E-Auto statt Verkehrswende?

Mattis Molde, Neue Internationale 284, Juli/August 2024

Die Zulassungszahlen für Elektroautos sind im ersten Quartal um 30 % gefallen. Hinter dieser Randnotiz verbirgt sich eine Krise des gesamten klimapolitischen Szenarios.

Das E-Auto geriet in den letzten Jahren zur Schlüsselfigur im Konzept der deutschen Regierungen, mit der Klimakrise umzugehen. Nachdem es vor rund 10 – 15 Jahren immer schwerer wurde, die Klimakrise zu leugnen, Massenbewegungen wie Fridays for Future auftraten und Umweltkatastrophen zunahmen, versuchten die politischen und wirtschaftlichen Entscheider:innen, daraus ein neues Geschäftsmodell zu konstruieren. Die deutsche – und im Gefolge europäische Industrie – sollten mit umweltgerechten, klimafreundlichen Innovationen ihre Weltmarktanteile verteidigen, Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland sichern und nebenbei die (Um-)Welt retten.

Große Koalition fürs Exportkapital

Die ganz große Koalition aus Exportkapital, Kleinunternehmen, offiziellen Umweltverbänden und Gewerkschaftsbürokratie und deren politische Parteien fanden sich da zusammen und wurden alle irgendwie „grün“, d. h. sie verbreiteten Ideen und Ideologien, dass sie die Welt auf kapitalistischer Basis neu gestalten könnten.

Hinzu kam, dass die deutsche Autoindustrie selbst den Einstieg in die E-Mobilität lange hinausgezögert hatte und hinter die chinesische und US-amerikanische Konkurrenz zurückzufallen begann – ein Trend, der auch bis heute nicht gebrochen werden konnte.

Gerade für die deutsche Variante des „Green New Deal“ war das Elektroauto das Herzstück dieses Modells, da die Autoindustrie eine zentrale Rolle für die Position Deutschlands auf dem Weltmarkt und in der Kette der führenden imperialistischen Staaten spielt. Profite aus Autos – mit, aber vor den Branchen Maschinenbau, Chemie oder Rüstung – sichern nicht nur „unsern Wohlstand“, sondern auch die politische Dominanz in Europa. Hohe Exportüberschüsse bringen Verschuldung. Schuldner:innen sind erpressbar. Wir haben Griechenland nicht vergessen.

Widersprüche

In dieser großen Koalition waren Widersprüche angelegt. Für die Autokonzerne zählen nur Profite und für sie hieß E-Auto nicht umweltschonend produzieren oder fahren, sondern möglichst große, also schwere und teuere, E-SUV für die Reichen dieser Welt, die – trotz oder wegen der multiplen Krisen – immer reicher geworden sind, zu fertigen. Begrenzte Ressourcen – egal, wenn es für uns reicht. Fehlende Ladeinfrastruktur, zu schmale Straßen, zu wenig Parkraum in den Städten – alles Probleme und Aufgaben des Staates. Und die Regierungen subventionierten die Autokonzerne wie noch nie: Kaufprämien, Forschungungsgelder, Kurzarbeitszuschüsse, ein Transformationsfonds nach dem anderen.

Diese spiegelt wider, dass „der Markt“ selbst keineswegs eine technologische Umstellung garantiert, zumal wenn große Teile des fixen Kapitals stofflich in einer bestimmten Produktionstechnik gebunden sind. Unter den Bedingungen der Vorherrschaft großer, monopolisierter Branchen erfordert eine solche geradezu massive Staatsintervention, sei es durch den deutschen Imperialismus oder die EU, um die Milliardenkosten für die Transformation anderen – und das heißt zuerst der Arbeiter:innenklasse, teilweise aber auch anderen Kapitalfraktionen – aufzuhalsen. Daraus speisen sich nicht nur linke, sondern letztlich auch rechte Kritik am „Green New Deal“, Letztere auf unterschiedliche Weise von AfD und FDP verkörpert.

Die linken Kritiker:innen dieses deutschen Modells, das nie eine Verkehrs-, sondern nur eine Antriebswende werden sollte, für die weiter Autobahnen gebaut werden, aber keine Schienen verlegt werden müssen, konnten sich über die Jahre kaum Gehör verschaffen. Sie sind am radikalen Rand der Umwelt-, antikolonialistischen Bewegung oder antikapitalistischen Linken zu verorten. Ihre Argumente, dass die CO2-Belastung aus Verkehr zu- statt wie geplant abnimmt, ihr Hinweis auf die horrenden sozialen und Umweltschäden, beispielsweise durch Lithiumabbau, aber auch den Abbau von Arbeitsplätzen oder die Verlagerung von Produktionsanlagen, die für klimagerechte Fahrzeuge benötigt würden, wurden von Hauptträger:innen dieser Koalition ignoriert.

Es stellt keine Überraschung dar, dass Großkapital und seine Vertretung in CDU/CSU und FDP die grüne Schminke eh nie ernst genommen haben. Im Grunde stimmt das auch für die Grünen, aber ihr Schwenk zu immer offener imperialistischer Politk an der Regierung hat großen Anteil an der Diskreditierung der Umweltbewegung. Besonders übel ist aber die Politik der Gewerkschaften, vor allem der IG Metall, die die Frage der Konversion, also der Umwidmung von Produktion aus der Autoindustrie völlig den einzelnen Betrieben, also letztlich dem Kapital überlässt. Dieses hat vor allem die Verbrennerproduktion ins Ausland verlagert und produziert die E-Motorenteile von vorneherein überwiegend dort. Die bedrohten und arbeitslosen Metaller:innen werden so den Klimaleugner:innen und Rassist:innen geradezu zugetrieben.

Kollaps

Der Einbruch bei den Zulassungszahlen ist vordergründig veranlasst durch das Auslaufen der Kaufprämie für E-Autos, liegt aber völlig im Trend. Seit Jahren läuft die Bundesregierung dem Ziel, bis 2030 15 Mio. E-Autos auf deutschen Straßen verkehren zu lassen, meilenweit hinterher. Derzeit sind es etwas über eine Million, was schon vor 4 Jahren hätte erreicht werden sollen.

Weil das E-Auto nicht läuft, will VW 60 Milliarden in die (Weiter)-Entwicklung von Verbrennungsmotoren investieren. Daimlerchef Källenius verkündet, dass „wir auch unsere Hightech-Verbrenner auf dem neuesten technologischen Stand halten.“ In der EU wurde das an sich anvisierte Verbrenneraus bis 2035 auf dem letzten Meter durch die deutsche Regierung gekippt.

Das Großkapital hat also den E-Autokonsens gesprengt. Die Aussicht heißt: vorwärts in die Klimakatastrophe, mit den Glaubenssätzen und Techniken von gestern und den Modellgrößen und Stückzahlen von heute.

Grüne und reformistische Verteidigung

In dieser Situation verteidigen die Grünen und Reformist:innen das E-Auto. Das hat die IG Metall bereits in ihrem 11-Punkte Papier getan. Allerdings gibt es dort aus den Reihen der Auto-und Zulieferindustrie Betriebsräte, die für die Rückkehr zum Verbrenner eintreten – in der „grünen“ Wasserstoff-Variante.

Auf der Mobilitiätswendekonferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung Ende Mai sprach sich der Soziologe Klaus Dörre ebenso dafür aus, das E-Auto zu verteidigen, weil es auch gerade die Arbeitsplätze in den ostdeutschen Standorten sichere. Vehement griff er diejenigen an, die mit Blockaden und anderen Protesten gegen die Erweiterung von Tesla östlich von Berlin protestieren.

Verkehrswende statt E-Auto

Dem reaktionären Schwenk der deutschen Bourgeoisie folgt also ein Rechtsruck der Grünen und Reformist:innen. Klimabewegung, (Öko-)Sozialist:innen und kämpferische Gewerkschafter:innen dürfen diesem nicht nachtraben. Im Gegenteil!

Der E-Autokonsens hat sich entlarvt als das, was er schon immer war: ein Bündnis für den Exportschlager Privat-PkW, der eine so wichtige Rolle für den deutschen Imperialismus spielt. Die reine Antriebsdebatte war schon immer eine Sackgasse, jetzt wäre sie eine üble Falle.

Umso wichtiger ist es, den Kampf für die Beschränkung des Autoverkehrs insgesamt zu führen:

  • Massiver Ausbau des Bahnverkehrs und von Busstrecken.
  • Verringerung des Autoverkehrs in den Städten durch Größe- und Gewichtsbeschränkung der Fahrzeuge. Kostenloser öffentlicher Nahverkehr.
  • Verstaatlichung aller Fernverkehrsbetreiber:innen unter Kontrolle der Beschäftigten und der Klimabewegung.
  • Finanzierung dieser Maßnahmen durch Besteuerung der Konzerne und privaten Vermögen.

Wir schlagen eine Konferenz zu diesem Thema vor, um sich gemeinsam über die Inhalte, z. B. eine gemeinsame Erklärung, und über Aktionen zu verständigen.

Praktische Ansätze können Betriebe liefern, in denen die Belegschaft gegen die Stilllegung kämpft oder gekämpft hat, wie Ford Saarlouis, wo bis 2025 die Produktion eingestellt werden soll und bis 2032 die 3.700 Arbeitsplätze wegfallen sollen.

Ein zweiter guter Ansatz liegt darin, die Belegschaft des besetzten (Ex-)GKN-Werkes bei Florenz zu unterstützen. Diese muss jetzt zwar die Konversion als Genossenschaft betreiben, aber bildet ein gutes Beispiel dafür, dass eine Belegschaft Alternativen zum Betteln nach „neuen Investor:innen“ oder Sozialplänen entwickeln kann.

Drittens müssen wir dafür sorgen, dass Gewerkschaften und Beschäftigte Hand in Hand mit Umweltaktivist:innen wie z. B. den Protesten gegen Tesla kämpfen.

Eigentumsfrage

Nachdem das Großkapital als stärkste Kraft der deutschen Bourgeoisie gezeigt hat, dass seine Interessen und die Zwänge des Weltmarktes nicht mal eine grün geschminkte Verkehrswende zulassen, sollten die antikapitalistischen und radikalen Kräfte, die schon immer das E-Auto kritisiert haben, die Chance nutzen für eine Offensive.

Eine Verkehrswende, die diesen Namen verdient, kann allenfalls Stückwerk bleiben, wenn die großen Produktionsunternehmen weiter privatkapitalistisch betrieben werden. Die großen Automobilkonzerne und Zulieferindustrien müssen entschädigungslos enteignet werden. Nur auf dieser Grundlage können die vorhandenen Produktionskapazitäten für eine geplante Transformation von Produktion und Verkehrssystem unter Arbeiter:innenkontrolle verwendet werden. Nur so können alle Entlassungen und jeder Lohnverlust verhindert und die Beschäftigten selbst umgeschult werden auf ökologisch nachhaltige Produktion. Dazu brauchen wir eine über Teilkämpfe hinausgehende, antikapitalistische Strategie, denn eine ökologische Transformation im Verkehrssektor (oder jeder anderen einzelnen Branche) ist letztlich nur möglich, wenn sie in eine grundsätzliche, sozialistische Umgestaltung eingebunden ist.




Nordsee-Küstenregion: Streiks vor Anker im sicheren Tarifhafen?

Bruno Tesch, Infomail 1258, 21. Juni 2024

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) rief Seehäfenbeschäftigte zu einem zentralen Streiktag am 17. Juni 2024 in Hamburg auf. Dazu fuhren die Beschäftigten der anderen vom Streik betroffenen Seehäfen nach Hamburg und streikten dort gemeinsam.

Vom Streik betroffen sind der Hamburger Hafen, die Häfen Bremen sowie Bremerhaven, Brake und Emden. Die Streiks wurden je nach Hafenstandort 24 bzw. ca. 48 Stunden lang bis zum 18. Juni 2024 durchgeführt.

Hintergrund ist, dass die Arbeit„geber“:innen, der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe e. V. (ZDS), in der zweiten Verhandlungsrunde am 6. Juni kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt hatten. Mit dem Streik sollte nach offizieller Bekundung ver.dis der Druck auf die Gegenseite erhöht werden, in der dritten Runde ein solches zu präsentieren.

„Mit ihren Streiks in Hamburg, Bremen, Bremerhaven und Emden haben die Hafenbeschäftigten bereits in der vergangenen Woche eindrucksvoll gezeigt, dass sie sich für ihre Forderungen starkmachen. Ab Montag wird der Druck nochmals erhöht, um den Arbeitgebern klarzumachen, dass die Beschäftigten hinter den Forderungen stehen und eine wirkliche Lohnerhöhung benötigen“, meinte ver.di-Verhandlungsführerin Maren Ulbrich. Das bisherige Arbeit„geber“:innenangebot bedeute für die Beschäftigten keinen echten Reallohnzuwachs; zudem sei die soziale Komponente völlig unzureichend.

Ver.di fordert eine Erhöhung der Stundenlöhne um drei Euro zum 1. Juni 2024 sowie eine entsprechende Anhebung der Schichtzuschläge, inklusive einer Nachholung der ausgebliebenen Erhöhung der Schichtzulagen im Tarifabschluss 2022, bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von zwölf Monaten.

Ulbrich: „Es kommt darauf an, dass insbesondere die unteren Lohngruppen durch die Lohnerhöhungen finanziell entlastet werden. Die Inflation der vergangenen Jahre hat sie besonders schwer getroffen. Das hat der ZDS zwar verstanden und im vorliegenden Angebot berücksichtigt, aber bei weitem nicht im erforderlichen Maße. Zudem müssen die Lohnunterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen reduziert werden. Und einen Reallohnzuwachs muss es auch in den oberen Lohngruppen geben.

Auch die dritte Verhandlungsrunde lief unterdessen ergebnislos ab.

Schlussfolgerungen aus der letzten Tarifrunde

Der angesprochene Tarifabschluss vor 2 Jahren wirft wieder einmal mehrere Fragen auf: nach der sogenannten „Friedenspflicht“, die die Seite der Lohnabhängigen zwischen den Tarifrunden knebelt, nach ständiger Arbeiter:innenkontrolle über die Einhaltung der Tarifabschlüsse und schließlich nach Verkürzung der Laufzeit von Tarifverträgen.

