Arbeit„geber“:innen dieses einleiten wollen. Damit ist auch ver.di gezwungen, sich daran zu beteiligen. Hier wird unter einem/r Vorsitzenden – meistens ein/e erfahrene/r Politiker:in – unter Einhaltung der Friedenspflicht weiterverhandelt. Auch hier ist die Gefahr groß, dass sich die Beteiligten auf einen faulen Kompromiss einigen. Darüber hinaus übt dieses Schlichtungsverfahren auch die Funktion aus, die Dynamik aus den Streiks rauszunehmen. Je länger die Schlichtung dauert, desto umwahrscheinlicher wird ein unbefristeter Streik!

Wir dürfen darüber hinaus nicht zulassen, dass die Gegenseite über den Weg des Schlichtungsverfahrens den Streik aushebeln kann. Deswegen haben auch Versammlungen in mehreren Städten wie Berlin und Leipzig mit großer Mehrheit, teilweise sogar einstimmig, beschlossen, dass es keinen Alleingang der Tarifkommissionen und Vorstände bei der Festlegung der Kampftaktik geben darf, sondern dass diese von der Basis kontrolliert und bestimmt werden muss (siehe: https://vernetzung.org/resolutionen-zur-tarifrunde-des-oeffentlichen-diensts).

Kampfesführung

Ver.di und EVG haben sich zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Zeitung dazu entschieden, am Montag, den 27. März, dem ersten Tag der vorerst letzten Verhandlungen im öffentlichen Dienst, einen bundesweiten gemeinsamen Warnstreik zu organisieren. Aufgerufen sind neben der Bahn der gesamte Verkehr des öffentlichen Dienstes – von Flughäfen, über kommunale ÖPNV-Betriebe in sieben Bundesländern, Teile der kommunalen Häfen, Autobahngesellschaften bis hin zur Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Ein Megastreik – wie ver.di diesen Warnstreiktag bezeichnet!

Ja, ein veritabler Massenstreik, aus dem sich die politische Kraft entwickeln könnte, die die Forderungen gegen die derzeitige Front der öffentlichen Dienstherr:innen und Konzernleitungen für Millionen Kolleg:innen durchsetzen könnte. Mehr noch, die Kraft, die wir brauchen, um den Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf unseren Rücken, gegen Klimakatastrophe und Aufrüstung – diese kapitalistische Weltordnung hat uns nur Chaos, Krieg und Verwüstung zu bieten – aufnehmen zu können!

Diese Entscheidung widerspiegelt ganz offensichtlich, dass sowohl ver.di als auch EVG unter einem doppeltem Druck stehen: einerseits von den vielen Hunderttausenden Kolleg:innen, die sich derzeit in Tarifkämpfen mobilisieren und von Seiten der Arbeit„geber“:innen, die gerne ungeschoren aus diesen Tarifrunden herausgehen wollen. Letzteres kann dazu führen, dass der Apparat weiter zu gehen gezwungen ist, als er will.

Wie der Kampf weitergeht, hängt aber entscheidend davon ab, wie viel Druck die Kolleg:innen an der Basis entwickeln können und vor allem, ob sie in der Lage und auch bereit sind, einen Schritt weiter zu gehen und zu beginnen, Instrumente und Strukturen aufzubauen, mit Hilfe derer sie in der Lage sind, den Gewerkschaftsführungen ihren Willen aufzuzwingen! Anstatt am Schluss der Tarifrunde enttäuscht wieder zurück zur Arbeit zu gehen, auf die Gewerkschaftsspitze zu schimpfen und die Gewerkschaftsbücher hinzuwerfen!

Das A und O dafür, dass dieser gemeinsame Kampf nicht eine Eintagsfliege bleibt, um Druck auf die Unternehmen auszuüben, und die Kämpfe erfolgreich geführt, also alle Forderungen erfüllt werden können, liegt darin, dass die Kolleg:innen sich dafür einsetzen, auf breiten Streikversammlungen über den Verhandlungsstand informiert zu werden, diskutieren und entscheiden zu können, wie ihr Kampf weitergeführt wird. Diese Entscheidungen müssen sowohl für die Tarifkommission als auch den Bundesvorstand, der letztlich über die Streiks entscheidet, bindend sein!

Um diese Diskussionen organisiert führen zu können, sind gewählte Streikkomitees notwendig, die gegenüber den streikenden Kolleg:innen rechenschaftspflichtig und von ihren Vollversammlungen jederzeit abwählbar sind. D. h., diese müssen sich dafür einsetzen, dass sie selbst die Kontrolle darüber erringen. Erste Elemente dieser elementaren Arbeiter:innendemokratie haben sich in den beiden Krankenhausbewegungen von Berlin und NRW herauskristallisiert. Letzten Endes ist das nur möglich, wenn sich eine politische Kraft in ver.di und allen DGB-Gewerkschaften herausbildet, die bewusst den Kurs der Anpassung aller Gewerkschaftsführungen an Kapitalinteressen und angebliche Sachzwänge in einer antibürokratischen Basisbewegung bekämpft. Einen Ansatz dafür stellen heute die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften und ihre lokalen Strukturen dar.

  • Einzelne Streiktage reichen nicht! Schluss mit der Zersplitterung! Gemeinsame Aktionen mit der Bahn und allen anderen Kämpfen! Aufbau von Unterstützungskomitees, um die Öffentlichkeit zu informieren!

  • Wir brauchen einen Erzwingungsstreik! Vorbereitung und Einleitung der Urabstimmung anstatt monatelanger Verhandlungsrituale oder gar Schlichtung!

