Berliner Krankenhausstreiks: eine Zwischenbilanz

Jürgen Roth, Infomail 1162, 15. September 21

In der Entgelttarifrunde für den öffentlichen Dienst bei Bund und Gemeinden in diesem Frühjahr wurde er angekündigt: der Kampf für einen Tarifvertrag Entlastung (TVE) bei den Berliner Kliniken Vivantes und Charité. Die dortigen Beschäftigten holten ihre KollegInnen der ausgegliederten Vivantes-Tochterunternehmen (VSG) für eine Angleichung an den TvöD ins Boot, steigerten ihren gewerkschaftlichen Organisationsgrad deutlich und organisierten eine erfolgreiche Unterschriftensammlung für ihre Vorhaben in den Betriebsteilen. Fast 9.000 Unterschriften konnten sie sammeln und Ende Mai dem Senat übergeben, verknüpft mit einer 100-Tagefrist, um die Forderungen umzusetzen. Nach deren Ablauf und diesbezüglicher Untätigkeit der Landes- und Stadtregierung erfolgten ab Ende August mehrtägige Warnstreiks. Nach äußerst erfolgreicher Urabstimmung (ca. 98 % Zustimmung) kam es dann ab letzten Donnerstag zu Vollstreiks, unbefristet beim nichtärztlichen medizinischen Personal und übers letzte Wochenende ausgesetzt bei der VSG. Die Tochterunternehmen der Charité blieben mit Ausnahme des Labors Berlin, einer gemeinsamen Einrichtung mit Vivantes, außen vor, weil sie schon zuvor eine Angleichung an den TvöD erkämpft hatten.

Dienstag, der 14.9.2021: ein vorläufiger Höhepunkt

Es versammelten sich ca. 2000 KollegInnen zum Auftakt auf dem Robert-Koch-Platz nahe dem Charitécampus Mitte, um nach mehreren Reden vom Lautsprecherwagen als Demonstrationszug zum Roten Rathaus aufzubrechen. Selbst die Polizei sprach von 1500 Teilnehmenden.

Die Reden waren sehr kämpferisch, was die ebenso fröhliche wie militante Stimmung unter den ZuhörerInnen anheizte. Teils waren sie kapitalismuskritisch, oft gingen sie über die für den Streik aufgestellten Forderungen hinaus, wenn die Abschaffung der Fallpauschalenabrechnung (DRGs) ebenso wie ein nicht profitorientiertes Gesundheitswesen gefordert wurden.

Keineswegs selbstverständlich, aber schon von Beginn der Mobilisierungen an praktiziert kamen überwiegend die Beschäftigten zu Wort und nicht die FunktionärInnen. Die RednerInnen deckten ein weites Spektrum ab: von der Pflege über Hebammen bis zu Beschäftigten der Tochtergesellschaften, die üblicherweise sonst am wenigsten zu Wort kommen. Reden von Bündnissen wie Gemeinsam auf die Straße und Deutsche Wohnen & Co. enteignen wie des ver.di-Betriebsgruppensprechers bei der Berliner Feuerwehr und einer Kollegin von der Uniklinik Kiel zeigten eindrucksvoll, dass der Schulterschluss mit anderen KollegInnen und AktivistInnen der verschiedenen Berliner Sozialbewegungen gesucht und gefunden wurde.

Eskalation

Ab diesem Tag wurde der Streik ausgeweitet. Statt vorher 900 wurden 1200 Betten gesperrt und eine vierstellige Zahl zum täglichen Streik aufgerufen. Auch die VSG soll ab diesem Datum in den unbefristeten Ausstand gehen. Dies ist die richtige Antwort auf völlig unzureichende Arbeit„geber“Innenangebote, das Verweigern von Notdienstvereinbarungen durch Klinikleitungen, den versuchten Ausschluss von Labor Berlin aus einem Tarifabkommen, das Schweigen des Senats und die Versuche des Vivantesvorstands, die Streiks per Arbeitsgerichtsbeschluss untersagen zu lassen. Die Demonstrierenden ließen keine Zweifel aufkommen: Das lassen wir nicht mit uns machen! Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil!

Die Erfahrungen bei der Charité ab 2015 zahlten sich aus. Angesichts der Untätigkeit und Widerspenstigkeit ihrer ChefInnen stellten sie eigene Notdienstpläne einschließlich Bettensperrungen und Stationsschließungen auf. Streikposten üben hier also im Gegensatz zu den meisten anderen Arbeitskämpfen ihre Funktion nicht vor, sondern innerhalb der („weißen“) Fabrik, auf den bestreikten Stationen und Funktionsabteilungen aus: Kontrollen, ob die Notfahrpläne eingehalten werden.

Stärken

Neben dem versuchten Schulterschluss mit anderen Beschäftigten und sozialen AktivistInnen, der erfolgreichen Mitgliederwerbung für ver.di, der Unterschriftensammlung seien hier 2 Punkte erwähnt, die bei sonstigen Arbeitsstreitigkeiten oft fehlen: Die Krankenhausbeschäftigten wurden von Anfang an nicht müde, ihr Anliegen in die breitere Öffentlichkeit zu tragen und in diesem Sinne zu politisieren. Es verging kaum ein Streiktag, an dem nicht auch Kundgebungen oder Demonstrationen auf öffentlichen Plätzen stattgefunden hätten. Nicht zu unterschätzen ist hierbei auch die Mobilisierung von UnterstützerInnen, seien es ver.di-SeniorInnen oder Bündnisse wie Gesundheit statt Profite, die bei der Organisierung von Online-, aber auch Freiluftveranstaltungen wie Anfang Juli im Stadion an der alten Försterei, dem Kulttempel der mittlerweile überraschend auf europäischem Niveau kickenden BalltreterInnen des FC „Eisern“ Union, eine wichtige Rolle spielte. Die Berliner Krankenhausbewegung geht weit über das Spektrum der unmittelbar Beschäftigten hinaus.

Dies ist richtungsweisendes „Social Organizing“, ein Fingerzeig für hoffentlich zukünftige Auseinandersetzungen in breiterem Rahmen. Schon 2015 hatte ja der Charitéstreik für mehr Personal der bis dahin auf Sparflamme von Petitionen an PolitikerInnen und Bundesrat sowie halbstündigen „Streiks“ in der Mittagspause auf Sparflamme vor sich hinköchelnden ver.di-Kampagne „Der Druck muss raus!“ überhaupt Leben eingehaucht und greifbare, wenn auch unbefriedigende und schwer zu kontrollierende Ergebnisse erzielt.

Zweites Faustpfand für diesen Arbeitskampf stellt das Gerüst an Teamdelegierten dar. Vorher hießen sie TarifberaterInnen bzw. -botschafterInnen. Ohne sie wären die Erhöhung des gewerkschaftlichen Organisationsgrads, die vielfältigen Mobilisierungen nicht möglich gewesen. Sie spielten auch eine entscheidende Rolle bei der Aufstellung der Forderungen und schalten sich auch in die Tarifkommission unseres Wissens nach ein, damit der Apparat diese nicht so leicht unter den Tisch kehren kann. Zudem bilden sie praktisch das Rückgrat des Streiks, agieren de facto als Streikkommission. Daneben und darüber hinaus scheint es eine solche nach unserer Erkenntnis nicht zu geben. Von ihnen ausgehend kann einerseits eine Reaktivierung gewerkschaftlicher Betriebsgruppen und Vertrauensleutekörper in Szene gesetzt, die Kontrolle über den Streik von unten erfochten werden, falls sie jederzeit den Streikvollversammlungen gegenüber rechenschaftspflichtig und jederzeit abwähl- und ersetzbar bleiben.

Letztere sind allerdings ein unverzichtbares Inventar wirklicher Basisdemokratie. Ohne sie drohen die Teamdelegierten, die ja auch die Schnittstelle zu den FunktionärInnen verkörpern und diese kontrollieren sollen, zu einer Geisel des Apparates zu werden. Kurz: es gilt für die Vernetzung kämpferischer Gewerkschaften (VKG), diese Schicht von BasisaktivistInnen mit in ihr Boot zu holen, will sie einen wirklichen Schritt hin zu einer klassenkämpferischen Gewerkschaftsbasisbewegung gehen!

Fallen

Darüber hinaus sind die Teamdelegierten bei der Umsetzung eines TVE wichtig, soll diese im Interesse der Beschäftigten und PatientInnen und unter deren Kontrolle erfolgen (mehr Personal, bessere Pflege und Medizin, Umstrukturierung des Gesundheitswesens). Bisher kranken die oft schwerfälligen Interventionskaskaden daran, dass die letztliche Entscheidung über Aufnahmestopps, Bettensperrungen, Stationsschließungen und Personalausgleich bei Unterschreitung der tariflich vereinbarten Mindestbesetzungen in der Hand der Klinikleitungen, also letztlich beim Kapital verbleibt.

Besonders und über den Betrieb hinaus wichtig wird der Aufbau von Kontrollorganen durch die Basis dann, wenn nicht mehr Personal eingestellt wird, sondern weitere Umstrukturierungen in der flächendeckenden stationären Grundversorgung drohen. Es liegen Pläne in der Schublade, die von deren völliger Abschaffung und der Schließung von 2/3 der noch bundesweit vorhandenen ca. 2000 Krankenhäuser ausgehen. Eine Konzentration auf Hochleistungs- und Schwerpunktmedizin in allen Kliniken soll demgemäß parallel zu einer im Wesentlichen nur noch ambulanten Grundversorgung außerhalb von mittleren und großen Städten erfolgen.

Selbst die richtige Forderung nach Rekommunalisierung aller privatisierten Krankenhäuser griffe für diesen Fall zu kurz, wenn es keine Kreis- und Kleinstadteinrichtungen mehr gäbe. Geradezu orakelhaft und nur scheinbar beruhigend wirkt deshalb die Aussage des Vivantesdirektoriums zu Beginn der Vollstreiks: „Wir sind mit ver.di im Einvernehmen. Leistung muss dem Personal folgen!“ Kein Wunder, denn Vivantes ist als städtische Klinikkette im Gegensatz zur Charité ein Hybrid, wo neben Schwerpunktmedizin auch der flächendeckende Bedarf in der Grundversorgung (noch) geleistet wird.

Ausgehend von ArbeiterInnenkontrolle im Fall eines durchgesetzten TVE könnten diese Organe aber die Aufgabe anpacken, diese auf eine bundesweite über das gesamte Gesundheitswesen auszudehnen. Denn ginge es nach Vivantes, dürfte bald auch das Personal aus den Kreiskrankenhäusern der „Leistung“ folgen, die nur noch in größeren Städten erbracht würde.

Als Sprungbrett müssen sie auch im Gleichschritt mit der gesamten Berliner Krankenhausbewegung auch für die dringend notwendige Überwindung des Häuserkampfschemas fungieren. Das Potenzial dazu hat die gestrige Aktion gezeigt. Die Kieler Kollegin wies in ihrer Lautsprecherrede darauf hin, dass der Startschuss für nachfolgende Kampagnen 2015 von der Charité in ihrem Kampf für einen TVE abgefeuert worden und seitdem der „Staffelstab“ weitergereicht worden sei, zuletzt nach Kiel über zahlreiche Zwischenetappen (Baden-Württemberg, Düsseldorf, Essen, Gießen, Marburg, Karlsbad/Langensteinach, Homburg/Saar, Augsburg, Mainz, Jena).

Das ist richtig, aber ungenügend! Das Konzept des Staffellaufs über die Häuser ist ein Lieblingsspielzeug der ver.di-Bürokratie, weil es sie der Verantwortung enthebt, einen die Auseinandersetzungen zu einem allgemeinen bundesweiten Kampf zusammenzuführen, der leicht politische Dimensionen annehmen könnte. Davor scheut allerdings der Apparat zurück.

Zusammenführen!

Gerade in dieser Hinsicht war es ein Fehler, die beiden wichtigsten Anliegen der Krankenhausbeschäftigten nicht mit der Entgelttarifrunde bei Bund und Kommunen im Frühjahr zu verknüpfen, wo die Kraft aller dort Beschäftigten somit für die Anliegen Ersterer hätte einsetzen und ausnutzen können. Unmittelbar gehen die Angestellten der Berliner Tarifgemeinschaft der Arbeiterwohlfahrt (AWO), wozu 2000 Beschäftigte von AWO-Landesverband, der meisten Kreisverbände sowie der AWO pro:mensch GmbH gehören, in eine 2., viertägige Warnstreikwelle vom 15. – 21.9., nachdem die 1., zweitägige im August erfolglos blieb. Für deren nächste Verhandlungsrunde tischt ver-di seine Gehaltsforderung von 98 % des TvöD-L auf.

Und im nächsten Monat geht das Ringen um einen neuen TvöD-L bei den Lohn- und GehaltsempfängerInnen der Bundesländer los. Wir fordern deshalb volle Solidarität mit den AWO-Warnstreikenden, besser noch deren völlige Gleichstellung mit den Länderbeschäftigten. Für den neuen TvöD-L müssen die berechtigten Anliegen der dortigen Krankenhausbeschäftigten (z. B. Uni-, psychiatrische Landeskliniken) nach Entlastung und für Angleichung der Arbeitsbedingungen bei deren Töchtern, besser für vollständige Gleichstellung und am allerbesten für deren Rückkehr unters Dach ihrer Mütter, aufgegriffen werden!

Die „ArbeitgeberInnen“ spielen in ihrer Begründung für Ablehnung der Tarifbelange schließlich auf ihrer Argumentationsklaviatur neben der Fallpauschalenpartitur (Ertragseinbrüche) die Sonate des drohenden Rauswurfs aus den Arbeit„geber“Innenverbänden Kommunaler Arbeitgeberverband (KAV) und Tarifgemeinschaft Länder in G(eh!) Moll. Nehmen wir ihr diese Noten aus der Hand, indem wir das Anliegen der Beschäftigten in Landeskliniken zu dem aller (dort) Arbeitenden im nächsten Schritt machen – und im übernächsten den Fall der DRGs durch politische Massenstreiks.