Konkrete Minuspunkte der Annahme des Verhandlungsergebnisses vom September 2022 waren neben der fatalenBeibehaltung der Tariflaufzeit von zwei Jahren der Sonderstatus der sogenannten C-Betriebe mit geringerer Wirtschaftskraft, in denen die Beschäftigten nach Lohn- und Arbeitsbedingungen schlechtergestellt sind. Sie blieben unterhalb des Inflationsausgleiches und vergrößerten die Kluft zwischen verschiedenen Bereichen innerhalb des Industriezweigs.

Für die diesjährige Tarifrunde fürchtet die ver.di-Funktionär:innenriege wohl eher ihre nicht so ganz pflegeleichte Gewerkschaftsbasis als die Auseinandersetzung mit dem Tarif„partner“ ZDS. Gewarnt von der damaligen Streikentschlossenheit, die auch jetzt nicht völlig verraucht ist, verfährt ver.di offensichtlich nach einer ähnlichen Routine wie schon 2022 und beginnt mit Warnstreiks, die sie dann in einer sternförmigen Zentralkundgebung kulminieren lässt. Diese findet jetzt bereits frühzeitiger statt, 2022 erst am 13. Juli. So glaubt man, schneller Druck aus dem Kessel nehmen zu können. Danach steht zu befürchten, dass die Gewerkschaftsspitze sich wieder willig gerichtlichen Anordnungen zur Aussetzung von Kampfmaßnahmen beugen wird, und um in aller Gemütsruhe ihrer Lieblingsbeschäftigung, Verhandlungen mit der anderen Seite hinter heruntergelassenen Jalousien, nachgehen zu können.

Gewerkschaftliche Solidarität?

Auch in der Frage von Solidarität zwischen Gewerkschaften verschiedener Branchen regiert das bürgerliche Klassenrecht, dem sich die Bürokratie willig unterordnet und das ihr leichtere Handhabe für die Kontrolle und Isolierung der Arbeiter:innenbewegung gibt. Dem dienen auch die normalerweise zeitlich auseinandergezogenen Tarifverhandlungsrunden der Einzelgewerkschaften.

Parallel findet diesmal immerhin die Tarifrunde der IG Metall statt. Von einer Zusammenarbeit in der Vorbereitung bei möglichen Streikmaßnahmen ist jedoch nichts zu vernehmen. Koordiniert dagegen läuft die Strategie für die Einhegung der Tarifverhandlungen auf reine Lohnfragen ab. Die noch vor kurzem angestoßene Debatte über die Viertagearbeitswoche spielt keine Rolle mehr. Die IGM-Vorsitzende Christiane Benner tönte, „ein Großteil der Bevölkerung sorge sich, den Lebensstandard nicht mehr halten zu können. Mehr Geld für Arbeit,nehmer’ sei deshalb ein Beitrag zur Stabilisierung der Gesellschaft. Unsere Tarifpolitik zeichnet Verlässlichkeit und Verantwortung aus.“ Staatstragende Lektion auswendig gelernt!

Ein Schulbeispiel für Denken und Handeln der Bürokrat:innen: Flexibel und anpassungsfähig versuchen sich die Gewerkschaftsspitzen, gegenüber der bürgerlichen Öffentlichkeit zu präsentieren. In bürokratischen Beton gegossen bleibt jedoch ihre reformistische Ideologie, mit der sie die Interessen der Arbeiter:innenklasse lediglich verwalten.

Die bestimmt auch ihre taktischen Überlegungen und engt ihren Handlungsspielraum auf vom bürgerlichen Staat und seiner Räson vorgegebene legale Agenda und Bewegungsareale ein. Die Gewerkschaften haben „politisch Lied – garstig Lied“ aus Goethes Faust verinnerlicht und versuchen alles, um politische Aspekte aus ihren Stellungnahmen und Vorgangsweisen herauszusäubern.

Branchen- und weltpolitische Herausforderungen

Ist auch von dieser Seite keine Unterstützung für die Hafenarbeiter:innen zu erwarten, so enthält die jetzige Lage allerdings zwei neue Aspekte gegenüber der von vor zwei Jahren, die für den Hafen- und Transportbereich von besonderer Bedeutung sind.

Brisant ist weiterhin das Thema des sogenannten MSC-Deals, das in Hamburg schmort. Der vom Senat forcierte Verkauf von 49 % Anteilen an der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) an die privatkapitalistische Riesenreederei Mediterranean Shipping Company (MSC) sorgt seit mehr als einem Jahr für Unruhe unter der Hamburger Hafenarbeiter:innenschaft. Zuletzt am 1. Mai 2024 machte sich ihr Zorn wieder mit organisierten Protesten und scharfen Angriffen gegen den sozialdemokratisch geführten Senat lautstark bemerkbar.

Ver.di dürfte sich schwertun, diese eklatante Bedrohung aus dem „normalen“ Tarifgeschehen herauszuhalten, zumal MSC nicht dem ZDS angehört und für ihre rigorosen Entlassungs- und Arbeitsintensivierungspraktiken berüchtigt ist, die sie zweifellos in den Kernpunkten im Hamburger Hafenbetrieb durchzusetzen gewillt ist.

Auch Ereignisse von weltpolitischer Tragweite schlingern nicht ohne Sogwirkung an den deutschen Seehäfen vorbei. Von dort aus werden auch Rüstungsgüter verschifft. Zwar hat der DGB angesichts dieser Situation bislang immer noch  offiziell auf stumm geschaltet, doch der internationale Druck wächst. Immerhin haben sich etliche Gewerkschaften, v. a. in den USA und Belgien, einem Aufruf zum Boykott von Waffenlieferungen an Israel für dessen Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung angeschlossen. Eine von Gewerkschafter:innen veranstaltete Friedenskonferenz am 14./15. Juni 2024 in Stuttgart hat diese Frage auch ins Inland getragen. In Hamburg besteht seit einigen Jahren bereits eine Initiative zum Boykott von Rüstungslieferungen.

Also gilt es für Revolutionär:innen und Aktivist:innen, nicht nur die berechtigten Forderungen von ver.di in der Tarifauseinandersetzung mitzutragen, sondern sie auch entscheidend zu erweitern, um eine Verbindung zum Kampf gegen Privatisierung aller Bereiche von Transport und Verkehr und für organisierte internationale Solidarität gegen die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung.




Solidarität mit den Hafenstreiks! Gemeinsam gegen Waffenlieferungen!

Erklärung der untenstehenden Organisationen und Einzelpersonen zu den anstehenden Hafenstreiks in Deutschland, 7. Juni 2024, Infomail 1256, 9. Juni 2024

Die Beschäftigten der deutschen Seehäfen befinden sich aktuell in Tarifverhandlungen. Tausende Hafenarbeiter:innen, die in der Gewerkschaft ver.di organisiert sind, fordern drei Euro mehr Lohn und Anhebung der Schichtzuschläge. Die Streiks haben begonnen. Angesichts der starken Inflation und der immer weiter steigenden Rekordgewinne sind diese Forderungen das Mindeste, was den Hafenarbeiter:innen als wirklichen Produzenten dieses Reichtums zusteht. Ebenfalls kämpfen die Hafenbeschäftigten gegen die Privatisierung ihrer Betriebe, die potenziell zu Entlassungen führen kann. 

Die Stadt Hamburg hat mit dem Reederei-Riesen MSC die Privatisierung der HHLA ausgehandelt- auch dagegen richtet sich der Arbeitskampf. Die Auswirkungen dieses Deals gehen über die konkrete Hafenbelegschaft, der in aller Voraussicht massive Kündigungswellen drohen, hinaus und erstreckt sich auf die gesamte Bevölkerung Hamburgs. Der Hafen ist eine der wichtigsten Einnahmequellen der Hansestadt und der Verlust dieser Gelder wird sich zwangsläufig in weiteren Kürzungen im bereits chronisch unterfinanzierten Sozialwesen niederschlagen und so auf die Schultern aller Arbeiter:innen verlagert.

Wir drücken unsere volle Solidarität mit den Hafenarbeiter:innen und ihren Forderungen aus!

Eine weitere wichtige Bedeutung dieses Kampfes entsteht durch die Waffenlieferungen, die von deutschen Seehäfen getätigt werden. Dabei werden insbesondere die Waffenlieferungen nach Israel zunehmend kritisiert. Erfreulich in diesem Sinne ist, dass an den Streiktagen de facto jegliche Waffenlieferungen, unter anderem die nach Israel, blockiert werden.

Nachdem zum zweiten Jahr in Folge die Ukraine auf Platz 1 der Empfänger deutscher Rüstungsexporte steht, tut sich nun der Krieg der israelischen Armee in Gaza auf, in dem Deutschland maßgeblich mitmischt und damit den hiesigen Rüstungskonzernen Profite in Rekordhöhe verschafft. 

Israel wurde nun selbst vor internationalen Gerichtshöfen angeklagt und teilweise bereits für seine Kriegsverbrechen verurteilt. Die Charakterisierung der israelischen Kriegshandlungen als Genozid wird für „plausibel“ erachtet. Deutschland liefert über den Hamburger Hafen also nicht nur Waffen an irgendein Kriegsgebiet, was schon schlimm genug wäre, sondern an eine Besatzungsmacht, die regelmäßig Internationales Recht bricht.

Waffenlieferungen nach Israel von deutschen Häfen

Mithilfe deutscher Rüstungsgüter wurden seitens der israelischen Armee in Gaza bisher 36.171 Menschen ermordet – etwa die Hälfte davon Kinder. 31 von 36 Kliniken in Gaza wurden von israelischen Streitkräften zerstört. 1,5 Millionen Palästinenser:innen, die nach Rafah verjagt wurden erleiden eine humanitäre Katastrophe: sie sind vom Hungertod bedroht und werden in ihren Flüchtlingszelten auch noch bombardiert. Nicht umsonst wird Israel aktuell vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt wegen des Verdachts auf Völkermord – also der Absicht, eine nationale oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zerstören zu wollen. 

Während dieser humanitären Katastrophe und Menschheitsverbrechen ist Deutschland der zweitgrößter Waffenexporteur an Israel. 2023 kamen ca. 47 Prozent aller Waffenimporte im Umfang von 326,5 Millionen Euro aus Deutschland. 75 Prozent dieser Lieferungen sind zwischen Oktober und Dezember 2023 getätigt worden. Darunter Rüstungsgüter von mehr als 16 Unternehmen, darunter Rheinmetall, MTU Friedrichshafen, ThyssenKrupp und Dynamit Nobel Defence. 

Norddeutsche Seehäfen spielen für die Waffenlieferungen eine Schlüsselrolle. Laut der Initiative “Ziviler Hafen” aus Hamburg, die für ein Volksbegehren gegen den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen kämpft, operieren im Hamburger Hafen mehr als 90 Rüstungsunternehmen. Laut “Bremer Friedensforum” stammen 7 Prozent aller Rüstungsgüter, die in Deutschland produziert werden, direkt aus Bremen. 

Hafenarbeiter:innen und Palästina-Solidarität in Deutschland

Wir denken, dass die Hafenarbeiter:innen ein Recht darauf haben, über den Inhalt und Zielort der Lieferungen, die sie tätigen, informiert zu werden. Bisher werden diese Informationen und Geschäftsbücher gegenüber den Beschäftigten -die diese Lieferungen ja überhaupt erst möglich machen- verschlossen gehalten. Es ist das Recht von jedem einzelnen Beschäftigten, zu entscheiden, ob sie an der Lieferung von Rüstungsgütern mitwirken wollen oder nicht!

Ebenfalls wird den Hafenarbeiter:innen das Recht entzogen, bei der Privatisierung der Teile des Hamburger Hafens seitens des Hamburger Senats mitzuentscheiden, ob und unter welchen Bedingungen der Hafen überhaupt privatisiert werden soll. Wir treten für eine demokratische Kontrolle des Hafenbetriebs seitens tausender Hafenbeschäftigten selbst ein! 

Wir treten ebenfalls solidarisch gegen jegliche Repression ein, die das Recht auf Demonstration und Streiks seitens der Hafenbeschäftigten beschränken könnte. 2022 mussten wir sehen, wie ihre Demonstrationen von der Polizei mit Pfefferspray angegriffen wurden und die noch laufenden Streiks richterlich verboten wurden. Regierungsmitglieder und staatsnahe Medien forderten dazu auf, das Streikrecht für Orte wie den Hafen noch weitgehender einzuschränken.  

Ähnliche Einschränkungen unserer demokratischen Rechte sehen wir zugange in der Repression gegen diejenigen Menschen in Deutschland, die in Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung gegen den Krieg auf die Straße gehen. Ganze Demonstrationen werden verboten, Demonstrant:innen werden grundlos festgenommen und körperlich von der Polizei verletzt, während die staatsnahen Medien Lügen über die palästinasolidarische Aktivist:innen verbreiten.

Wir sehen also, dass die Antwort der Herrschenden- sei es die Bundesregierung, Arbeitgeber oder die Polizei- immer dieselbe ist, wenn wir für unsere Rechte und für die Rechte anderer eintreten: Repression. Dagegen hilft nur die gegenseitige Solidarität! 

Und genau das ist auch unser Anliegen: Wir rufen hiermit alle linken, palästina-solidarischen Organisationen, Gewerkschaftler:innen, Studierenden und Friedensinitiativen dazu auf, die Kämpfe in Häfen und Streiks kräftig zu unterstützen! Ebenfalls erklären wir uns bereit, gemeinsam mit unseren Kolleg:innen in deutschen Häfen Diskussionen über die aktuellen Waffenlieferungen nach Israel zu führen und Wege zu finden, diese in Zukunft gemeinsam zu verhindern!

In Katalonien, Italien und Indien haben gewerkschaftlich organisierte Hafenarbeiter:innen bereits angekündigt, keine Waffen nach Israel mehr zu be- oder entladen. In Großbritannien führten Gewerkschaftler:innen der Hafen und palästinasolidarische Aktivist:innen gemeinsam Aktionen durch. Diese internationalen Beispiele sind uns Vorbild und Inspiration! 

In diesem Sinne treten wir auch in Deutschland für eine solidarische und internationalistische Perspektive ein und fordern laut:

  • Für 3 Euro mehr Lohn und Schichtzuschläge für alle Hafenarbeiter:innen!