  • Für gläserne Tarifverhandlungen! Nein zu allen Gesprächen hinter verschlossenen Türen! Verhandlungen sollen öffentlich über das Internet übertragen werden! Keine Abschlüsse ohne vorherige Abstimmung unter den Mitgliedern! Rechenschaftspflicht und Wahl der Tarifkommission durch die Basis!

  • Regelmäßige Streikversammlungen in allen Betrieben und Abteilungen! Wahl und Abwählbarkeit der Streikleitungen durch die Mitglieder!



EVG und ver.di: vom Verkehrsstreik zum Erzwingungsstreik zum Verkehrswendestreik

Leo Drais, Neue Internationale 272, April 2023

Der 27. März 2023 galt schon als Superverkehrsstreiktag, bevor er überhaupt anbrach. Die bloße Ankündigung des Warnstreiks genügte, damit die Deutsche Bahn bereits von vornherein sagte: „Wir stellen den Fernverkehr für einen Tag komplett ein.“ Auch wenn die EVG den Warnstreik nur für die Zeit von 4 bis 15 Uhr angesetzt hat, tut sich die Bahn mit dem Komplettausfall einen wirtschaftlichen Gefallen: Am Dienstag stehen die meisten ICE an der richtigen Stelle. Nebenbei lässt sich so die Pünktlichkeitsstatistik ein bisschen frisieren. Schließlich meint die DB ja, ausgefallene Züge seien nicht verspätet.

An manchen Ort geht an diesem Montag fast gar nichts. In München oder Leipzig fahren weder S-Bahnen noch Busse, in Hamburg laufen keine Schiffe in den Hafen, auf allen Flughäfen außer Berlin streikt das Bodenpersonal, Autobahntunnel sollen gesperrt werden.

Dieser gemeinsame Warnstreik von ver.di und EVG liefert eine richtige Antwort auf die Verhandlungs„angebote“ der Kommunalen Arbeit„geber“:innenverbände (VKA) und der Deutschen Bahn in den parallel laufenden Tarifrunden im öffentlichen Dienst, an Flughäfen und in 50 Eisenbahnunternehmen. Aber es wird mehr brauchen, viel mehr, nicht nur wenn ein Ausgleich der Inflation erfolgen, sondern auch ausreichend Personal speziell im öffentlichen Nah- und Fernverkehr eingestellt werden soll.

Ungewohnt groß, gewöhnlicher Ablauf

Der gemeinsame Warnstreik von EVG und ver.di gibt im Ansatz eine Vorstellung davon, wie weh wir den täglichen Abläufen der Wirtschaft tun können, welche Macht wir eigentlich haben. Sicher wird dadurch „der Druck erhöht“, wie die Vorsitzenden Burkert (EVG) und Werneke (ver.di) es verkündet haben.

Abgesehen vom Ausmaß läuft der Montag jedoch in den üblichen eingelaufenen Bahnen der deutschen Sozialpartner:innenschaft und Tarifrundenrituale. Die Gewerkschaftsführungen kontrollieren, rufen auf, blasen ab. Man wird für die Zwecke der Bürokratie in Bewegung gesetzt, wobei – natürlich – Dampf abgelassen wird und am Ende vielleicht auch ein paar Prozente mehr rauskommen. Nicht mal Solidaritätsstreiks in den Verkehrsbetrieben, wo gerade nicht verhandelt wird, finden statt, obwohl das rechtlich durchaus möglich wäre. Somit wird in Berlin die BVG weiterfahren, während die S-Bahn steht.

Dass der Streik so massiv eingreifen, kann liegt in der Natur der Sache Verkehr, wobei die EVG mit einem Streik dieser Größe bei der DB durchaus auf neuen Gleisen fährt. 2018 hielt sie zwar einen Dreistundenstreik ab, der seinen Namen eigentlich nicht verdiente, darüber hinaus verfügt sie jedoch schlicht über keine Streikerfahrung. Gestreikt hat in der Regel die GDL. Zu ihr steht die EVG zumindest bei der DB in Konkurrenz, seit der Konzern das Tarifeinheitsgesetz anwendet: Wer die meisten Mitglieder in den jeweiligen DB-Betrieben hat, dessen Tarifvertrag wird angewandt. Die EVG profitiert dabei vor allem davon, dass sie deutlich mehr Fahrdienstleiter:innen als die GDL organisiert. Auch wenn der Organisationsgrad in dieser Berufsgruppe an manchen Orten erschreckend niedrig ist, reicht bereits ein bestreiktes Stellwerk, um den Fahrplan eines Knotens empfindlich zu stören. Das allein ist es, was dafür sorgt, dass die DB bereits vor dem Streik ankündigt, Züge flächendeckend ausfallen zu lassen.

Das anscheinend unvermeidliche Gegeneinander der Apparate von GDL und EVG wird durch das Tarifeinheitsgesetz dieses Jahr übrigens besonders absurd. Hat die EVG ihren Abschluss, ist die GDL mit Verhandeln dran. Während die EVG zum jetzigen Warnstreik sagt, dass alle, auch GDL-Mitglieder streiken dürfen, da sie zu den aufgerufenen Berufsgruppen gehören, sagt die GDL das Gegenteil: Die Friedenspflicht sei ausschlaggebend. Anstatt zusammen zu kämpfen, wird durch die Führungen beider Gewerkschaften seit Jahren die Spaltung in der Belegschaft vertieft – langfristig kann uns das nur schaden.

Erzwingungsstreik!