Den Keim eines solchen Schulterschluss konnten wir gestern sehen, den eines Streiks unter Kontrolle der Basis. Lassen wir diese Keime jetzt aufblühen und die Ernte einfahren, um der giftigen Saat des Gesundheitskapitals von hier aus ihr Ende einzuläuten!




Vollstreik bis zum Sieg! Solidarität mit der Berliner Krankenhausbewegung!

Flugblatt der Gruppe ArbeiterInnenmacht, Infomail 1161, 9. September 2021

Personalnotstand, Outsourcing, prekäre Arbeitszeiten, Überlastung, Privatisierungen. Nach Jahren des Notstandes an den Krankenhäusern befinden sich die Klinikleitungen von Charité und Vivantes in der Defensive. Endlich!

Die Mobilisierung der Berliner Krankenhausbewegung trägt nun Früchte. Ohne monatelange Anstrengung wäre das unmöglich gewesen. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad stieg in den letzten Monaten, Tausende neue Mitglieder traten ver.di bei. Die Warnstreiks und Großkundgebungen haben gezeigt, dass eine erfolgreiche Organisierung trotz massiven Drucks in den Krankenhäusern, trotz Auslagerungen, trotz künstlicher Zersplitterung und Spaltung der Belegschaften, trotz unterschiedlicher Tarifverträge möglich ist.

An der Charité stimmten 97,85 Prozent, bei Vivantes 98,45 Prozent und in den Tochterunternehmen 98,82 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten für den Arbeitskampf. Allein das spricht eine deutliche Sprache. Es gibt keine Alternative zum unbefristeten Streik.

Die einzige Sprache, die sie verstehen

Über Monate, ja Jahre hinweg haben die Klinikleitungen von Charité und Vivantes alle möglichen fadenscheinigen Gründe angeführt, warum sie die Forderungen nach einem Tarifvertrag Entlastung und einem „TVöD für alle“, also nach Einstellung von mehr Personal, verbesserten Arbeitsbedingungen und gleichen Einkommen für alle nicht erfüllen könnten.

Nun, nachdem fast 100 % der Gewerkschaftsmitglieder für einen unbefristeten Streik votierten, zaubern sie plötzlich neue Last-Minute-Verhandlungsangebote aus dem Hut. Zugeständnisse wären jetzt möglich – wenn die Beschäftigten und die Gewerkschaft ver.di nur den Streik abblasen würden. Nachdem die Vivantes-Leitung im August noch versuchte, die Warnstreiks per Gericht zu verbieten, klagt sie jetzt über den Mangel an „Kooperation“ und „Vertrauen“ der Beschäftigten.

Klar, diese Leute wollen lieber verhandeln, wenn wir nicht streiken, wenn wir die Aktionen aussetzen – denn dann ist ihre Verhandlungsposition stärker, ist der Druck, unsere Durchsetzungsfähigkeit geringer. Daher sollte auch kein Streik, kein Streikposten, keine Aktion heruntergefahren werden, solange es keinen Abschluss gibt, der die Forderungen erfüllt und von den Streikenden akzeptiert wird. Streik – das ist die einzige Sprache, die die sog. ArbeitergeberInnen verstehen; und das ist auch das beste Mittel, die Einheit der Beschäftigten und den Organisationsgrad der Gewerkschaft weiter zu stärken.

Neben den Aktionen braucht es tägliche Streikversammlungen, wo der Stand der Auseinandersetzung diskutiert wird, wo die Streikleitungen gewählt und gestärkt, wo neue Aktive einbezogen werden können. Darüber hinaus kann und sollte bei den Versammlungen diskutiert und beschlossen werden, wie der Arbeitskampf unbefristet und solange weiter geführt werden kann, bis Vivantes und Charité klein beigeben.

  • Unbefristeter Vollstreik bis zur Erfüllung der Forderungen! Keine Aussetzung des Streiks ohne Abstimmung unter den Streikenden! Keine Teilabschlüsse in einem Krankenhaus, sondern nur gemeinsamer Abschluss!

Dynamik nutzen, Kampf ausweiten!

Zur Zeit befinden wir uns und unsere Gewerkschaften in einer günstigen Position. Der Streik und die Forderungen sind bei der Bevölkerung populär.

Erstens streiken wir nicht nur für unsere Löhne und Arbeitsbedingungen, sondern auch für eine menschenwürdige Versorgung aller PatientInnen, aller Lohnabhängigen. Hinzu kommt zweitens, dass kurz vor den Wahlen fast alle PolitikerInnen ihr Herz für das Gesundheitswesen entdecken. Wir sollten darauf nicht viel geben, aber die Situation nutzen und den Senat noch mehr unter Druck setzen.

Drittens sollten wir den Streik in direkte Verbindung mit anderen Arbeitskämpfen setzen, vor allem mit dem Streik der GDL und der anstehenden Tarifrunde der Länder im öffentlichen Dienst. Gerade letzte müssten wir mit dem Kampf für mehr Personal, für Wiedereingliederung outgesourter Tochterunternehmen, für gleiche Tarife, kürzere Arbeitszeiten und höhere Einkommen verbinden, für die Abschaffung der unsäglichen DRGs und ein Gesundheitssystem, das sich nicht an Markt und Profiten, sondern an den Bedürfnissen der Menschen orientiert.

  • Koordinierung des Streiks bei den Krankenhäusern mit dem Arbeitskampf der GDL und mit der nächsten Ländertarifrunde! Nutzen wir den Kampf für einen Entlastungstarifvertrag in Berlin als Sprungbrett für den um einen bundesweiten Tarifvertrag Entlastung!
  • Umgekehrt dürfen Vivantes und Charite nicht alleine bleiben! An allen Orten muss ver.di jetzt die Klinikbelegschaften streikfähig machen! Die Tarifbewegung bei den Uni-Kliniken ist ein guter Ansatz, die Bewegung sofort zu verbreitern!

Öffentliches Gesundheitssystem unter Kontrolle der Beschäftigten!

Der Kampf in den Berliner Krankenhäusern ist weit mehr als einer für einzelne Verbesserungen. Nicht erst die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass dieses System ständig am Rande des Zusammenbruchs funktioniert, alle Privatisierungen und marktkonformen Reformen der letzen Jahre und Jahrzehnte auf Kosten der Beschäftigten und der Masse der PatientInnen gingen, während sich private Klinken und KrankenhausbetreiberInnen,  Pharmakonzerne und medizintechnische Industrie bereichern konnten.

Damit muss Schluss sein, wenn wir ein menschenwürdiges Gesundheitssystem aufbauen wollen! Der Markt richtet nichts, jedenfalls nicht für die Masse der Bevölkerung.

  • Entschädigungslose Enteignung privater und privatisierter Krankenhäuser unter Kontrolle der Beschäftigten und der Gewerkschaften! Entschädigungslose Enteignung der Pharma- und Medizintechnikkonzerne!
  • Für ein gesetzliche Personalbemessung, die den tatsächlichen Bedarf widerspiegelt und die  in allen Sektoren, auch der Altenpflege gilt!
  • Für ein ausreichendes Pflegepersonalgesetz in allen Sektoren, auch der Altenpflege! Personalbedarf für die PatientInnenversorgung, errechnet durch die Beschäftigten sowie PatientInnen und ihre Organisationen selber! Laufende Personalbesetzungs- und Betriebsregelungen unter ArbeiterInnenkontrolle!
  • Weg mit Beitragsbemessungsgrenzen, Befreiungs- und Ausstiegsmöglichkeiten von der gesetzlichen Krankenversicherung! Für weitere Finanzierung des Plans durch progressive Steuern auf Kapital, Gewinne und Vermögen!
  • Plan- statt Marktwirtschaft: Erstellung eines Plans für ein integriertes Gesundheits-, Rettungs-, Kur- und Rehabilitationswesen von unten durch Beschäftigte und PatientInnen unter Hinzuziehung von ExpertInnen ihres Vertrauens!

Diese Forderungen können einen Schritt darstellen zur Sozialisierung der gesamten Care- und Reproduktionsarbeit einschließlich der unbezahlten in Privathaushalten.

Sich dafür einzusetzen und sich an die Seite der streikenden KollegInnen zu stellen und dafür alle Beschäftigten, die ein Interesse an einem gut funktionierenden Gesundheitssystem unter guten Arbeitsbedingungen haben, an Eurer Seite zu mobilisieren, wäre die Aufgabe aller DGB-Gewerkschaften. Mit einer solchen Mobilisierung – streikende KollegInnen in den Krankenhäusern und KollegInnen aus allen Betrieben – würden die  Regierenden in die Knie gezwungen werden können. Dies wäre der Weg für einen erfolgreichen Kampf gegen Privatisierungen und mangelnde personelle und finanzielle Ausstattung des gesamten Gesundheitssektors.

Das kann auch die prekär Beschäftigten auf unterster Stufenleiter unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit, ferner alle Azubis mitnehmen und die Tür aufmachen zu einem vernünftigen Gesellschaftssystem, das den arbeitenden Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Produktionszwecke stellt: Sozialismus statt Kapitalismus!




Tarifrunde öffentlicher Dienst Länder: Klotzen nicht kleckern!

Susanne Kühn, Neue Internationale 258, September 2021

Fünf Prozent mehr Gehalt – mit dieser Forderung gehen die Gewerkschaften für die 1,3 Millionen Landesbeschäftigten in die kommende Tarifrunde. Die Laufzeit soll 12 Monate betragen und die Gehaltserhöhung für die unteren Einkommensgruppen mindestens 150,- Euro. Beschäftigte des Gesundheitswesens im öffentlichen Dienst der Länder sollen tabellenwirksam monatlich 300 Euro mehr erhalten. Die Ausbildungsvergütungen sollen um 100 Euro angehoben werden, für studentische Beschäftigte soll es einen Tarifvertrag geben.

Darüber hinaus strebt ver.di einen separaten „Verhandlungstisch“ Gesundheitswesen an, um weitere Verbesserungen für die Beschäftigten auszuhandeln. Die GEW will endlich eine bessere Eingruppierung für viele angestellte Lehrerinnen und Lehrer unterhalb der Entgeltgruppe 13 erreichen – eine Forderung, die bei der letzten Tarifrunde faktisch geopfert wurde.

Ver.di und GEW führen die Verhandlungen, deren erste Runde für den 8. Oktober angesetzt ist,  gemeinsam mit GdP, IG BAU sowie DBB Beamtenbund und Tarifunion.

Einschätzung der Forderungen

Fünf Prozent hören sich auf den ersten Blick ganz gut an. Doch angesichts einer prognostizierten Inflationsrate von 2,4 % für das Jahr 2021 fällt der Einkommenszuwachs längst nicht so großartig aus, selbst wenn die volle Forderung durchgesetzt werden würde. Hinzu kommt, dass auch im öffentlichen Dienst im letzten Jahr die Einkommen stagnierten und die Arbeitsbelastung insbesondere im Gesundheitswesen, bei LehrerInnen und ErzieherInnen massiv zunahm. Gut hört sich auch an, dass der Tarifvertrag 2021 im Gegensatz zum Abschluss von 2019 – 21 auf 12 Monate begrenzt sein soll.

Doch die letzten Tarifrunden im öffentlichen Dienst – ob bei Bund/Kommunen oder Ländern – verliefen immer wieder nach dem gleichen Muster. Es wurde eine spürbare Einkommenserhöhung gefordert und auch bei Warnstreiks mobilisiert. Am  Verhandlungstisch endete das alles mit mageren Ergebnissen, langen Laufzeiten, Auslagerung von strittigen Themen und großen Anstrengungen, die Abschlüsse schönzureden. Wenn eine Wiederholung dieser Erfahrung verhindert werden soll, müssen die Gewerkschaftsmitglieder selbst die Tarifrunde kontrollieren.

In jedem Fall gibt es Anzeichen dafür, dass die Auseinandersetzung auch 2021 ähnlich wie in den letzten Jahren verlaufen könnte, auch wenn wir am Beginn einer gewissen konjunkturellen Erholung stehen. Wie so oft bereiten die Spitzen von ver.di und GEW die Beschäftigten und die ArbeiterInnenklasse nämlich nicht auf eine entschiedene Konfrontation mit den Arbeit„geber“Innen vor.

Vielmehr versuchen sie, selbst höhere Einkommen der Beschäftigten als Mittel darzustellen, den öffentlichen Dienst, also den Staatsapparat im Interesse aller zu stärken. Demzufolge hätten auch die Unternehmen, vor allem aber die Länder selbst ein Interesse an einem attraktiven öffentlichen Dienst, müssten also auch in ihrem eigenen Interesse zufriedenstellende Lohn- und Gehaltsbedingungen bieten, damit die Leute nicht in die Privatwirtschaft gingen.

Ganz in diesem Sinn erklärt die GEW-Vorsitzende Maike Finnern: „Der Staat muss in der Corona-Krise weiter als Stabilisator auftreten. Dafür muss er mit hoch qualifizierten und motivierten Beschäftigten handlungsfähig bleiben. Das zeigt die Corona-Krise Tag für Tag.“

Und die sog. ArbeitgeberInnen?

Bei den Gewerkschaften im öffentlichen Dienst erscheint der Staat als scheinbar über den Klassen stehendes Organ zur Sicherung von Gemeinwohl und Zusammenhalt. Dumm nur, dass die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), die sog. ArbeitgeberInnenseite, diese Illusionen nicht teilt. Wie immer hält sie die Forderungen der Gewerkschaften für überzogen. Natürlich, so ihr Verhandlungsführer, der niedersächsische Finanzminister Hilbers (CDU), verdienten die Beschäftigten Wertschätzung. Nur zu viel kosten dürfen sie nicht. „Die Gewerkschaften sollten mit ihren Forderungen keine illusorischen Erwartungen wecken, sondern die Realitäten anerkennen“, lässt Hilbers über die FAZ ausrichten. Und unter den Realitäten versteht er die Erfordernisse von Konjunktur und Schuldenbremse.

Ohne Streiks und Arbeitskämpfe drohen faule Kompromisse, Abstriche bei den Einkommen oder Laufzeiten oder eine weitere Vertröstung einzelner Beschäftigtengruppen. 2019 traf dies die LehrerInnen.