  • Gegen die Privatisierung des Hamburger Hafens! Für die Entscheidungsmacht der Belegschaft über die Privatisierung!

  • Gegen ALLE Waffenlieferungen aus den Norddeutschen Seehäfen. Für das Recht aller Hafenarbeiter:innen über den Inhalt und Zielort der Lieferungen informiert zu werden und die Ausführung abzulehnen! 

  • Für gemeinsame Aktionen der Hafenarbeiter:innen und palästinasolidarische Aktivist:innen gegen Waffenlieferungen nach Israel!

  • Gegen jegliche Einschränkung unserer demokratischen Rechte- sei es unser Streikrecht, Demonstrationsrecht oder das Recht auf freie Meinungsäußerung! 

  • Für eine öffentliche Positionierung von ver.di und DGB-Gewerkschaften für einen sofortigen Waffenstillstand, gegen den laufenden Genozid in Palästina, gegen deutschen Waffenlieferungen nach Israel und für gewerkschaftliche Mobilisierungen zu palästinasolidarischen Aktionen!

Schließt euch uns an! Unterschreibt die Erklärung als Hafenbeschäftigte, Gewerkschaftler:innen, palästinasolidarische Aktivist:innen, als Einzelpersonen oder Organisationen und werdet mit uns in Solidarität mit den Hafenstreiks aktiv! 

Teilt die Erklärung auf Social Media und leitet den Link an eure Bekannten weiter: https://forms.gle/yAZWHEcU1Y4oqWnJA

Unterschriebene Organisationen: (Alphabetisch) 

– BDS Berlin/Oldenurg

– Bundestag3 für Palästina

– Forum Gewerkschaftliche Gegenmacht Wiesbaden

– Gesundheit4Palestine

– Gruppe Arbeiter:innenmacht

– Internationale Sozialistische Gruppe

– KlasseGegenKlasse / Revolutionäre Internationalistische Organisation

– MERA25

– Migrantifa Berlin

– Münchner Gewerkschaftslinke

– Palästina-Komitee FU Berlin

– Palästina Spricht

– Revolution

– Revolutionäre Sozialistische Organisation

– Sozialistische Alternative

– Spartakist Arbeiterpartei Deutschlands

– Stop Arming Israel

– Students for Palestine Hamburg

– Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften

– Waffen der Kritik




11-Punkte-Programm: IG Metall als beste Gesamtkapitalistin

Martin Suchanek, Neue Internationale 283, Juni 2024

Wenn’s dem Herrn gut geht, geht es auch dem Knecht gut – so etwa lautet die politische Weisheit, das sozialpartnerschaftliche Credo der größten deutschen Gewerkschaft, der IG Metall. Dem deutschen Kapital und unser allem Wirtschaftsstandort geht es schlecht, so jedenfalls die Diagnose der „11 Punkte für ein modernes, innovatives und gerechtes Industrieland“, die die Gewerkschaft am 14. Mai unter dem Titel „Die Zeit drängt“ veröffentlichte. Und wenn es dem Herrn nicht gut geht, dann bereitet das auch Magd und Knecht Sorgen.

„Deutschland steht still, droht im globalen Wettbewerb den Anschluss zu verlieren,“ diagnostiziert die IG Metall. Schuld darin? Erstens eine Regierung, die die Zeichen der Zeit nicht erkennt und auf die Schuldenbremse statt auf Innovation und Konjunkturprogramme wie die USA und China setzt. Zweitens Unternehmen, die vom Standort fliehen, übertriebene und unrealistische kurzfristige Renditeerwartungen verfolgen, statt sich zum „Standort bekennen und hier investieren“.

Mit dieser unpatriotischen, standortfeindlichen Totengräberpolitik will die IG Metall aufräumen und schlägt Alarm. Auch wenn die 11 Punkt im Grunde nichts Neues enthalten, so verdeutlichen sie die politische Einschätzung und Ausrichtung der Gewerkschaftsbürokratie und ihre servile Abhängigkeit von „unseren“ Unternehmen, die „uns“, also den Lohnabhängigen, gar nicht gehören. Doch davon lässt sich die Gewerkschaftsführung nicht weiter irritieren. Wer in „seinem“ Unternehmen mitbestimmt, Standortpakte verhandelt, „sozialverträglich“ Personal abbaut, beim Mitbestimmen das Unternehmensintersinteresse nie aus dem Auge verliert, die/der betrachtet natürlich auch den Nationalstaat, in dem „ihre/seine“ Firmen verwurzelt sind und dessen gesellschaftliches Gesamtkapital sie bilden, auch als ihr/sein Interesse.

Als Vertretung aller Knechte und Mägde, aller Lohnabhängigen macht sich die IG Metall um den Standort nicht nur Sorgen, sie hält ihren Herr:innen auch vor, dass sie sich um ihre und unsere gemeinsamen Interessen nicht richtig kümmern würden. Und der geschäftsführende Ausschuss des Kapitals kommt dank FPD-Depp:innen und Schuldenbremse auch nicht in die Gänge. Glücklicherweise gibt es die IG Metall, die Grünen und SPD beispringt, die Schuldenbremse und, wäre es denn möglich, auch die FDP gern canceln würde. Und sie macht auch gleich klar, worin ihr und unser Ziel im Interesse Deutschlands und seiner Unternehmen besteht: „Wir wollen, dass Deutschland ein erfolgreiches Industrieland bleibt. Unser Ziel: Wir setzen uns bei Innovationen und neuen Technologien an die Spitze.“ Weniger als der Platz 1 in der Weltmarktkonkurrenz kommt für die IG Metall offenbar nicht in Frage.

Daher muss „Deutschland Industrieland bleiben“, damit „wir“ unabhängig sind vom Ausland und – das sagt die IG Metall nicht – als Exportweltmeister:innen dieses wieder stärker von uns abhängig machen können. Außerdem klappt es so auch mit der Transformation und Energiewende. Dafür aber braucht es ein „Bekenntnis der Arbeitgeber zu Standort und Innovation.“

Dafür stehen dann auch die IG Metall und die Lohnabhängigen bei Fuß. „Sie sind die Innovationstreiber. Sie arbeiten hart für den technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt.“ So können „wir“ gemeinsam, in sozialpartnerschaftlicher Eintracht in der Weltmarktkonkurrenz gewinnen – mit „anständigen“ Löhnen zu „angemessenen“ Profiten. Und damit die Energiewende, der Umbau der Konzerne nicht „zu teuer“ werden, muss die Schuldenbremse weg, die Steuergerechtigkeit etwas verbessert werden, so dass Geld genug vorhanden ist für zeitlich begrenzte Subventionen, staatlich garantierte günstigere Energiepreise für alle Unternehmen, ob groß oder klein. Kurzum, damit sich auch die Unternehmen für das Programm der IG Metall erwärmen, sollen sie im Gegenzug für Standortgarantien und gute Löhne motivierte, gut ausgebildet flexible Arbeitskräfte, regelrechte Arbeitsarmeen für die Weltmarktkonkurrenz plus staatliche Förderungen überall da vorfinden, wo der Schuh in der Konkurrenz mit dem Ausland drückt. Das gilt natürlich besonders für den ureigenen Geschäftsbereich der IG Metall, die Autoindustrie, wo es Kaufprämien für E-Autos geben soll und staatliche Fördermaßnahmen, aber nur für Modelle, die zu großen Anteilen in Europa gefertigt werden und nicht etwa in China oder den USA.

Kurzum, die Solidarität mit den Lohnabhängigen weltweit endet bei der Industriegewerkschaft dort, wo es um die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Kapitals geht. Denn nicht irgendein, sondern das deutsche Kapital ist der Herr über die Knechte aus dem IG-Metall-Vorstand. Und dem soll es endlich wieder gutgehen, damit die Knechte und Mägde auch wieder mehr vom Profitkuchen abkriegen können.




Gewerkschaftliche Friedenskonferenz in Stuttgart: Knackpunkt Palästinasolidarität

Christian Gebhardt, Neue Internationale 283, Juni 2024

Zwei größere Kriege spielen derzeit in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland eine Rolle. Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur die Militarisierung in der deutschen Gesellschaft vorangetrieben und viele politische Parteien hinter die Losung: „Frieden braucht Verteidigung!“ vereinigt. Auch die Notwendigkeit des jährlichen 2-prozentigen BIP-Anteils für Militärausgaben hat sich in der deutschen politischen Landschaft durchgesetzt. Gleichzeitig hat sich auch die Friedensbewegung in Deutschland an der Frage des Umgangs mit dem Ukrainekrieg zerlegt und ist noch mehr Schatten ihrer selbst, als sie schon davor war.

Zum Ukrainekrieg kam nun der Israels gegen Gaza hinzu, der in der deutschen Politiklandschaft wie gewohnt zur „Selbstverteidigung“ des Aggressors umgedeutet wird. Kritik am Zionismus wird in den letzten Monaten rassistisch diffamiert und kriminalisiert. Hierbei spielt vor allem die Politik der Gewerkschaften eine wichtige Rolle und welche Kritik hier bezüglich der fehlenden Solidarität mit dem gerechtfertigten palästinensischen Befreiungskampf geübt werden muss.

Die „Friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz“, die am 14./15. Juni in Stuttgart stattfindet, könnte dabei ein Ansatzpunkt für eine Alternative zur Politik der Führungen der DGB-Gewerkschaften sein und so eine Vernetzung fortschrittlicher, antimilitaristischer und palästinasolidarischer Gewerkschaftsstrukturen in Deutschland voranbringen. Ein klares „Nein zu Waffen für den Völkermord in Palästina!“ muss also von der Konferenz ausgehen.

Deutsche Gewerkschaften und Palästina

Mit einer starken gewerkschaftlichen Palästinasolidarität wäre es möglich, über den symbolischen Protest auf der Straße hinaus die israelische Kriegsmaschine zu behindern – durch Blockade von militärischen Gütern, die auf dem See- oder Luftweg transportiert werden, Lahmlegung von Produktionsketten, die für Israel produzieren, aber auch Druck auf Universitäten oder Unternehmen, die über Kooperationen mit ihm indirekt an der Unterdrückung der Palästinenser:innen beteiligt sind. Doch in Deutschland scheinen wir davon weit entfernt.

Entgegen manchen Aktionen internationaler Gewerkschaften veröffentlichte der DGB am 10. Oktober eine Solidaritätsbekundung und offenen Brief an Arnon Bar-David, den Vorsitzenden der Histadrut, unter dem Titel „Solidarität mit Israel“. Dort heißt es unter anderem: „Jede Form von Terrorismus, willkürlichen Tötungen und Verschwindenlassen ist inakzeptabel und wird auf unseren entschlossenen Widerstand stoßen. Die letzten Tage haben uns gezeigt, wie tief Antisemitismus in den Gesellschaften der Welt verwurzelt ist. Wir sind schockiert und besorgt, wie brutal der Antisemitismus auch hier in Deutschland zu Werke ging. ‚Nie wieder’ ist für uns kein leeres Bekenntnis – im Gegenteil. Es ist unsere feste Überzeugung. Wir bekämpfen Antisemitismus hier in Deutschland, aber auch in unseren weltweiten Gewerkschaftsorganisationen. Seien Sie versichert, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um Sie in Ihrem Kampf zu unterstützen, wir stehen eng an Ihrer Seite.“

Dieses Schreiben wirkt noch gemäßigt im Vergleich mit dem der DGB-Jugend, welches am 18.10. verabschiedet wurde. Der Titel „Solidarität mit unseren Freund*innen in Israel“ sagt alles. Dabei erweist sich diese Linie der Solidarität mit dem israelischen Staat seither als das, was sie immer schon war: die Unterstützung eines Kriegs gegen die Bevölkerung von Gaza unter dem Vorwand der „Terrorismusbekämpfung“. Damit nicht genug. Als Gewerkschafter:innen offen die Demonstration „Gaza: Die Waffen müssen schweigen!“ im Januar in Köln unterstützten, war der Apparat bedacht, sehr schnell eine Pressemitteilung herauszugeben und klarzumachen: Der DGB ruft nicht dazu auf. Stattdessen beteilige man sich an der Aktion „Aufstehen gegen Terror, Hass und Antisemitismus – in Solidarität und Mitgefühl mit Israel“. Zusätzlich wurden in manchen Städten am 1. Mai – wie z. B. in Berlin oder Leipzig –  palästinasolidarische Blöcke versucht, aus den DGB-Demonstrationen zu verdrängen. Hier zeigt sich die arbeiter:innenfeindliche Politik der DBG-Bürokratie, indem sie sich offen und direkt gegen die Interessen der palästinensische Arbeiter:innen stellt. Zwar wird in diversen Stellungnahmen immer mal wieder erwähnt, dass man auch für die Zweistaatenlösung eintrete. Aber in dieser ohnmächtigen Formel erschöpft sich schon die „Kritik“ an der israelischen Regierung. Wenige Worte sind für die Situation der Palästinenser:innen reserviert, noch weniger für praktische Initiativen, um wenigstens deren Leid zu lindern.

Konkrete Beschlüsse erkämpfen, aktive Solidarität zeigen!

Um eine gewerkschaftliche Solidarität aufzubauen, sollten wir uns auch an positiven Beispielen orientieren. Gerade wenn man unter schwierigen Bedingungen kämpft, ist es motivierend zu sehen, was in anderen Ländern erreicht wurde: etwa das „National Labor Network for Ceasefire“, dem über 200 US-Gewerkschaften angehören, oder der Aufruf von 14 spanischen Gewerkschaften, den Waffenhandel mit Israel zu beenden.

Die internationalen Aktionen und Aufrufe können nicht nur als positive Beispiele genutzt werden. Es sollte auch in den Debatten aufgezeigt werden, dass der DGB internationale Beschlüsse hat, die er nicht umsetzt und konkret dagegen arbeitet. Wichtig ist dabei, dass es nicht nur darum geht, viele Forderungen oder möglichst lange Texte zu verabschieden, sondern dass man die Kolleg:innen dafür gewinnt, sich in der jeweiligen Gliederung öffentlich zu positionieren und auch aktiv werden zu können.