Die Kampfbereitschaft unter den Verkehrsarbeiter:innen ist groß. Trotzdem droht, wie bei der Post, dass die Gewerkschaftsführungen diese Bereitschaft aus feigem Eigeninteresse nicht nutzen und den Arbeitskampf eskalieren und einem trotzdem am Ende erzählen, wie gut dieser Abschluss sei. Das gilt es zu verhindern! Ein Vorspiel lieferte die EVG bereits bei der Bahn: Anstatt einen ganzen Tag zu streiken, wofür auf jeden Fall die Motivation da gewesen wäre, wird die Arbeit nur bis 15 Uhr niedergelegt. Man wolle auch „deeskalierend“ wirken und „nicht schon das ganze Pulver verschießen“. Wie kann man sich nur so den Wind aus den eigenen Segeln nehmen? Man kann, wenn man den Streik bürokratisch von oben herab kontrolliert!

Die Strategie der deutschen Regierung und Konzerne läuft darauf hinaus, vermittels der Inflation die Krisenkosten von Corona und Krieg auf die Arbeiter:innenklasse abzuwälzen. Genau das steht hinter dem angebotenen Blendwerk an Einmalzahlungen! Weil die Konkurrenz international schärfer wird, wird auch der Verteilungsspielraum kleiner, erst recht, wenn man Milliarden in die Aufrüstung stecken will. Schon allein deshalb bräuchte es auch von unserer Seite einen viel schärferen Kampf. Aber zumindest in der EVG haben Apparatstimmen schon gezwitschert, dass man es so weit nicht kommen lässt und man vor dem Sommer einen Abschluss anstrebt. Wenn das die Bosse wissen, müssen sie ja einfach nur abwarten.

In ver.di und EVG müssen wir auf Urabstimmungen über Erzwingungsstreiks hinarbeiten. Wir brauchen Debatten in den Betriebsgruppen, die genau das flächendeckend fordern müssen. Keine Tarifkommission darf ohne Zustimmung der Basis etwas abschließen. Im Gegenteil sollte diese direkt von der Basis gewählt werden und abwählbar sein, wenn die Delegierten scheiße abschließen. Um das überprüfen zu können, braucht es wiederum öffentliche Verhandlungen. Wir sollten auf Streikversammlungen selbst entscheiden, wie gekämpft wird und wann es reicht.

Aber von solchen basisdemokratischen Abläufen sind wir weit weg. Manchen Betriebsgruppen muss überhaupt erstmal Leben eingehaucht werden.

Streik und Verkehrswende

Nicht nur was den Ablauf des Arbeitskampfes angeht, läuft alles wie bekannt. Auch der Inhalt treibt nicht über das übliche mehr Geld hinaus. Weder EVG noch ver.di politisieren den Kampf wirklich für eine Verkehrswende. Obwohl es so naheliegt – höhere Löhne bedeuten attraktivere Berufe im Nahverkehr, wo in den nächsten Jahren teilweise über 70 Prozent in Rente gehen – ist das Thema politischer Streik natürlich Teufelszeug. Der sei halt verboten, was willkommene Ausrede ist. Schließlich ist es für einen Apparat bequemer, dass im Wesentlichen alles bleibt wie bisher. Heute heiße Worte, morgen im Aufsichtsrat.

Eine Verkehrswende wird weder durch Volker Wissing (VW) und die Ampel noch durch die Autokonzerne und Verkehrsbetriebe und auch nicht durch die Art und Weise, wie EVG und ver.di kämpfen, Realität werden, selbst dann nicht, wenn sich die Klimabewegung noch so sehr solidarisiert und den Apparaten ihre Unterstützung anbietet.

Ein Verkehrswende, die ihren Namen verdient, ist eine Kriegserklärung an eine Festung des deutschen Kapitalismus, die Autoindustrie. Sie muss dafür enteignet werden. Sie wird nur Realität werden, wenn wir sie gegen VW und den gleichnamigen Konzern erkämpfen, wenn wir nicht nur ein paar Stunden für mehr Lohn, sondern tagelang für einen kostenlosen Nahverkehr und seinen massiven Ausbau streiken, wenn wir die Busse in die Autobahnauffahrten stellen und den Beschäftigten in der Autoindustrie sagen: Solidarisiert euch, kämpft dafür, dass eure Autofabrik unter eurer Kontrolle und ohne Lohnverluste etwas Sinnvolles produziert!

Das ist zur Zeit sicher genauso weit weg wie basisdemokratische Streik- und Gewerkschaftsstrukturen. Aber die aktuellen Streiks bieten die Chance dafür, die Diskussion darüber voranzubringen. Zum Beispiel indem wir fordern, dass sich die DB im Tarifabschluss dazu verpflichtet, die Fahrpreise im Fernverkehr nicht zu erhöhen, oder indem wir uns dafür starkmachen, dass das 49-Euroticket durch eine Besteuerung des 22-Milliardengewinns von VW finanziert wird.




Post: Guter Streik statt schlechter Verhandlungen! Das „Ergebnis“ muss abgelehnt werden!

Mattis Molde, Infomail 1216, 14. März 2023

In letzter Minute vor Beginn des Streiks hat sich die Verhandlungskommission nochmal auf eine Verhandlung eingelassen, zu welcher der Postvorstand eingeladen hatte – eine falsche, wenn auch nicht unvorhersehbare Entscheidung mit einem üblen Ergebnis.

Das Ergebnis

Ab April 2024 werden die Tabellenentgelte für alle Vollzeitbeschäftigten um monatlich 340 Euro erhöht. Das entspricht in den unteren drei Entgeltgruppen, in denen fast 90 Prozent der Tarifbeschäftigten eingruppiert sind, Entgeltsteigerungen von 11,0 bis 16,1 Prozent. Die Laufzeit beträgt allerdings 24 Monate (siehe: https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++3272f710-c01c-11ed-a2f8-001a4a160129).

Das heißt, dass von der Forderung 15 % für 12 Monate gerade etwa die Hälfte übrig geblieben ist. Dazu kommen Sonderzahlungen von insgesamt 3000 Euro, die – verteilt über 11 Monate – nochmal unter den 340 Euro pro Monat liegen, die die Postler:innen in einem Jahr bekommen sollen.