Dass solche faulen Kompromisse drohen, wissen im Grunde alle aktiven, kämpferischen GewerkschafterInnen. Schließlich kennen sie „ihren“ Apparat, „ihre“ Bürokratie, „ihre“ Vorstände, die eben nicht unter ihrer Kontrolle stehen. Und selbst wer diese Erfahrungen noch nicht gemacht hat, braucht nur den Äußerungen des ver.di-Vorsitzenden Werneke zu folgen. Die Tarifverhandlungen würde, so erklärt er gegenüber der FAZ, „sicherlich nicht einfach“ werden. Doch, so versichert er dem Blatt, die Gewerkschaften seien zwar arbeitskampffähig, Streiks seien aber vorerst kein Thema.

Kampf für die Forderungen

Streiks zum Thema machen müssen die Beschäftigten. Statt des üblichen Tarifrundenrituals sollte entschlossener Kurs auf die Durchsetzung der Forderungen genommen werden – ohne Wenn und Aber. D. h. kämpferische und oppositionelle GewerkschafterInnen müssen nicht nur in der Mobilisierung aktiv sein, um möglichst viele KollegInnen auf die Straße zu holen, sie müssen in ihren Gewerkschaftsgruppen, bei Versammlungen, in Flugblätter, in den Gremien, den Kurs auf die Urabstimmung fordern. Nur so wird sich ein Abschluss durchsetzen lassen, der die Forderungen für alle Beschäftigtengruppen sichert und zudem einen Arbeitskampf im öffentlichen Dienst mit den Kämpfen bei den Berliner Krankenhäusern und bei der Bahn AG koordiniert.

Das Durchsetzen eines entschlossenen Arbeitskampfes erfordert freilich auch, dass dieser selbst unter Kontrolle der Mitglieder gestellt wird, Aktions- und Streikkomitees auf Vollversammlungen gewählt und von diesen abwählbar sind, die Tarifverhandlungen öffentlich geführt werden und die Tarifkommission von der Basis gewählt und dieser rechenschaftspflichtig ist.

Eine solche Politik in ver.di, in der GEW durchzusetzen, wird selbst eine längere Auseinandersetzung erfordern. Die Tarifrunde bietet jedoch eine Gelegenheit, darum KollegInnen zu sammeln, gemeinsam den Arbeitskampf zu politisieren und über diesen hinaus die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften als klassenkämpferische Opposition aufzubauen und zu verankern.




Berliner Krankenhausstreiks: Wie weiter nach dem Auftakt?

Mattis Molde/Jürgen Roth, Neue Internationale 258, September 2021

Montag 23. August 2021: Ver.di ruft die Krankenhausbeschäftigten von Vivantes und Charité zu einem dreitägigen Warnstreik auf – nachdem weder die Klinikleitungen in ernsthafte Verhandlungen über mehr Personal und gleiche Arbeitsbedingungen in den ausgegliederten Unternehmen von Vivantes eingetreten sind noch die politisch Verantwortlichen in Stadt und Land entsprechenden Druck auf diese ausgeübt hatten.

Blockadehaltung der Klinikleitungen

Was die Klinikleitungen von den berechtigten Forderungen halten, hat Vivantes klargemacht: Anstatt über bessere Bedingungen für alle Beschäftigten zu verhandeln, lassen sie den Warnstreik bei den Tochterfirmen über eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht Berlin verbieten. Sie sehen keine Notwendigkeit eines Tarifvertrags (TV) Entlastung für die Angestellten der kommunalen bzw. Landesbetriebe Vivantes und Charité bzw. der Gültigkeit des TvöD für die Beschäftigten in den Vivantestochterunternehmen und machten bisher keinerlei Angebot.

Zwar verhandelten sie tagelang über eine Notdienstvereinbarung, doch erklärten die Arbeit„geber“Innen die bis 2017 an der Charité angewandte für gegenstandslos, seinerzeit von deren Direktor selbst vorgeschlagen. Stattdessen sollten die Beschäftigten noch flexibler einsetzbar sein! Am Charité-Standort Mitte entschied der Vorstand, mit voller Bettenbelegung in die Streikwoche zu starten. Nach 4 Stunden mussten einige Stationen den Streik abbrechen, so Clemens Riedemann, Krankenpfleger in der dortigen Onkologie lt. NEUES DEUTSCHLAND vom 26.8.2021.

Spielte Vivantes mit gerichtlichen Verfügungen, so die Charité mit der Karte des „Streikverbots durch die Hintertür“ (Riedemann). Er konterte auch die Einlassung, es sei juristisch wegen Tarifbindung (TVöD und Mitgliedschaft im Arbeit„geber“Innenverband der Bundesländer) nicht möglich, einem TV zuzustimmen, der es erlaube, bei hoher Belastung einen Ausgleich in Anspruch zu nehmen, unter Verweis auf das Beispiel des Uniklinikums Mainz.

Charitésprecher Markus Heggen widersprach den Vorwürfen der Beschäftigten. Man habe im Vorfeld nicht dringliche Behandlungen abgesagt, respektiere das Streikrecht also und schaffe somit Möglichkeiten zur Teilnahme der Beschäftigten an den Warnstreiks. Es sei nicht möglich gewesen, ganze Stationen zu schließen. Alle Aussagen sind nicht überprüfbar, wohl aber steht fest, dass bei der Sitzung der Zentrumsleitung Charité Mitte mit ver.di-VertreterInnen am 1. Warnstreiktag eine Notvereinbarung präsentiert wurde, die die Normalbesetzung als Notdienstmannschaft vorschlug (Riedemann).

Affront

Dies alles ist ein klarer Affront gegen die Interessen der Beschäftigten und ihren Willen, für deren Durchsetzung in den Kampf zu gehen. Nicht nur die privat organisierten Konzerne wie Helios, Asklepios u. a. setzen auf Konfrontation, sondern nun auch die noch öffentlich geführten Häuser. Kein Wunder, geht es doch in dieser Auseinandersetzung letzten Endes um die politische Ausrichtung der Gesundheitsversorgung – öffentlich mit einer entsprechenden finanziellen Ausstattung, die auch die wirklich aufkommenden Kosten der Behandlungen und der notwendigen Ausstattung refinanziert, oder weiter mit Privatisierung und Fallpauschalen, die zu Personalabbau und Konkurrenz unter den Krankenhäusern führen und letztlich zu Schließungen von Häusern, die der Konkurrenz nicht standhalten können.

Großartiger Start

Von daher hatten die KollegInnen recht, wenn sie trotzdem in den Warnstreik gingen und eine öffentliche Kundgebung gegen diese Entscheidung abhielten. Deutlich über 1000 Streikende und UnterstützerInnen versammelten sich am 23.8. um halb elf vor der Vivantes-Zentrale. Die Stimmung – prima.

Es sprachen die SpitzenkandiatInnen der SPD, der Linken und Grünen. Frau Giffey erntete auch einige Pfiffe, aber für ihre Aussagen, hinter dem Kampf und seinen Zielen zu stehen, bekamen alle drei Applaus. Die Streikleitung legte einen guten Vorschlag vor: Eine Delegation sollte die Rücknahme der einstweiligen Verfügung gegen den Streik der Tochterfirmen von der Geschäftsführung verlangen. Die WahlkämpferInnen sollten mit – eigentlich sind sie als Senatsspitze die AuftraggeberInnen dieser Geschäftsleitung.

Die Streikleitung rief: „Wir gehen hier nicht weg, bevor die Erklärung zurückgenommen worden ist.“ Die Streikenden: „Wir bleiben hier!“

Dann gegen halb eins der Schock: Es gab eine zweite einstweilige Verfügung, angestrengt ebenfalls von den Vivantes-Bossen: Sie wollten geklärt haben, ob die Frage der Personalbemessung überhaupt tariffähig sei. Es gelte ja der laufende Tarifvertrag vom vergangenen Herbst, abgeschlossen zwischen ver.di und den kommunalen Arbeit„geber“Innenverbänden.

Kurz darauf kam die Delegation von dem Spitzengespräch zurück: Die Geschäftsführung nahm nichts zurück. Das hatte auch jetzt niemand mehr erwartet.

Ein Sprecher der Geschäftsführung erläuterte nochmal deren Position, bot aber an, doch über die Aufstockung von Personal reden zu können: „Wir haben viele offene Stellen, kommen Sie zu uns“ und: „Wir haben doch die gleiche Meinung wie ver.di, dass da mehr getan werden muss – aber keinen Tarifvertrag.“ Und dann: „Es wird keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen für diesen Streiktag geben.“ Was man auch als Drohung für den nächsten Streiktag auffassen konnte.

Die Mitglieder der Tarifkommission und der Streikleitung zogen sich zurück zur Beratung. Nach zwei Stunden wurde der Streik vorläufig beendet. Viele waren unzufrieden. Solidaritätsadressen der IG Metall und der GDL machten etwas Mut.

Es ging hin und her: Sollen wir weiter hier die Zentrale von Vivantes blockieren oder machen wir einen Sitzstreik vor dem SPD-Sommerfest? Am Ende verlagerte sich alles dorthin.

Wie geht es weiter?

Der alte Plan sah vor, dass in den Krankenhäusern nur eine Minimalbesatzung im Einsatz ist. Dies ist völlig richtig angesichts der Weigerung der Klinikführungen, auch nur über einen Streiknotfahrplan zu verhandeln. Bei Vivantes hatten zwölf, bei der Charité sieben Teams angekündigt, ab der Dienstagsfrühschicht nicht mehr auf den Stationen zu erscheinen.

Nach einer gerichtlichen Aufhebung der einstweiligen Verfügung ging der Warnstreik am Dienstag und Mittwoch weiter und endete mit einer Kundgebung im Volkspark Friedrichshain. Mittlerweile berät die Tarifkommission über die Abhaltung einer Urabstimmung, die einen Vollstreik einleiten soll.

Gestützt auf eine jüngst errungene, beachtliche Steigerung des gewerkschaftlichen Organisationsgrads und auf Kreationen einer aktiven Basis (Teamdelegierte, TarifberaterInnen bzw. -botschafterInnen), können die Beschäftigten mutig und gestärkt in diesen gehen, wenn sie darüber stets das Heft der Streikführung in der Hand behalten und die Provokationen der Gegenseite adäquat beantworten: Keine Notdienstvereinbarungen ohne unsere Zustimmung! Zur Not setzen sie diese einseitig durch, ohne das PatientInnenwohl zu gefährden (Bettensperrungen, Stationsschließungen, Aufnahmekontrollen). Schließlich liegt ja auch das PatientInnenschicksal schon im Normalbetrieb äußerst einseitig in der Hand aller Beschäftigtenberufsgruppen, nicht in der der Leitungen! Auf alle Angriffe aufs Streikrecht muss mit dem Appell an gewerkschaftliche Solidarität gekontert werden, v. a. mit der solidarischen Wiederaufnahme des laufenden GDL-Streiks, besser einem politischen Streik aller Gewerkschaften insbes. des DGB und seitens des Marburger Bundes!

Natürlich sollte ver.di in die Offensive gehen und den Kampf um einen Entlastungstarifvertrag in den beiden Berliner Häusern als Ausgangspunkt nehmen, um eine bundesweite Entlastungskampagne zu initiieren. Natürlich würde auch die im Oktober beginnende Tarifrunde der Länder im öffentlichen Dienst eine weitere Chance, um in dieser Richtung weiterzukommen, darstellen. Diese müsste dazu genutzt werden, die Beschäftigten aller Unikliniken in einen gemeinsamen Kampf um mehr Personal zu führen, anstatt die Entlastungskampagne auf die Zeit nach der Tarifrunde zu verschieben.

Aber beides braucht Anlaufzeit. Darauf hat die Gewerkschaft sich und die Belegschaften nicht vorbereitet. Während dies in Angriff genommen werden muss, muss zugleich die Dynamik und Mobilisierungsfähigkeit der Berliner Beschäftigten auf die nächste Stufe gehoben und der Kampf ausgeweitet werden von Warnstreiks zu einem unbefristeten Erzwingungsstreik: Für die sofortige Einleitung der Urabstimmung in Berlin! Aufnahme der Berliner Forderungen (TvöD-Angleichung für ausgelagerte Tochtergesellschaften und Personalentlastung in den landeseigenen Krankenhäusern wie z. B. den Unikliniken) in die anstehende Ländertarifrunde des öffentlichen Dienstes!




Krankenhausbewegung – Streik-Auftakt in Berlin

Mattis Molde, Infomail 1159, 24. August 2021

Montag 23. August 2021: Ver.di ruft die Krankenhausbeschäftigten von Vivantes und Charité zu einem dreitägigen Warnstreik auf – nachdem weder die Klinikleitungen in ernsthafte Verhandlungen über mehr Personal und gleiche Arbeitsbedingungen in den ausgegliederten Unternehmen von Vivantes eingetreten sind noch die politisch Verantwortlichen in Stadt und Land entsprechenden Druck auf diese ausgeübt hatten.

Was die Klinikleitungen von den berechtigten Forderungen halten, hat Vivantes klargemacht: Anstatt über bessere Bedingungen für alle Beschäftigte zu verhandeln, lassen sie den Warnstreik bei den Tochterfirmen über eine einstweilige Verfügung beim Arbeitsgericht Berlin verbieten.

Dies ist ein klarer Affront gegen die Interessen der Beschäftigten und ihrem Willen, für deren Durchsetzung in den Kampf zu gehen. Nicht nur die privat organisierten Konzerne wie Helios, Asklepios u.a. setzen auf Konfrontation, sondern nun auch die noch öffentlich geführten Häuser. Kein Wunder geht es doch in dieser Auseinandersetzung letzten Endes um die politische Ausrichtung der Gesundheitsversorgung – öffentlich mit einer entsprechenden finanziellen Ausstattung, die auch die wirklich aufkommenden Kosten der Behandlungen und der notwendigen Ausstattung refinanziert oder weiter mit Privatisierung und Fallpauschalen, die letztlich zu Personalabbau und Konkurrenz unter den Krankenhäusern führt und letztlich zu Schließungen von Häusern, die der Konkurrenz nicht standhalten können.