Das Kräfteverhältnis in den Gewerkschaften zu verändern, wird nicht einfach sein. Für Aktivist:innen ist es zentral zu verstehen, dass die Aktivitäten im Wechselspiel zueinander stehen. Einzelne Beschlüsse alleine werden das Kräfteverhältnis in den Gewerkschaften nicht kippen. Deswegen müssen die Aktivitäten Teil einer gesamtgesellschaftlichen, politischen Solidaritätskampagne sein. Ohne diese wird es schwer, etwas in Gang zu setzen. Auf der anderen Seite kann eine Solidaritätskampagne nur schlagkräftig werden können, wenn es uns gelingt, einen Teil der Gewerkschaftsaktivist:innen für eine internationalistische, fortschrittliche Politik zu gewinnen.

Konkrete Ansatzpunkte können ebenso die offene Solidarisierung mit propalästinensischen Protesten sein, wie es beispielsweise in Berlin die „Healthcare workers for Palestine“ getan haben und so auch einen Teil des zugehörigen Fachbereichs dazu bekamen, sich zu positionieren. Ebenso werfen die kommenden Hafenstreiks das Potenzial auf, die Debatte um die Blockade von Waffenlieferungen zu forcieren sowie der Komplizenschaft des deutschen Imperialismus mit Israel ein Zeichen entgegenzusetzen.

Friedenskonferenz in Stuttgart

Die Friedenskonferenz in Stuttgart stellt, wie oben schon geschrieben, eine Möglichkeit dar, Kräfte, die für eine aktive und basisorientierte Palästinasolidarität in den DGB-Gewerkschaften eintreten wollen, zusammenzubringen und gemeinsame Perspektiven und Aktivitäten zu beschließen. Aber selbst das wird die bewusste Intervention und Initiative von antiimperialistischen und internationalistischen Gewerkschafter:innen erfordern. So nimmt das Thema „Palästina“ keinen Raum im Programm der Konferenz ein. Auch wenn v. a. die Arbeitsgruppen am zweiten Tag Raum zu solchen Diskussionen bereitstellen könnten, wird nicht deutlich, ob die Konferenz eine aktive Auseinandersetzung mit diesem Thema haben – oder ob sie lieber zu Palästina schweigen möchte. Doch damit dies nicht dem Zufall überlassen wird, wollen wir nicht nur auf der Friedenskonferenz selbst intervenieren, sondern auch die Initiative Gewerkschafter:innen4Gaza vorstellen und ein Treffen organisieren, das besagte Punkte thematisiert und die bundesweite Vernetzung vorantreibt!




Staatstragender DGB: Palästinasolidarität unerwünscht

Martin Suchanek, Infomail 1253, 2. Mai 2024

In Berlin und Leipzig erhielten Polizei und Regierungen bei den DGB-Demonstrationen am 1. Mai engagierte Unterstützung von einer weiteren Hilfstruppe zur Durchsetzung der Staatsräson: den Ordner:innen und verantwortlichen Organisator:innen der DGB-Demos.

Internationale Solidarität, die über den Rahmen von hohlen Phasen und unverbindlichen Floskeln hinausgeht, also wirklich Solidarität ist, wurde kurzerhand für unerwünscht erklärt. In Berlin und Leipzig wurde schon das Tragen von Palästinafahnen verboten. Zuwiderhandelnden wurde mit dem Ausschluss aus der Demonstration gedroht, notfalls mithilfe der Polizei. Dass dies keine leere Drohung war, zeigte sich in Berlin, als Genoss:innen festgenommen und der Demo verwiesen wurden. In Leipzig konnten palästinensische und solidarische Aktivist:innen nur mitdemonstrieren, wenn sie ihre Fahnen einrollten.

Damit nicht genug: In Berlin wurde vor allem der klassenkämpferische Block Zielscheibe der Repression und Schikanen. Mehrmals wurde mit dessen Ausschluss aus der Demonstration gedroht. Eine Ordner:innentruppe, die in erster Linie von der Berliner DGB-Jugend gestellt wurde, tat sich dabei besonders hervor. Faktisch handelte es sich um antideutsche, rassistische Nachwuchsbürokrat:innen, die sich bei der Entsolidarisierung mit den Opfern der israelischen Bombenmaschinerie und Besatzung mit vollem Elan ins Zeug legten und immer wieder versuchten, die Polizei ins Spiel zu ziehen. Am Ende der Demonstration versuchten sie schließlich auch noch, den antikapitalistischen Block daran zu hindern, auf den Platz der Abschlusskundgebung zu gelangen, doch diese konnte die antideutsche Bande zum Glück beiseiteschieben.

Damit schließlich auch die Abschlusskundgebung nicht weiter „gestört“ wurde, ließen es sich die DGB-Ordner:innen nicht nehmen, weiter möglichen „Störer:innen“ Platzverweise zu erteilen. Ansonsten wurde von der Bühne wie bei den DGB-Kundgebungen im ganzen Land das „übliche“ Programm der Gewerkschaftsbürokratie abgespult. Nichts von den Lohn- und Einkommensverlusten der letzten Jahre, die die DGB-Gewerkschaften mitorganisiert haben, nichts von den laufenden und kommenden Angriffen – dafür viel Selbstbeweihräucherung, Lob auf die Sozialpartner:innenschaft und Reden, die so mitreißend waren wie die Durchsagen auf einem Bahnhof.

Ein Schlag ins Gesicht

Doch zurück zum eigentlichen politischen Skandal. Internationalismus spielte in den sozialdemokratisierten, bürokratisierten DGB-Gewerkschaften über Jahrzehnte nie mehr als eine dekorative Rolle. In den entscheidenden Momenten der Geschichte standen die Spitzen des deutschen Gewerkschaftsapparates auf Seiten „ihrer“ herrschenden Klasse oder erwiesen sich im Kampf gegen den Faschismus als gelähmt durch ihre Politik der Klassenkollaboration. Insofern sollte der nationalistische Schulterschluss der reformistisch geführten Organisationen niemanden überraschen.

Wohl aber verdienen zwei Aspekte unsere Aufmerksamkeit:

1. Der offensive, reaktionäre Charakter der Ausgrenzung.

Diese richtete sich nicht nur gegen klassenkämpferische, linke und palästinensische Aktivist:innen, Organisationen und Gewerkschafter:innen. Sie ist vor allem auch ein Schlag ins Gesicht der palästinensischen Arbeiter:innen und Gewerkschafter:innen selbst. Deren Aufruf „Beendet alle Komplizenschaft, stoppt die Bewaffnung Israels!“ wurde vom Lautsprecherwagen des klassenkämpferischen Blocks verlesen. Allein den Beschluss zahlreicher palästinensischer Gewerkschaften bekanntzumachen, nahmen die DGB-Ordner:innen zum Anlass, mit einem Ausschluss des Blocks zu drohen. Der Text und die Reden wären „eskalativ“, was insbesondere die Anklage an Israel verdeutlichte, in Palästina einen Völkermord durchzuführen. Gemäß dieser staatstreuen Logik eskaliert also nicht, wer den genozidalen Angriff verübt, sondern wer ihn anprangert und stoppen will.

Diese Absurdität wird nur durch den rassistischen und barbarischen Kern ihres Inhalts übertroffen.

Den DGB-Oberen ist dabei durchaus bewusst, dass diese Position nicht nur den Forderungen der palästinensischen Gewerkschaften, sondern auch den Beschlüssen internationaler Verbände direkt widerspricht. So haben am 31. Januar mehrere große Dachorganisationen (Building and Woodworkers International, Education International, IndustriALL, International Federation of Journalists, International Transport Workers’ Federation, Public Services International, UNI Global Union), denen die meisten DGB-Einzelgewerkschaften angehören, den Aufruf „Global unions call for unified action following ICJ ruling on Gaza genocide case“ veröffentlicht. Darin fordern sie Israel auf, den Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofes (ICJ) Folge zu leisten, „sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um Völkermord zu verhindern und die Aufstachelung zum Völkermord zu bestrafen“.

Doch die Spitzen des DGB und der Einzelgewerkschaften weigern sich beharrlich, diesen und viele weitere Beschlüsse zu übersetzen, zu veröffentlichen und ihnen Folge zu leisten. Statt internationale Solidarität mit den Arbeiter:innen aller Länder heißt das Motto: Staatsräson, gemeinsame Sache mit SPD, Grünen, FPD, CDU/CSU und notfalls auch mit der AfD. Während das Gros der Führungen in den deutschen Gewerkschaften am liebsten zu Palästina nicht sagen will und so die Regierungen nur „passiv“, durch Nichtstun unterstützt, setzen die antideutschen Einpeitscher:innen aus dem bürokratischen Nachwuchs auf offensive Entsolidarisierung, überholen das Gros des Apparates rechts, empfehlen sich solcherart schon für „höhere“ Jobs im Staatsapparat, sollte es mit der Karriere bei den Gewerkschaften doch nicht klappen.

2. Die Ordner:innen und der DGB-Apparat fungieren faktisch als politische Polizei in der Arbeiter:innenklasse.

Das ist zwar geschichtlich nichts Neues, weder in Deutschland noch international, sondern eigentlich ein Kennzeichen für die Gewerkschaften in der imperialistischen Epoche. Aber es erhebt sich die Frage, warum gegen eine im Moment eigentlich selbst nur schwache, oft sogar marginalisierte klassenkämpferische Linke in den Betrieben und Gewerkschaften am Ersten Mai derartig repressive Geschütze aufgefahren werden. Schließlich könnte der Apparat den Linken in den Gewerkschaften mit der über Jahrzehnte erprobten Politik der repressiven Toleranz begegnen, den Linken ihre Reden, Fahnen, Parolen erlauben und zugleich noch alles unter Kontrolle halten.

Der Grund dafür liegt darin, dass der Gewerkschaftsapparat selbst an seine eigenen selbstgefälligen Sonntagsreden nicht glaubt, dass ihm durchaus bewusst ist, dass seine eigene sozialpartnerschaftliche und staatstragende Politik nicht irgendwelche Fortschritte bringt, sondern die Verschlechterungen für Lohnabhängige bloß mitverwaltet und allenfalls sozialer austariert. Daher auch das ständige Mantra der Bürokratie, dass Gewerkschaften und Betriebsräte in die „Transformation“ der deutschen Wirtschaft „eingebunden“ werden müssten. Diese Mischung aus Mahnung, Erinnerung und Bittstellerei an Staat und Kapital kommt nicht von ungefähr. Schließlich wachsen die gewerkschafts- und betriebsratsfreien Sektoren, schließlich vertiefen sich die Spaltungslinien innerhalb der Arbeiter:innenklasse.

Doch statt diesen offensiv entgegenzuwirken, akzeptiert die Politik der Bürokratien ebendiese oder macht bei der Spaltung auch aktiv mit.

So bei der Entsolidarisierung mit den palästinensischen Gewerkschaften, mit den palästinensischen, arabischen und muslimischen Kolleg:innen – und damit beispielhaft mit allen rassistisch Unterdrückten. Die Gewerkschaften reproduzieren faktisch die verlogene „Willkommenskultur“ der deutschen imperialistischen Demokratie, die für immer mehr Menschen Abschottung der Festung Europa, Entrechtung, Lagersysteme für Geflüchtete und Abschiebung bedeutet. Im Gegenzug für diese Politik erhoffen sich die Bürokrat:innen ein paar soziale Zugeständnisse für ihre Kernklientel und auf deren sozialchauvinistische Einbindung in das Geschäfts- und Ausbeutungsmodell des deutschen Imperialismus.

Die Unterdrückung der Kritik an diesem Kurs manifestiert sich heute konkret vor allem an der Palästinasolidarität. Denn hier wird es heute ernst mit Staatsräson wie auf keinem anderen Gebiet. Hier muss man Farbe bekennen.

Das wissen die Gewerkschaftsspitzen. Daher führen sie, ähnlich wie die Regierungen, die Repressionskräfte und Medien auf rechtlicher, polizeilicher und ideologischer Ebene auch in den Gewerkschaften und Betrieben eine Art Präventivschlag. Niemand sollte sich daher der Illusion hingeben, dass das Vorgehen der DGB-Ordner:innen in Berlin und Leipzig ein lokales Ereignis darstelle oder nur auf den „Übereifer“ antideutscher, rassistischer Nachwuchsfunktionär:innen zurückzuführen sei, auch wenn das Vorgehen in den Städten nicht flächendeckend reproduziert wurde. So schritten beispielsweise in München, Nürnberg oder Stuttgart keine Gewerkschaftsordner:innen gegen Palästina-Fahnen oder Parolen ein, in München „begnügte“ sich die DGB-Vorsitzende Burger damit, sich davon zu distanzieren und zu verkünden, dass diese Menschen „nicht Teil unserer Bewegung“ seinen.

Den DGB-Spitzen ist zweifellos klar, dass die „bedingungslose Solidarität mit Israel“ weder in der Bevölkerung insgesamt, noch in der Arbeiter:innenklasse, noch unter den Gewerkschaftsmitgliedern über eine Mehrheit verfügt. Das heißt keineswegs, dass diese einen konsequenten antiimperialistischen, internationalistischen Klassenstandpunkt vertreten würden. Im Gegenteil, der Mehrheit der Arbeiter:innen sind die Geschichte und die Ursachen des Krieges unklar – und es wäre auch ein Wunder, wenn sie angesichts der Monopolstellung der bürgerlichen Medien und ihrer Gegenaufklärung klarsehen würden. Aber sie können dennoch nicht nachvollziehen, warum ausgerechnet an einen Staat weitere Waffen und Kriegsgerät geliefert werden sollen, der binnen weniger Monate rund 35.000 Menschen, davon die meisten Zivilist:innen, wegbombardiert, Millionen zu Flüchtlingen gemacht hat und mit der nächsten Großoffensive droht.