Die 3000 Euro sind steuerfrei. Das ist ein Trick. Er bringt den Beschäftigten kurzfristig mehr Cash, aber keine Punkte bei der Rente. Auf die 3000 Euro Sonderzahlung gibt es auch kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Die Firma aber spart richtig. Der Staat zahlt mit Steuerverzicht und zwar gewaltig. Wen werden die Sparmaßnahmen treffen? Die Bundeswehr oder die Sozialausgaben?

Das „Ergebnis“ liegt nicht nur ganz weit von der Forderung, es liegt auch deutlich unter der Inflation. Die Reallöhne würden noch weiter fallen. Zur gleichen Zeit macht der Konzern  Rekordgewinne. Die Aktionär:innen gewinnen doppelt: eine fette Dividende und steigende Aktienkurse.

Dieses Ergebnis wäre ein heftiger Ausverkauf. Jede Kollegin, jeder Kollege muss dagegen mit NEIN stimmen!

Was tun?

Aber das NEIN reicht nicht. Wir müssen uns fragen: Wer hat uns in diese gefährliche Situation gebracht? Eine Verhandlungsführung unter Andrea Kocsis, die uns ein „Ergebnis“ präsentiert, das kaum besser als das letzte Angebot ist, das sie selbst zu Recht zurückgewiesen hatte, wegen dessen die Verhandlungen für gescheitert erklärt worden waren.

Eine Verhandlungsführung, die mit neuen Verhandlungsgesprächen beginnt, nachdem die Entscheidung für Streik demokratisch und eindeutig gefallen war und die dieses demokratische Votum der Mitglieder kalt missachtet. Die jetzt mit diesem „Ergebnis“ eine erneute Urabstimmung veranlasst, die wieder über 75 % Ablehnung kommen muss, um mit einem Streik ein einigermaßen gutes Ergebnis zu erreichen.

Wenn Kocsis recht hat, dass das Votum für Streik den Bossen Sorge bereitet hat, dann kann sich jede:r an den Fingern abzählen, was ein Streik bewirken würde!

Kocsis hat mit diesem Manöver auch die Verhandlungsposition für jede/n Nachfolger:in geschwächt: Wenn die Bosse die ver.di-Chef:innen auch noch nach einer Urabstimmung an den Verhandlungstisch bringen können, dann werden sie zukünftig ihre Verhandlungs„angebote“ noch unverschämter gestalten. Zugleich hat Kocsis mit ihrem Manöver das Vertrauen in die Gewerkschaft tief erschüttert. Alle diejenigen, die an ihren Arbeitsplätzen für ver.di geworben, für den Tarifkampf mobilisiert haben und für ein Ja zum Streik können durch diese drohende Niederlage aus den eigenen Reihen enttäuscht und frustriert werden.

Schließlich bedeutet eine zweijährige Laufzeit auch, dass die Konzernzentrale der Post für die nächsten zwei Jahre die Friedenspflicht nutzen kann und wird (!), die nächsten Angriffe auf Beschäftigte und Kund:innen durchzuführen, also Umstrukturierungen, weitere Arbeitszeitverdichtungen, Ausdünnen von Filialen, aber auch Preiserhöhungen, um beispielsweise den Briefversand richtig profitabel zu machen. Für diese Auseinandersetzungen, die eigentlich mit dem Kampf für entschädigungslose Verstaatlichung der Post unter Arbeiter:innenkontrolle verbunden werden müssen, stehen die Belegschaften, aber auch die Masse der lohnabhängigen Kund:innen schlechter da. Ein bundesweiter unbefristeter Erzwingungsstreik könnte nicht nur ein weit besseres Ergebnis bringen, sondern auch Kampfstrukturen für die weiteren Auseinandersetzungen schaffen.

Deshalb muss eine breite Ablehnung des „Ergebnisses“ damit verbunden werden, die Basis zu stärken und die Gewerkschaft in die eigene Hand zu bekommen:

  • Organisiert Versammlungen, um das Ergebnis zu diskutieren! Falls der Streik doch kommt, müssen solche Versammlungen auch täglich einberufen werden, um den Erfolg im Streik zu sichern und die Manöver der Führung zu erkennen.

  • Wir brauchen Gewerkschaften, die Erfolge organisieren und keine Niederlagen! Wir brauchen überall Vertrauensleute und Betriebsgruppen, die nicht so sehr die Vorgaben „von oben“ umsetzen, sondern vor allem umgekehrt Rechenschaft von der Gewerkschaftsführung verlangen!

  • Dafür müssen wir uns in den Gewerkschaften als klassenkämpferische Opposition organisieren, um schnell und wirkungsvoll handeln zu können. So hätte diese letzte Verhandlung, die den Postbossen die große Chance liefert, vom Haken runterzukommen, an dem sie sich selbst aufgehängt hatten, nie zustandekommen dürfen. Massive Proteste hätten Kocsis und Co. in den Arm fallen müssen, mit dem sie den Bossen die Hand gereicht hat.

  • Für dieses Ziel müssen wir uns selbst organisieren! Wir, die Gruppe Arbeiter:innenmacht, kämpfen in der VKG mit vielen anderen dafür, dass sich alle, die kämpferische Gewerkschaften und dafür handeln wollen, zusammenschließen.



TVöD: der 8. März als Streiktag?

Anne Moll/Resa Ludivien, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung 11, März 2023

Abgesehen von Berlin ist in keinem anderen Bundesland der Frauenkampftag ein Feiertag. Und zu feiern gibt’s auch nicht viel, schaut man sich die derzeitige TVöD-Runde an. Ein prädestinierter Streiktag also?