Großartiger Start

Von daher haben die KollegInnen recht, wenn sie trotzdem in den Warnstreik gehen und eine öffentliche Kundgebung gegen diese Entscheidung abhalten. Deutlich über 1000 Streikende und UnterstützerInnen versammeln sich um halb elf vor der Vivantes-Zentrale. Die Stimmung ist prima.

Es sprechen die SpitzenkandiatInnen der SPD, der Linken und Grünen. Frau Giffey erntet auch einige Pfiffe, aber für ihre Aussagen hinter dem Kampf und seinen Zielen zu stehen, bekommen alle drei Applaus. Die Streikleitung hat einen guten Vorschlag: Eine Delegation soll die Rücknahme der einstweiligen Verfügung gegen den Streik der Tochterfirmen von der Geschäftsführung verlangen. Die WahlkämpferInnen sollen mit – eigentlich sind sie als Senatsspitze die AuftraggeberInnen dieser Geschäftsleitung.

Die Streikleitung ruft: “Wir gehen hier nicht weg, bevor die Erklärung zurückgenommen worden ist.“ Die Streikenden rufen: „Wir bleiben hier!“ Die Logistik vom Streikzelt wird in die Aroser Allee gebracht – mit Kaffee streikt sich’s besser.

Dann gegen halb eins der Schock: Es gibt eine zweite einstweilige Verfügung, angestrengt ebenfalls von den Vivantes-Bossen: Sie wollen geklärt haben, ob die Frage der Personalbemessung überhaupt tariffähig sei. Es gelte ja der laufende Tarifvertrag vom vergangenen Herbst, abgeschlossen zwischen ver.di und den kommunalen Arbeitgeberverbänden.

Kurz darauf kommt die Delegation von dem Spitzengespräch zurück: Die Geschäftsführung nimmt nichts zurück. Das hatte auch jetzt niemand mehr erwartet.

Ein Sprecher der Geschäftsführung erläutert nochmal deren Position, bietet aber an, doch über die Aufstockung von Personal reden zu können: „Wir haben viele offene Stellen, kommen Sie zu uns.“ und: „Wir haben doch die gleiche Meinung wie ver.di, dass da mehr getan werden muss – aber kein Tarifvertrag.“ Und dann: „Es wird keine arbeitsrechlichen Konsequenzen für diesen Streiktag geben.“ Was man auch als Drohung für den nächsten Streiktag auffassen kann.

Die Mitglieder der Tarifkommissionen und der Streikleitung ziehen sich zurück zur Beratung. Nach zwei Stunden wird der Streik vorläufig beendet. Viele sind unzufrieden. Solidaritätsadressen der IG Metall und der GDL machen etwas Mut.

Es geht hin und her: Sollen wir weiter hier die Zentrale von Vivantes blockieren, oder machen wir einen Sitzstreik vor dem SPD-Sommerfest? Am Ende verlagert sich alles dorthin, eine lange Nacht steht bevor.

Wie geht es weiter?

Wenn der Streik am Dienstag nicht fortgesetzt wird, wird die großartige Mobilisierung nicht so einfach wieder aufzunehmen sein. Eigentlich muss ver.di jetzt da durch und den Streik auch trotz der Verfügungen fortsetzen.

Der alte Plan sah vor, dass in den Krankenhäusern nur eine Minimalbesatzung im Einsatz ist. Dies ist völlig richtig angesichts der Weigerung der Klinikführungen, auch über einen Streiknotfahrplan zu verhandeln. Bei Vivantes haben zwölf, bei der Charité sieben Teams angekündigt, ab der Dienstagsfrühschicht nicht mehr auf den Stationen zu erscheinen.

Natürlich sollte ver.di in die Offensive gehen und den Kampf um einen Entlastungstarifvertrag in den beiden Berliner Häusern als Ausgangspunkt nehmen, um eine bundesweite Entlastungskampagne zu initiieren.

Natürlich würde auch die im September beginnende Tarifrunde der Länder im öffentlichen Dienst eine weitere Chance, um in dieser Richtung weiterzukommen, darstellen. Diese müsste dazu genutzt werden, die Beschäftigten aller Unikliniken in einen gemeinsamen Kampf um mehr Personal zu führen, anstatt die Entlastungskampagne auf die Zeit nach der Tarifrunde zu verschieben.

Aber beides braucht Anlaufzeit. Darauf hat die Gewerkschaft sich und die Belegschaften nicht vorbereitet. Auch, wenn sie damit jetzt beginnt, der begonnene Streik darf solange nicht ausgesetzt werden!




Streik! Die einzige Sprache, die Vivantes und Charité verstehen!

Jürgen Roth, Infomail 1159, 22. August 2021

8.397 Unterschriften hatten Beschäftigte der Berliner städtischen Kliniken Vivantes sowie von deren Tochterunternehmen und der landeseigenen Uniklinik Charité am 12. Mai vor dem Roten Rathaus überreicht. Sie forderten, in ernsthafte Verhandlungen über einen Tarifvertrag (TV) Entlastung und einen für die Vivantes-Töchter einzutreten, nach dem deren Beschäftigte zukünftig auf TVöD-Niveau bezahlt werden sollen. Nachdem 100 Tage ohne ernsthaftes Angebot verstrichen sind, folgt nun die Antwort: Streik!

Gut daran ist dreierlei: Erstmals ziehen die Beschäftigten der Unikliniken aller 3 Standorte und der kommunalen Krankenhäuser an einem Strang. Schon 2017 waren die Vivantes-Beschäftigten drauf und dran, sich denen der Charité anzuschließen. Zum Zweiten wird diesmal wie in den beiden Unikliniken Düsseldorf und Essen das Personal der Vivantes-Tochtergesellschaften einbezogen. Drittens setzen die Beschäftigten ein Signal des Widerstandes für alle Lohnabhängigen.

Krankenhausbeschäftigte: Hausaufgaben erfolgreich bewerkstelligt

Von Montag, den 23., bis Mittwoch, den 25.8.2021, soll nun gestreikt werden. Der TV Entlastung sieht als Kernelement eine feste Quotierung bei der PatientInnenversorgung vor. Möglich wurde der Streik durch die Gewinnung zahlreicher neuer ver.di-Mitglieder. Auf einigen Stationen stieg der Organisationsgrad von 10 % auf 70 %! Man entwickelte einen Streiknotplan, der die Streikwilligkeit der KollegInnen konstruktiv mit der Versorgung der Stationen in Übereinkunft bringen soll. Wie schon 2015 (TarifberaterInnen) wurde in Gestalt der Teamdelegierten eine mobilisierungsfähige Basisstruktur geschaffen, die für die Initiierung und Kontrolle des Streiks, aber auch der Umsetzung evtl. erzielter Ergebnisse eine Schlüsselfunktion innehat bzw. -haben kann.

All dies zeigt die hohe Mobilisierung und den Druck der Belegschaften, dem sich auch die ver.di-FunktionärInnenriege nicht entziehen konnte. Weitere günstige Faktoren für einen erfolgreichen Kampf kommen hinzu: Im September stehen in Berlin zwei Wahlen und ein Volksentscheid zur Enteignung der großen Immobilienkonzerne an. Darüber hinaus folgt im Herbst die Tarifrunde für die 2,2 Millionen Länderbeschäftigten im öffentlichen Dienst. Schließlich haben Volksentscheidskampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ (DWE) und das Netzwerk „Gesundheit statt Profite“ dem Anliegen des Klinikpersonals ihre Unterstützung zugesagt. Und schließlich hat für den Zeitraum der ersten Streikwelle die LokführerInnengewerkschaft GDL die Durchführung ihrer zweiten beschlossen.

Klinikvorstände und Senat: Durchgefallen!

Acht Verhandlungstermine für die Vivantes-Töchter sind ergebnislos verlaufen, ebenso die zwei für den TV Entlastung. Senat und Klinikleitungen haben die 100-Tage-Frist am 20. August verstreichen lassen. Die kurzfristige Gesprächsbereitschaft des Charité-Vorstands erbrachte keine Vorschläge außer zu noch mehr Flexibilisierung der Beschäftigten und „effektiverer“ Personalsteuerung. Schließlich mündete die Umsetzung der Forderungen darin, dass weniger PatientInnen versorgt werden könnten, so ließ der Vorstand anklingen. Er prognostizierte für diesen Fall einen Abbau von 360 – 750 Betten und 870 – 1.360 Stellen, kalkulierte das zusätzliche Defizit auf 25 – 45, das für die Vivantes-Tochterbetriebe auf 35 Millionen Euro.

Die Vivantes Geschäftsführung ist zudem am letzten Freitag mit Ablauf der Frist in letzter Sekunde gegen den Streik bei den Vivantes-Töchtern rechtlich vorgegangen und wollte ihn per einstweiliger Verfügung verbieten lassen. Das Vorgehen von Vivantes und die Entscheidung des Gerichts sind ungewöhnlich und ein Skandal! Ver.di wurde von dem Richter nicht einmal angehört. Vivantes hat den Antrag kurzfristig eingereicht und auch gefordert, dass es wegen der Kurzfristigkeit keine Verhandlung dazu gibt. Und das, obwohl der Streik seit mehreren Tagen bekannt war!

Auftakt

Völlig zu Recht betrachtet das die Berliner Krankenhausbewegung als Angriff aufs Streikrecht und braucht die Unterstützung aller GewerkschafterInnen und der Linken. Ein erster Schritt ist die Unterstützung der Kundgebung am Montag, den 23.8.2021, um 10:30 Uhr vor der Vivantes-Zentrale (Aroser Allee), ein zweiter akut ein konsequent gegen die Medienhetze durchgeführter Streik für die vollständige Durchsetzung der GDL-Forderungen.

Ab dann gilt auch die Regelung, dass in den Krankenhäusern nur eine Minimalbesatzung im Einsatz ist. Dies ist völlig richtig angesichts der Weigerung der Klinikführungen, auch über einen Streiknotfahrplan zu verhandeln. Bei Vivantes haben zwölf, bei der Charité sieben Teams angekündigt, ab der Dienstagsfrühschicht nicht mehr auf den Stationen zu erscheinen.

Vertrauen in die ver.di-Führung ist gut – Kontrolle ist besser!

Die Streikenden sind jedoch gut beraten, der ver.di-Spitze nicht blind Vertrauen zu schenken: mit der Bürokratie, wo möglich, gegen sie, wo nötig! Sie fordert ja nicht, dass die Kliniktochtergesellschaften allesamt wieder unters Dach ihrer Mütter kommen, sondern lediglich die Anwendung des TVöD auf diese, was zweifellos schon ein Fortschritt wäre. Ein sich lange hinziehender Arbeitskampf ihrer KollegInnen von der Charité-Tochter CFM mit insgesamt 85 Streiktagen führte schließlich zu einem Kompromiss, der weder die Übernahme noch vollständige Angleichung an den TVöD zeitigte. Die Rückführung in den Schoß der Kliniken war zudem ein Versprechen des rot-rot-grünen Senats. Auch gegenüber ihm müssen die Streikenden also skeptisch bleiben. Ein Vertreter der Gesundheitssenatorin hatte zudem vorletzten Donnerstag auf einer Kundgebung von Auszubildenden in der Krankenpflege darauf verwiesen, dass ein Abschluss mit einem Rauswurf der Kliniken aus dem Kommunalen Arbeit„geber“Innenverband (KAV) gekontert werden könnte. Hier rächt sich, dass ver.di die Anliegen der Pflege (Entlastung) und der ausgelagerten Bereiche (Angleichung an den TVöD) nicht zum Bestandteil der Tarifrunde im Frühjahr gemacht und auf einen „Ausweg“ in Form des Kampfs einzelner Häuser wie jetzt in Berlin verwiesen hatte.

Nicht gelöst und durch einen TV Entlastung auch schwer zu lösen ist das Problem seiner Umsetzung bei Unterschreitung der vereinbarten Personaluntergrenzen. Statt der schwerfälligen Interventionskaskade, die außerdem trotz sozialpartnerschaftlicher Gremien letztlich in der Hand der Klinikleitung liegt, brauchen wir eine wirksame Kontrolle mit Bettensperrungen bzw. Stationsschließungen, wenn’s kritisch wird. Jena zeigt hier den Weg.

Womit beginnen?

Im Streikfall müssen die Streikkomitees demokratisch aufgebaut werden und funktionieren und jederzeit durch die Basis absetz- und erneuerbar sein. Die TarifberaterInnen bzw. -botschafterInnen/Teamdelegierten, die eine wichtige Funktion in der Gewinnung neuer Gewerkschaftsmitglieder und als MultiplikatorInnen der Kampagne für den Arbeitskampf hatten, dürfen sich von den SpitzenfunktionärInnen weder im noch nach einem Streik aufs Abstellgleis schicken lassen, wenn sie in deren Augen ihre Schuldigkeit getan haben. Sie können einen mächtigen Hebel für die Revitalisierung des Gewerkschaftslebens im Krankenhaus abgeben, Betriebsgruppen und Vertrauensleutekörper ins Leben rufen oder aus dem Dornröschenschlaf erwecken.

Ihre zweite wichtige Aufgabe bestünde darin, das dynamische Element für die auszuübende Kontrolle der Beschäftigten über ihre Arbeitsbedingungen abzugeben, bei der Organisierung echter ArbeiterInnenkontrolle (Betriebskontrollkomitees) initiativ zu werden und die Solidarität mit den anderen DGB-Gewerkschaften für einen politischen Streik für ein Personalbemessungsgesetz im Gesundheitswesen herzustellen, der schließlich auch die ganze Frage der Rekommunalisierung der privatisierten Krankenhäuser unter Kontrolle der Beschäftigten und PatientInnen und der vollen Refinanzierung der aufkommenden Kosten im Gesundheitsbereich aufwerfen muss. Schließlich sollten sie auch ihr Augenmerk auf den Aufbau von Solidaritätskomitees besonders mit den proletarischen Teilen der Bevölkerung richten, v. a. PatientInnenverbänden, aber auch UnterstützerInnen wie DWE und „Gesundheit statt Profite“.