Die Spitzen der Gewerkschaften und die Mehrheit des Apparats wissen im Gegensatz zu den unteren Rängen antideutscher Nachwuchskräfte, die ganz im Geiste kolonialer deutscher Traditionen das Pogrom für eine „zivilisatorische Mission“ halten, dass die große Mehrheit der Gewerkschaftsmiglieder und auch der Arbeiter:innenklasse keine Sympathie für diesen rassistischen Unfug hegt. Sie wollen vielmehr Frieden, ein rasches Endes des Krieges, einen Waffenstillstand, humanitäre Hilfe. Mit dieser, im wesentlichen sozialpazifistischen Haltung stehen sie aber im Gegensatz zur Regierung und damit auch zur Politik der Apparate. Das Risiko einer offenen innergewerkschaftlichen Diskussion zu Palästina will der Apparat aus gutem Grund nicht eingehen, daher setzt er auf Sprechverbote, Abwürgen von Diskussion und, wie am Ersten Mai, auf innergewerkschaftliche Repression und Ausschlussdrohungen. Vor diesem Hintergrund stellt das hysterische Verhalten der Ordner:innen in Berlin und Leipzig kein Zeichen der Stärke, sondern eines der Schwäche dar. Natürlich sollten wir uns nichts vormachen. Das Arsenal innergewerkschaftliche Repression ist längst nicht ausgeschöpft. Doch die Antwort darauf darf kein Zurückweichen vor Bürokratie und Vorständen sein, sondern sie muss vonseiten der linken, klassenkämpferischen, internationalistischen Gewerkschafter:innen offensiv und organisiert ausfallen.

Wir müssen die Repression, Fahnenverbote, den skandalösen Ausschluss von Kolleg:innen und deren Denuziation an die Polizei öffentlich machen und vor allem auch innergewerkschaftlich, auf Versammlungen, Gremien und in Betriebsgruppen thematisieren. Ordner:innen und Verantwortliche, die Kolleg:innen von den DGB-Demonstrationen ausgeschlossen haben oder ausschließen wollten, die sich mit einem unterdrückten Volk und mit palästinensischen Gewerkschaften solidarisieren, müssen von ihren Funktionen entfernt, ja müssten eigentlich wegen gewerkschaftsschädigenden Verhaltens ausgeschlossen werden. Davon sind wir sicher noch weit entfernt und das stellt letztlich auch nicht die Hauptfrage dar.

Wohl aber ist die Solidarität mit Palästina auch in den Betrieben und Gewerkschaften eine entscheidende Kampffrage. Erstens, weil die dort Beschäftigten die Macht haben, Waffen an Israel und andere wirtschaftliche und politische Unterstützung von Krieg, Besatzung und Unterdrückung zu stoppen. Zweitens aber auch, weil die Solidarität mit Palästina auch eine entscheidende Frage darstellt, um die Unterordnung der Gewerkschaften unter den bürgerlichen Staat anzugreifen und zu schwächen. Daher müssen wir versuchen, die verschiedenen gewerkschaftlichen Initiativen und Unterschriftenlisten gegen die Politik der Vorstände zusammenzuführen und zu koordinieren.




Kuschelkurs des DGB zum 1. Mai – oder doch alles Strategie?

Christian Gebhardt, Neue Internationale 282, Mai 2024

Der erste Mai steht vor der Tür und wie immer sehen wir in vielen deutschen Städten DBG-Material, in welchem die Gewerkschaften zu Kundgebungen und Aktionen aufrufen. Der 1. Mai als Kampftag der Arbeiter:innenklasse blickt auf eine lange und kämpferische Tradition zurück, welche durch den DGB jedoch schon lange nicht mehr hochgehalten wird. „Kuschelkurs statt Klassenkampf“ lautet vielmehr die Devise. Das erkennt man nicht nur am veröffentlichten Aufruf, sondern auch an der Art und Weise, wie die letzten Tarifrunden geführt wurden oder sich die Gewerkschaftsspitze zu politischen Themen positionierten.

Erster-Mai-Aufruf: Sozialpartner:innenschaft par excellence

Im diesjährigen Aufruf des DGB werden unterschiedliche Themen und Forderungen genannt, die kurz und prägnant formuliert sind, um den Kolleg:innen nicht zu viel Text zuzumuten. Unabhängig davon, ob man ihn nun zu kurz oder zu lang findet, bietet er dennoch Gelegenheit, sich ein Bild darüber zu machen, welche politischen Forderungen der DGB aufstellt und zu welchen Themen die Funktionär:innen lieber schweigen.

Wird in den Punkten „Streikrecht und Solidarität“ sowie „Tarifwende jetzt“ noch positiv auf die 437.000 Kolleg:innen Bezug genommen, die im Laufe des vergangenen Jahres in die Gewerkschaften eingetreten sind, wird dabei mit keiner Silbe erwähnt, welche Streiks eine gewisse Dynamik entfaltet und dafür gesorgt haben, dass neue Kolleg:innen sich den Gewerkschaften angeschlossen haben. Hier hätte sich der Aufruf positiv auf die kämpferischen Kolleg:innen im TVöD, hier vor allem im Pflege- und Erzieher:innenbereich, beziehen müssen. Denn das waren die Elemente, die mit großen Mobilisierungen in den Tarifrunden dafür gesorgt haben, dass diese nicht nur offener und demokratischer geführt werden mussten, sondern auch, dass neue Kolleg:innen die Gewerkschaften als ein nützliches Mittel zur Artikulierung und Durchsetzung ihrer Interessen wahrgenommen haben. Wichtig ist hier aber auch zu erwähnen, dass nach den unbefriedigenden Abschlüssen der Bürokratie mit den jeweiligen Arbeit„geber“:innen viele der neu aktivierten Kolleg:innen wieder desillusioniert wurden.

Charakter der Bürokratie

Hier war es für klassenkämpferische Gewerkschafter:innen wichtig, den Charakter der Gewerkschaftsbürokratie offenzulegen, wie auch die fatale Entscheidung zu kritisieren, im Zuge der der sog. „Konzertierten Aktion“ mit der Regierung anzubandeln, statt konsequent für die Interessen der Beschäftigten zu kämpfen. Sie bildete eine der zentralen Stützen für Regierung und Kapital in den letzten Tarifrunden. Zugleich konnte die Gewerkschaftsbürokratie ihnen dadurch signalisieren, dass sie die Arbeiter:innenklasse auch weiterhin unter ihre Kontrolle bringen kann, wenn es darauf ankommt. Dass der Bürokratie dies gelang, zeigen die letzten Tarifrunden sehr deutlich. Diese endeten mit fast identischen Abschlüssen, und das, obwohl einige starke Mobilisierungen erreichten und den Kampfeswillen der Kolleg:innen auf der Straße offenbarten. An der Kampfkraft der Kolleg:innen hat es somit nicht gelegen, dass die Gewerkschaften nicht mehr herausholten. Vielmehr hatte die Bürokratie von Anfang an die abgesprochenen Ziele als Orientierungspole klar vor Augen und ihre gesamte Strategie danach ausgerichtet, diese zu erreichen.

In Tarifrunden, in welchen sie stärker unter Druck der Basis geriet, hat sie dem Unbehagen der Kolleg:innen Ausdruck verliehen und durch basisdemokratisch anmutende „Townhalls“ oder „Tarifcafés“ Raum geboten. Hier konnten aktive Kolleg:innen Dampf ablassen, untereinander in Austausch treten und gewisse Punkte miteinander diskutieren. Die großen Eckpfeiler der Forderungen waren aber von vornherein abgesteckt. Daran ließ die Bürokratie nicht rütteln. Schließlich versteht sie sich selbst als eine ausgleichende Kraft, die nicht nur für die Interessen der Beschäftigten kämpft, sondern dabei immer auch jene des deutschen Kapitals, des „Wirtschaftsstandorts Deutschland“, mit berücksichtigt.

Gegen Hass und Spaltung: gemeinsam mit Regierung und Konzernen?

Dies wird auch in dem Punkt „Gemeinsam für eine starke Demokratie“ deutlich. Hier spricht sich der DGB gegen Hass und Spaltung aus und für die Verteidigung „unserer Demokratie“. Eine Demokratie wohlgemerkt, die nicht nur viele Menschen und Arbeiter:innen mit z. B. Migrationshintergrund ausschließt, sondern unter deren Flagge auch Kriege geführt und abgesegnet werden. Hier wird deutlich, dass der DGB keine „Arbeiter:innendemokratie“ meint, die es zu verteidigen und auszubauen gilt, sondern die bürgerlich-imperialistische Ordnung der Herrschenden. Anstatt die revolutionäre Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung in Ausbeuter:innen und Ausgebeutete anzustreben, geht es dem DGB darum, diesen Konflikt zu moderieren und ihn in reformistische Bahnen zu lenken.

Auch wenn er ansonsten versucht, politische Themen in seinem Aufruf möglichst auszuklammern, sichert er dem deutschen Kapital hiermit seine volle Unterstützung zu, um dessen Interessen in der Welt unter dem Banner des „Kampfes für Demokratie“ durchzusetzen. Das heißt nichts anderes als volle Unterstützung für die geostrategischen Interessen des deutschen Imperialismus.

Demokratische Tarifrunden?

Gleichzeitig zeigen die Branchengewerkschaftsführungen in den Tarifrunden ganz praktisch, dass sie Elemente von Arbeiter:innendemokratie in keinster Weise für notwendig erachten, ja als Bedrohung ihrer eigenen Macht empfinden. Demokratische Kampfformen, die die Position und Vormachtstellung der Bürokratie gefährden, werden von dieser deshalb lieber vermieden, wenn nicht bekämpft. So sind die einberufenen Tarifkommissionen etwaigen Streikversammlungen nicht notgedrungen rechenschaftspflichtig. Ihnen kann durch Abstimmungen auf Streikversammlungen weder etwas vorgeschrieben noch können sie einfach abgewählt werden – alles Elemente, die der „bürgerlichen Demokratie“ innerhalb der Gewerkschaften durch durch klassenkämpferische Gewerkschafter:innen abgerungen und entgegengesetzt werden müssen.

Dabei müssen wir klar und deutlich die Stärken der „Arbeiter:innendemokratie“ mit ihrer basisdemokratischen Beschlussfassung, der Abwählbarkeit von Delegierten und Rechenschaftspflicht gegenüber der Basis betonen, da sie es den Kolleg:innen ermöglicht, ihren Kampf konsequent zu führen und selbst zu kontrollieren. Zusätzlich müssen wir auch die gewerkschaftsinterne Demokratie erneuern und ausbauen, um der Basis mehr Mitspracherecht zu gewähren gegenüber der Bürokratie, um sie somit letztlich besser ganz abschaffen zu können.

Das sind sicherlich Forderungen, die die Machtstellung der Bürokratie angreifen und deshalb nur mit einer antibürokratischen und klassenkämpferischen Basisopposition durchgesetzt werden können. Aus diesem Grund beteiligen wir uns nicht nur am Aufbau der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG), sondern fordern auch alle anderen Revolutionär:innen dazu auf, sich daran ebenfalls zu beteiligen.

Gewerkschaftsbürokratie als verlängerter Arm des Staatsapparats

Aber nicht nur im Punkt „Demokratie“ wird die enge politische Verbundenheit der Gewerkschaftsbürokratie mit der Regierung und dem deutschen Kapital deutlich. Auch die Punkte „Mehr Sicherheit durch einen gerechten Wandel!“ und „Mehr Sicherheit durch einen aktiven Staat“ zeigen auf, wie stark die Bindung der Bürokratie an die Sozialpartner:innenschaft ist und wie beschränkt ihre politische Perspektive.

Deutlich wird das etwa in Formulierungen, in denen sie die Aufgabe der Gewerkschaften definiert. Diese bestehe darin, „den Wandel sozial gerecht zu gestalten.“ Dafür brauche es „mehr Mitbestimmung, denn Transformation gelingt nicht ohne die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften.“ Aber auch Formulierungen, in denen an die Handlungsfähigkeit des Staates appelliert wird, zeigen auf, wie eng die Verbindung ihrer Perspektive mit derjenigen des bürgerlichen Staates gerät.

Anstatt eine klassenunabhängige, internationalistische Perspektive für die Arbeiter:innenklasse in Deutschland, Europa und der Welt zu formulieren, ordnet sich die Bürokratie den Interessen des deutschen Kapitals unter und verkauft uns jeden „richtig investierten Euro“ als Gewinn für unser aller Wohlstand. Dass es den Kapitalist:innen beim „Investieren“ immer auch darum geht, möglichst viel Mehrarbeit aus den Lohnabhängigen herauszupressen, verschweigt die DGB-Spitze wohl lieber. Schließlich ist die Vermittlung dieses Konflikts ihr tägliches Geschäft.

Proletarische Kriegs- und Militärpolitik statt Burgfriedens!

Interessant ist zudem, welche Themen im Aufruf nicht erwähnt werden. Eine klare Positionierung gegen die steigenden Militärausgaben der Regierung sucht man in dem Aufruf vergebens. Dabei stellen die damit verbundenen Angriffe auf den Sozialstaat eine Verschlechterung der Lebenslage für Millionen Arbeiter:innen dar. Sie werden es sein, die die Kosten für die zunehmende Militarisierung werden zahlen müssen, sofern die Gewerkschaften ihren bisherigen Kurs weiter verfolgen und dem Vorhaben der Regierung keinen ernsthaften Widerstand entgegenbringen.

Ernsthafter Widerstand seitens der organisierten Arbeiter:innenschaft darf sich jedoch im Fall von Krieg bzw. seiner Unterstützung nicht darauf beschränken, die Abwälzung seiner Kosten auf sie zu bemängeln, sondern muss politisch Stellung zum jeweiligen Konflikt beziehen. Im Konflikt um Gaza kann das nur bedeuten, die Niederlage des israelischen Militärs herbeizuwünschen und durch Boykott von Kriegsmaterial und Unterstützung für seine Regierung aktiv zu befördern. Im Fall der Ukraine sollte sie dagegen den Aspekt der gerechten Verteidigung ihres nationalen Selbstbestimmungsrechts gegen die russische Invasion berücksichtigen, aber gegenüber Selenskyj, der NATO, Bundesregierung und den neuen Kalten Krieg in politischer Opposition stehen. Das bedeutet, im Parlament, Betrieb und auf der Straße gegen jeden Cent für Aufrüstung und Auslandseinsätze aktiv zu opponieren.

Der Aufruf zum 1. Mai lässt hier nichts Gutes erahnen. Durch die Nichtpositionierung zu diesem Thema signalisiert der DGB der SPD-geführten Regierung letztlich seine Zustimmung zu jedem „richtig investierten Euro“ in Militärausgaben, aber auch für „richtige Einsparungen“, um die Investitionen für unser „aller Wohlstand“ tätigen zu können.