Was aus Clara Zetkins Frauentag wurde

Historisch gesehen ging es beim Kampf um die Gleichberechtigung der Frauen zuerst um das Wahlrecht, um das gleiche Recht, sich zu organisieren und Gewerkschafts- wie Parteimitglied zu werden, um Zugang zur Universität, Gesundheitsschutz der arbeitenden Frauen und um das Recht, über den eigenen Körper zu bestimmen. Doch der Versuch seiner Vereinnahmung und Entpolitisierung ist auch nichts Neues. Immer wieder wird deutlich, dass die bürgerlichen Frauen, aber auch die Gewerkschaftsführung andere Forderungen im Sinn haben als Frauen aus der Arbeiter:innenklasse.

So versuchten 1994 Frauen in Stuttgart, den DGB von einem Frauenstreiktag zu überzeugen, bei dem auf die ungleiche Bezahlung und Doppelbelastung aufmerksam gemacht werden sollte. Trotz der Versuche des Vorstandes, die Aktionen als „Streittag“ zu verharmlosen, kam es zur Besetzung einer Kreuzung sowie zum Teil einer Teilnahme während der Arbeitszeit, sprich zu einem Streik. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, wie viel Mitverantwortung die Entschlossenheit der Basis trägt. Auch 29 Jahre später hat sich an der Situation von Frauen nur wenig geändert.

TVöD-Runde Bund und Kommunen: Wer streikt und was ist bis jetzt passiert?

Der 8. März 2023 fällt in Deutschland in eine spannende Zeit: Tarifauseinandersetzungen bei öffentlichen Betrieben, der Post, kommunalen Busunternehmen, im öffentlichen Dienst (TVöD-Runde), Streiks bei den Lehrer:innen in Berlin sind einige Beispiele dafür. Wir leben in Zeiten der Inflation. Sollten die geforderten 10,5 % durchgesetzt werden können, dann würden sie die aktuelle Preissteigerung wenigstens ausgleichen. Mindestens 500 Euro würden, vor allem für die Niedriglohngruppen, tatsächlich eine große Änderung bewirken und eine wichtige Signalwirkung ausstrahlen.

Das betrifft 1,6 Millionen Menschen, die nach TVöD bezahlt werden, d. h. diejenigen, die im öffentlichen Dienst bei Bund und Gemeinden tätig sind. Das sind beispielsweise Arbeiter:innen in kommunalen Kitas, in Altenpflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern. Es gab viel Applaus, dass sie während der Pandemie weitergearbeitet haben, viele schöne Worte von Politiker:innen, dass sich die Arbeitssituation für Pflege- und Erziehungsberufe verbessern muss. Passiert ist bisher wenig. Gleichzeitig existiert ein Vorbild, wie erfolgreiche Streiks aussehen können: 2021 und 2022 erkämpfte die nordrhein-westfälische Krankenhausbewegung in wochenlangen Streiks den Tarifvertrag Entlastung.

Federführend für die derzeitige Verhandlungsrunde innerhalb des DGB ist ver.di. Die Mobilisierung läuft bereits seit letztem Jahr in Form von Mitgliederversammlungen und Vorbereitungen in den Betrieben. In Gewerkschaftskreisen hatte man zeitweise den 8. März ins Auge gefasst, um zu streiken. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass es sich um Bereiche handelt, in denen sehr viele Frauen arbeiten. Neben einer dauerhaften Überlastung und Unterfinanzierung dieser Sektoren sind Frauen und Migrant:innen strukturell schlechter bezahlt oder gar ohne Tarifverträge outgesourct – in Zeiten der Inflation ein tägliches Spiel mit dem Feuer.

Schaut man sich die Bereiche, zu denen auch Reinigung oder Behörden zählen, nochmal genauer an, so verwundert es nicht, dass zu den ursprünglichen Forderungen der Beschäftigten auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen gehörte. Dazu zählen „utopische“ Wünsche wie Arbeitszeitverkürzung oder mehr Urlaub bei Dauerschichtdienst. Doch das war den Gewerkschaften zu heiß. Der 8. März als Streiktag ist auch weg vom Fenster und man konnte sich im Oktober lediglich auf einen versöhnlichen Forderungskatalog einigen, welcher sich lediglich auf die Löhne bezieht. Ebenso offensichtlich ist die gezielte Schwächung des Streikes durch eine Teilmobilisierung. Warum alle zusammen mobilisieren, wenn man auch nur einzelne Sektoren wie die BSR (Stadtreinigung) in Berlin aufrufen kann? Und das mit dem Wissen, dass die Kolleg:innen am Limit sind, alles immer teurer wird, sodass sogar Butter, geschweige denn Gas- oder Mietpreise ein Luxusprodukt darstellen. Und das, nachdem nach Corona vor allem im Krankenhaus viele mit dem Gedanken spielen, ganz auszusteigen, und die Arbeit„geber“:innenseite auch diese niedlichen Forderungen noch herunterhandeln wird. Das ist Politik gegen die Arbeiter:innenklasse!

Frage dich mal, was deine Gewerkschaft für dich tun kann

Am 24.01.2023 fand die erste Verhandlungsrunde zum TVöD statt. Eine der Teilnehmer:innen aufseiten der Arbeit„geber“:innen war Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Diese hat wieder einmal gezeigt, dass diese sich zwar auf ihre „guten alten Zeiten“ als Arbeiter:innenpartei stützt, aber keineswegs Politik für die Arbeiter:innenklasse betreibt. Ergebnis: nächste Runde, denn es gab nichts zu „verhandeln“. Dafür hätten die Gemeinden und Kommunen ein Angebot unterbreiten müssen. Besonders interessant ist, dass die minimalen Forderungen der Gewerkschaften zu hoch und unrealistisch angesichts leerer Kassen ausfallen sollen. Doch wo bleiben dann Forderungen nach einem höheren Spitzensteuersatz, sodass endlich mal die Reichen für die Krise bezahlen?