Darüber hinaus müssen die Betriebs- bzw. Personalräte und ver.di die Initiative ergreifen, die in Berlin gestartete Kampagne aufs ganze Bundesgebiet auszudehnen, vorzugsweise in Gestalt einer Bundeskrankenhauskonferenz mit von unten gewählten Delegierten.

Forderungen und Perspektiven

  • Schluss mit den Privatisierungen im Gesundheitswesen!
  • Entschädigungslose Rückverstaatlichung der bereits privatisierten Krankenhäuser; die ausgelagerten Bereiche müssen wieder dort integriert werden!
  • Fortführung dieser unter Kontrolle von Beschäftigten, Gewerkschaften und VertreterInnen aller weiteren Lohnabhängigen!
  • Weg mit dem System der Fallpauschalen – die real entstehenden Kosten einer Behandlung müssen refinanziert werden!
  • Volle Übernahme der notwendigen Investitionskosten durch den Staat!
  • Offenlegung aller Bilanzen!
  • Für eine ihrem verantwortungsvollen Beruf angemessene, also massiv erhöhte und tarifgebundene Bezahlung der Beschäftigten im Pflegebereich!
  • Für ein ausreichendes Pflegepersonalgesetz in allen Sektoren, auch der Altenpflege! Personalbedarf für die PatientInnenversorgung, errechnet durch die Beschäftigten sowie PatientInnen und ihre Organisationen selber! Laufende Personalbesetzungs- und Betriebsregelungen unter ArbeiterInnenkontrolle!
  • Für flächendeckende Vollstreiks wie z. B. während Gehaltstarifrunden, die alle Beschäftigten einbeziehen! Kontrolle über Streik und Umsetzung des Ergebnisses durch die Basis (ArbeiterInnen- statt Managementkontrolle)! Einbeziehung aller Berufsgruppen! Wiedereingliederung der ausgegliederten Bereiche zu vollen TVöD-Ansprüchen!
  • Für einen politischen Massenstreik gegen Pflegenotstand, ausgerufen durch den DGB!
  • Plan- statt Marktwirtschaft: Erstellung eines Plans für ein integriertes Gesundheits-, Rettungs-, Kur- und Rehabilitationswesen von unten durch Beschäftigte und PatientInnen unter Hinzuziehung von ExpertInnen ihres Vertrauens!
  • Weg mit Beitragsbemessungsgrenzen und Ausstiegsmöglichkeiten aus der gesetzlichen Krankenversicherung! Für weitere Finanzierung des Plans durch progressive Steuern auf Kapital, Gewinne und Vermögen!

Diese Forderungen können einen Schritt darstellen zur Sozialisierung der gesamten Care- und Reproduktionsarbeit einschließlich der unbezahlten in Privathaushalten. Das kann auch die prekär Beschäftigten auf unterster Stufenleiter unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit, ferner alle Azubis mitnehmen und die Tür aufmachen zu einem vernünftigen Gesellschaftssystem, das den arbeitenden Menschen und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Produktionszwecke stellt: Sozialismus statt Kapitalismus!




Krankenhäuser und Pandemie: Krise im Gesundheitswesen reloaded!

Helga Müller, Neue Internationale 255, Mai 2021

Nachdem Anfang diesen Jahres der Höhepunkt der Coronavirus-Infektionen erreicht war, steigen seit Wochen die Ansteckungen mit dem gefährlicheren Typ B 1.1.7 erneut an. IntensivmedizinerInnen und VirologInnen fordern daher drastische Maßnahmen und einen harten Lockdown. Und in der Tat bräuchte es einen solchen. Einen Lockdown, der nicht nur das Privatleben einschränkt, sondern vor allem endlich sämtliche nicht zwingend notwendigen Betriebe miteinbezieht! Wir brauchen drei Wochen bezahlte Arbeitspause zusammen mit einer systematisch geplanten Impf-  und Teststrategie, so wie #ZeroCovid es fordert. So könnte die dritte Welle gebrochen, viele Tote und Langzeitkranke verhindert und Krankenhausangestellte vor enormer Belastung geschont werden.

Corona und Chaos in den Kliniken

RKI-Chef Wieler und viele ÄrztInnen warnen davor, dass die Intensivbetten mit Beatmungsgeräten bereits jetzt knapp werden und schon bald nicht mehr ausreichen könnten. Schon jetzt müssen in einigen Regionen wie z.B. Thüringen PatientInnen mit schwerem Erkrankungsverlauf in Krankenhäuser anderer Bundesländer verlegt werden. Obendrauf kommt noch, dass die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) gar nicht genau weiß, wie viele Intensivbetten mit Beatmungsgeräten in Deutschland tatsächlich verfügbar sind, da zwar Betten gemeldet werden, es aber keine ausreichenden Pflegekräfte vor Ort gibt, die auf Intensivstationen eingesetzt werden können.

All dies wirft ein katastrophales Bild auf die Politik der Bundesregierung, die, seitdem die Pandemie in Deutschland herrscht, nichts dafür getan hat, um die Situation der Pflegekräfte trotz gesellschaftlicher Notsituation zu verbessern: keine bessere Bezahlung und schon gar keine Einführung eines gesetzlichen Pflegeschlüssels für alle Kliniken, obwohl Letzteres seit über einem Jahr als Entwurf vorliegt. Die PPR 2.0 (Pflegepersonal-Regelung 2.0; Neuauflage der Personalbemessung, die kurze Zeit in den 1990er Jahren galt), ausgehandelt von ver.di, Deutschem Pflegerat und Deutscher Krankenhausgesellschaft, könnte sofort umgesetzt werden. Aber außer Beifall nichts gewesen. Dazu passt, dass zu Beginn der Pandemie die vollkommen unzureichende Verordnung zu Personaluntergrenzen ausgesetzt wurde und die Pausenregelung zwischen den Schichten im Arbeitszeitgesetz von 12 auf bis zu 9 Stunden gekürzt wurde. Somit ist es auch kein Wunder, dass im letzten Jahr tausende von Pflegekräften den Beruf verlassen haben, weil sie die zusätzliche psychische und physische Belastung nicht mehr ertragen konnten: Nach Angaben von Spiegel-Online „ging die Zahl der Beschäftigten in der Pflege zwischen Anfang April und Ende Juli 2020 um mehr als 9000 zurück – ein Rückgang um 0,5 Prozent in sehr kurzer Zeit.“

In der ganzen Krise blieben die Gewinnmargen der großen Gesundheitskonzerne unangetastet. Allein der Fresenius-Helios-Konzern, der größte in Deutschland, konnte im Krisenjahr 2020 sein Ergebnis um zwei Millionen auf 666 Millionen Euro steigern. Dies ist mit darauf zurückzuführen, dass die Krankenhäuser im letzten Jahr für den Aufbau von Intensivkapazitäten ca. 50.000 Euro pro Bett und zusätzlich noch eine Pauschale von 560 Euro für jedes freigehaltene Bett erhielten, um den Ausfall nicht dringender, geplanter OPs zu kompensieren. Viele Klinikleitungen bedankten sich für den Zuschuss mit dem Versäumnis, an den Intensivbetten mit Beatmungsgeräten Personal einzuweisen und zu qualifizieren. Zudem wurden trotz Pandemie im letzten Jahr 20 Kliniken geschlossen und dieses Jahr sollen nochmal 31 dazu kommen!

Wo bleibt der Kampf, ver.di?

Angesichts des Regierungsversagens bei Pandemie und Pflegenotstand, angesichts des ungehinderten Profitierens der Klinikkonzerne auf Kosten des Personals und unser aller Gesundheit stellt sich die Frage: Was treiben eigentlich die Gewerkschaften? Während der Pandemie hat ver.di Appelle an die Politik gerichtet, doch endlich für mehr Personal zu sorgen. Das höchste der Gefühle war eine von der Linkspartei organisierte Anhörung im Bundestag und eine Unterschriftensammlung zur PPR 2.0.

Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen, in der vor allem die Beschäftigten aus Krankenhäusern die Warnstreiks trugen, wurde nicht genutzt, um zumindest die Frage eines gesetzlichen Personalschlüssels mit den öffentlichen Arbeit„geberInnen“ zu diskutieren oder ihn gar gegen sie durchzusetzen. Zwar wurde auf Druck vieler aktiver GewerkschafterInnen aus den Kliniken zur Tarifrunde ein separater Gesundheitstisch eingerichtet, anlässlich dessen die ver.di-Führung zu Anfang auch versprochen hatte, die Frage des Personals mit aufzunehmen. Dieses Thema wurde aber schnell von der Verhandlungskommission fallengelassen mit dem Argument, der Manteltarifvertrag sei ja nicht gekündigt und dies sei ja auch eine politische Forderung! So blieb am Ende etwas mehr Geld hauptsächlich für die Pflegekräfte (was zu einer weiteren Zersplitterung des Tarifvertrages und der Belegschaften beiträgt), aber attraktiver wurde der Beruf damit nicht, ist die Überlastung des Personals doch die gleiche geblieben. Wenigstens gab es zahlreiche selbstorganisierte Ansätze von Beschäftigten, Pflegebündnissen und vielerlei Initiativen, teilweise auch mit Unterstützung von engagierten GewerkschaftssekretärInnen und ehrenamtlichen Gremien, mit Petitionen, offenen Briefen und Aktionen gegen die unhaltbare Situation aktiv zu werden.

Für die Beschäftigten in den Krankenhäusern, aber auch für die arbeitende Bevölkerung generell führt nichts daran vorbei: Es braucht bessere Arbeitsbedingungen in den Kliniken, was erstens mehr Geld und zweitens mehr Personal bedeutet. Nach wie vor fehlen sowohl bundesweit 80.000 Pflegestellen als auch eine gute, flächendeckende Gesundheitsversorgung für alle! Wenn sich daran nichts ändert, wird dies nicht nur zu einer weiteren Personalflucht aus den Kliniken führen, sondern auch die mangelnde Versorgung der Bevölkerung verschärfen. Die Pandemie hat deutlicher denn je gezeigt, dass die Ausrichtung des Gesundheitsbereichs  nach Profitinteressen, für die das Personal nur einen Kostenfaktor darstellt, wobei die Beurteilung der PatientInnen nach lukrativster Behandlung erfolgt, eine gute Gesundheitsversorgung unter guten Arbeitsbedingungen verunmöglicht. Und selbst die noch öffentlich geführten und finanzierten Krankenhäuser im kommunalen Bereich und die Unikliniken geraten dadurch unter einen Konkurrenzdruck, der zu entsprechenden Sparmaßnahmen führt.

Kommende Möglichkeiten

Von der Regierung und profitabhängigen Klinikbossen können wir eine gute und flächendeckende Gesundheitsversorgung für alle nicht erwarten, 2020 präsentierte dies allzu deutlich. Letztlich können nur die arbeitende Bevölkerung und die Beschäftigten im gesamten Gesundheitsbereich dies gemeinsam durchsetzen.

Ein wichtiger Termin dafür ist der Tag der Pflegenden am 12.5., der von vielen Pflegebündnissen vorbereitet wird. Weiterhin findet am 15./16. Juni die GesundheitsministerInnenkonferenz in Bamberg statt, auch hier planen Pflegebündnisse und ver.di Protestaktionen. Auch an Krankenhäusern können dazu Mobilisierungen erfolgen, um so an einem Tag gemeinsam gegen die unzumutbaren Zustände in den Krankenhäusern und im gesamten Gesundheitsbereich zu protestieren.

In Berlin plant ver.di eine gemeinsame Kampagne für mehr Personal an der Charité und bei Vivantes  (größter deutscher kommunaler Klinikkonzern). Ein Ko-Kreis über beide Krankenhäuser hinweg wurde gebildet und organisiert eine Rückkopplung zu den jeweiligen TarifberaterInnen und Tarifkommissionen des Krankenhauses. Bei der ersten Videokonferenz mit gewerkschaftlich Aktiven aus beiden Krankenhäusern waren mehrere Hundert versammelt. Der Wille zur Verbesserung ihrer desolaten Situation ist bei den Beschäftigten also da, trotz Pandemie und verschärftem Arbeitsdruck. Geplant ist diesmal zudem, die Kampagne nicht allein auf die Klinikbeschäftigten zu beschränken, sondern auch die sozialen Bewegungen wie „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ mit ins Boot  zu holen. Bis zu den Bundestags- und Senatswahlen im Herbst sollen die Belegschaften streikfähig gemacht werden – was die Möglichkeit böte, die Frage nach einem gesetzlichen Personalschlüssel und die Frage der Rekommunalisierung / Verstaatlichung von Krankenhäusern öffentlich aufzuwerfen!

Eine Frage der Kontrolle

Von Beginn der Aufstellung der Forderungen bis hin zur Diskussion und Entscheidung über die notwendigen Kampfmaßnahmen zusammen mit sozialen Bewegungen und der arbeitenden Bevölkerung muss der Kampf unter Kontrolle der Beschäftigten sein. Andernfalls droht ein Ausverkauf oder ins Leere Laufen Lassen des Kampfes durch die ver.di-Führung. Die letzte Entlastungskampagne lässt grüßen. Streikkomitees, wie sie im Kampf um einen Entlastungstarifvertrag an den Unikliniken Essen und Düsseldorf aufgebaut wurden, sind notwendig. Darüber hinaus müssen auch hinsichtlich der Forderungen und vor allem bezüglich der effektivsten Umsetzung ausgehandelter Abkommen Lehren gezogen werden. Ein Erfahrungsaustausch mit den Aktiven aus anderen Kliniken muss dafür organisiert werden – die KollegInnen  müssen selbst über das sog. Konsequenzmanagement (wie Bettensperrung u. ä.) entscheiden. Erst dann kann bei Nichtumsetzung der Vereinbarungen Druck auf die Klinikleitungen ausgeübt werden, um die durchgesetzten Beschlüsse auch wirklich Realität werden zu lassen. Erste Ansätze dafür, wie mittels des Konsequenzmanagements Unterschreitungen des Personalschlüssels zu mehr Personaleinstellungen führten, gab es bspw. in Jena, wo KollegInnen selbst den Personalbedarf pro Schicht feststellen.