Antibürokratische, klassenkämpferische Basisopposition aufbauen!

Die Vergangenheit hat uns aber gezeigt, dass die Bürokratie im Falle eines Falles ihre Aufgaben erledigen wird: ihren Mitgliedern und uns Arbeiter:innen erklären, warum wir unsere Gürtel wieder enger schnallen müssen. Warum „wir alle“ über Jahre hinweg über unsere Verhältnisse gelebt haben und nun „gemeinsame Anstrengungen“ zu unternehmen sind, um die Ziele zu erreichen und unseren Wohlstand zu sichern.

Die Vergangenheit hat uns in solchen Situationen gezeigt, dass die Bürokratie auf der Seite des Kapitals stehen wird und wir uns somit gemäß des Slogans „mit ihr wenn möglich, ohne sie wenn nötig“ organisieren müssen: in einer klassenkämpferischen und antibürokratischen Basisopposition, die das Ziel verfolgt, die Gewerkschaften zu dem zu machen, was sie sein sollen: klassenunabhängige Kampforgane im Interesse der internationalen Arbeiter:innenklasse! Daran erinnern wir nicht nur am internationalen Kampftag der Arbeiter:innenklasse, sondern dafür kämpfen wir auch praktisch im Aufbau der VKG!




Massenentlassungen bei Tesla

Jan Hektik, Neue Internationale 282, Mai 2024

Wieder einmal wird Elon Musk in den Medien rauf und runter gespielt und wieder einmal macht die Gigafactory in Grünheide Schlagzeilen. Diesmal geht es um die Massenentlassungen, die Musk auf X (vorher: Twitter) angekündigt hatte. Rund 10 % aller weltweit Beschäftigten sollen entlassen werden, da sich der Konzern „zwischen zwei Wachstumswellen“ befände. Ursprung der Überlegung sind wohl sinkende Verkaufszahlen, die vor allem auf die steigende Konkurrenz zurückgeführt werden. Wie immer wird in den deutschen Medien viel diskutiert, welche Ursachen der Rückgang haben kann, wie viele Entlassungen wirklich „notwendig“ wären und welches Verhältnis zwischen Entlassungen und Vergütung „fair“ sei.

Der 174-Milliarden-US-Dollar schwere Mensch ficht nämlich gerade in Kalifornien einen Rechtsstreit aus, bei dem es um eine Vergütung im Wert von rund 56 Milliarden US-Dollar geht. Auch wenn der Verweis auf den gigantischen privaten Reichtum von Musk zu kurz greift, um die Probleme von Tesla zu erklären, so verdeutlicht er, welche Profite der Konzern in den letzten Jahren auch mithilfe jener Arbeiter:innen erzielt hat, die nun „abgebaut“ werden sollen. Weltweit sollen ca. 10 % der 140.000 Beschäftigten gefeuert werden – auch in Grünheide mit eine Belegschaft von 12.000 Arbeiter:innen. Und das muss längst nicht alles sein, wie die ursprünglich verlautbarte Zahl von 3.500 dort zu Entlassenden deutlich macht, die Tesla dementiert.

Erste Entlassungen

300 Leiharbeiter:innen haben in Grünheide schon ihren Job verloren. Am Montag, den 15. April, wurden sie von Tesla „abgemeldet“. Das ist die schönere Form von entlassen, weil Leiharbeiter:innen ja niemals bei Tesla angestellt waren. Wie praktisch. Stark kritisiert wurde dies von der IG Metall, die seit den letzten Wahlen Anfang 2024 die größte Fraktion im Betriebsrat stellt. In typisch bürokratischer Manier erinnert sie, dass das Unternehmen verpflichtet sei, Entlassungen nicht nur mitzuteilen, sondern gemeinsam mit dem Betriebsrat abzustimmen, um eine Beschäftigungsperspektive zu ermöglichen.

Doch selbst mit gesetzlichen und sozialpartnerschaftlichen Regularien nimmt es Musk, der in Südafrikas Apartheid aufgewachsene Sohn eines Minenunternehmers und Immobilienentwicklers, nicht so genau. Zahlreiche Unfälle, rechtlich fragwürdige Schweigeklauseln, untertarifliche Bezahlung und die Gefahr für die Umwelt gehören gewissermaßen zum Geschäftsmodell. Gewerkschaftsfeindlichkeit gehört natürlich auch dazu. Nachdem Tesla die erste Betriebsratswahl 2022 noch vor Betriebsbeginn (einen Tag bevor wesentlich mehr Mitarbeitende abstimmungsberechtigt gewesen wären) überfallartig durchzog, wurde sie dieses Jahr wieder kurzfristig durchgeführt, sodass die IG Metall vor Gericht zog, weil sie kritisierte, die Wahl nicht anständig vorbereiten zu können. Nachdem diese dann im März stattfand, stellt die IG Metall nunmehr 16 von 39 Sitzen, oder wie Tesla sagt: „Eine Mehrheit unserer Beschäftigten hat sich gegen einen gewerkschaftlichen Betriebsrat ausgesprochen.” So kann man es auch ausdrücken …

In jedem Fall arbeitet Tesla gezielt daran, die Gewerkschaft aus dem Betrieb zu halten und die unternehmensnahen und gelben Betriebsratslisten verfügen noch immer über eine Mehrheit im Betriebsrat. Das macht es natürlich leichter, selbst die Mitbestimmungsrechte des Gremiums zu „umgehen“.

Immerhin spricht sich die IG Metall gegen die Entlassungen aus und fordert die Einbeziehung des Betriebsrates und, dass die Kolleg:innen in anderen Bereichen eingesetzt bzw. umgeschult werden. Doch eine Kampfperspektive stellt das nicht dar. Im Grunde appelliert auch die IG Metall an die Unternehmensleitung, am runden Tisch der Sozialpartner:innenschaft das Problem zu lösen. Auch der Appell an „die Politik“, also an die brandenburgische Landesregierung, die den Bau und die Genehmigungsverfahren der „Gigafactory“ über Jahre tatkräftig gefördert hatte, wird letztlich wirkungslos bleiben. Schließlich geht in der freien Marktwirtschaft das Recht des Privateigentums über alles. So wird „die Politik“ allenfalls lahme Appelle an den Konzern richten, Personalabbau „fair“ und „verhältnismäßig“ zu gestalten.

Gegen alle Entlassungen!

Wenn alle Entlassungen verhindert werden sollen, braucht es eine gemeinsame Mobilisierung, um die volle Kampfkraft der Belegschaft in die Waagschale zu werfen. Die IG Metall und ihre Mitglieder können die Entlassungen verhindern. Dazu bracht es regelmäßige Mitgliedertreffen, den Aufbau von Vertrauensleutestrukturen, um im Betrieb zu wirken, und die Einberufung von Belegschaftsversammlungen. Die IG Metall im Betriebsrat muss die unternehmensnahen Fraktionen vor sich her treiben, jede Zusammenarbeit mit dem Management aufkündigen und das von den anderen Gruppierungen fordern.

Vor allem aber geht es darum, Kampfmaßnahmen im Betrieb vorzubereiten und durchzuführen – einen unbefristeten Streik, bis alle Entlassungen vom Tisch sind. Dabei muss auch die sofortige Wiedereinstellung der Leiharbeiter:innen und eine Überführung ihrer Verträge in Festanstellungen zu tariflichen Bedingungen gefordert werden. Den Streik und eine etwaige Verhandlungsführung selbst sollten die Kolleg:innen dabei nicht einer vom Apparat ernannten Leitung überlassen, sondern ein Aktions- und Streikkomitee sollte der Belegschaft verantwortlich, von dieser gewählt und gegebenenfalls abwählbar sein.

Dieser Kampf darf zugleich nicht auf Deutschland beschränkt bleiben, sondern sollte möglichst konzernweit gegen die Entlassung von 10 % der globalen Belegschaft geführt werden.

Weitergehende Perspektive

Ein solcher Abwehrkampf stellt natürlich auch die Frage nach der weitergehenden Perspektive für die Produktion und den Standort. Die IG Metall und die Beschäftigen müssen hinterfragen, in welchem Interesse hier produziert, entschieden, gekürzt und umverteilt wird? Ist es gesamtgesellschaftlich sinnvoll, wegen rückgehender Verkaufszahlen von E-Autos (bisher) 300 Menschen zu entlassen, damit einer der reichsten der Welt im gleichen Tempo noch reicher werden kann? Und wo wir gerade dabei sind: „Ist es überhaupt gesamtgesellschaftlich sinnvoll, E-Autos in Grünheide zu produzieren?“

Die heißt nichts anderes, als die Frage nach der Umstrukturierung der Produktion im Sinne der gesamten Arbeiter:innen und der Gesellschaft wie auch ökologischer Nachhaltigkeit aufzuwerfen. Um das umzusetzen, muss Tesla enteignet werden – entschädigungslos und unter Arbeiter:innenkontrolle.

  • Gegen jede Entlassung und alle Krisenabwälzungen auf die Beschäftigten!

  • Offenlegung der Geschäftsbücher und Bilanzen des Unternehmens!

  • Enteignung von Tesla und die Umstellung der Produktion unter Arbeiter:innenkontrolle!



Tarifeinigung bei der GDL: Die 35-Stundenwoche kommt, aber …

Stefan Katzer, Neue Internationale 282, Mai 2024

Die Tarifverhandlungen zwischen der GDL und Deutschen Bahn sind beendet. Nach sechs Streikrunden, die sich über mehrere Monate hinzogen, konnte die GDL ihre Kernforderung schließlich weitgehend durchsetzen: die Reduzierung der Arbeitszeit für Schichtarbeiter:innen auf 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich. Die Wochenarbeitszeit soll nach der erzielten Einigung mit der Deutschen Bahn zwischen 2026 und 2029 schrittweise auf die nun vereinbarten 35 Stunden reduziert werden.

Für die Erfüllung dieser zentralen Forderung haben die Kolleg:innen der GDL hart gekämpft. Sie mussten sich dabei von bürgerlichen Medien und Politiker:innen immer wieder vorhalten lassen, egoistisch zu agieren und die Interessen der Bahnreisenden nicht zu berücksichtigen. Politiker:innen der FDP und CDU/CSU forderten deshalb während des Streiks immer wieder eine Einschränkung des Streikrechts, da dieses von der GDL unverhältnismäßig eingesetzt würde, um vermeintlich vollkommen überzogene Forderungen durchzusetzen.

Zentrale Forderung erkämpft

Betrachten wir den Abschluss, so hebt er sich positiv von denen der DGB-Gewerkschaften ab insofern, als ein zentrales Kampfziel, wenn auch längst nicht für alle Beschäftigten oder Mitglieder der GDL, erreicht wurde. Die 35-Stundenwoche stellt, auch wenn sie, wie wir sehen werden, mit einigen Zugeständnissen erkauft wurde, einen Teilerfolg dar. Nun steht es den Kolleg:innen frei zu wählen, ob sie ihre Arbeitszeit reduzieren oder weiterhin 40 Stunden arbeiten möchten, wobei jede zusätzliche Stunde mit einer Erhöhung von 2,7 % entlohnt werden soll. Allerdings gelten zugleich auch schmerzhafte Abstriche. Erstens wurde im Gegenzug für die Arbeitszeitverkürzung die Zahl zusätzlicher Urlaubstage von 12 auf 6 reduziert. Zweitens beinhaltet das Wahlmodell auch, dass angesichts der Personalknappheit weiter Druck ausgeübt werden wird, doch das 40-Stundenmodell statt der 35 Stunden zu „wählen“. Damit haben sie dann zwar mehr auf dem Konto, aber auch noch mehr Stress bei einer ohnedies schon überlasteten Belegschaft.

Noch größer sind die Probleme, wenn wir auf die Frage des Entgeltes blicken. GDL und Deutsche Bahn haben sich darauf verständigt, eine zweiteilige Erhöhung der Entgelte von insgesamt 420 Euro vorzunehmen. Die erste Erhöhung soll im August diesen Jahres erfolgen, die zweite im April 2025, wobei die Erhöhung jeweils 210 Euro betragen soll. Darüber hinaus wird eine Inflationsausgleichsprämie von 2.850 Euro in zwei Stufen ausgezahlt werden. Auszubildende sollen jeweils die Hälfte der geplanten Erhöhungen erhalten.

Damit bleibt die GDL deutlich hinter ihrer Forderung von 555 Euro bei einer Laufzeit von einem Jahr zurück. Bei der Inflationsprämie von 3.000 Euro fallen die Abstriche vergleichsweise gering aus. Doch diese stellt keine tabellenwirksame Erhöhung dar, was sich langfristig negativ auf die Einkommenssituation der Beschäftigten auswirkt. Die nun festgelegte Laufzeit mit 26 Monaten ist sehr lang, rechnet man die 420 Euro auf ein Jahr um, so bleiben von den geforderten 555 Euro gerade 194. Das kann sich noch bitter rächen, sollte die Inflation in dieser Zeit wieder stärker ansteigen und damit die nun erkämpften Erhöhungen auffressen.

Mit der Forderung, bestehende Tarifverträge für Netzbetrieb und -instandhaltung zu übernehmen, setzte sich die GDL ebenfalls nicht durch.

Schließlich hat der Abschluss auch Auswirkungen auf die Tarifvereinbarungen der GDL mit anderen privaten Verkehrsunternehmen. Diese sind z. T. besser als der Abschluss bei der Bahn, inkludieren aber auch den Vorbehalt, dass sie nur gelten, sofern auch die Bahn AG diese übernimmt. Bei eine Pressekonferenz hat „Kämpfer“ Weselsky in bester sozialpartnerschaftlichen Manier auch schon verkündet, dass diese Unternehmen auf ihn zukommen mögen, er stünde für eine „gütliche“ Einigung gern zur Verfügung.

Auf die volle Durchsetzung der aufgestellten Forderungen war die Strategie der Gewerkschaftsführung um den Vorsitzenden Claus Weselsky erst gar nicht ausgerichtet. Hierin unterscheidet sie sich nicht von denjenigen der DBG-Gewerkschaften, die die aufgestellten Forderungen der Kolleg:innen in intransparenten Verhandlungen häufig abmildern oder den Kampf abwürgen, ohne dass die Kolleg:innen dies nachvollziehen können.