Diese Argumentation hat nicht nur etwas mit der aktuellen Situation zu tun: Sie hat System. Es gibt nur eine Möglichkeit, diesem zu entrinnen, nämlich, indem die Warn- in unbefristete Erzwingungsstreiks überführt werden. Daneben müssen Demonstrationen organisiert und Solidaritätsbündnisse geschlossen werden. Unsere Aufgabe als klassenkämpferische Gewerkschafter:innen und Revolutionär:innen liegt darin, dies voranzutreiben, Druck auf die Gewerkschaftsführung auszuüben, die Kämpfe zusammenzuführen und unter Kontrolle demokratisch gewählter, den Mitgliedern verantwortlicher Streikkomitees zu stellen.

Frauenkampftag, Streiktag – gemeinsam auf die Straße!

Es wird knapp in der Kasse. Schon allein, wenn wir nach dem Einkauf in unser Portemonnaie sehen. Die nächste Gasrechnung bereitet uns schlaflose Nächte. Wir sind es leid, dass alle die Krisen von Corona über Klima- und Energiekrise auf unseren Rücken ausgetragen werden! Lasst uns unseren Anteil zur Tilgung der Kosten und Ermöglichung eines anständigen Lebens erstreiken! Der Internationale Frauentag ist dafür wie geschaffen und ursprünglich als Kampftag gedacht. Diese Bedeutung müssen wir ihm zurückgeben. Bremen geht hier mit gutem Beispiel voran: Hier ist der Streik durch die ver.di-Mitglieder beschlossene Sache.

Dass er in Berlin zu einem Feiertag geriet, kann nur unter Berücksichtigung der wenigen Feiertage dort allgemein positiv bewertet werden. Es trägt parallel zur Entpolitisierung des Tages bei und das ist gewollt. Man mag es als Form der Transformation sehen, wenn sich die Regierenden eine zunächst kämpferische Thematik zu eigen machen und nach ihrem Gusto interpretieren. Dass es gerade von einer rot-rot-grünen Politik befürwortet wird, zeigt die tief verwurzelte Sozialpartnerschaft, die kein Interesse aufkommen lässt, tatsächlich an diesem Tag die Belange von Frauen wie schlechte Bezahlung, Sexismus am Arbeitsplatz oder geringere Aufstiegschancen zu thematisieren. Der Frauenkampftag ist kein Feiertag, kein Streittag, sondern Streiktag!

Es ist daher Aufgabe der Basis, die Gewerkschaftsführungen daran zu erinnern, wessen Interessen sie ursprünglich vertreten sollten, und dies zu erzwingen. Doch ein Streiktag reicht nicht. Die nordrhein-westfälische Krankenhausbewegung hat es vorgemacht. Es darf nicht nur um Geld, sondern muss auch um Entlastung und bessere Arbeitsbedingungen gehen. Dafür brauchen wir Streikkomitees in allen Betrieben.

  • Hinaus zum Frauenkampftag! Frauenkampftag ist Frauenstreiktag!

  • Regelmäßige Vollversammlungen, Wahl und Abwählbarkeit der Streikkomitees!

  • Volle Kampfkraft für 10,5 % jetzt und mindestens 500 Euro für alle!

  • Früheren Renteneintritt ermöglichen, Altersteilzeitregelung verlängern! Mehr Urlaub bei Dauerschichtdienst!

  • Für eine Arbeitszeitverkürzung mit paralleler Einstellungsoffensive unter Kontrolle der Beschäftigten!

  • Finanzierung der Maßnahmen durch massive Besteuerung der Unternehmensgewinne und Vermögen!



Poststreik – die einzige Sprache, die sie kennen!

Helga Müller, Infomail 1215, 4. März 2023

Die Deutsche Post AG verweigert den Kolleg:innen einen Inflationsausgleich – trotz Milliardengewinnen. Daraufhin hat sich die ver.di-Tarifkommision für die Urabstimmung über einen Vollstreik entschieden. Die Abstimmung läuft bis zum 8. März. Mit einem klaren Ja ist zu rechnen – und damit steht die Tür offen, die Konzernleitung in die Knie zu zwingen: durch einen unbefristeten Durchsetzungsstreik gegen die Bedrohung der Post AG mit Auslagerung und der „Arbeitgeberverbände“ mit Verschärfung des Streikrechts!

Die Forderungen …

Wie bekannt hat sich die ver.di-Tarifkommission bei der Deutschen Post AG nach einer Mitgliederbefragung dazu entschieden, eine lineare Erhöhung der Gehälter von 15 %, eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung für Azubis und Student:innen in der dualen Ausbildung von 200 Euro und eine Verlängerung der Postzulage für die noch 20.000 Kolleg:innen mit Beamtenstatus zu fordern.

Begründet wird das zum einen mit der schlechten Bezahlung der überwiegenden Mehrheit der Kolleg:innen. Von den 160.000 Tarifbeschäftigten bei der Deutschen Post AG sind 140.000 in den Entgeltgruppen 1 bis 3 eingruppiert, was einem Monatsbruttogrundgehalt zwischen 2.108 und 3.090 Euro entspricht (Angaben nach ver.di). Zum anderen mit den schlechter gewordenen Arbeitsbedingungen durch massiven Stellenabbau, ein drastisch ausgedünntes Filialnetz mit der Folge, dass die Kolleg:innen überbelastet sind durch die ständig wechselnden und größeren Zustellungsgebiete.