Aber es braucht mehr … Statt einzelne Krankenhäuser in den Kampf um mehr Personal zu führen, muss die gesamte Branche für die Durchsetzung eines flächendeckenden Tarifvertrags Entlastung bestreikt werden. Dieser Kampf muss mit der Forderung nach einem gesetzlichen Personalschlüssel / Einführung der PPR 2.0 und der Rückführung der privatisierten Krankenhäuser in die öffentliche Hand unter Kontrolle der Beschäftigen und PatientInnenorganisationen kombiniert und zusammengeführt werden. Gemeinsame Aktionen mit Pflegebündnissen und Solidaritätskomitees sind lediglich erste, wenn auch wichtige praktische Ansätze für eine solche Politisierung des Kampfes.

Um aber wirklich Schluss zu machen mit Pflegenotstand, Krankenhausschließungen und Privatisierungspolitik, um aber wirklich die Macht von Klinikkonzernen und ihren politischen Verbündeten zu brechen, müssen zusammen mit den anderen DGB-Gewerkschaften Großdemos / -kundgebungen und Massenstreiks bis hin zu politischen angegangen werden! Ver.di, wie dem gesamten DGB, kommt hier eine große Verantwortung zu. Letztlich müssen sie mit jeglicher Sozialpartnerschaft mit Regierungen und Konzernen brechen. Es ist klar, dass der Gewerkschaftsapparat das nach Möglichkeit verhindern will. Wir müssen es wohl gegen diesen durchsetzen, die Gewerkschaften reorganisieren und für eine direkte demokratische Kontrolle der Basis kämpfen. Daher braucht es innerhalb der Gewerkschaften eine politische Strömung, die dort für eine klassenkämpferische Politik kämpft und eintritt, eine Opposition zur Bürokratie. Ein Versuch dazu ist die vor einem Jahr gegründete Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) – schließt Euch dieser Vernetzung an!




Notstand im Krankenhaus: Was hat sich im Verlauf der Pandemie geändert?

Interview mit Anne Moll, Krankenschwester in Bremen, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 9, März 2021

Fight Wie stellt sich im Moment bei Euch die Situation im Krankenhaus ganz konkret dar?

Ich arbeite im Klinikverbund Gesundheit Nord gGmbH in Bremen, einem kommunalen Krankenhausverbund der Maximalversorgung. Es gehören vier Häuser, über die Stadt verteilt, dazu, die über 3.000 Betten verfügen. Dort arbeiten 8.000 Menschen zur Versorgung der Bremer Bevölkerung und der aus dem niedersächsischen Umland.

Arbeitsüberlastungen und Personalmangel gehören seit Jahren zum Alltag.

Mit Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 wurde deutlich, dass das Krankenhaus nicht über genügend Intensivplätze für beatmungspflichtige PatientInnen verfügte . Außerdem stand der Mangel an Schutzausrüstung für die Beschäftigten  ganz oben auf der Liste der Probleme neben dem an gut ausgebildeten Fachkräften, um die intensivpflichtigen PatientInnen zu versorgen.

Seit November, mit der sogenannten 2. Welle, war es eine Erleichterung, dass neue Intensiveinheiten aufgebaut worden waren. Auch an Schutzkleidung gibt es quantitativ keinen Mangel mehr. Die Qualität ist aber oft ungenügend, weil Schutzmasken teilweise nicht auf Virenschutz getestet wurden oder Schutzkleidung schon beim Anziehen reißt.

Das Hauptproblem bildet jetzt noch mehr der Notstand an Fachkräften zur Versorgung. Das betrifft vor allem das ärztliche, die Pflege und das Reinigungspersonal. Es wurde über die Sommermonate so gut wie nichts zum Aufbau von mehr gut ausgebildetem Personal unternommen. Außerdem sind in diesem Bereich nicht wenige Fachkräfte abgewandert, weil sie den Arbeitsdruck nicht aushielten. Und natürlich erkranken auch weiter Beschäftigte an Covid-19.

Fight: Wie kam es zu der Entwicklung? Worauf ist zurückzuführen, dass das Gesundheitswesen sich in den Sommermonaten nicht besser vorbereitet hat auf eine mögliche 2. Welle ?

Hier in Bremen wie in allen Krankenhäusern ging es darum, die Kosten des Lockdowns wieder einzufahren. Zudem wurden auch in den Sommermonaten starke Einschränkungen aufrechterhalten. Nur sehr begrenzt wurden wichtigste Fortbildungen angeboten, oft dann doch kurzfristig wieder abgesagt. Das Klinikum Bremen Nord hat bis heute keine Alternativen zu Präsenzfortbildungen entwickelt.

Fight: Was hat sich bei den Beschäftigtenvertretungen seit dem Sommer verändert?

Der Betriebsrat wirkt wie abgetaucht. Es gab im Sommer eine Einladung zu einer Betriebsversammlung, die dann wieder abgesagt wurde, weil der Versammlungsraum doch nicht den Hygienevorschriften entsprach. Auch hier werden keine Alternativen entwickelt.

Die Gewerkschaft ver.di fordert ja schon seit Jahren bessere Arbeitsbedingungen mit der Kampagne „Der Druck muss raus“, tut aber wenig dafür. So hat sie die Tarifverhandlungen im Herbst  nicht mit Arbeitszeitverkürzung oder der Kampagne „Mehr Personal im Krankenhaus“ verbunden. Auch hat sie nicht flächendeckend bundesweit zu Warnstreiks mobilisiert.

Die Beschäftigten selbst schaffen es in Bremen bis heute nicht, sich selbst zu organisieren. Dabei gibt es bundesweit einige gute Ansätze, darunter zwei bundesweite Vernetzungen. Einmal die zur Forderung einer Aktivenkonferenz, die sich im Sommer formiert hat. Daneben die für mehr Personal im Krankenhaus, die es jetzt schon 4–5 Jahre gibt.

Die Beschäftigten gehen aber überall vor allem einen individuellen „Lösungs“weg:

Sie arbeiten Teilzeit, wenn das möglich ist, wechseln die Abteilungen, zu möglichst weniger belastender Arbeit und gehen vor allem ganz aus den Krankenhäusern und oft auch aus den Berufen raus.

Fight: Welche sofortigen Maßnahmen wären aus Deiner Sicht nötig, um mit der zusätzlichen Belastung klarzukommen?

Die Sofortmaßnahme heißt gestern wie heute : MEHR PERSONAL, bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen wie z. B. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, sichere Dienstpläne, sichere Pausen.

In Bremen gibt es eine Studie der Arbeitnehmerkammer („Pflegepersonal entlasten, halten und gewinnen“ von Dr. Jennie Auffenberg), die besagt, dass eine geschätzte Anzahl von zwischen 120.000 und 200.000 Pflegekräften, die den Beruf verlassen haben, wiederkommen könnten, wenn sich die Bedingungen ändern.

Als erste Schritte wären sofort umzusetzen :

  • Lohnsteigerung von 500 Euro monatlich für die unteren Gehaltsstufen
  • Arbeitszeitverkürzung, den 3-Schicht- auf einen 4-Schichtbetrieb umstellen, bei vollem Lohnausgleich

Zur Zeit passiert gerade das Gegenteil. Die Beschäftigten in den Krankenhäusern  und Pflegeeinrichtungen sollen trotz ihrer schon chronischen Überlastung auch noch die Covid-19-Schnellteste durchführen und wurden für Impfungen angefragt.

Frage: Welche lang-/mittelfristigen Maßnahmen sind deiner Meinung nach nötig, um den Pflegenotstand insgesamt zu beseitigen?

Die Krankenhäuser, aber auch die Pflegedienste, Altenheime, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sowie der Jugendhilfe müssen in öffentlicher Verantwortung geführt werden. Nur so kann die Voraussetzung geschaffen werden, dass das Personal nach Tarifvertrag bezahlt wird und Arbeitsschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Es braucht einen Flächentarifvertrag für alle, die im Gesundheitssystem arbeiten, auch für die sogenannten patientenfernen Berufe wie Reinigung und Logistik. Es ist dringend notwendig, dass die Beschäftigten mit entscheiden über die Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen, d. h. die Gesundheitsversorgung gehört unter Kontrolle der Beschäftigten und PatientInnen.

Dafür brauchen wir eine Basisopposition, die Aktionen organisieren kann und für eine antibürokratische, klassenkämpferische Neuausrichtung der Gewerkschaften kämpft.

Dafür trete ich in bestehenden Bündnissen und Vernetzungen aktiv ein. Vielleicht bist Du demnächst dabei?

Fight: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg.

Das Interview wurde im Januar 2021 geführt.




Der Abschluss für den Öffentlichen Dienst und die Linke

Mattis Molde, 21. November, Infomail 1127

Die erste große Tarifrunde nach Beginn der Pandemie und der Vertiefung der Wirtschaftskrise ist vorbei. Der öffentliche Dienst hat Maßstäbe auch für die nächsten Runden gesetzt. Aber es ging nicht nur um die ökonomischen Verkaufsbedingungen der Ware Arbeitskraft. Es ging um mehr. Es ging darum, wie sich die ArbeiterInnenklasse politisch aufstellt in einer entscheidenden historischen Phase, in der sich eine Krise des kapitalistischen Systems entfaltet, die tiefer und länger zu werden verspricht als die vor 10 Jahren, ja jetzt schon mit der von 1931 verglichen wird. Die begleitet ist von Krisen der politischen Systeme nicht nur in Halbkolonien, sondern auch in den Zentren der Macht wie in den USA und der EU. Die dominiert wird von rechten Massenmobilisierungen und Wahlerfolgen, in der es aber auch Gegenbewegungen gibt.

Ausverkauf

Das Kapital und sein Staat haben sich in dieser Tarifrunde von Anfang an klar positioniert. Das war zu erwarten. Die ver.di-Führung ignorierte das anfangs trotzdem und streute ihren Mitgliedern Sand in die Augen, als sie von einer „Politik der ausgestreckten Hand“ schwadronierte. Als diese Vorgangsweise scheiterte, erklärte sie es zum Ziel der Warnstreiks, dass die Arbeit„geber“Innen „endlich ein Angebot vorlegen“. Die Forderung von 4,8 % mit einer Laufzeit von einem Jahr war damit schon unauffällig ersetzt. Entsprechend haben die SpitzenverhandlerInnen das „respektlose“ erste Angebot der Arbeit„geber“Innenverbände in der letzten Verhandlung nur durch Umverteilung unter den Beschäftigten modifiziert, im Volumen kaum erhöht und dann zu „respektabel“ umgetauft. Diese Einschätzung macht nur dann einen Sinn, wenn man einen Streik von vorneherein ausschließt, wie es offensichtlich die ver.di-Führung getan hat, und noch nicht einmal eine Streikvorbereitung als Drohpotential aufbaut. Das macht diese Niederlage zur Kapitulation. Das haben wir an anderer Stelle ausführlich dargelegt. Eine Niederlage zu erleiden, ist eine Sache, eine andere, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Viele linke Gruppen und Personen haben das Ergebnis analysiert und fast alle kommen zum Schluss, dass es ein schwacher Abschluss war, der meilenweit von der Forderung entfernt war. Aber die meisten betonen, dass immerhin weitergehende Angriffe auf die Beschäftigten abgewehrt worden seien. So titelt die SAV: „Angriff abgewehrt, Gegenoffensive verpasst“. Ähnlich sieht das Olaf Harms in der UZ „Licht und Schatten“. Die Sol (Sozialistische Organisation Solidarität) meint: „Kampfkraft nicht genutzt“ und „ernüchterndes Ergebnis“. Auch RIO nennt das Ergebnis „,mager“. Die Rote Fahne schreibt „das Ergebnis: ein fauler Kompromiss, weil die volle gewerkschaftliche Kampfkraft nicht eingesetzt wurde“.

Apparat

Alle diese Einschätzungen sind näher an der Realität als die selbstgefällige Lobhudelei, die ver.di selbst verbreitet. Letztere wird nicht besser dadurch, dass ein Teil der Mitglieder das Einknicken der Verhandlungsführung unterstützte oder keine Alternative dazu sah. Aber sehr viele protestieren auch gegen diesen Abschluss auf Webseiten von ver.di oder in öffentlichen Medien. Aus den Kreisen der vielen GewerkschaftssekretärInnen, von denen etliche in linken Organisationen wie DIE LINKE, IL oder marx21 politisch organisiert sind, ist kein Anflug einer Kritik zu hören, alle tragen brav die Entscheidung mit. Sie verwechseln die Disziplin innerhalb einer ArbeiterInnenorganisation, beschlossene Aktionen auch gemeinsam durchzuführen, mit einer  innerhalb eines Apparates gegen diese Organisation: In einer Phase, in der ein Abschluss diskutiert werden soll, vertreten diese „Hauptamtlichen“, wie sie sich selber nennen, die Linie der Spitze und bekämpfen die Kritik, die von der Basis geäußert wird. Das Gleiche gilt für die breite Masse der betrieblichen SpitzenfunktionärInnen, der sogenannten Ehrenamtlichen, der linken wie der rechten.

Diese Einstellung der „Linken“ in der Struktur von ver.di ist verheerend. Sie führt erstens dazu, dass sich die Kritik aus der Basis nicht wirklich innerhalb der Gewerkschaft ausdrücken kann. Diejenigen, die innerhalb der Strukturen Funktionen innehaben, weigern sich, sich zum Sprachrohr der Kritik zu machen. Sie überlassen die Basis sich selbst und sind hauptverantwortlich dafür, wenn jetzt gerade kritische KollegInnen den Laden verlassen. Zweitens sind damit auch die nächsten Niederlagen vorprogrammiert. Dies wird innerhalb von ver.di vor allem der ÖPNV sein mit den Tarifverträgen Nahverkehr. Für die ganzen schlechter und schwächer organisierten Beschäftigtengruppen ist das Signal, das ver.di gegeben hat, eine wirkliche Entmutigung.