Bürokrat Weselsky

Wäre die volle Durchsetzung der Forderungen das Ziel gewesen, hätte Weselsky den von den Kolleg:innen in einer Urabstimmung Ende Dezember 2023 befürworteten unbefristeten Erzwingungsstreik auf die Tagesordnung setzen müssen, um den Druck auf die Deutsche Bahn deutlich zu erhöhen. Das tat er aber nicht. Stattdessen ignorierte er das Votum der Beschäftigten und nutzte sein Mandat, um hinter verschlossenen Türen in Verhandlungen mit dem Bahnvorstand zu treten, der seinerseits die Unmöglichkeit der Erfüllung der Kernforderung der GDL immer wieder betonte, um ihr schließlich doch, wenn auch im Gegenzug für massive Abstriche beim Entgelt, nachzugeben. Dieses undemokratische Manöver der Gewerkschaftsbürokratie macht deutlich, dass die GDL sich allenfalls partiell von den DGB-Gewerkschaften unterscheidet und keinesfalls ein wirkliches Kampforgan in den Händen der Beschäftigten darstellt.

Von vornherein fokussierte Weselsky auf die Durchsetzung der in der Tat sehr bedeutenden Forderung der Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden. Dass die GDL sich hier durchsetzen konnte, ist ein wichtiges Signal für andere Kolleg:innen. Es macht deutlich, was möglich ist, wenn die Führung der Gewerkschaften nicht von vornherein mit beiden Füßen auf der Bremse steht, um die berechtigten Interessen der Beschäftigten nach besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen mit denen des „eigenen Unternehmens“ oder des „Standorts Deutschland“ in Einklang zu bringen.

Kampf in den Gewerkschaften

Der Streik der Lokführer:innen wurde somit vor allem getragen von der Entschlossenheit der Kolleg:innen, für ihre Forderungen zu kämpfen, auch wenn sie dafür von der bürgerliche Presse heftig kritisiert wurden. Nur auf der Grundlage dieser Entschlossenheit konnte er letztlich erfolgreich sein. Kampfbereite Gewerkschafter:innen sollten sich jedoch nicht davon abhängig machen, ob ihre Führung ihnen den notwendigen Freiraum gewährt, um effektiv für ihre Forderungen zu kämpfen. Bei vielen Tarifrunden haben wir in der Vergangenheit immer wieder beobachten können, wie die Gewerkschaftsfunktionär:innen den Kampf ausbremsen und vorzeitig abbrechen, obwohl die betroffenen Kolleg:innen durchaus bereit gewesen wären, weiterzukämpfen.

Deshalb ist es zentral, dass die Kolleg:innen an der Basis zu jeder Zeit die Kontrolle über den Streik ausüben. Sie müssen es sein, die über die Forderungen, die Kampfmaßnahmen und die Dauer des Streiks entscheiden. Auch die Verhandlungen sollten, anders als beim Streik der GDL, transparent geführt werden. Diejenigen, die als gewählte Delegierte in Verhandlungen mit der Gegenseite treten, sollten gegenüber der Basis rechenschaftspflichtig und jederzeit abwählbar sein. So können die Gewerkschaften zu einem wirkungsvollen Instrument in den Händen ihrer Mitglieder werden, um ihre Interessen durchzusetzen und Verbesserungen für die gesamte Klasse zu erkämpfen. Dafür müssen wir innerhalb ihrer Reihen kämpfen.




Keine Waffen für Völkermord: Wie organisieren wir Palästinasolidarität in deutschen Gewerkschaften?

Jaqueline Katharina Singh/Robert Teller, Vom Widerstand zur Befreiung. Für ein säkulares, demokratisches, sozialistisches Palästina, Arbeiter:innenmacht-Broschüre, April 2024

Die starke Einbindung Israels in den europäischen Wirtschaftsraum verschafft der Arbeiter:innenklasse hierzulande auch einen großen Hebel. Streiks, Boykotte von Warenlieferungen und vor allem Waffen können die Kriegsmaschinerie wirklich treffen. Doch wie kommen wir dazu? Wie durchbrechen wir die Unterstützung der Bundesregierung durch die Gewerkschaftsspitzen?

Welche unmittelbaren Kampfziele sinnvoll sind, hängt angesichts dieses Kräftverhältnisses sicher auch von den jeweiligen Umständen ab. In jedem Fall sollten sie aber mit den dringenden Forderungen der gesamten Bewegung in einen Zusammenhang gestellt werden: nach einem sofortigen Waffenstillstand, dem Ende des Kriegsverbrechens der vorsätzlichen Aushungerung und dem Rückzug des israelischen Militärs aus Gaza. Laut einer aktuellen Umfrage (Statista, 22.03.2024) halten 69 % der deutschen Wahlberechtigten das militärische Vorgehen Israels in Gaza für nicht gerechtfertigt – und es spricht wenig dafür, dass unter Lohnabhängigen oder Gewerkschaftsmitgliedern die Verhältnisse grundlegend anders sind.

Doch eine von dieser Mehrheit getragene Bewegung gibt es derzeit nicht. Um diese aufzubauen, reicht es offenbar nicht, an weitverbreitete Sympathie und Mitgefühl mit den Palästinenser:innen anzuknüpfen, wenn zugleich das gesamte „demokratische Spektrum“ mit schweren moralischen Geschützen aus allen Rohren auf alles schießt, was nur nach Palästinasolidarität riecht. Mit einer starken gewerkschaftlichen Palästinasolidarität wäre es möglich, über den symbolischen Protest auf der Straße hinaus die israelische Kriegsmaschine zu behindern – durch Blockade von militärischen Gütern, die auf dem See- oder Luftweg transportiert werden, Lahmlegung von Produktionsketten, die für Israel produzieren, aber auch Druck auf Universitäten oder Unternehmen, die über Kooperationen mit Israel indirekt an der Unterdrückung der Palästinenser:innen beteiligt sind. Doch in Deutschland scheinen wir davon weit entfernt.

Deutsche Gewerkschaften und Palästina

Entgegen manchen Aktionen internationaler Gewerkschaften veröffentlichte der DGB am 10. Oktober eine Solidaritätsbekundung und offenen Brief an Arnon Bar-David, den Vorsitzenden der Histadrut, unter dem Titel „Solidarität mit Israel“. Dort heißt es unter anderem: „Jede Form von Terrorismus, willkürlichen Tötungen und Verschwindenlassen ist inakzeptabel und wird auf unseren entschlossenen Widerstand stoßen. Die letzten Tage haben uns gezeigt, wie tief Antisemitismus in den Gesellschaften der Welt verwurzelt ist. Wir sind schockiert und besorgt, wie brutal der Antisemitismus auch hier in Deutschland zu Werke ging. ‚Nie wieder’ ist für uns kein leeres Bekenntnis – im Gegenteil. Es ist unsere feste Überzeugung. Wir bekämpfen Antisemitismus hier in Deutschland, aber auch in unseren weltweiten Gewerkschaftsorganisationen. Seien Sie versichert, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um Sie in Ihrem Kampf zu unterstützen, wir stehen eng an Ihrer Seite.“

Dieses Schreiben wirkt noch gemäßigt im Vergleich mit dem der DGB-Jugend, welches am 18.10. verabschiedet wurde. Der Titel „Solidarität mit unseren Freund*innen in Israel“ sagt  alles. Dabei erweist sich diese Linie der Solidarität mit dem israelischen Staat seither als das, was sie immer schon war: die Unterstützung eines Kriegs gegen die Bevölkerung von Gaza unter dem Vorwand der „Terrorismusbekämpfung“.

Damit nicht genug. Als Gewerkschafter:innen offen die Demonstration „Gaza: Die Waffen müssen schweigen!“ im Januar in Köln unterstützten, war der Apparat bedacht, sehr schnell eine Pressemitteilung herauszugeben und klarzumachen: Der DGB ruft nicht dazu auf. Stattdessen beteilige man sich an der Aktion „Aufstehen gegen Terror, Hass und Antisemitismus – in Solidarität und Mitgefühl mit Israel“. Zwar wird in diversen Stellungnahmen immer mal wieder erwähnt, dass man auch für die Zweistaatenlösung eintrete. Aber darin erschöpft sich schon die „Kritik“ an der israelischen Regierung. Wenige Worte sind für die Situation der Palästinenser:innen reserviert, noch weniger für praktische Initiativen, um wenigstens deren Leid zu lindern. Der Grundton ist klar: Der 7. Oktober sei ein isoliertes, kontextloses Ereignis, dass sich gegen Jüdinnen und Juden richtet – und die Verbrechen der israelischen Besatzung – ob illegaler Siedlungsbau, stetige Gewalt oder Gazablockade werden davon isoliert –, weil schon die Kontextualisierung des 7. Oktober als „Relativierung“ gilt.

Solidarität mit Israel – schon vor dem 7. Oktober

Die einseitigen Stellungnahmen und das aktuelle Schweigen zur Lage der palästinensischen Bevölkerung sind allerdings keine Überraschung. Bereits vor dem 7. Oktober wurden antizionistische Positionen mit aller Kraft in deutschen Gewerkschaften bekämpft: Unter der Schirmherrschaft der Präsidentin des Deutschen Bundestages, Bärbel Bas (SPD), hat der DGB-Jugendausschuss das erste Mal im März 2023 eine Sitzung in Israel abgehalten – und die Resolution „Solidarity forever – Deklaration zur Zusammenarbeit der DGB-Jugend und Histadrut“ verabschiedet. 2021 wurde das Palästinakomittee in Stuttgart vom „Festival gegen Rassismus“ der DGB-Jugend ausgeschlossen. 2017 kam bei der Bundesjugendkonferenz des DGB der Antrag „Boykotte boykottieren“ durch, der sich gegen die Zusammenarbeit mit der BDS-Kampagne und Gruppe FOR Palestine (For One State and Return) richtete. Hinzu kommen regelmäßige Austauschprogramme, wo Gewerkschaftsvertreter:innen Israel besuchen können – während auf die Situation der Palästinenser:innen wenig eingegangen wird. Das sind keine Einzelfälle, sondern eine politische Linie. Aber woher kommt diese?

a) Sozialpartnerschaft und mangelnde Basisstrukturen/Kontrolle

Ein Faktor ist die Sozialpartnerschaft, also die Politik der institutionalisierten Mitverwaltung des Kapitalismus zugunsten kleiner Verbesserungen für die Arbeitenden insgesamt. Deutlich spürbar bei Tarifrunden wie zum TVöD 2023 oder der Politik der Gewerkschaften während der Coronapandemie, führt sie letzten Endes zur Befriedigung von Konflikten. Denn es geht der Gewerkschaftsbürokratie darum, ihre eigene Position als Vermittlung zwischen Kapital und Arbeit aufrechtzuerhalten – und damit des Kapitalismus. Ein Resultat davon ist ebenfalls – um die eigene Position wahren zu können –, den bürgerlichen Staat und die Außenpolitik des deutschen Imperialismus zu stützen.

Sichtbar wurde dies im Zuge des Ukrainekriegs, als Massenmobilisierungen gegen die im Zuge des Krieges stattfindende Aufrüstung und parallel laufende Einkommensverluste ausblieben. Ein zusätzlicher Faktor, der den Beschluss solcher Resolutionen begünstigt, ist der Aufbau und die Struktur der Bürokratie selbst. Statt Rechenschaftspflicht sowie direkte Wähl- und Abwählbarkeit können sich einmal gewählte oder eingestellte Bürokrat:innen für mehrere Jahre an ihre Posten klammern – ungeachtet ihrer politischen Positionen. Doch beide Punkte alleine reichen nicht aus, um die Situation in Deutschland zu verstehen. Schließlich finden wir sowohl Elemente der Sozialpartner:innenschaft als auch von der Basis losgelöste Strukturen ebenso in anderen Gewerkschaften – die jedoch weitaus progressivere Positionen bezüglich Palästina einnehmen.

b) Rolle der SPD und Zionismus der deutschen Linken

Eine Schlüsselrolle spielt hierbei die SPD. Nach über 150 Jahren Klassenverrat könnte man hoffen, dass der Einfluss der Sozialdemokratie aus den Gewerkschaften verschwunden sei. Doch ist das letztlich nur eine Hoffnung und nicht Realität. Als bürgerliche Arbeiter:innenpartei ist sie vor allem in der Bürokratie und den Funktionärsschichten vertreten – und prägt auch ideologisch die internationale Politik der Gewerkschaften. Die SPD verteidigte schon früh die Gründung Israels. Neben der außenpolitischen Unterstützung der USA und der Westintegration kam als verstärkendes Moment die Verbindung zum Labourzionismus und zur Kibbuzbewegung hinzu, die als sozialistisches Modell idealisiert wurde. Wenn die SPD in den 1970er Jahren auch mit Vertreter:innen der PLO Beziehungen aufnahm, so standen sie sowie von ihr kontrollierte Jugendorganisationen schon seit den 1960er Jahren für eine starke politisch-ideologische Unterstützung des Zionismus.

c) Unterstützung der USA und Westintegration

Es überrascht also nicht, dass die staatstragenden Spitzen der DGB-Gewerkschaften – fest eingebunden in die als „Sozialpartnerschaft“ institutionalisierte Klassenzusammenarbeit – auch außenpolitisch Patriot:innen sind und ins Horn der Staatsräson tuten. Den gewerkschaftlichen Initiativen für einen Waffenstillstand schlägt daher nicht nur staatliche Repression und mediale Stimmungsmache entgegen, sondern auch der Apparat der eigenen Gewerkschaft. Die meisten Initiativen haben sich daher bislang darauf beschränkt, durch offene Briefe Öffentlichkeit zu schaffen. Oft knüpften sie an einen Solidaritätsaufruf palästinensischer Gewerkschaften vom 16. Oktober an oder nahmen auf andere internationale Initiativen Bezug. Das alles könnte einen dazu veranlassen, den Kampf in den Gewerkschaften für sinnlos zu betrachten. Doch auch wenn dies verständlich ist – richtig ist diese Position keinesfalls.