Die Inflation schlägt gerade bei diesen schlecht bezahlten Beschäftigten bei der Post – immerhin fast 90 % – besonders hart zu, denn diese müssen einen höheren Anteil ihres Gehalts für die höheren Preise bei Energie und Lebensmitteln ausgeben.

 … und Rekordgewinne

Auf der anderen Seite kann sich die Deutsche Post AG diese Erhöhung leicht leisten, da diese in zwei Jahren in Folge Rekordgewinne eingefahren hat: 2021 von 5,1 Milliarden und 2022 sogar 8,4 Milliarden Euro! Die Beschäftigten haben dies mit mieser Bezahlung – so betrug der Reallohnverlust laut ver.di allein im vergangenen Jahr 5,9 % (zit. nach nd-aktuell, 15.2.23: „Gewerkschaft Verdi im Superkampfjahr“) – und schlechter gewordenen Arbeitsbedingungen bezahlen dürfen!

Nach 3 Verhandlungsrunden und Warnstreiks, an denen sich über 100.000 Beschäftigte in den Brief- und Paketzustellzentren punktuell beteiligten, hatte der Postvorstand die Forderungen zunächst als realitätsfern und nicht umsetzbar bezeichnet und dann in der dritten Runde ein Angebot vorgelegt, das nach Angaben von ver.di sehr komplex ist, da steuer- und abgabenfreie Zahlungen mit tabellenwirksamen Festbeträgen kombiniert werden und daher individuell sehr unterschiedliche Auswirkungen zeitigen (Details s. hier: https://psl.verdi.de/tarifrunde2023/angebot). Diese liegen weit entfernt von den ver.di-Forderungen nach einem Inflationsausgleich. Nach ver.di-Berechnungen würde das Angebot lediglich eine durchschnittliche Tariferhöhung von 9,9 Prozent betragen und das auf eine Laufzeit von 2 Jahren gerechnet (Zit. nach nd-aktuell, 15.2.23: „Gewerkschaft Verdi im Superkampfjahr“)!

Urabstimmung

Vollkommen zu Recht hat die Tarifkommission dieses Tarifergebnis als völlig unzureichend bezeichnet und ihre Mitglieder zur Urabstimmung über einen unbefristeten Streik aufgerufen. 75 % müssen sich nun bis zum 8. März für den unbefristeten Streik entscheiden, damit es zu Durchsetzungsstreiks kommt.

Die Bedingungen dafür sind gut: Zum einen ist die Wut über die arrogante Haltung des Postvorstandes angesichts der Rekordgewinne in den letzten beiden Jahren und der immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen groß. Zum anderen ist die Notwendigkeit, einen realen Inflationsausgleich durchzusetzen, aufgrund der schlechten Bezahlung, die durch die galoppierende Inflation schnell aufgefressen wird, bei den Postbeschäftigten besonders dringlich! Obendrauf kommt dann auch noch die Androhung des Postvorstandes inmitten des Urabstimmungsverfahrens, noch mehr Betriebe und Bereiche zu noch schlechteren Arbeitsbedingungen auszugliedern und damit die Tarifbindung zu unterlaufen. Gerade damit haben die Kolleg:innen in den letzten Jahren genügend Erfahrung gemacht. Das führt sicherlich zu noch mehr Wut und Ärger unter ihnen.

Gut organisiert

Zudem sind sie gut organisiert: Der Organisationsgrad liegt insgesamt im Durchschnitt bei 70 % bundesweit, wobei es hier auch starke regionale Unterschiede gibt. Es gibt Bereiche, die bis zu 90 % organisiert sind, aber es gibt auch solche, wo der Organisationsgrad unter 50 % liegt – vor allem bei Dienststellen mit vielen Teilzeit- oder befristeten Beschäftigten. Alles in allem sind das aber gute Voraussetzungen, um auch einen Durchsetzungsstreik durchzuhalten.

Die Kampfkraft der 160.000 Beschäftigten bei der Post könnte zusätzlich verstärkt werden, da auch die 2,3 Millionen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen gerade in Tarifverhandlungen stehen. Die dritte und vorerst letzte Verhandlung findet dort vom 27. – 29. März statt. Auch wenn sich die Kolleg:innen im öffentlichen Dienst noch in der Warnstreikphase befinden, könnten gemeinsame Streiks und Protestkundgebungen erfolgen. Solche haben bereits vor der dritten Tarifrunde bei der Post in mehreren Städten stattgefunden, die auch von den Kolleg:innen aus den beiden Bereichen sehr positiv aufgenommen wurden, zudem sich auch die öffentlichen Arbeit„geber“:innen stur stellen!

Diese Zusammenführung ist dringend nötig, denn zum einen werden voraussichtlich auch die Verhandlungsführer:innen aus Kommunen und Bund sich bis zur dritten und vorerst letzten Tarifverhandlung weigern, ein Angebot, das einen Inflationsausgleich beinhaltet, zu unterbreiten mit dem Hinweis auf angeblich leere Kassen – auch wenn mit einem Handstreich 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung lockergemacht wurden und es genügend Spielraum gäbe, die Gewinne von Unternehmen, die auch während der Pandemie und Energiekrise Profite eingefahren haben, abzuschöpfen. Dies wird den ver.di-Vorstand mit großer Wahrscheinlichkeit auch dazu nötigen, eine Urabstimmung abzuhalten – mit der Einschränkung, dass es hier vorher noch zu einem Schlichtungsverfahren zu kommen droht.