Diese Verweigerung der Linken im ver.di-Apparat, sich zum Sprachrohr der kritischen Teile der Gewerkschaftsbasis zu machen, wird übrigens voll auch von der Partei DIE LINKE getragen. Der Vorstand hat bisher kein einziges Wort der Kritik veröffentlicht und damit gezeigt, dass die Partei in dieser Frage als Wasserträgerin des reformistischen ver.di-Apparates fungiert und null Unterschied zur SPD darstellt. Auf unterer Ebene der Linkspartei gab es kritiklosen Jubel (Niedersachsen:), leichte Kritik (z. B. Oberhausen), aber auch kommunale MandatsträgerInnen, die sich von Anfang an mit Blick auf ihre Gemeindefinanzen gegen die Forderungen gestellt hatten.

Zurückbleiben

Aber auch die Gruppen und Organisationen, die Kritik an dem Abschluss üben, müssen sich fragen, ob ihre Antworten ausreichend sind. So ist das Bemühen, dem Abschluss noch etwas Gutes abzugewinnen, mehrfach problematisch: Erstens führt es zu falschen oder unzureichenden Schlussfolgerungen bezüglich der betroffenen KollegInnen. Zweitens zu falschen Perspektiven für die weiteren Tarifrunden und alle Abwehrkämpfe gegen die Krise.

Erstens gehört es zum ABC jeglicher Verhandlung auf jeglichem Gebiet, dass auch weitergehende Forderungen aufgestellt werden, auf die im Laufe der Verhandlungen verzichtet werden kann. Frank Werneke beispielsweise hat ja sehr offen zum Thema Laufzeit erklärt, dass die Forderung nach einem Jahr nie ernst gemeint gewesen sei, „weil da ja dann Bundestagswahl“ wäre. Warum das nicht gehe, ist damit noch nicht erklärt, aber anschaulich dargestellt, wie die Spitzen der Bürokratie zur „demokratischen Beschlüssen“ stehen. Natürlich stellt auch die andere Seite weitergehende Forderungen als Verhandlungsmasse auf. Linke sollten daraus lernen, nicht Scheinerfolge zu preisen oder kleine Lichter im großen Schatten auszumachen.

Zum Zweiten ist es eine sehr gängige Methode bei Tarifabschlüssen, diese möglichst nicht nachrechenbar zu gestalten: Tariferhöhungen, die in die Lohnstruktur eingehen, werden mit Einmalzahlungen vermengt. Gerne können einzelne Positionen in einzelnen Bereichen zeitlich verschoben, manchmal können bestehende Zahlungen angerechnet werden. Das Ganze dann unterschieden nach Einkommenshöhe usw. Das lässt jede Menge Spielraum für Schönrechnerei.

Ver.di hat diesmal vor allem auf den Trick gesetzt, die Minderheit der Beschäftigten in Krankenhäusern besserzustellen gegenüber allen anderen, die Reallohnverlust erleiden werden. Die Krankenhausbeschäftigten, die noch im öffentlichen Dienst arbeiten und für die der Tarif gilt, stellen übrigens auch nur die Minderheit der Gesamtbeschäftigten in diesem Sektor dar. Ver.di hat also als Preis für diese Abschlusskosmetik mit einer neuen Spaltungslinie bezahlt, mit einem hohen Frust bei der Masse der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und besonders bei denen, die an anderer Stelle im Gesundheitswesen arbeiten, zum Beispiel als RettungssanitäterInnen oder in den Gesundheitsämtern.

Es ist also ein Fehler für Linke, dies mit dem reinen Geldbeutelblick zu analysieren und als „gut für die einen, schlecht für die anderen“ zu befinden. Die Spaltung schwächt die gesamte Klasse, auch diejenigen, die noch ein paar Rosinen abbekommen. Sie ist vor allem schlecht in einer Zeit, in der die Klasse als Ganzes angegriffen wird und zwar nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch, wo dieser Angriff vom bürgerlichen Staat organisiert wird, aber auch von rechten PopulistInnen. Heute, wo es so bitter nötig ist, dass wir die Perspektive „uns als Klasse gemeinsam gegen Kapital und Staat zu wehren“ gegen nationalistische und rassistische Demagogie verbreiten, sind der Reallohnverlust und die Entsolidarisierung durch diesen Tarifabschluss politisch verheerend. Sie stellen genauso eine Spaltung der Klasse dar wie die Standortpolitik der IG Metall, die die Beschäftigten dazu erzieht, ihre Interessen auf Kosten der LeiharbeiterInnen und der KollegInnen bei der Konkurrenz im eigenen Konzern, in anderen Unternehmen oder in anderen Ländern zu sichern.

Die Halbherzigkeit in der Analyse, das Bemühen, auch da noch Licht zu sehen, wo keines ist, fällt im Grunde auf die Strickmuster der Bürokratie für Tarifabschlüsse und zugleich auf deren ökonomistische, unpolitische Herangehensweise herein. Das wird dann auch bei Schlussfolgerungen deutlich, die von den meisten Linken gezogen werden. Fast alle weigern sich, eine Niederlage zu erkennen, wo sie stattfindet. Aber aus Niederlagen muss man lernen. Das gilt für Linke ebenso wie für gewerkschaftliche AktivistInnen und die große Masse.

Die entscheidende Antwort auf eine Führung, die bewusst Niederlagen organisiert, ist der Kampf für eine neue!

Kritik von links auf halbem Wege

Dies formuliert am klarsten die VKG: „Festzuhalten ist: Zu einem solch umfassenden Kampf war die Gewerkschaftsführung offenbar nicht bereit, einen solchen wagen sie seit langem nicht mehr zu führen. Und von der Basis her gab es die große Druckwelle nicht, die den Apparat in diese Richtung unter Druck gesetzt hätte. Dies hängt auch damit zusammen, dass auf gesamtgewerkschaftlicher Ebene eine sichtbare klassenkämpferische Strömung fehlt, die für Unentschlossene eine Orientierungshilfe oder Ermutigung hätte sein können. Diese gilt es aufzubauen.“ Leider scheut sich auch diese Erklärung, eine Niederlage als das zu bezeichnen, was sie ist. Unsere GenossInnen im Koordinationskreis der VKG sind hier in der Minderheit geblieben.

Auch die Sol, ebenfalls Teil der VKG , fordert in ihrer Erklärung: „Nun geht es darum, eine kämpferische Opposition innerhalb von ver.di aufzubauen, um zukünftig wirkliche Verbesserungen zu erreichen.“

Die SAV, obwohl auch Teil der VKG, kann sich in ihrer eigenen Erklärung nicht dazu entschließen, eine Opposition in den Gewerkschaften als Perspektive anzugeben. Sie beschränkt sich darauf, von der Gewerkschaftsführung den Bruch mit der Großen Koalition und der SPD zu fordern: „Für eine solche politische Kampagne muss sich die Gewerkschaftsführung aber mit den Parteien in der Großen Koalition im Bund anlegen, anstatt der SPD bei den Wahlen weiter die Treue zu halten.“

Ja, sie kritisiert die ver.di-Führung nur dafür, eine „Gelegenheit verpasst“ zu haben, „Kämpfe zusammenzuführen und die nötige gesellschaftliche Antwort in diesen Zeiten zu geben und den Widerstand aufzubauen.“ Ob Werneke für solche guten Ratschläge ein offenes Ohr hat?

Olaf Harms in der UZ beschreibt sehr richtig, was politisch nötig wäre: der Kampf gegen Fallpauschalen und Privatisierung sowie für Arbeitszeitverkürzung (AZV): „Es gilt nun nicht nachzulassen, den gestiegenen Kampfgeist auch angesichts der offensichtlichen Widersprüche in dieser Krise zu nutzen, weiter zu diskutieren und zu kämpfen: Für mehr Personal, kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen. Eine Erhöhung des Personals in den Krankenhäusern ist entsprechend des tatsächlich vorhandenen Bedarfes mittels einer Personalbemessung notwendig. Mit den bestehenden Fallpauschalen ist das nicht zu machen – sie müssen weg. Nach der überfälligen Angleichung der Arbeitszeiten von Ost an West muss endlich die Forderung über eine grundlegende Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich verhandelt werden – 30 Stunden die Woche sind genug. Und es geht um den Kampf gegen Privatisierungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge.“

Aber er verschweigt, dass diese Forderungen und Ziele bewusst von der Führung aus dem Tarifkampf ausgeklammert worden waren: Die AZV war schon ein Beschluss des letzten Gewerkschaftstages. Dass die Privatisierung und die Fallpauschalen angegriffen werden sollten, dafür gab es Beschlüsse vor der Tarifrunde. Die Frage nicht aufzuwerfen, warum die Bürokratie, das verhindern wollte und verhinderte, heißt letztlich, deren Politik abzudecken und den BasisaktivistInnen zu raten, einfach tapfer weiterzukämpfen, so wie es auch die reformistischen FührerInnen der Gewerkschaften immer nach Niederlagen tun.

Auch RIO greift in ihrer ersten Stellungnahme einen richtigen Ansatz auf: Sie schlägt vor, von der Basis her die Ablehnung des Tarifergebnisses zu organisieren. „Das Verhandlungsergebnis muss von allen Beschäftigten abgestimmt werden und das Abstimmungsergebnis sollte mit einfacher Mehrheit für die Bundestarifkommission (BTK) und alle Gremien von ver.di bindend sein.“ In einem anderen Artikel wird gefordert: „Es braucht, besonders jetzt nach dem Tarifabschluss, demokratische Online-Versammlungen der Beschäftigten und ein Programm, um gewerkschaftlich Druck für weitere Kämpfe aufzubauen.“ Wie aber eine Bewegung der Basis in einer Organisation organisiert werden soll, deren Organisationsstrukturen von der Bürokratie beherrscht werden, sagt RIO nicht – auch wenn sie generell eine scharfe Kritikerin der Bürokratie ist. Der Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung kann aber nicht mit einer spontanen Bewegung von unten gleichgesetzt werden, insbesondere wenn jeder Spontaneismus von Corona gedämpft wird.

Bleiben noch die Stimmen aus dem postautonomen Spektrum. Im AK schrieben Daniel und Lisa (IL) noch vor dem Abschluss zu Recht, dass „ es sich bei den aktuellen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst um eine Schlüsselauseinandersetzung in den heraufziehenden Verteilungskämpfen um die Finanzierung der Krisenkosten handelt. Ihre politische Bedeutung geht jedoch über eine bloße Umverteilung von Geldern hinaus, denn diese Tarifrunde ist auch ein feministischer Kampf: Sie betrifft wichtige Bereiche des öffentlich verwalteten gesellschaftlichen Reproduktionssektors.“ Aber schon da verzichteten sie darauf, die Führung dieser Tarifrunde durch ver.di auch nur mit einem Wort an dieser politischen Erkenntnis zu messen. Vielmehr wird die Unverschämtheit der Arbeit„geber“Innen beklagt und ver.di noch für den „Gesundheitstisch“ gelobt. Dabei war schon damals klar, dass dieser keineswegs die ursprünglichen, schon fallengelassenen Forderungen nach Privatisierung, Abschaffung der Fallpauschalen, Personalbemessungsschlüssel verfolgen würde, sondern die Spaltung der ÖD-Belegschaften vorbereitete.

So fokussiert der Artikel auf die Bewusstseinserweiterung der Beschäftigten:

„Wir haben es den erfolgreichen Kämpfen der letzten Jahre zu verdanken, dass es überhaupt zu einem Konflikt kommt und ver.di eine Nullrunde – und damit den Einstieg in die nächste Runde Austeritätspolitik – nicht einfach akzeptiert. Auch dass der Widerspruch zwischen Dankbarkeit und materieller Anerkennung so deutlich zutage tritt, ist ein Erfolg der vergangenen Kämpfe von Krankenhausbeschäftigten. Es ist unsere Aufgabe als radikale Linke, genau in diese Widersprüche zu intervenieren und uns mit den Beschäftigten aktiv zu solidarisieren.“ Also ver.di ist irgendwie scheiße und hätte am liebsten ’ne Nullrunde akzeptiert, aber wir haben keine politische Kritik daran, solidarisieren uns mit den Beschäftigten, helfen ihnen aber nicht gegen die Bürokratie. Das ist eine „radikale Linke“ so recht nach dem Geschmack von Frank Werneke.

Ähnlich die RAS aus Stuttgart. Ihre Unterorganisation „Solidarität und Klassenkampf“ benennt in ihrer Analyse viele der Schwachstellen des Ergebnisses und geht von einer starken Ablehnung dessen aus: „Deshalb fordern wir auch alle Beschäftigten auf, bleibt ver.di Mitglieder! Nichts wäre falscher, als auszutreten und unsere Kampfkraft zu schwächen.“ (https://solidaritaet-und-klassenkampf.org/2020/10/ein-respektables-ergebnis-oder/) Aber der Vorwurf der Schwächung wird keineswegs an die Führung gerichtet und es wird auch kein Kampf gegen diese propagiert jenseits dessen, das Ergebnis in Abstimmungen abzulehnen.

Das Fehlen einer expliziten Kritik am Vorgehen des Apparates in Verbindung mit der Perspektive, dass die Beteiligung an den Streiks nur größer werden müsste, um mehr Druck auf die Arbeit„geber“Innenseite aufzubauen, um ein besseres Ergebnis zu erzielen, bedeutet: Es wird letztlich die Schuld der Gewerkschaftsbasis in die Schuhe geschoben, die halt noch nicht so weit sei.

Stattdessen sollen die Unzufriedenen für den Sozialismus kämpfen: „Wir wollen aber mehr als die Gewerkschaften. Uns geht es nicht nur um ein paar Prozente mehr oder weniger, sondern um ein grundlegend anderes System.“ Der Weg dahin ist natürlich „lang“. Deshalb tut es auch den reformistischen BürokratInnen nicht weh, wenn die GenossInnen der RAS ihnen heute brav keine Steine in den Weg legen.