Eine Solidaritätsbewegung mit Palästina ist erfolgreicher, wenn sie Streik als Mittel einsetzen kann, um den Krieg zu beenden. Zum einen baut Streik ökonomischen Druck auf – was Regierungen wesentlich stärker unter Druck setzt als einfache Demonstrationen. Zudem haben italienische oder belgische Arbeiter:innen gezeigt, dass Waffenblockaden so einfacher durchzusetzen sind. Mehrfach gab es Streikaufrufe, die sich an die Allgemeinheit gerichtet haben. Es ist zwar nachvollziehbar, sich an alle zu richten, gleichzeitig sind sie in der Leere verpufft. Es braucht konkrete Organisationen, die ihre Mitgliedschaft mobilisieren, um das existierende Potenzial zu bündeln. Gleichzeitig ist man so viel mehr gegen Repression geschützt. Der Kampf richtet sich gegen die Interessen des deutschen Imperialismus und seine Sozialpartnerschaft. Bei der Frage einzuknicken, weil „der Gegenwind zu scharf ist“, sorgt dafür, dass dessen Stellung gestärkt wird – was sich negativ auf andere gewerkschaftliche Kämpfe auswirkt. Denn der Kampf gegen Standortborniertheit findet auch an anderen Stellen statt, nicht nur wenn es um internationale Solidarität mit Kämpfen geht.

1. Bundesweite Vernetzung

Wenn die Solidaritätsbewegung mit Palästina erfolgreich sein soll, müssen wir also dafür eintreten, das Kräfteverhältnis in den Gewerkschaften zu ändern. Um handlungsfähig zu sein, ist es wichtig, dass die bereits Aktiven sich bundesweit vernetzen und Teil von Basisstrukturen werden. Ziel muss sein, die bisherigen Aktivitäten nicht nur zu bündeln, sondern auch gemeinsam nächste Schritte anzugehen. Wie genau das passieren kann, wollen wir im Folgenden klären:

2. Breite politische Aufklärungskampagne

Die ständige Verwendung des Antisemitismusvorwurfs gegen propalästinensische Stimmen etwa entfaltet ihre Wirkung nicht nur durch Angst, selbst zur Zielscheibe von Repression zu werden, sondern in der breiten Masse vor allem dadurch, dass die meisten Menschen verständlicherweise eben keine Antisemit:innen sein wollen. Diese Unsicherheit lässt sich nur durch eine bewusste politische Auseinandersetzung auflösen. Die Kolleg:innen müssen selbst verstehen, was Antisemitismus ist (und was nicht), um gegen ungerechtfertigte Angriffe gerüstet zu sein. Hierfür bräuchte es eine politische Aufklärungskampagne. Das heißt: Es braucht verständlich geschriebenes Material, das über die aktuelle Situation aufklärt und gleichzeitig auf die häufigsten Kritikpunkte, die in der Debatte kommen, Gegenargumente liefern. Dieses Material kann ein Ergebnis einer bundesweiten Vernetzung sein.

Hilfreich ist dabei etwa ein Blick unter die Oberfläche der selbstverliebten deutschen bürgerlich-nationalistischen „Erinnerungskultur“, die es erst ermöglicht, die eigenen Verbrechen der Vergangenheit als Legitimation für neue Massaker zu instrumentalisieren. Vermitteln sollten wir auch, dass das Konzept des „jüdischen Schutzraums“ selbst einen rassistischen Charakter trägt, es im Gegensatz steht zur traditionellen Position der Arbeiter:innenbewegung, für die Gleichberechtigung aller Ethnien und Nationen einzutreten und für deren kollektive Verteidigung gegen Angriffe, wo immer sie leben. Keinesfalls sollte die Tatsache, dass es Antisemitismus gibt, verschwiegen oder kleingeredet werden – sondern wir sollten erklären, dass wir dessen Instrumentalisierung für die außenpolitischen Interessen des deutschen Imperialismus ablehnen und daher auch keine Illusionen in den deutschen Staat schüren, dass dieser den Antisemitismus ernsthaft bekämpft.

Ebenso notwendig ist es, Klarheit zu schaffen über die Kräfte des palästinensischen Widerstandes wie der Hamas. Wir sollten die dämonisierende Hetze gegen diese (und auch gegen den 7. Oktober) als das offenlegen, was sie ist: Chauvinismus, der einen Genozid rechtfertigen soll. Dabei sollten wir aber die politischen Schwächen der palästinensischen Bewegung und unsere Kritik am reaktionären Charakter der Hamas nicht verschweigen, denn dies würde gerade nicht dazu führen, dass Kolleg:innen ihre Position in einem politisch repressiven Klima selbstständig verteidigen können. Um eine gewerkschaftliche Verankerung der Palästinasolidarität zu schaffen, ist es daher auch notwendig, eine breite und offene Debatte um deren Ziele zu führen, um den Charakter des Krieges und um die Interessen, die der eigene Imperialismus hier verfolgt. Dann ist es auch möglich, die Palästinasolidarität auf eine allgemeinere Grundlage der Klassensolidarität zu stellen: Jeder israelische Sieg in Gaza macht auch den deutschen Imperialismus selbstbewusster und aggressiver – nach außen und innen. Er verschärft den Rassismus, schränkt demokratische Rechte ein (und damit auch die politischen Handlungsmöglichkeiten der Arbeiter:innenklasse insgesamt) und bereitet seine eigenen Kriege vor.

Umgekehrt schwächt ein erfolgreicher Widerstand der Unterdrückten gegen ihre Vertreibung, gegen das Morden nicht nur ihren Kampf für nationale Selbstbestimmung. Er schwächt nicht nur den zionistischen Unterdrückerstaat, sondern auch die imperialistische Ordnung im Nahen Osten und weltweit, weil er Mächten wie den USA oder auch der BRD und ihren herrschenden Klassen Paroli bietet und allen Ausgebeuteten und Unterdrückten weltweit zeigt, dass scheinbar unbesiegbare Staaten nicht unverletztlich sind.

3. Konkrete Beschlüsse erkämpfen

Um eine gewerkschaftliche Solidarität aufzubauen, sollten wir uns auch an positiven Beispielen orientieren. Gerade wenn man unter schwierigen Bedingungen kämpft, ist es motivierend zu sehen, was in anderen Ländern erreicht wurde: etwa das „National Labor Network for Ceasefire“, dem über 200 US-Gewerkschaften angehören, oder der Aufruf von 14 spanischen Gewerkschaften, den Waffenhandel mit Israel zu beenden.

Ziel muss es sein, in den lokalen Gliederungen konkrete Beschlüsse zu verabschieden. Inhalt dieser sollte sein: die Ablehnung, deutsche Waffen nach Israel zu schicken sowie den Krieg finanziell zu unterstützen, gegen die Beteiligung deutscher Unternehmen am illegalen Siedlungsbau (wie beispielsweise durch Axel Springer) und stattdessen für eine sofortige, permanente Waffenruhe. Einen entsprechenden Vorschlag findet ihr am Ende des Textes. Die Landesdelegiertenversammlung der GEW Berlin hat beispielsweise Ende November zwei Statements verabschiedet. In einem heißt es: „Ebenso verurteilen wir die unverhältnismäßigen Angriffe der israelischen Luftwaffe auf Gaza, die bereits Tausende zivile Opfer gefordert haben, die Vertreibung der Bevölkerung und die Blockade des Gazastreifens. Wir fordern die Beendigung der Luftangriffe und der Blockade sowie den Rückzug der israelischen Streitkräfte aus dem Gazstreifen. Ein Krieg mit dem Ziel der ‚Vernichtung der Hamas’ (Benjamin Netanjahu) würde viele Tausende Tote unter den Palästinensern in Gaza fordern. Als erster Schritt wäre eine sofortige Waffenruhe erforderlich.“

Die internationalen Aktionen und Aufrufe können nicht nur als positive Beispiele genutzt werden. Es sollte auch in den Debatten aufgezeigt werden, dass der DGB internationale Beschlüsse hat, die er nicht umsetzt und konkret dagegen arbeitet. Wichtig ist dabei, dass es nicht nur darum geht, viele Forderungen oder möglichst lange Texte zu verabschieden, sondern dass man die Kolleg:innen dafür gewinnt, sich in der jeweiligen Gliederung öffentlich zu positionieren und auch aktiv werden zu können.

4. Gemeinsam in Aktion treten

Ob Infoveranstaltungen mit Gewerkschafter:innen aus anderen Ländern, Blöcke auf Palästinasolidaritätsdemonstrationen, Proteste vor Gewerkschaftszentralen oder Betriebsversammlungen zum Thema: Die Palette ist breit, wenn es darum geht, was alles getan werden kann. Ziel ist es, an dieser Stelle mit Kolleg:innen ins Gespräch zu kommen, aber zeitgleich auch eine klare Kante zur bisherigen Politik des Gewerkschaftsapparates zu zeigen –  mit dem Ziel, diesen unter Druck zu setzen, sich zu positionieren und bestenfalls die Mobilisierungen zu unterstützen.

Widersprüche aushalten, Druck ausüben

Wir wollen ehrlich sein: Das Kräfteverhältnis in den Gewerkschaften zu verändern. wird nicht einfach sein. Für Aktivist:innen ist es zentral zu verstehen, dass die Aktivitäten im Wechselspiel zueinander stehen. Einzelne Beschlüsse alleine werden das Kräfteverhältnis in den Gewerkschaften nicht kippen. Deswegen müssen die Aktivitäten Teil einer gesamtgesellschaftlichen, politischen Solidaritätskampagne sein. Ohne diese wird es schwer, etwas in Gang zu setzen. Auf der anderen Seite kann eine Solidaritätskampagne nur schlagkräftig werden können, wenn es uns gelingt, einen Teil der Gewerkschaftsaktivist:innen für eine internationalistische, fortschrittliche Politik zu gewinnen.

Deswegen muss die Kampagne bewusst Druck auf die Gewerkschaften ausüben und aufzeigen, was die Konsequenzen des Schweigens und der Billigung des Krieges gegen die Palästinenser:innen sind. Sich abzuwenden oder auf den Konflikt nicht einzugehen, führt dazu, der Politik des Burgfriedens das Feld zu überlassen – und schwächt die Bewegung sowie die Arbeiter:innenklasse. Schließlich hat die Berichterstattung im Zuge des 7. Oktober sowohl zum Erstarken des antimuslimischen Rassismus als auch Antisemitismus geführt und droht auf lange Sicht, insbesondere rechte, reaktionäre Kräfte wie die AfD zu stärken.

Für uns als Marxist:innen ist der Kampf in den Gewerkschaften deswegen unerlässlich. Gleichzeitig geht er für uns damit einher, dauerhaftere Strukturen gegen die Politik der Gewerkschaftsbürokratie aufzubauen – eine klassenkämpferische Basisbewegung, die nicht nur versucht, Posten in der Bürokratie abzugreifen und „links“ zu besetzen, sondern eine kämpferische Opposition gegen diese bildet. Wir halten dies für zentral, nicht nur im Kampf in Solidarität mit Palästina, sondern auch in allen internationalistischen Kämpfen – sei es, um Solidaritätsstreiks zu organisieren für Bewegungen wie im Kongo, Frankreich oder Pakistan, sei es, um politische Angriffe abzuwehren, wie eine Verschärfung des Streikrechts oder den immer weiter voranschreitenden Rechtsruck oder schlicht und einfach, Reallohnverluste bei einfachen Tarifauseinandersetzungen hinzunehmen. Doch so etwas entsteht nicht von heute auf morgen. Lasst uns deswegen gemeinsam Widerstand aufbauen – nicht nur gegen den Krieg in Gaza, sondern gegen die imperialistische Politik, die das ermöglicht und überall auf der Welt tagtäglich ihre Opfer fordert!

Vorschlag: Stopp aller Waffenlieferungen an Israel – sofort!

Die Angriffe der IDF und die Politik der israelischen Regierung haben über 40.000 Menschen in Gaza das Leben gekostet, Hunderttausende obdachlos gemacht und vertrieben, Zehntausenden droht der Tod durch Verhungern. Der drohende Angriff auf Rafah wird diese Katastrophe verschärfen. Vor unseren Augen vollzieht sich ein Genozid am palästinensischen Volk.

Dazu dürfen wir Lohnabhängige, dürfen wir Gewerkschafter:innen nicht schweigen. Wir müssen aktiv werden und alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um das Morden zu stoppen, einen sofortigen Waffenstillstand, den Rückzug der israelischen Armee, die Öffnung der Grenzen für die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten zu gewährleisten.

Damit das Morden gestoppt wird, kämpfen wir dafür, dass sämtliche Unterstützung für den Genozid durch Deutschland unterbleibt – das heißt vor allem sofortiger Stopp von Waffenlieferungen an Israel!

Als Gewerkschafter:innen können und müssen wir zusammen mit Schüler:innen und Studierenden die Solidaritätsbewegung auf der Straße unterstützen. Wir müssen aber auch die Solidarität in die Betriebe, in die Abteilungen und Büros tragen. Wir werden gemeinsame Anträge in gewerkschaftliche und betriebliche Gremien einbringen, die folgende Positionen und Forderungen an die DGB-Gewerkschaften beinhalten:

Wir brauchen eine Kursumkehr in den DGB-Gewerkschaften! Wir treten für die Durchführung von Solidaritätsdiskussionen ein, wie sie von den palästinensischen Gewerkschaften seit Monaten gefordert werden.

  • Kein weiteres Schweigen zum Genozid! Schluss mit der Politik der Unterstützung für Bundesregierung und Krieg!

  • Offene und demokratische Diskussion in den Gewerkschaften und Betrieben, wie das Morden gestoppt werden kann!

  • Veröffentlichung, Verbreitung und Einhaltung der Resolutionen der internationalen Gewerkschaftsverbände gegen Krieg, Hunger und Waffenlieferungen durch die Vorstände der deutschen Gewerkschaften!

Wir schlagen gewerkschaftliche und betriebliche Mobilisierungen um folgende grundlegende Forderungen vor:

  • Sofortiger Waffenstillstand, Rückzug der IDF, Öffnung der Grenzen für Hilfslieferungen an die Bevölkerung!

  • Stopp aller Waffenlieferungen an Israel! Abzug aller deutschen Truppen aus dem Nahen Osten!

  • Entkriminalisierung der Palästinasolidarität und aller palästinensischen Organisationen!

  • Verhinderung von Waffentransporten nach Israel durch Massendemonstrationen, Arbeitsniederlegungen, Streiks und Blockaden!