Streikrecht

Zum anderen droht nicht nur der Postvorstand mit neuen Angriffen. Die CDU-Mittelstandsvereinigung – also Unternehmerzusammenschlüsse – fordern bereits aufgrund der zweitägigen Warnstreiks bei mehreren Flughäfen eine Einschränkung des Streikrechts. „Das Streikrecht dürfe nicht missbraucht werden, um im ‚frühen Stadium von Tarifverhandlungen unverhältnismäßig Druck auszuüben und durch die Einbeziehung kritischer Infrastrukturen schweren Schaden auszurichten’, heißt es in einem Papier der Mittelstandsunion.“ (Zit. nach nd-aktuell, 20.2.23: „Das Kapital zeigt bei der Post & Co. seine Zähne gegen Streiks“)

Gegen diesen Angriff braucht es auch eine offensive Antwort von Seiten der Gewerkschaften! Die nach wie vor betriebene Sozialpartnerschaft mit Appellen an die Vernunft der Verhandlungsführer:innen durch die Gewerkschaftsführungen, die auch immer wieder bei den Verlautbarungen von ver.di sowohl bei der Tarifrunde Post als auch öffentlicher Dienst anklingen, wird die „Arbeitgeber:innen“ nicht weiter beeindrucken! Im Gegenteil, wenn wir uns nicht mit allen Mitteln gemeinsam wehren, droht das zu einer großen Niederlage der Gewerkschaftsbewegung zu führen. Nicht nur, dass dann viele enttäuschte Kolleg:innen, die für ihre Ziele gestreikt haben, die Gewerkschaftsbücher hinwerfen könnten, es würde auch das gesellschaftliche Kräfteverhältnis noch weiter zugunsten des Kapitals verschieben!

Ein erster guter Ansatz, der mittlerweile in verschiedenen Bezirken – aber noch lange nicht in allen – existiert, sind gemeinsame Bezirkskampfleitungen, in denen die aktiven Kolleg:innen aus den verschiedenen Bereichen, die sich gerade in Tarifverhandlungen befinden, zusammenkommen und über gemeinsame Aktionen diskutieren. Diese müssen auch das Recht bekommen zu bestimmen, gemeinsame Streiks durchzuführen.

Konsequenzen aus den letzten Tarifrunden

Darüber hinaus müssen aber auch die Konsequenzen aus den letzten Tarifrunden gezogen werden, bei denen die Gewerkschaftsführungen auf unterschiedliche Art und Weise immer wieder faule Kompromisse mit den „Arbeitgebern:innen“ gefunden haben, weil sie nicht mit der Politik der Klassenzusammenarbeit brechen wollen und damit letztendlich den Wirtschaftsstandort Deutschland gegen die internationale Konkurrenz zu verteidigen versuchen.

Die streikenden Kolleg:innen, die ein wirkliches Interesse an der vollen Durchsetzung der Forderungen hegen, müssen die Entscheidung über den Fortgang der Kampfmaßnahmen erhalten. Dafür brauchen sie auch Einblick in den Stand der Verhandlungen und das Entscheidungsrecht darüber, wie der Streik fortgeführt wird. Einzelne Elemente der Streikdemokratie gab es in den beiden Krankenhausbewegungen in Berlin und NRW: Z. B. wurden die Tarifdelegierten oder -botschafter:innen über die Ergebnisse der Verhandlungen zeitnah informiert und konnten über den Fortgang mitentscheiden. Auch die streikenden Kolleg:innen wurden z. B. in der NRW-Krankenhausbewegung in Streikversammlungen über das letzte Tarifergebnis informiert, konnten es diskutieren und darüber entscheiden. Es hatte sich zwar eine Mehrheit dafür ausgesprochen, aber z. B. die Kolleg:innen in Düsseldorf stimmten nach einer längeren Diskussion gegen das Ergebnis!

Aber all dies beruhte auf einer „freiwilligen“ Entscheidung der Tarifkommission, über das Verhandlungsergebnis nicht ohne Befragung und Abstimmung unter den streikenden Kolleg:innen zu entscheiden. Letztendlich hatten aber immer noch die Gewerkschaftsfunktionär:innen das letzte Wort, was sich z. B. im „verfrühten“ Abschluss bei der Charité und Vivantes niederschlug und dazu führte, dass die Kolleg:innen der ausgelagerten Tochtergesellschaften am Schluss allein für die Anerkennung des TVöD in den Töchtern kämpfen mussten. (S. a.: https://arbeiterinnenmacht.de/2021/10/04/vorlaeufige-bilanz-des-berliner-klinikstreiks-vor-der-entscheidung/ und https://arbeiterinnenmacht.de/2022/06/18/nrw-unikliniken-in-der-8-streikwoche-licht-und-schatten/; https://arbeiterinnenmacht.de/2022/07/21/streik-der-unikliniken-nrw-beendet/)

D. h. freiwillige Zusagen der Tarifkommissionen über eine engere Zusammenarbeit und Abstimmung unter den streikenden Kolleg:innen sind zwar positiv zu bewerten, reichen aber nicht aus. Was es braucht, sind Streikkomitees – wie sie an der Uniklinik Essen aufgebaut und praktiziert wurden –, bestehend aus Delegierten verschiedener Bereiche, die jederzeit abwählbar sein müssen und die Aufgabe haben, die Diskussion und Abstimmung über die Fortführung der Tarifrunde auf Streikversammlungen mit den streikenden Kolleg:innen zu organisieren. Solche Streikkomitees, mit Hilfe derer die streikenden Kolleg:innen selbst demokratisch entscheiden können, sind überall in allen Betrieben, Dienststellen oder Büros, aber auch auf lokaler, regionaler und letztendlich auch auf Bundesebene nötig, damit sie selbst ihren Kampf unter ihre eigene Kontrolle bekommen und damit der Sozialpartnerschaftspolitik der Führung funktionierende Strukturen entgegensetzen können.