Hoher Aktivismus, wie ihn die RAS und ihr Umfeld an den Tag legen, ist gut. Aber er ist kein Mittel um die rechten, prokapitalistischen Positionen des Gewerkschaftsapparats zu bekämpfen. Einflussnahme der Basis, wie sie RIO propagiert, ist nötig im Kampf gegen die Bürokratie, aber sie braucht noch Organisierung unabhängig von jener und ein entsprechendes politisches Kampfprogramm. Die VKG und die darin aktiven Gruppen haben den Schritt gemacht, die aktuellen Kämpfe mit dem permanenten Eintreten für den Aufbau einer antibürokratischen Opposition in den Gewerkschaften zu verbinden.

Es sind Auseinandersetzungen wie dieser Tarifkampf, die aufzeigen, was das Ziel einer solchen Opposition sein muss: Eine Verankerungen in den Betrieben aufzubauen und eine Struktur, die die das Monopol der Bürokratie in der Propaganda und der Aktion durchbrechen kann: eine klassenkämpferische Basisbewegung.

Wir wenden uns an alle kritischen und unzufriedenen KollegInnen genauso wie an die Organisationen der radikalen Linken, die diesen Abschluss kritisch bewerten: Zieht die entscheidende Konsequenz aus dieser Niederlage: Bauen wir gemeinsam die VKG auf, bündeln wir unsere Kräfte gegen die Bürokratie und führen wir eine solidarische Debatte, um unsere Differenzen zu klären!




Tarifrunde öffentlicher Dienst: ver.di kapituliert!

Mattis Molde/Helga Müller, Infomail 1123, 28. Oktober 2020

Es war zu befürchten. Nach dem „Angebot“ von 3,5 % für eine Laufzeit von drei Jahren, das die ver.di-Spitze als „dreist, respektlos, provokant“ bezeichnet hatte, schloss sie am 26. Oktober minimal über diesem Angebot ab. Der Empörung der ver.di-Spitze waren vor der letzten Verhandlungsrunde nur halberzige Bemühungen gefolgt, die Warnstreik-Aktionen zu steigern. Wenn es solche gab wie z. B. im Krankenhausbereich, dann lag das tatsächlich an der Empörung von Belegschaften über dieses skandalöse „Angebot – ein klares Indiz dafür, dass trotz der Provokation ein Abschluss um fast jeden Preis angestrebt wurde.

Corona musste als Begründung dafür herhalten, schon im Vorfeld von Aktionen diese aktiv zu demobilisieren. Einzelne lokale GeschäftsführerInnen erklärten, dass „weniger TeilnehmerInnen“ sogar besser wären. Gegen Demonstrations- und Versammlungsauflagen von Seiten der Ordnungsbehörden wurde nicht juristisch vorgegangen. Die Niederlage zeichnet sich damit schon in der Vorwoche ab.

Die ver.di-Verantwortlichen verzichten in ihren Stellungnahmen zum Abschluss im öffentlichen Dienst nicht darauf, immer wieder zu wiederholen, dass sie die Tarifauseinandersetzung gar nicht gewollt hätten, sondern ihnen diese von den öffentlichen Arbeit„geber“Innen aufgezwungen worden wäre. Eine Haltung, die sie auch während der gesamten Tarifauseinandersetzung oft geäußert hatten.

All das wirft ein Licht darauf, dass ver.di während der ganzen Tarifrunde vermieden hatte, diese als eine politische Auseinandersetzung anzusehen und sie entsprechend zu führen. Das „Angebot“ der Arbeit„geber“Innenseite vom Freitag, den 16. Oktober, mit einer Laufzeit von 3 Jahren und 6 Null-Monaten vorneweg, der Absenkung der Sonderzahlung im Sparkassenbereich, Abgruppierungsforderungen und dem ständigen Verweis auf die leeren Kassen und deshalb geforderte „notwendige Planungssicherheit für die Kommunen“ zeigten ganz deutlich, dass die „Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber“ (VKA) die Krisenlasten auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst abwälzen wollte und dies weiterhin will. Dass die Spitze der Angriffe, der Versuch der Abgruppierung in dieser Tarifrunde, zunächst einmal abgewehrt werden konnte, ist den vielen Warnstreiks vor allem in den letzten Wochen – auch in Bereichen, die vorher als nicht mobilisierbar galten – zu verdanken!

Ergebnis

Dies Ergebnis stellt den Versuch der Bürokratie dar, auch in der Krise das übliche Spiel der SozialpartnerInnenschaft fortzusetzen, wenn auch mit einigen Besonderheiten. Dazu gehört die lange Laufzeit von 28 Monaten mit mindestens 7 Monaten, in denen es außer der gestaffelten „Corona-Prämie“ (als Einmalzahlung, die nicht tabellenwirksam wird) nichts gibt. Die ersten linearen  Erhöhungen beginnen erst ab 1. April 2021 mit 1,56 % und ab 1. April 2022 1,8 % mit einer Laufzeit bis 31.12.2022 (1 Jahr weniger als die öffentlichen Arbeit„geber“Innen wollten). Für dieses Jahr bedeutet das Ergebnis nicht mal einen Ausgleich der Inflationsrate.

Auch wenn man den Mindestbetrag von 50,- Euro ab 1. April 2021 dazurechnet, der die unteren Lohngruppen etwas besserstellt – was grundsätzlich zu begrüßen ist –, und auch wenn man die Jahressonderzahlungen (umgangssprachlich: Weihnachts- und Urlaubsgeld) dazurechnet, die ab 2022 um 5 % erhöht werden sollen, ist jetzt schon abzusehen, dass dies auch für die nächsten beiden Jahren gelten wird. Das bedeutet: Reallohnverlust auf Dauer! Nichts ist davon zu spüren, dass der öffentliche Dienst für Nachwuchs- und Fachkräfte attraktiver werden soll, um deren Mangel entgegenzuwirken. Die Bezahlung bleibt vielmehr weiter weit hinter der Privatwirtschaft zurück!

Auch wenn für die Pflegekräfte und ÄrztInnen im Vergleich zu den Beschäftigten in anderen Bereichen mehr vereinbart wurde – so bekommen z. B. Pflegekräfte ab März 2021 eine Zulage von 70 Euro und ab März 2022 nochmals 50 Euro mehr und die Zulage im Intensivbereich steigt zum gleichen Zeitraum von 46,02 auf 100 Euro –, wird auch das nicht dazu beitragen, das eigentliche Problem, nämlich die nicht ausreichende Anzahl an Pflegekräften, irgendwie zu lösen. Mit dem Beginn der zweiten Corona-Infektionswelle und der zunehmenden Zahl von PatientInnen, die eine Intensivbehandlung benötigen, wird sich diese zusätzliche Belastung durch Personalmangel nicht ändern lassen.

In anderen Bereichen, wie z. B. bei den Sparkassen, wurde zwar der generelle Eingriff in die Reduzierung der Sonderzahlung um 20 Prozent abgewehrt. Stattdessen wurde aber ein Deal auf Kosten der Beschäftigten vereinbart: Sie erhalten ab 2021 einen zusätzlichen und ab 2022 zwei zusätzliche freie Tag/e, dafür aber wird die Sonderzahlung entsprechend reduziert und zusätzlich kann diese Sonderzahlung weiter abgesenkt werden durch die freiwillige Inanspruchnahme von zusätzlichen freien Tagen. Also eine Arbeitszeitreduzierung, die die KollegInnen selbst bezahlen dürfen, und die Reduzierung der Sonderzahlung wurde damit mit Gewerkschaftshilfe ermöglicht. Für die Beschäftigten bringt sie ebenfalls Reallohnverzicht.

Im Flughafenbereich laufen derzeit aufgrund der Corona-Krise Verhandlungen um sogenannte Notlagentarifverträge, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließen sollen. Auch hier ein Deal: Die Arbeit„geber“Innen erhalten dafür als Gegenleistung von den Beschäftigten die Möglichkeit, die ausgehandelten Tariferhöhungen befristet nach hinten zu schieben! Also auch hier bezahlen die Beschäftigten für die Auswirkungen der wirtschaftlichen Einbrüche.

Maßgeschneidert für wen?

Ver.di verkauft diesen Abschluss als ein maßgeschneidertes Ergebnis und bezogen auf die verschiedenen Beschäftigtengruppen als positiv. Der Versuch der Arbeit„geber“Innenverbände, die Beschäftigtengruppen gegeneinander auszuspielen, sei mit diesen Abschluss abgewehrt worden. Das Eigenlob ist fehl am Platz. Die Mehrheit der Beschäftigten kann sich ausrechnen, dass sie mit dem ersten Angebot vom Wochenende nicht oder nicht viel schlechter gefahren wären. Bis auf die Pflegekräfte, KollegInnen im Intensivbereich und ÄrztInnen im Gesundheitsamt haben alle Beschäftigtengruppen einen Lohnverzicht und auch Eingriffe in Regelungen des Tarifvertrages hinnehmen müssen. Es gibt hier also nichts zu beschönigen.

Die Bundestarifkommission hat diesen Abschluss mit großer Mehrheit angenommen. Es gibt noch eine sogenannte Erklärungsfrist bis zum 26. November, innerhalb welcher der Abschluss von beiden Seiten noch abgelehnt werden kann. Ver.di ruft auf, diesen Abschluss in den Büros, Kliniken, Dienststellen zu diskutieren.

Auch wir denken, die Beschäftigten sollten tatsächlich auf Mitglieder-, Betriebsversammlungen über dieses Ergebnis insgesamt diskutieren und ihre Meinung auch an den Bundesvorstand, an die Fachbereichsvorstände und an die Bundestarifkommission schicken. Dafür ist aber auch notwendig, dass die KollegInnen sich selbst ein Bild über diesen doch sehr komplexen Abschluss bilden können, ohne vorgefasste Meinung von Seiten der GewerkschaftssekretärInnen, BetriebsrätInnen oder Tarifkommissionsmitglieder, die die Beschäftigen in Richtung Annahme des Ergebnisses drängen wollen. Viele Stellungnahmen von Beschäftigten zeigen einen großen Ärger über diesen Abschluss.

Dieser Ärger darf nicht der Resignation weichen und auch nicht isoliert bleiben. Dieser Abschluss macht deutlich, dass es immer dringlicher wird, dass die KollegInnen selbst über die Forderungen, über die Vorgehensweise in der Tarifauseinandersetzung und über die Verhandlungen selbst diskutieren und entscheiden müssen.

Die Einführung von TarifbotschafterInnen als Delegierte aus den Betrieben und Dienststellen und Zusammenführung in Videokonferenzen war sicherlich ein Schritt, die Vorgehensweise transparenter zu machen, aber solange die KollegInnen nicht selbst miteinander diskutieren und die Tarifkommissionsmitglieder nicht auf die Umsetzung der Beschlüsse der Beschäftigten verpflichtet werden können, wird es immer zu Abschlüssen kommen, die den Arbeit„geber“Innen nicht zu sehr weh tun und sie noch zusätzlich dazu ermuntern, noch weiter zu gehen. Aber alleine reicht das nicht.

Herbe Niederlage

Der Tarifabschluss stellt eine herbe Niederlage dar. Das „Handelsblatt“ kommt zu der Einschätzung, dass „die Kosten des Abschlusses … nur um rund 100 Millionen Euro über der Summe“ des letzten Angebotes lägen. 100 Millionen mehr für 2,3 Millionen Beschäftigte bedeutet im Klartext: Weniger als 50 Euro pro Beschäftigter/m beträgt für Frank Werneke die Differenz zwischen einem „respektlosen“ Angebot und dem „respektablen Abschluss“, den er jetzt unterschrieben hat.

Diese Niederlage besteht aber nicht nur in dem miesen materiellen Ergebnis, das die Belastungen durch Inflation und die Corona-Krise für die große Masse der KollegInnen nicht ausgleichen kann. Sie besteht darin, dass der gesamte ver.di-Apparat wie auch die Führungen der anderen Gewerkschaften, der SPD und LINKEN dabei mitspielen, die Lasten der kapitalistischen Krise auf die arbeitende Bevölkerung abzuladen. Sie alle akzeptieren es, alleine der Lufthansa eine fast  doppelt so hohe Summe in den Rachen zu werfen, wie dieser Tarifabschluss über fast drei Jahre umfassen soll, der allgemein mit 4,9 Milliarden veranschlagt wird.

Dahinter steht die politische Unterwerfung der reformistischen Führungen mit dem Ziel, das System aufrechtzuerhalten und dabei mitzuspielen, damit in dieser weltweiten Krise „Deutschland besser durchkommt als die anderen“, wie es Merkel formuliert. Frei nach dem Motto: Geht es den Herrschenden wieder gut, geht es auch deren Lohnabhängigen wieder besser.

Dieses Vorgehen und die dahinter stehende, bestenfalls naive Hoffnung macht die ArbeiterInnenklasse nicht nur ärmer, sie entwaffnet sie auch politisch: Wenn ver.di auf diesen frechen und durchaus einschneidenden Angriff des Kapitals und seines Staates nicht mit ernsthafter Mobilisierung und Vorbereitung eines Streiks antwortet, was soll dann geschehen, wenn sich die Krise verschärft?

Dieses Ergebnis ist aber auch ein Alarmsignal an alle unzufriedenen, kämpferischen Kolleginnen und Kollegen im Öffentlichen Dienst wie an alle Linken und AntikapitalistInnen: Aus Niederlagen muss man lernen! Es gilt, eine Opposition in den Betrieben und Verwaltungen, in den Gewerkschaftsstrukturen und den Betriebs- und Personalräten aufzubauen, eine klassenkämpferische Bewegung der Basis! Wir müssen uns vernetzen und gemeinsame politische Antworten finden. Wir müssen Forderungen an die Gewerkschaftsführungen stellen – nicht, weil wir auf sie hoffen, sondern weil wir sie daran messen wollen, was nötig ist, und zugleich alle unzufriedenen Kolleginnen und Kollegen um diese gruppieren müssen.

Die Tarifauseinandersetzungen um den öffentlichen Personennahverkehr laufen noch. Die Stellenbesetzungen in den Krankenhäusern sind immer noch unterirdisch. In anderen Bereichen wie Handel oder Metall drohen Entlassungen. Wir brauchen eine gemeinsame Antwort auf diese Krise. Eine Führung, die solche Tarifabschlüsse organisiert, ist ein Teil des Problems und nicht der Lösung.